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Berufsunfähigkeitsversicherung – Streitwert bei Zahlung Abfindungsbetrags und Vertragsbeendigung

OLG Karlsruhe –  Az.: 9 W 33/14 – Beschluss vom 21.10.2014

Die Beschwerde der Rechtsanwälte A. gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 20.06.2014 – 14 O 55/13 – wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Kläger schloss im Jahr 2008 bei der Beklagten eine Lebensversicherung unter Einschluss einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab. Kurze Zeit später – noch im Jahr 2008 – erlitt er einen schweren Arbeitsunfall, der zu dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte. Die Beklagte zahlte zunächst die vereinbarte Berufsunfähigkeits-Rente. Zum 01.03.2012 stellte die Beklagte ihre Leistungen ein, da er nunmehr eine zumutbare andere Tätigkeit ausübe, auf welche sie den Kläger verweisen könne.

Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 14.02.2013 erhob der Kläger Klage zum Landgericht Freiburg. Er verlangte Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab dem 01.03.2012. Außerdem verlangte er von der Beklagten, ihn – im Hinblick auf die weiter bestehende Berufsunfähigkeit  – von den Beiträgen aus der Lebensversicherung zu befreien.

Nach Einholung eines berufskundlichen Gutachtens zur derzeit vom Kläger ausgeübten Tätigkeit beendeten die Parteien den Rechtsstreit am 20.06.2014 durch einen Vergleich. Die Beklagte verpflichtete sich, an den Kläger „zur Abgeltung eventueller Ansprüche aus der Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung“ einen Betrag in Höhe von 150.000,00 € zu zahlen. Gleichzeitig vereinbarten die Parteien, dass der bestehende Lebensversicherungsvertrag – der ursprünglich eine Laufzeit bis 2046 haben sollte – mit sofortiger Wirkung aufgehoben wurde. Das Landgericht setzte mit Beschluss vom 20.06.2014 den Streitwert auf 58.692,72 € und den Vergleichsmehrwert auf 9.129,79 € fest.

Gegen diese Streitwertfestsetzung richtet sich die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers. Sie sind der Auffassung, der Vergleich besitze einen wesentlich höheren Mehrwert. Der Mehrwert sei mit mindestens 75.000,00 € anzusetzen. Denn mit der – nicht streitgegenständlichen – sofortigen Beendigung des Versicherungsvertrages gegen Zahlung eines Einmalbetrages seien wirtschaftliche Interessen der Parteien betroffen, welche für die Parteien einen wesentlich höheren Wert hätten als der vom Landgericht angenommene Betrag von 9.129,79 €.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 22.07.2014 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Karlsruhe – Zivilsenate in Freiburg – zur Entscheidung vorgelegt. Die Parteien hatten im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Die zulässige Beschwerde der Rechtsanwälte A. gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts ist nicht begründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig gemäß § 32 Abs. 2 RVG i.V.m. § 68 Abs. 1 GKG. Die Rechtsanwälte sind zur Beschwerde befugt, da die Höhe des Streitwerts Auswirkungen auf die von ihnen verdienten Anwaltsgebühren hat. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 200,00 €; denn die Gebührendifferenz bei einem höheren Streitwert liegt über diesem Betrag.

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Streitwertfestsetzung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden.

a) Das Landgericht hat den Wert für das Klageverfahren zutreffend auf insgesamt 58.692,72 € festgesetzt.(§§ 42 Abs. 3 Satz 1, 48 GKG i.V.m. § 9 ZPO). Der Wert der geltend gemachten rückständigen BU-Rente betrug 12.497,04 €. Hinzu kam der 3 1/2-fache Betrag der laufenden BU-Rente mit 43.739,64 €. Unter Berücksichtigung des 3 1/2-fachen Jahresbetrages der Lebensversicherungsbeiträge, von denen der Kläger befreit werden wollte, und der nach seinem Antrag überzahlten Beiträge (Wert der Beitragsbefreiung insgesamt: 2.456,04 €) errechnete sich – in Übereinstimmung mit der Streitwertangabe in der Klageschrift – der Wert von 58.692,72 €.

b) Für die gleichzeitig im Vergleich vereinbarte Aufhebung des gesamten Lebensversicherungsvertrages hat das Landgericht einen Vergleichsmehrwert von 9.129,79 € angesetzt. Maßgeblich hierfür ist § 3 ZPO (Wertfestsetzung nach freiem Ermessen). Der monatliche Wert von BU-Rente und Beitragsbefreiung beträgt insgesamt 1.086,88 €. Das Landgericht hat hiervon zunächst den 3 1/2-fachen Jahreswert errechnet, und von diesem Wert für den Vergleich einen Prozentsatz von 20 % herangezogen. Diese Festsetzung des Vergleichsmehrwerts im Wege der Schätzung ist nicht zu beanstanden.

3. Die Einwendungen der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die Festsetzung des Vergleichsmehrwertes haben keinen Erfolg.

a) Für den Vergleichsmehrwert spielt der Abfindungsbetrag von 150.000,00 €, der im Vergleich enthalten ist, keine Rolle. Wenn sich die Parteien bei einem Rechtsstreit über wiederkehrende Leistungen auf einen Abfindungsbetrag verständigen, ist für den Wert des Vergleiches allein der Streitgegenstand, also der Wert der wiederkehrenden Leistungen, maßgeblich, und nicht ein für die gesamte Zukunft ausgehandelter Abfindungsbetrag. Denn maßgeblich für den Wert eines Vergleiches ist nur der Wert der Ansprüche, die erledigt werden, und nicht der Wert dessen, was Parteien durch den Vergleich erlangen, oder welche Leistungen sie übernehmen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 30. Auflage 2014, § 3 ZPO Rn. 16 „Vergleich“). Das bedeutet, dass die im Gesetz geregelte Streitwertbegrenzung bei wiederkehrenden Leistungen (3 1/2-facher Jahresbetrag gemäß § 9 ZPO) für einen Vergleich über die wiederkehrenden Leistungen als Begrenzung maßgeblich bleibt, unabhängig davon, was die Parteien über zukünftige Leistungen vereinbaren.

b) Die Beschwerdeführer weisen zutreffend darauf hin, dass der Vergleich Regelungen enthält, die für beide Parteien eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben, und die nicht Gegenstand der im Rechtsstreit geltend gemachten Klageansprüche waren. Dazu gehört, dass die Beklagte mit der Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung und gleichzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrages auf Rechte verzichtet hat, welche ihr nach dem ursprünglichen Versicherungsvertrag zustanden, nämlich die Leistungen in der Zukunft bei einem Vorversterben des Klägers oder bei einer zukünftigen (neuen) Verweisungsmöglichkeit einzustellen. Der Kläger hat seinerseits auf mögliche Ansprüche aus anderen Versicherungsfällen in der Zukunft verzichtet.

Aus diesen Vereinbarungen ergibt sich jedoch grundsätzlich kein eigenständiger Vergleichsmehrwert. Denn es handelt sich nur um Modalitäten der Abfindungsvereinbarung, mit welcher die streitgegenständlichen Ansprüche erledigt werden sollten. Ein Vergleichsmehrwert wäre nur dann anzunehmen, wenn es bei den zusätzlichen Regelungen im Vergleich um streitige nicht rechtshängige Ansprüche der Parteien gegangen wäre, also wenn beispielsweise die Beklagte geltend gemacht hätte, dass ihr ein Anspruch auf Beendigung des Versicherungsvertrages zugestanden hätte. Dies war jedoch nicht der Fall. Es ging vielmehr bei der Beendigung des Versicherungsvertrages (nur) um ein freiwilliges beiderseitiges Entgegenkommen im Rahmen der Abfindungsvereinbarung, die – allein – den Streit über die rechtshängigen Ansprüche beenden sollte. Dementsprechend ist auch in anderen Rechtsgebieten anerkannt, dass sich der Wert eines Vergleiches nur nach den erledigten streitigen Ansprüchen richten kann, und nicht danach, was sich die Parteien – darüber hinaus – im Vergleich versprechen. (Vgl. dazu beispielsweise LAG Köln, NZA-RR 2009, 503 für einen Vergleich in einem Kündigungsrechtsstreit; OLG Köln, FamRZ 2010, 754 für vergleichsweise Regelungen in einem Unterhaltsprozess; Zöller/Herget, a.a.O., § 3 ZPO Rn. 16 „Mietstreitigkeiten“ am Ende für vergleichsweise Zahlungen des Vermieters, die einen Mieter zum Auszug bewegen sollen).

c) Trotz dieses Ausgangspunktes entspricht es der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, bei entsprechenden Abfindungsvergleichen über Leistungen der Berufsunfähigkeits-Versicherung, einen geringen Mehrwert anzunehmen, wenn – wie in der Praxis nicht selten – mit der Abfindung gleichzeitig das Versicherungsverhältnis endgültig beendet wird. Diese Praxis lässt sich mit der Erwägung rechtfertigen, dass mit der Beendigung des Versicherungsverhältnisses zwar keine Vereinbarung über nicht rechtshängige streitige Ansprüche erfolgt; es wird jedoch die Gefahr beseitigt, dass in der Zukunft ein weiterer Streit über Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis entstehen kann (Streit über ein mögliches Erlöschen einer Leistungspflicht des Versicherers in der Zukunft, oder Streit über Ansprüche des Versicherungsnehmers aus anderen Versicherungsfällen). Es erscheint gerechtfertigt, die Beseitigung der Gefahr solcher zukünftiger Streitigkeiten mit einem gewissen Vergleichsmehrwert zu berücksichtigen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt im Arbeitsrecht LAG Hamburg, JurBüro 2013, 351). Da die Gefahr zukünftiger Streitigkeiten aus dem – jetzt durch Vereinbarung beendeten – Versicherungsverhältnis zum Zeitpunkt des Vergleichs noch nicht konkret absehbar war, kann der Vergleichsmehrwert bei einer solchen Vereinbarung nur mit einem eher geringen Betrag angesetzt werden. In der Praxis hat sich der vom Landgericht angenommene Wert von 20 % des 3 1/2-fachen Jahresbetrages von Berufsunfähigkeitsleistung und Beitragsbefreiung durchgesetzt, wenn mit der Abfindung der Berufsunfähigkeit gleichzeitig der Versicherungsvertrag sofort beendet oder erheblich modifiziert wird (vgl. OLG Karlsruhe – 12. Zivilsenat – Beschluss vom 06.05.2011 – 12 W 29/11 -; OLG Hamm, NJOZ 2012, 2173; OLG Nürnberg, r+s 2014, 207; ebenso Senat, Beschluss vom 28.08.2013 – 9 U 192/11 -). An dieser Bewertung im Rahmen der Schätzung gemäß § 3 ZPO hält der Senat auch im vorliegenden Fall fest. Die Schätzung korrespondiert zudem mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Wert eines Feststellungsantrags in der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung: Auch bei einem streitigen Feststellungsantrag zum Fortbestand der Versicherung nimmt der BGH keinen höheren Wert an, wenn der Feststellungsantrag mit einer Leistungsklage aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung kombiniert wird (vgl. BGH, VersR 2012, 76).

4. Außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet. Das Verfahren der Beschwerde ist gebührenfrei (§ 68 Abs. 3 GKG).

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