LG Potsdam – Az.: 6 O 2/18 – Urteil vom 08.06.2018
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird abschließend festgesetzt auf 71.479,00 €.
Tatbestand
Die 1937 geborene Klägerin begehrt Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich am 19. August 2014 gegen 15:25 Uhr vor dem Landtag in Potsdam ereignete. Unfallbeteiligt war neben der Fahrrad fahrenden Klägerin ihren Angaben zufolge auch der von dem Beklagten zu 2 gesteuerte und bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherte Linienbus.
Infolge des Unfalls wurde die Klägerin erheblich verletzt. Sie erlitt eine offene Mittelgesichtsfraktur, bei der auch das Schädeldach links brach. Periphere Äste des Gesichtsnervs wurden ebenso durchtrennt wie der knorpelige Gehörgang. Es brachen mehrere Rippen links, Dornfortsätze der Brustwirbelkörper und das linke Schulterblatt sowie die Oberkante der linken Elle. Die Lunge wurde gequetscht und Blut sammelte sich im Brustfell. Die Klägerin wurde am Unfallort notärztlich versorgt und noch am selben Tag zwei insgesamt neun Stunden dauernden Operationen unterzogen. Nach den Arztberichten konnten einige Äste des Gesichtsnervs wieder rekonstruiert werden, nicht aber der ramus temporalis, sodass von einem dauerhaften Verlust des linken Augen- und Stirnastes auszugehen sei, was zu einer bleibenden Lidschlussinsuffizienz führe. Zunächst seien ein Uhrglasverband und regelmäßiger Auftrag von Bepanthensalbe zum Schutz des Auges notwendig. Später sei die Klägerin mit einem Lidgewicht und einem Augenbrauenhochzug zu versorgen. Die Klägerin befand sich bis zum 28. August 2014 auf der Intensivstation und insgesamt bis zum 1. September 2014 in stationärer Behandlung. Vom 16. bis zum 19. September 2014 wurde sie erneut am linken Auge operiert.
Bis zum 14. Oktober 2014 befand sie sich stationär in der Reha-Klinik. Nach deren Entlassungsbericht vom 10. November 2014, der die genannten Diagnosen im Wesentlichen bestätigt, sei die Klägerin zuvor am linken Auge wegen grauen Stars operiert worden. Sie wohne allein und selbständig in einer Mietwohnung. Ihr Allgemeinzustand sei gut gewesen, der internistische Befund unauffällig. Sie sei nicht geh- oder stehfähig gewesen; linksseitig habe der neurologische Aufnahmebefund Einschränkungen bei den Reflexen gezeigt; neuropsychologisch sei keine Beeinträchtigung festzustellen gewesen. Die schwere periphere Facialisparese links habe zu einem fehlendem Lidschluss und einem deutlichen Mundwinkeltiefstand mit entsprechenden Einschränkungen in der Artikulation und bei der Nahrungsaufnahme geführt; sehr feste Nahrung sei zu vermeiden und auch Trinken sei erschwert. Gehen sei nur mit Hilfe möglich, die linke Schulter schmerzhaft bewegungseingeschränkt, das linke Auge zunächst bakterienbefallen, was eine entsprechende Behandlung erforderlich gemacht habe. Nach der Reha sei der linke Arm noch bewegungseingeschränkt gewesen, ihr Gangbild am Rollator aber sicher.
Zudem wurde ihr Fahrrad beschädigt. Der Sachschaden insoweit beläuft sich auf 50 €. Ergänzend macht sie eine Auslagenpauschale von 25 € geltend.
Die Beklagte zu 1 lehnte mit Schreiben vom 2. Juni 2015 eine Regulierung der Ansprüche ab.
Die Klägerin behauptet zum Unfallhergang: Sie sei auf der Tram- und Busspur der Friedrich-Ebert-Straße in Richtung des Platzes der Einheit gefahren und habe in Höhe des dort rechtsseitig gelegenen Landtagsgebäudes die Rechtskurve durchfahren. Der ihr nachfolgende Bus der Beklagten habe sie in dieser Rechtskurve überholt und dabei nicht den gebotenen Seitenabstand eingehalten. Am Ende der Rechtskurve sei daher seine Hinterachse soweit nach rechts geraten, dass der Bus sie in Höhe der Hinterachse erfasst habe. Hierdurch sei sie zu Boden gestürzt.
Sie behauptet zu den Unfallfolgen: Die Gericht sei durch die schweren Gesichtsverletzungen stark entstellt. Das Lid des linken Auges könne nur noch einen sehr geringen Spalt weit geöffnet werden, weswegen sie auf dem linken Auge faktisch nicht mehr sehen könne. Gleichwohl bedürfe das Auge intensiver Pflege, da es nicht mehr benetzt werden könne. Sie habe das Hörvermögen auf dem linken im Wesentlichen verloren. Den linken Arm könne sie nicht mehr belasten und ihn auch nicht mehr in alle Richtungen bewegen. Die im Zuge der Operationen eingesetzten Metallplatten seien nach wie vor vorhanden und seien deutlich als harte Gegenstände im Gesicht spürbar. Vor dem Unfall sei sie eine agile Person gewesen, die sich völlig problemlos selbst versorgen und umfangreich am kulturellen Leben habe teilnehmen können. Sie sei auch in sozialen Einrichtungen zur Unterstützung von hilfsbedürftigen Menschen ehrenamtlich tätig gewesen. Seit dem Unfall sei sie völlig außer Stande, Arbeits- oder sonstige Tätigkeiten durchzuführen. Sie könne an keinen kulturellen Veranstaltungen mehr teilnehmen und sei nicht mehr in der Lage, Bücher zu lesen. Sie sei seit dem Unfall ein gebrochener Mensch. Sie habe noch lange nach den Operationen Schmerzen gehabt und habe dies noch heute. Sie sei seit dem Unfalleintritt auf Hilfskräfte angewiesen, die jedenfalls die körperlich belastenden Tätigkeiten durchführen.
Insgesamt hält sie ein Schmerzensgeld von jedenfalls 50.000 € für angemessen. Es sei aber noch offen, welche immateriellen Folgen für sie verblieben, so dass insoweit auch die Feststellung einer künftigen Schadensersatzpflicht notwendig sei.
Zudem hätten sich ihre Bedürfnisse vermehrt. Sie habe allein in einer 70 m² großen Zweizimmerwohnung gewohnt ohne Hilfe Dritter, und dabei folgenden Zeitaufwand gehabt: Für das Frühstück und das Abendbrot samt Vor- und Nachbereiten je eine halbe Stunde und für das Mittagessen entsprechend eine Stunde; für das Entsorgen des Hausmülls täglich eine Viertelstunde; für die Einkäufe wöchentlich dreimal zweieinhalb Stunden; für die Wäsche insgesamt drei Stunden pro Woche, für die Wohnungsreinigung fünf Stunden die Woche. Jedenfalls bis zum 30. November 2014 habe sie keinerlei Haushaltsarbeiten durchführen können und sei auf einer Ersatzkraft für die Dauer von drei Stunden pro Tag angewiesen gewesen. Bis Ende Januar 2015 sei sie so beeinträchtigt gewesen, dass sie auf eine Ersatzkraft von durchschnittlich zwei Stunden pro Tag angewiesen gewesen sei. Seitdem sei sie auf eine Ersatzkraft von einer Stunde pro Tag angewiesen und werde dies auch weiterhin sein. Der Stundensatz sei mit 9 € netto anzusetzen.
Ihr seien zudem Anwaltskosten von 1.887,52 € entstanden.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit ab dem 2. Juni 2015;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 11.190 € zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit ab dem 2. Juni 2015;
3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den gesamten künftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der zulasten der Klägerin infolge des Verkehrsunfalles entstehen wird, welcher sich am 19. August 2014 in Potsdam in der Friedrich-Ebert-Straße in Höhe des Alten Marktes ereignet hatte, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind;
4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den gesamten künftigen immateriellen Schaden zu ersetzen, der zulasten der Klägerin infolge des Verkehrsunfalles, welcher sich am 19. August 2014 in Potsdam in der Friedrich-Ebert-Straße in Höhe des Alten Marktes ereignet hatte, dadurch eintreten wird, dass sich das Sehvermögen ihrer Augen, die Funktion ihres linken Augenliedes oder ihr Hörvermögen verschlechtern werden oder es erforderlich sein wird, weitere in Operationen an der linken Gesichtshälfte, dem linken Augenblick, dem linken Ohr, der linken Schulter oder der linken Elle durchzuführen;
5. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Rechtsanwälte vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.887,52 € zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit ab dem 2. Juni 2015
bzw. hilfsweise:
5. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie von dem Rechtsanwaltsvergütungsanspruch in Höhe von 1.887,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit ab dem 2. Juni 2015 gegenüber den Rechtsanwälten aus der außergerichtlichen Geltendmachung der Schadensersatzansprüche freizustellen, die sich zu Gunsten der Klägerin aus dem Verkehrsunfall ergeben haben, der sich am 19. August 2014 in Potsdam ereignet hatte.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie halten den Feststellungsantrag zu 3 für zu weitgehend, soweit dieser nicht auch die Einschränkung enthalte, dass die noch übergehenden materiellen Ansprüche ausgeschlossen sein sollen.
Zum Unfallhergang behaupten sie: Der Beklagte zu 2 sei mit seinem Bus tatsächlich die dortige Busspur entlanggefahren. An den nach der Rechtskurve befindlichen Straßenbahnhaltestelle habe aber eine Tram gehalten, so dass er warten habe müssen. Nachdem die Tram angefahren sei, sei auch er angefahren. In diesem Moment habe er hinten rechts ein Geräusch vernommen und im Spiegel die Klägerin bemerkt, die vom Gehweg kommend rechts gegen das Heck des Busses gefahren sei. Dort sei eine Bordsteinabsenkung zwischen dem Fußgängerschutzgitter und der Haltestelle zum Überqueren der Trasse.
Die Beklagten sind der Ansicht, angesichts des deutlichen Verkehrsverstoßes der Klägerin trete ihre Haftung aus Betriebsgefahr vollständig zurück. Der für den Haushaltsführungsschaden allenfalls anzusetzende Stundensatz liege bei 7,40 € netto. Verzug könne nicht vorliegen, nachdem ihr gegenüber die Forderung nie beziffert worden sei.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeug/inn/en A D , A E , E E und E S . Auf das Protokoll vom 18. Mai 2018 wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die ohne weiteres zulässige Klage auf Zahlung materiellen und immateriellen Schadensersatzes gemäß den Anträgen zu 1 und 2 ist unbegründet.
1.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1 aus §§ 7 StVG in Verbindung mit § 115 PflVG. Danach ist, wenn bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird, der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, wenn nicht der Unfall durch höhere Gewalt verursacht ist. Der Verletzte kann seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen, wenn es sich – wie hier – um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt.
„Bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges“ erfolgt die Schädigung dann, wenn es einen Zurechnungszusammenhang zwischen dem Betrieb des Kraftfahrzeuges und der Primärverletzung gibt. Dieser ist durch eine am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierte wertende Betrachtung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen. Der erforderliche Zurechnungszusammenhang fehlt, wenn die Schädigung nicht mehr Folge der spezifischen Auswirkung derjenigen Gefahr ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will. Für eine Zurechnung der Betriebsgefahr ist entscheidend, ob der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht. Erforderlich ist, dass die Fahrweise oder der Betrieb des Fahrzeugs zu dem Entstehen des Unfalls beigetragen hat. Der Betrieb des Kraftfahrzeuges muss mithin äquivalent kausal für den Schadenseintritt sein, das heißt zur Schadensentstehung beigetragen haben. Die bloße Anwesenheit des Kraftfahrzeuges an der Unfallstelle reicht daher zur Haftungsbegründung nicht aus. Allerdings kommt eine Haftung auch dann in Betracht, wenn der Unfall nur mittelbar durch das andere Kraftfahrzeug verursacht worden ist. Es muss daher nicht zu einer Berührung mit dem am Unfallgeschehen beteiligten Kraftfahrzeug gekommen sein. Beim berührungslosen Unfall muss das Fahrverhalten des Fahrers in irgendeiner Art und Weise das Verhalten des Unfallgegners beeinflusst haben. Hierbei genügt allerdings nicht jeder beliebige Fahrvorgang. Maßgeblich ist vielmehr die Beteiligung des Fahrzeuges an der konkreten kritischen Verkehrslage, die unmittelbar zum Schaden führt. Diese beginnt für einen Verkehrsteilnehmer, wenn die ihm erkennbare Verkehrssituation konkreten Anhalt dafür bietet, dass eine Gefahrensituation unmittelbar entstehen kann. Soweit dies der Fall ist, kann selbst ein Unfall infolge einer voreiligen – also objektiv nicht erforderlichen – Abwehr- oder Ausweichreaktion dem Betrieb des diese Reaktion auslösenden Kraftfahrzeuges zugerechnet werden. Auch eine Panikreaktion steht dem Zurechnungszusammenhang dann ebenso wenig entgegen wie entscheidend ist, ob die von dem Geschädigten vorgenommene Ausweichreaktion aus seiner Sicht erforderlich war oder sich gar für ihn als die einzige Möglichkeit darstellte, um eine Kollision zu vermeiden. Auch ein durch die Fahrweise – etwa ein Anfahren oder Überholen – ausgelöster Sturz eines Zweiradfahrers oder Fußgängers kann folglich dem Betrieb des die Sturzreaktion veranlassenden Kraftfahrzeuges zugerechnet werden. Andererseits hängt die Zurechnung nicht davon ab, ob sich der Führer des im Betrieb befindlichen Kfz verkehrswidrig verhalten hat, und auch nicht davon, dass es zu einer Kollision der Fahrzeuge gekommen ist. Es genügt, wenn sich die von einem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben. Dies prägt insbesondere die Bewertung des räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs (vgl. Walter, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann/Spickhoff, beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand 01.03.2018, § 7 StVG Rdnr. 96 ff m. u. N. unter anderem auf BGH NJW 2017, 1173).
Der nach diesen Maßstäben zu bestimmende Zurechnungszusammenhang zwischen dem Betrieb des von dem Beklagten zu 2 gesteuerten und bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten Omnibus und dem höchst bedauerlichen und in seinen Auswirkungen mehr als tragischen Sturz der Klägerin ließ sich auch in der umfangreichen Beweisaufnahme nicht erweisen.
Die Klägerin selbst hatte keine Erinnerung mehr an den Unfalltag und damit auch nicht an den Unfall selbst oder an das ihm vorangegangene Verkehrsgeschehen. Sie gab nur an, sie würde keinesfalls auf dem gesperrten Bereich links der Trennung fahren – und widersprach damit sogar ihrer eigenen Darstellung in der Klageschrift. Der persönlich angehörte Beklagte zu 2 räumte zwar ein, dass die Klägerin direkt hinter seinem Bus zu Fall kam und damit in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zu diesem. Der erforderliche unmittelbare auch zeitliche Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang des Busses erklärt dies freilich noch nicht.
Die bei der beigezogenen Strafakte befindlichen Bilder der den Unfall aufnehmenden Polizei zeigen die Unfallörtlichkeit nach dem Unfall und lassen daher keinen Rückschluss auf die Unfallsituation selbst zu.
Die Zeugin D hat zunächst die Behauptung der Klägerin zum Unfallgeschehen nicht bestätigen können. Ihre sehr um Genauigkeit bemühte Aussage lässt zwar den Schluss zu, dass die Klägerin mit ihrem Fahrrad eine – nicht näher bestimmte – Weile im Gleisbett fuhr und dann zum Sturz kam, und sich hierauf verletzte. Eine Beteiligung des Busses hieran dergestalt, dass dieser den Sturz durch ein zu waghalsiges Überholmanöver verursacht hat, konnte die Zeugin dagegen nicht angeben. Nach ihrer Erinnerung näherte sich der Bus der Klägerin von hinten, und stürzte sie vor ihm. Zwar räumte sie ein, dass sich der Bus schließlich vor der zu Fall gekommenen Klägerin und ihrem Fahrrad befand; wie es hierzu kam, ob er sie also überholt hat, konnte sie sich aber nicht erklären.
Die klägerische Darstellung wurde auch von keinem anderen Zeugen bestätigt. Während die Zeugin S keine konkrete Erinnerung an den Unfall hatte – sie sah nur noch ein „Standbild“, aus dem sie Schlüsse zog –, widersprach die Aussage der Eheleute E dieser Darstellung diametral. Nach ihrer festen Überzeugung kam die Klägerin von vorn rechts, aus der Fahrtrichtung des Busses gesehen, und geriet mit dem rechten Lenker an die Seite des Busses.
Ebenso wenig wie die klägerische Darstellung ließ sich überhaupt ein Sachverhalt feststellen, der den Schluss auf eine Beteiligung des Busses an dem Sturz im Sinne eines räumlich-zeitlichen Ursachenzusammenhangs zu einem Betriebsvorgang dieses Kraftfahrzeuges zuließe – und nicht lediglich seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle, die aber nach dem Gesagten für sich allein noch nicht die Annahme rechtfertigt, dass ein in seinem Ablauf ungeklärter Unfall bei dem Betrieb dieses Fahrzeugs entstanden ist (vgl. BGH ebd.).
Die Aussage der Zeugin D etwa lässt es zwar als möglich erscheinen, dass die Klägerin gerade wegen des hinter ihr fahrenden Busses stürzte, sei es, weil er ihr zu nahe kam oder deshalb, weil sie durch sein plötzliches Auftauchen im Gleisbett der Straßenbahn erschreckte, und sie deshalb in einer gewissen „Panikreaktion“ nicht das Gleisbett querte, sondern nach rechts lenkte. Der Sturz kann dann Folge des plötzlichen Umlenkens ebenso sein wie ihres Geratens in die Schienen oder an den dort recht hohen Bordstein. Das aber ist nicht mehr als eine Vermutung, die nicht an konkreten Tatsachen festzumachen ist. Zum einen gab die Zeugin selbst an, die Klägerin sei zunächst in das Gleisbett gefahren, um dort nach rechts weiterzufahren, und dann (erst) sei der Bus gekommen. Warum es dann zu dem Fall kam, konnte auch die Zeugin nicht sagen. Sie beteuerte nur, eine Kollision wahrgenommen zu haben. Das aber genügt nicht, um die feste Überzeugung des Gerichts von einem feststehenden Sachverhalt zu begründen.
Dies auch deshalb, weil die Zeugen E ein von dieser Darstellung komplett abweichendes Geschehen bekundet haben. Nach ihrer Erinnerung kam die Klägerin aus einer gänzlich anderen Richtung, nämlich aus Fahrtrichtung des Busses vorn rechts, und stürzte dann nach einer streifenden Kollision mit dem Bus. Auch diese Aussagen aber sind nicht derart überzeugend, dass hierauf eine Verurteilung gestützt werden könnte. Sie sind schon nicht hinreichend widerspruchsfrei angesichts dessen, dass die Klägerin dann von dem dort recht hohen Bordstein gestürzt sein muss. Denn schließlich lag sie im Gleisbett, wie zum einen unstreitig ist und zum anderen nicht zuletzt die Fotos in der Ermittlungsakte zeigen.
In der Gesamtschau der beiden Darstellungen kann auch nicht der einen vor der anderen der Vorzug gegeben werden. Sowohl die Zeugin D wie die Eheleute E waren sehr um Genauigkeit und wahrheitsgemäße Darstellung bemüht, auch wenn bei den Eheleuten E der Eindruck verblieb, sie erinnerten sich eher an ihre Aussage vor der Polizei und den dort eventuell von ihnen gesehen Bilder, als an das tatsächliche Geschehen. Dieses wirkte dabei mehr als eine Reihe von schlagartig belichteten Einzelbildern und -momenten als ein deutlich erinnerter „Film“. Angesichts des deutlichen Zeitablaufs seit dem Unfalltag ist das auch wenig verwunderlich.
2.
Angesichts dessen besteht auch keine Haftung des Beklagten zu 2 aus § 18 StVG oder § 823 Abs. 1 BGB. Während der Fahrer nach § 18 StVG nur wie der Halter haftet, bedürfte es für einen deliktischen Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB eines Verschuldens des Beklagten zu 2. Das konnte freilich noch weniger festgestellt werden wie überhaupt eine ursächliche Beteiligung des von ihm gesteuerten Busses an dem Sturz überhaupt.
II.
Angesichts dessen kann die Zulässigkeit der Feststellungsanträge zu 3 und 4 dahinstehen. Ein Feststellungsinteresse bezüglich künftiger – materieller oder immaterieller – Schäden ist nur gegeben, wenn die Möglichkeit der Änderung und hier insbesondere der Verschlimmerung des Schadensbildes und somit auch eine Änderung im Sinne einer Verschlimmerung des Schadens besteht (KG NZV 2012, 445). Eine solche steht jedenfalls im Raum, obgleich die Klägerin hierzu nichts Konkretes angegeben hat.
Dahinstehen kann auch, ob der Antrag zu 3, wie die Beklagten monieren, zu weit gefasst ist. Denn beide Anträge sind entsprechend dem oben Gesagten jedenfalls unbegründet.
III.
In gleicher Weise besteht kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten, ohne dass es auf das bestrittene Vorliegen der Verzugsvoraussetzungen ankäme.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Die Streitwertbemessung folgt §§ 39 Abs. 1 und 43 Abs. 1 GKG und den entsprechenden Angaben der Klägerin in der Klageschrift.