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Beratervertrag – Auskunfts- und Herausgabepflichten des Auftragnehmers bezgl. Verträge

OLG Koblenz 12. Zivilsenat – Az.: 12 U 1695/19 – Urteil vom 15.06.2020

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 23.08.2019, Az. 1 O 255/17, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen über Anzahl und Inhalt der zwischen dem Beklagten und dem Kläger geschlossenen Beratungsverträge.

2. Der Beklagte wird verurteilt, die nach seiner Auskunft zwischen dem Beklagten und dem Kläger geschlossenen Beratungsverträge in Kopie an den Kläger herauszugeben.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger, der neben seinen beiden Brüdern Miterbe eines Nachlasses in zweistelliger Millionenhöhe ist, beauftragte den Beklagten im Jahre 2013 mit der Vertretung seiner Interessen im Verwaltungsbeirat der Familie des Klägers (Familie …[A]). Ein Vertragsexemplar des der Tätigkeit des Beklagten zugrundeliegenden Beratervertrages befindet sich im Besitz des Beklagten. Gleiches gilt bezüglich eines zwischen den Parteien ebenfalls abgeschlossenen Steuerberatungsvertrages.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger Auskunft über Anzahl und Inhalt der zwischen ihm und dem Beklagten abgeschlossenen Beratungsverträge, sowie die Herausgabe entsprechender Kopien der Verträge. Er trägt insoweit vor, er wisse nicht mehr, wie viele (Beratungs-)Verträge mit welchem Inhalt er mit dem Beklagten geschlossen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Sachverhaltsdarstellung im Übrigen wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit seinem am 22.08.2019 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund der Tatsache, dass der Kläger ursprünglich im Besitz der Vertragsexemplare gewesen sei und der Kläger im Beisein des Zeugen …[B] im Jahre 2015 bei dem Beklagten Einsicht in die Verträge genommen habe, sei dem Beklagten eine erneute Auskunft bzw. eine diesbezügliche Übergabe von Kopien unzumutbar.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen, über Anzahl und Inhalt der zwischen ihm und dem Beklagten geschlossenen Beratungsverträge;

2. den Beklagten zu verurteilen, die nach seiner Auskunft zwischen dem Beklagten und ihm geschlossenen Beratungsverträge in Kopie an ihn herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete und im Übrigen auch zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg.

Der Kläger hat Anspruch gegen den Beklagten sowohl auf Auskunft (Anzahl und Inhalt der zwischen ihm und dem Kläger geschlossenen Beratungsverträge), als auch auf Herausgabe von Kopien der sich aus der Auskunft ergebenden Verträge aus § 675 BGB i. V. m. § 666 BGB.

Gemäß § 666 BGB ist der Beauftragte verpflichtet, dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen. Den Auftragnehmer treffen umfassende Auskunfts- und Informationspflichten. Inhalt und Umfang der geschuldeten Auskunft bestimmen sich nach dem Gegenstand der Besorgung, der Üblichkeit im Geschäftsverkehr, dem Zweck der Pflicht zur Information des Auftraggebers über den Stand des Geschäfts und danach, was von dem Beauftragten unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben an Informationen erwartet werden kann (BGH in NJW 1964, 4469; BGH in NJW 1990, 510; BGH in NJW-RR 2016, 1391; Palandt/Sprau, BGB, 78. Auflage, § 666 Rn. 3). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings auch der Maßstab der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit (BGH III ZR 133/17, Beschluss vom 08.03.2018, juris).

Entgegen der auch mit der Berufung vertretenen Auffassung des Beklagten liegt nach der Überzeugung des Senats auf Seiten des Klägers ein berechtigtes Informationsinteresse (siehe hierzu Palandt/Sprau, BGB, 78. Auflage, § 666 Rn. 1) vor. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2019 unstreitig gestellt, dass auf Seiten des Klägers mögliche bestehende Verträge mit dem Beklagten nicht auffindbar sind. Der Kläger hat substantiiert dargetan er wisse schlicht (zumindest jetzt) nicht mehr, wie viele (Beratungs-)Verträge er mit welchem Inhalt mit dem Beklagten geschlossen habe. Es steht somit entgegen der Auffassung des Beklagten gerade nicht fest, dass der Kläger die begehrten Informationen nicht benötigt (hierzu BGH in NJW-RR 2016, 1391). Ebenso wenig kann sich der Beklagte – wie mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 08.06.2020 betont – darauf berufen, die Auskunft zu obigem Tenor zu 1. bereits erteilt zu haben, da dem Kläger aus den erteilten Rechnungen die zu Grunde liegenden Verträge bekannt seien. Durch diese – unstreitig übersandten und dem Kläger bekannten – Rechnungen ist der Klageantrag zu 1. schon aus dem Grund nicht konkludent erfüllt worden, dass weitere, aktuell nicht „aktive“ und damit zu Rechnungen führende Verträge denkbar sind.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Annahme des Landgerichts auch nicht aus der Tatsache, dass der Kläger im Beisein des Zeugen …[B] im Jahre 2015 bei dem Beklagten Einsicht in die Beratungsverträge genommen hat. Der Senat erkennt nicht, inwieweit sich aus einer Einsichtnahme im Jahre 2015 eine gesicherte Kenntnis über den Inhalt der Verträge in der Folgezeit ergeben soll. Eine belastbare „Rekonstruktion“ des Inhalts der Verträge aus der bloßen Erinnerung hinaus dürfte nach der Überzeugung des Senats nicht möglich sein. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger noch nicht einmal sicher weiß, wie viele Verträge er mit dem Beklagten abgeschlossen hat.

Dem Erfolg der Klage steht es auch nicht entgegen, dass der Kläger sich im Ergebnis „aus eigenem Verschulden“ nicht im Besitz der Verträge befindet. Der Auftraggeber kann sich die Auskunft bei Bedarf (Verlust, Aktualisierung) auch wiederholt und noch nachträglich nach Abschluss des Geschäfts geben lassen. Voraussetzung ist es, dass er die Auskunft benötigt und dem Beklagten die Erteilung nicht unzumutbar ist. Der Auskunftsanspruch ist hingegen nicht auf den Fall beschränkt, dass der Auftraggeber schuldlos in Unkenntnis ist (BGH XI ZR 183/00, Urteil vom 30.01.2011, juris). Dies erfasst auch den Fall, dass dem Auftraggeber die entsprechenden Unterlagen (sei es auch schuldhaft) abhanden gekommen sind. Sofern sein Auskunftsverlangen nicht mutwillig oder missbräuchlich erscheint, ist es unerheblich, wie und warum er in die Lage geraten ist, erneut um Auskunft zu bitten (BGH XI ZR 193/91, Urteil vom 28.04.1992, juris).

Entgegen der weiter in der Berufungsinstanz vertretenen Auffassung des Beklagten steht es einer Zuerkennung des Anspruchs gemäß § 666 BGB auch nicht entgegen, dass der Kläger mit seiner Klage kein (erkennbares) gerichtliches Ziel verfolgt. § 666 BGB setzt keinen weitergehenden Anspruch voraus, dessen Vorbereitung einer Geltendmachung die begehrte Auskunft dienen soll (BGHZ 107, 104; BGH XI ZR 91/88, Urteil vom 28.02.1989 juris; OLG Frankfurt in MDR 1966, 503).

Schließlich geht der Senat, anders als das Landgericht, auch nicht davon aus, dass dem Beklagten die Erteilung einer nochmaligen wiederholten Information unzumutbar ist. Soweit das Landgericht diese Unzumutbarkeit aus der Tatsache herzuleiten versucht, dass dem Kläger die erforderlichen Informationen von Seiten des Beklagten bereits (zweimal) erteilt worden sind, kann dies dem Kläger nach den obigen Ausführungen des Senats gerade nicht entgegengehalten werden. Wie bereits oben ausgeführt steht auch ein „verschuldeter“ Informationsverlust der Geltendmachung des Anspruchs aus § 666 BGB nicht entgegen. Nach der Überzeugung des Senats kann bei der Beurteilung der Frage der Unzumutbarkeit auch nicht der Aufwand außer Acht gelassen werden, den der Beklagte betreiben muss, um dem Kläger die erforderlichen Informationen zu verschaffen. Dieser Aufwand beschränkt sich vorliegend auf die Mitteilung der Art und der Anzahl der Verträge und der die Anfertigung und Übersendung von entsprechenden Fotokopien. Der Aufwand dürfte damit einen zu vernachlässigenden Umfang einnehmen. Weitergehende Recherchen muss der Beklagte erkennbar nicht durchführen. Zudem war auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte aus den Vertragsverhältnissen mit dem Kläger bereits Honorarforderungen in mehrfach sechsstelliger Höhe generiert hat.

Soweit der Beklagte schließlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, er fühle sich weiterhin an eine ursprünglich durch den Kläger selbst erteilte Weisung gebunden, verkennt er, dass es sich bei dem im Termin vom 25.05.2020 erschienen Prozessbevollmächtigten des Klägers um den bevollmächtigten Vertreter des Klägers handelt. Dieser ist durch den Willen des Klägers aufgrund seiner Vollmacht zur Vertretung berufen (Zöller/Vollkommer, ZPO; 32. Auflage, Vor § 78 Rn. 2). Der Beklagte sieht sich somit sehr wohl dem Herausgabeverlangen des Klägers ausgesetzt, ohne dass dieser persönlich ein solches Verlangen ihm gegenüber artikulieren müsste. Einer förmlicheren Entpflichtung als durch die vorliegend erfolgte Klageerhebung bedurfte es daher für den Beklagten nicht. Ebenso wenig sieht er sich bei einer Erfüllung der klageweise geltend gemachten Ansprüche im Verhältnis zum Kläger einer Parteiverratsgefahr ausgesetzt – wem auch immer der Kläger den Vertragstext nach Erfüllung der Klageansprüche zugänglich machen sollte.

Im Ergebnis war somit der Beklagte zur Erteilung der begehrten Auskunft und zu der Herausgabe der sich aus dieser Auskunft ergebenden, mit dem Kläger geschlossenen Beratungsverträge in Kopie zu verurteilen. Insofern konnten auch beide Klageanträge zugleich beschieden werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die grundsätzlichen Fragen zum Auftragsrecht sind bereits hinreichend geklärt. Im Übrigen stellt der vorliegende Fall eine geradezu klassische Einzelfallentscheidung dar, was sich auch in der mehrzeiligen Aneinanderreihung der Besonderheiten des vorliegenden Falles zeigt, mit welchen der Beklagte in seinem nachgereichten Schriftsatz vom 08.06.2020 die dort begehrte Revisionszulassung begründet.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 30.000,00 € festgesetzt.

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