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Berechnung des Wärmepumpen-Lärms nach TA Lärm: 26,2 dB(A) im reinen Wohngebiet

Nachbarn klagten im reinen Wohngebiet gegen den Bau zweier Mehrfamilienhäuser und die damit verbundene Berechnung des Wärmepumpen-Lärms nach TA Lärm. Die Kläger führten zudem Formfehler im Bebauungsplan an, doch das Gericht prüfte nur, ob der Schall die Nachbarn überhaupt betrifft.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 K 597/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Verwaltungsgericht Karlsruhe
  • Datum: 30.10.2024
  • Aktenzeichen: 2 K 597/24
  • Verfahren: Klage gegen eine Baugenehmigung des Nachbarn
  • Rechtsbereiche: Baurecht, Immissionsschutzrecht, Nachbarrecht

  • Das Problem: Nachbarn klagten gegen die Baugenehmigung für zwei Mehrfamilienhäuser. Sie hielten das Bauvorhaben für zu groß und befürchteten unzumutbaren Lärm durch zwei geplante Luft-Wasser-Wärmepumpen.
  • Die Rechtsfrage: Verletzt die erteilte Baugenehmigung die Nachbarn in ihren schützenden Rechten, insbesondere durch die Größe der Gebäude oder den zu erwartenden Lärm?
  • Die Antwort: Nein. Die Klage wurde abgewiesen. Das Gericht sah keine Verletzung nachbarschützender Rechte.
  • Die Bedeutung: Bei Bauvorhaben muss der von Wärmepumpen ausgehende Lärm anhand der tatsächlichen Höchstwerte berechnet werden. Die berechneten Immissionen lagen im schallreduzierten Nachtbetrieb deutlich unterhalb der kritischen Schwelle für eine relevante Belästigung.

Der Fall vor Gericht


Warum scheiterte die Klage gegen die Mehrfamilienhäuser?

Ein Bebauungsplan ist das Gesetzbuch eines Stadtviertels. Er legt fest, wie hoch, wie breit und wie dicht gebaut werden darf. Ein Ehepaar aus dem Raum Karlsruhe glaubte, in diesem Regelwerk die perfekte Waffe gegen das Bauprojekt ihrer neuen Nachbarn gefunden zu haben: zu viele Stockwerke, eine zu große Grundfläche, eine zu nahe Bebauung am Wald. Sie klagten, weil sie ihre Rechte durch die Baugenehmigung für zwei Mehrfamilienhäuser verletzt sahen. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe musste ihnen eine grundlegende Wahrheit des Baurechts erklären: Nicht jede Regel in einem Bebauungsplan ist dazu da, den Nachbarn zu schützen.

Welche Regeln des Bebauungsplans schützen Nachbarn – und welche nicht?

Die Lärm-Immission der Wärmepumpe löst eine Klage des Nachbarn wegen Verletzung der TA Lärm und des Nachbarrechts aus.
Gericht wies Klage gegen Mehrfamilienhäuser ab: Bebauungsplan schützte Nachbarn nicht, Wärmepumpenlärm blieb unter Grenzwerten. | Symbolbild: KI

Die Kläger führten eine Liste von Verstößen an. Im Zentrum stand die Behauptung, eines der geplanten Häuser habe drei Vollgeschosse, obwohl der Bebauungsplan nur zwei erlaube. Sie kritisierten zudem, dass die Stadt der Bauherrin Befreiungen für die Überschreitung von Baugrenzen erteilt hatte. Solche Verstöße, so ihre Argumentation, verletzten sie direkt in ihren Rechten als Nachbarn.

Das Gericht durchkreuzte diese Argumentationslinie mit einer klaren Unterscheidung. Eine Klage gegen die Baugenehmigung eines Nachbarn hat nur Erfolg, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind. Die Genehmigung muss rechtswidrig sein UND sie muss den Kläger in seinen eigenen, speziell für ihn geschaffenen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Genau hier lag der Denkfehler der Kläger. Das Gericht stellte fest, dass die Festsetzungen zur Anzahl der Vollgeschosse oder zur Grundflächenzahl im Bebauungsplan Nr. 490 der Stadt städtebauliche Ziele verfolgen. Sie sollen das allgemeine Erscheinungsbild des Viertels prägen. Sie sind aber nicht dazu gedacht, einem einzelnen Nachbarn einen individuellen Abwehranspruch gegen jedes Bauvorhaben zu geben, das vielleicht ein Stockwerk zu viel hat. Der Plan der Gemeinde enthielt keinen erkennbaren Willen, diese Regeln als Schutzzaun für die Nachbargrundstücke auszulegen. Ohne diesen nachbarschützenden Charakter liefen die Vorwürfe der Kläger ins Leere.

Selbst bei den Befreiungen von den Baugrenzen sah das Gericht keine Verletzung. Die Stadt hatte ihr Ermessen ausgeübt (§ 31 Abs. 2 BauGB) und die Interessen abgewogen. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger war nicht erkennbar – zumal das eigene Haus der Kläger die Baugrenzen selbst deutlich überschritt.

Warum war der Lärm der Wärmepumpen der entscheidende Streitpunkt?

Die größte Sorge der Kläger galt zwei Luft-Wasser-Wärmepumpen, die auf den Dächern der Neubauten installiert werden sollten. Sie fürchteten eine konstante Lärmbelästigung und rügten, die Stadt habe die Genehmigung erteilt, ohne die Lärmimmissionen sauber zu prüfen. Dieser Punkt hatte Gewicht, denn das Gebot der Rücksichtnahme schützt Nachbarn vor unzumutbarem Lärm. Die maßgeblichen Grenzwerte liefert hier eine technische Anleitung, die sogenannte TA Lärm. In einem reinen Wohngebiet wie diesem liegt der Richtwert tagsüber bei 50 Dezibel (dB(A)) und nachts bei strengen 35 dB(A).

Die Kläger stützten ihre Sorge auf einen Wert im Datenblatt der Pumpen: 53 dB(A). Dieser Wert, so ihre Befürchtung, würde die nächtliche Ruhe massiv stören. Sie kritisierten die Genehmigung als zu unbestimmt und forderten ein detailliertes schalltechnisches Gutachten. Die Stadt und die Bauherrin hielten dagegen. Sie argumentierten, die Genehmigung sei ausreichend und die Lärmwerte seien unproblematisch. Das Gericht musste nun klären, wer die technischen Daten richtig liest.

Wie berechnete das Gericht den Lärm ohne teures Gutachten?

Das Gericht vollzog eine schalltechnische Prüfung, die auf einer einfachen und nachvollziehbaren Logik basiert. Es benötigte dafür kein neues Gutachten, weil die Faktenlage für eine überschlägige Berechnung ausreichte.

Der erste Schritt war die Klärung des korrekten Ausgangswertes. Das Gericht belehrte die Kläger, dass der von ihnen zitierte Wert von 53 dB(A) ein sogenannter ErP-Wert ist. Dieser beschreibt die Lautstärke der Pumpe an einem bestimmten, standardisierten Betriebspunkt für die Energieverbrauchskennzeichnung. Er ist aber nicht der maßgebliche Wert für die Lärmbelästigung. Entscheidend ist der maximale Schallleistungspegel, den ein Gerät erzeugen kann. Für das geplante Modell NIBE F2120-20 betrug dieser 64 dB(A) bei Volllast. Wichtiger noch war der Wert für den schallreduzierten Nachtbetrieb: 61 dB(A). Die Stadt hatte in der Baugenehmigung genau diesen leisen Nachtbetrieb zwingend vorgeschrieben.

Der zweite Schritt war die Berechnung der Lärmankunft am Nachbarhaus. Der Abstand vom Aufstellort der Pumpen zum nächstgelegenen Fenster der Kläger betrug 22 Meter. Schall nimmt mit der Entfernung ab. Unter Anwendung der Standard-Berechnungsformeln der TA Lärm kam das Gericht zu einem klaren Ergebnis: Der am Fenster der Kläger ankommende Beurteilungspegel würde nachts bei nur 26,2 dB(A) liegen.

Dieser Wert zementierte die Entscheidung. Er liegt nicht nur deutlich unter dem Grenzwert von 35 dB(A). Er unterschreitet sogar die sogenannte Irrelevanzschwelle der TA Lärm von 29 dB(A) (Ziffer 3.2.1). Im Klartext bedeutet das: Der von den Pumpen ausgehende Lärm ist schalltechnisch so gering, dass er keinen relevanten Beitrag zur Gesamtlärmbelastung leistet. Er ist vernachlässigbar. Eine Behörde muss bei derart unkritischen Werten kein aufwendiges Gutachten fordern. Die Klage war auch in diesem entscheidenden Punkt unbegründet.

Was wurde aus den übrigen Einwänden der Kläger?

Die Kläger hatten weitere Bedenken vorgetragen: die Unterschreitung des gesetzlichen Waldabstands, der Verlust ihres Ausblicks und die mögliche Gefährdung durch eine unterirdische Quelle auf dem Baugrundstück. Das Gericht wies auch diese Punkte zurück. Die Vorschrift zum Waldabstand (§ 4 Abs. 3 LBO) dient in erster Linie dem Schutz des Waldes und seines Eigentümers, nicht dem Schutz des Nachbarn vor einer theoretischen Brandgefahr. Ein allgemeines Recht auf einen unveränderten Ausblick gibt es im Baurecht nicht. Die Sorge um eine Wasserquelle schließlich war nicht mit Fakten untermauert. Die Kläger legten keine konkreten Daten zu deren Verlauf oder Tiefe vor. Ihr Antrag auf ein teures hydrologisches Gutachten wurde als reiner Ausforschungsbeweis abgelehnt. Die Klage wurde vollständig abgewiesen. Die Kläger mussten die Kosten des Verfahrens tragen.

Die Urteilslogik

Eine Klage gegen die Baugenehmigung eines Nachbarn scheitert, wenn der Kläger lediglich Verstöße gegen allgemeine städtebauliche Regeln geltend macht, die ihm kein individuelles Abwehrrecht einräumen.

  • Abwehrrecht des Nachbarn: Ein Bauplan gewährt Nachbarn keinen automatischen Schutz gegen jede Überschreitung von Bauhöhen oder Grundflächenzahlen; diese Regeln dienen primär der städtebaulichen Gestaltung und müssen nicht zwingend drittschützende Wirkung entfalten.
  • Lärmprognose nutzt Maximalleistung: Die Behörde muss zur Berechnung der Lärmimmissionen technischer Anlagen den maximalen Schallleistungspegel des Geräts heranziehen, nicht die irreführenden Verbrauchsdaten der Hersteller, um eine korrekte Prognose nach der TA Lärm zu erstellen.
  • Grenzwerte definieren Prüfungspflicht: Unterschreitet ein berechneter Lärmpegel die Irrelevanzschwelle der TA Lärm (nachts 29 dB(A)), entfällt die Notwendigkeit, ein aufwendiges schalltechnisches Gutachten zu verlangen, da die Belastung als vernachlässigbar gilt.

Der juristische Erfolg einer Anfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung hängt maßgeblich von der präzisen technischen Beherrschung der Normen und der korrekten Einordnung des Schutzzwecks ab.


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Verletzt die Baugenehmigung Ihres Nachbarn schützende Rechte wie im Immissionsschutz? Kontaktieren Sie uns für eine erste rechtliche Einschätzung Ihres Falles.


Experten Kommentar

Oft sind es nicht die Mauern, sondern der künftige Lärm von Wärmepumpen, der Nachbarn in den Rechtsstreit treibt. Dieses Urteil zieht eine klare rote Linie: Der bloße Verweis auf laute Datenblätter von Aggregaten reicht vor Gericht nicht aus, um eine Klage zu begründen. Hier hat das Gericht eine eigene, überschlägige Lärmberechnung durchgeführt und damit viel Zeit und Gutachterkosten gespart. Das Ergebnis ist entscheidend für Bauherren: Wenn der Schall nachweislich unter die Irrelevanzschwelle der TA Lärm fällt, ist er schalltechnisch vernachlässigbar – und die Klage wegen Lärmschutz verliert schnell an Boden.


Symbolbild für Rechtsfragen (FAQ): Allegorische Justitia mit Waage und Richterhammer.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Schützt mich der Bebauungsplan wirklich vor einem Bauprojekt in der Nachbarschaft?

Die kurze Antwort lautet: Nein, nicht jede Vorschrift im Bebauungsplan schützt Sie als Nachbarn individuell. Viele Regeln dienen allgemeinen städtebaulichen Zielen und begründen keinen direkten Abwehranspruch. Eine erfolgreiche Klage setzt voraus, dass die Baugenehmigung nicht nur rechtswidrig ist, sondern auch Ihre nachbarschützenden Rechte verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Ein Gericht prüft bei einer Nachbarklage streng, ob die übertretene Regel tatsächlich dazu bestimmt ist, die Interessen einzelner Grundstückseigentümer zu wahren. Vorschriften zur maximalen Geschosszahl oder zur Grundflächenzahl definieren oft lediglich das allgemeine Erscheinungsbild des Viertels. Hat das geplante Haus beispielsweise ein Stockwerk zu viel, mag dies objektiv rechtswidrig erscheinen, ist aber juristisch irrelevant für Ihre Klage. Der Bebauungsplan muss einen erkennbaren Willen der Gemeinde enthalten, die spezifische Regel als Schutzzaun für Ihr Grundstück zu etablieren.

Selbst bei offensichtlichen Verstößen, die nicht nachbarschützend sind, können Sie sich auf das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme stützen. Sie müssen nachweisen, dass das Bauvorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung darstellt. Die objektive Rechtswidrigkeit des Bauvorhabens allein reicht dabei nicht aus, um es zu stoppen. Sie müssen die konkrete Unzumutbarkeit beweisen, etwa durch massive Verschattung oder eine erdrückende Wirkung auf Ihr Grundstück.

Prüfen Sie immer die Begründung des Bebauungsplans auf Formulierungen, die einen Schutz vor unzumutbarer Beeinträchtigung belegen.


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Welche Dezibel-Grenzwerte gelten für eine Wärmepumpe in meinem reinen Wohngebiet?

Die maßgeblichen Lärmgrenzwerte für stationäre Anlagen wie Wärmepumpen definiert die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm). Für ein reines Wohngebiet sind diese Richtwerte streng festgelegt. Nachts gilt ein Beurteilungspegel von maximal 35 Dezibel (dB(A)). Tagsüber darf die Belastung, gemessen an Ihrem Immissionsort, auf 50 dB(A) ansteigen.

Der juristische Prüfmaßstab ist der Wert, der tatsächlich am nächstgelegenen Fenster ankommt. Dieser sogenannte Beurteilungspegel ist nicht identisch mit dem Wert, den Sie möglicherweise auf dem Datenblatt der Pumpe finden. Ein oft zitierter ErP-Wert (zum Beispiel 53 dB(A)) dient lediglich der Kennzeichnung des Energieverbrauchs der Anlage und ist für die tatsächliche Immissionsprüfung irrelevant. Gerichte stützen ihre Berechnung stets auf den maximalen Schallleistungspegel des Geräts.

Für die juristische Beurteilung muss die Behörde die Distanzdämpfung einkalkulieren, da der Schallpegel mit der Entfernung zum Nachbargrundstück sinkt. Wenn der berechnete Ankunftspegel am Nachbarhaus nach Anwendung der TA Lärm unter 29 dB(A) liegt, gilt der Lärm als schalltechnisch irrelevant. Die Behörde ist dann entbunden, ein teures Gutachten zu fordern, da die sogenannte Irrelevanzschwelle unterschritten ist.

Prüfen Sie unbedingt die Baugenehmigung, ob darin der zwingende Betrieb der Wärmepumpe im schallreduzierten Nachtmodus vorgeschrieben ist, da dies den Ausgangswert stark senkt.


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Was tun, wenn das Bauprojekt meines Nachbarn gegen die Geschosszahl des Bebauungsplans verstößt?

Wenn Ihr Nachbar mehr Stockwerke baut, als der Bebauungsplan erlaubt, ist der formale Verstoß oft schwer durchsetzbar. Regeln zur reinen Geschosszahl dienen meist allgemeinen städtebaulichen Zielen, nicht dem individuellen Nachbarschutz. Konzentrieren Sie sich daher strategisch auf die tatsächlichen Konsequenzen des überdimensionierten Baukörpers, um Ihre Klage zu stützen.

Die reine Zahl der Vollgeschosse begründet selten einen erfolgreichen Abwehranspruch vor Gericht. Stattdessen müssen Sie argumentieren, dass die resultierende Höhe und das massive Bauvolumen eine unzumutbare Beeinträchtigung darstellen. Grundlage dafür ist das übergeordnete Gebot der Rücksichtnahme, das vor erdrückender Wirkung oder massiver Verschattung schützt. Prüfen Sie auch, ob die Baubehörde den Verstoß durch eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB legitimiert hat; Sie können gegen diese Abwägungsentscheidung klagen, falls Ihre Interessen grob verletzt wurden.

Um eine unzumutbare Beeinträchtigung zu beweisen, müssen Sie konkrete Folgen belegen, die über eine bloße Beeinträchtigung des Ausblicks hinausgehen. Bedenken Sie dabei, dass Gerichte Ihre Glaubwürdigkeit prüfen: Wenn Ihr eigenes Haus die bestehenden Baugrenzen oder andere Vorschriften bereits deutlich überschreitet, schwächt dies Ihren Abwehranspruch. Die Bauvolumen des neuen Gebäudes in Verbindung mit der Distanz zu Ihrem Grundstück muss eine unzumutbare Belastung darstellen.

Erstellen Sie frühzeitig eine detaillierte Fotodokumentation und eine grafische Darstellung des Schattenwurfs, um die unzumutbare Belastung sichtbar zu machen.


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Wie wird der Lärm von Wärmepumpen rechtlich geprüft, wenn ich klagen möchte?

Die Prüfung des Wärmepumpenlärms erfolgt meist durch eine überschlägige Lärmberechnung, bevor ein teures schalltechnisches Gutachten beauftragt wird. Gerichte nutzen die Standard-Formeln der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm), um festzustellen, ob die Immissionen überhaupt relevant sind. Zentral dafür sind die korrekte Bestimmung des Ausgangswerts und die Berechnung der Distanzdämpfung zur Vermeidung unnötiger Verfahrenskosten.

Kläger machen oft den Fehler, den falschen Wert heranzuziehen. Der oft angegebene ErP-Wert (Energy related Products), der bei etwa 53 dB(A) liegen kann, beschreibt lediglich den Energieverbrauch und ist juristisch irrelevant für die Lärmbelästigung. Das Gericht korrigiert diesen Wert sofort und verwendet stattdessen den relevanten, maximalen Schallleistungspegel (LwA) im Nachtbetrieb, der typischerweise höher liegt, etwa bei 61 dB(A). Gerichte achten darauf, dass in der Baugenehmigung der Betrieb im schallreduzierten Nachtmodus zwingend vorgeschrieben ist.

Anschließend kalkuliert das Gericht die Lärmminderung über die Distanz zum nächstgelegenen Fenster des Klägers. Die TA Lärm-Formeln berücksichtigen, dass Schallpegel mit jedem Meter Entfernung abfallen. Wenn beispielsweise der Abstand 22 Meter beträgt, kann der am Fenster ankommende Beurteilungspegel schnell auf Werte wie 26,2 dB(A) sinken. Unterschreitet dieser Wert die sogenannte Irrelevanzschwelle von 29 dB(A), gilt die Lärmimmission als vernachlässigbar.

Kontaktieren Sie den Hersteller des geplanten Wärmepumpenmodells, um die offiziellen Angaben zum Schallleistungspegel (LwA) bei Volllast und im schallreduzierten Nachtbetrieb einzufordern.


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Habe ich im Baurecht ein Recht auf unveränderten Ausblick oder einen bestimmten Waldabstand?

Die kurze Antwort lautet: Nein, das Baurecht gewährt Ihnen als Nachbarn weder einen allgemeinen Anspruch auf einen unveränderten Ausblick noch auf die Einhaltung eines gesetzlichen Waldabstands. Der Verlust einer schönen Aussicht oder die damit verbundenen emotionalen oder monetären Einbußen sind kein tragfähiges juristisches Argument gegen ein Bauvorhaben. Das Gericht prüft ausschließlich, ob die Baugenehmigung Ihre individuellen Rechte verletzt.

Der Zweck einer Bauvorschrift ist hierbei entscheidend. Die Vorschriften zum Waldabstand in den Landesbauordnungen dienen in erster Linie dem Schutz des Waldes und seines Eigentümers, nicht dem Schutz des Nachbarn vor theoretischen Gefahren wie Brandgefahr oder Immissionen. Da die Regel nicht primär dem Nachbarschutz dient, kann der Nachbar einen Verstoß nicht erfolgreich einklagen.

Ebenso wenig akzeptiert die Rechtsprechung Einwände, die auf unbewiesenen oder hypothetischen Gegebenheiten basieren. Wer beispielsweise die Sorge um eine unterirdische Quelle vorträgt, muss konkrete Fakten (Verlauf, Tiefe) liefern. Fehlen diese beweisbaren Daten, lehnen Gerichte Anträge auf teure Gutachten ab, da dies den Versuch darstellt, nachträglich einen Klagegrund zu suchen.

Verwerfen Sie subjektive Einwände wie den Verlust der Sicht und konzentrieren Sie sich stattdessen auf messbare Verschlechterungen, die das Gebot der Rücksichtnahme verletzen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Juristisches Glossar: Symbolbild der Justitia mit Waage und Richterhammer.

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Abwehranspruch (Nachbarschützend)

Ein nachbarschützender Abwehranspruch ist das spezielle Recht eines Nachbarn, gegen eine Baugenehmigung gerichtlich vorzugehen, wenn die verletzte Bauvorschrift nicht nur das allgemeine Stadtbild, sondern explizit seine Interessen schützen soll. Dieses Prinzip stellt sicher, dass man nicht jede beliebige formale Regelverletzung im Bebauungsplan einklagen kann; nur Regeln, die der Gesetzgeber oder die Gemeinde als Schutzzaun für das Nachbargrundstück definiert haben, sind relevant für eine erfolgreiche Klage.

Beispiel: Das Ehepaar hatte keinen Erfolg, weil die Vorschriften zur reinen Geschosszahl keinen erkennbaren nachbarschützenden Abwehranspruch zugunsten der Kläger enthielten.

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Ausforschungsbeweis

Als Ausforschungsbeweis bezeichnen Juristen Anträge im Gerichtsverfahren, die darauf abzielen, ohne konkrete Anhaltspunkte nach Tatsachen oder Klagegründen zu suchen, die eventuell existieren könnten. Gerichte lehnen diese Art von Beweisanträgen ab, um unnötig lange und teure Verfahren zu verhindern; die Kläger müssen ihre Behauptungen mit Fakten untermauern, bevor aufwendige Gutachten beauftragt werden.

Beispiel: Da die Kläger keine konkreten Daten zum Verlauf oder zur Tiefe der unterirdischen Quelle vorlegten, lehnte das Gericht den Antrag auf ein hydrologisches Gutachten als reinen Ausforschungsbeweis ab.

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Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB)

Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ist die behördliche Erlaubnis, von einer eigentlich geltenden Festsetzung eines Bebauungsplans abzuweichen, beispielsweise um geringfügig eine vorgeschriebene Baugrenze zu überschreiten. Die zuständige Bauverwaltung kann in Ausnahmefällen ihr Ermessen ausüben, um starre Planvorgaben zu lockern, solange die Abweichung die Interessen der Nachbarn nicht unzumutbar beeinträchtigt.

Beispiel: Die Stadt erteilte der Bauherrin eine Befreiung für die Überschreitung der Baugrenzen, musste dabei jedoch zwingend die nachbarlichen Interessen angemessen abwägen.

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Beurteilungspegel

Der Beurteilungspegel ist der nach der TA Lärm ermittelte, korrigierte Schallwert, der angibt, welche tatsächliche Lärmbelastung am sogenannten Immissionsort (dem Nachbargrundstück) ankommt. Dieser Wert ist der juristisch entscheidende Maßstab, um festzustellen, ob die Lärmimmissionen einer Anlage, wie einer Wärmepumpe, die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte für ein Wohngebiet überschreiten.

Beispiel: Nach Anwendung der Distanzdämpfung berechnete das Verwaltungsgericht, dass der Beurteilungspegel der Wärmepumpen am Fenster der Kläger nachts bei lediglich 26,2 dB(A) liegen würde.

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Gebot der Rücksichtnahme

Das Gebot der Rücksichtnahme ist ein ungeschriebener, aber fundamentaler Grundsatz im Baurecht, der verlangt, dass Bauvorhaben ihre Nachbarn nicht unzumutbar beeinträchtigen oder eine „erdrückende Wirkung“ entfalten dürfen. Dieses allgemeine Prinzip fängt Härtefälle auf, in denen formal keine spezifische nachbarschützende Vorschrift verletzt wurde, massive Verschattung oder unerträglicher Lärm aber trotzdem verhindert werden müssen.

Beispiel: Die Sorge der Kläger hinsichtlich der Lärmbelastung durch die Luft-Wasser-Wärmepumpen beruhte zu Recht auf dem Gebot der Rücksichtnahme, da dieses vor unzumutbaren Lärmimmissionen schützt.

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Irrelevanzschwelle

Die Irrelevanzschwelle ist ein technischer Grenzwert von 29 dB(A) nach der TA Lärm, der festlegt, wann die Lärmbelastung durch eine Anlage als schalltechnisch vernachlässigbar und damit unkritisch gilt. Unterschreitet der berechnete Beurteilungspegel diesen Wert, entfällt die Notwendigkeit für die Behörde, aufwendige schalltechnische Gutachten zu fordern, da die Immission keinen relevanten Beitrag zur Gesamtlärmbelastung leistet.

Beispiel: Da der berechnete Lärmwert mit 26,2 dB(A) die Irrelevanzschwelle von 29 dB(A) unterschritt, befand das Gericht die Lärmimmission der geplanten Wärmepumpen als unbedeutend.

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TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm)

Die TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm) ist eine umfassende Verwaltungsvorschrift, die bundesweit die rechtlich bindenden Grenzwerte und Standard-Berechnungsmethoden zur Feststellung von Lärmimmissionen definiert. Diese Anleitung sorgt für Einheitlichkeit bei der Beurteilung von Lärmquellen und legt die spezifischen Dezibel-Richtwerte für die verschiedenen Gebietsarten fest, etwa 35 dB(A) nachts in reinen Wohngebieten.

Beispiel: Das Gericht nutzte die Standard-Berechnungsformeln der TA Lärm, um den korrekten Beurteilungspegel am nächstgelegenen Fenster der Kläger zu ermitteln.

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Das vorliegende Urteil


VG Karlsruhe – Az.: 2 K 597/24 – Urteil vom 30.10.2024


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