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Berufsunfähigkeitsversicherung – Überweisung von Versicherungsleistungen auf aufgelöstes Bankkonto

OLG Karlsruhe, Az.: 9 U 170/15, Urteil vom 14.07.2017

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 04.09.2015 – 14 O 35/15 – im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.237,68 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2014.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten rückständige Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Beklagte wendet Erfüllung ein.

Der Kläger schloss bei der Beklagten zu einem unbekannten Zeitpunkt eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab, welche bei der Beklagten unter einer Versicherungsnummer mit den Endziffern 674-4 geführt wurde. Zu einem späteren Zeitpunkt schloss der Kläger mit der Beklagten einen ergänzenden Vertrag ab, in welchem für den Fall der Berufsunfähigkeit zusätzliche Leistungen vereinbart wurden. Die Beklagte führte diesen Vertrag unter einer Versicherungsnummer mit den Endziffern 785-9. Anfang des Jahres 2012 trat bei dem Kläger bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ein. Ab dem 01.04.2012 leistete die Beklagte aus dem ursprünglichen Vertrag mit der Endnummer 674-4 die vereinbarten Zahlungen in Höhe von 464,40 € monatlich.

Aus der Zusatzvereinbarung (Endnummer 785-9) schuldete die Beklagte ab dem 01.04.2012 weitere 483,20 € monatlich, nachdem der Kläger berufsunfähig geworden war. Die Beklagte war allerdings zunächst nicht bereit, auch diese Leistungen aus der Zusatzvereinbarung zu erbringen. Sie vertrat gegenüber dem Kläger zunächst die Auffassung, dieser habe beim Abschluss der Zusatzvereinbarung Fragen zu seinem Gesundheitszustand nicht korrekt beantwortet.

Im September 2013 wandte sich der Kläger telefonisch an die Beklagte. Zu diesem Zeitpunkt erbrachte die Beklagte weiterhin nur die monatlichen Leistungen aus dem Grundvertrag in Höhe von 464,40 € monatlich, da die Zahlungspflicht aus der Zusatzvereinbarung in Höhe von weiteren 483,20 € monatlich im Verhältnis zwischen den Parteien noch nicht geklärt war. Der Kläger bat darum, die Berufsunfähigkeitsrente nicht mehr auf das bisherige Girokonto bei der L. Bank (Streithelferin) zu zahlen, sondern auf ein neues Konto bei der V. Bank F.. Entsprechend dieser Bitte wurde die monatliche Rente in Höhe von 464,40 € nach dem Telefonat auf das neue Konto des Klägers überwiesen. Ende Oktober 2013 löste der Kläger das Konto bei der Streithelferin auf. Auf dem Konto bei der Streithelferin war zu diesem Zeitpunkt durch Überziehungen ein Debet-Saldo in Höhe von ca. 20.000,00 € entstanden. Der Kläger wollte durch die Einrichtung der neuen Bankverbindung bei der V. Bank F. verhindern, dass die Streithelferin eingehende Zahlungen mit ihrer Forderung gegen den Kläger aus der Kontoüberziehung verrechnete.

In einem Schreiben vom Juni 2014 akzeptierte die Beklagte schließlich die Auffassung des Klägers, dass diesem Versicherungsleistungen auch aus dem Zusatzvertrag (Endnummer 785-9) zustanden, und zwar für die Zeit vom 01.04.2012 bis einschließlich Juni 2014 monatlich 483,20 €, und für die Zeit ab dem 01.07.2014 495,60 € monatlich. Einschließlich zurück zu zahlender Beiträge ergebe sich eine Nachzahlung in Höhe von 14.237,68 €. Diesen Betrag werde die Beklagte „auf das Konto überweisen“.

Die Beklagte überwies die Nachzahlung in Höhe von 14.237,68 € nicht auf das neue Konto, welches der Kläger der Beklagten im September 2013 telefonisch mitgeteilt hatte, sondern auf das frühere – bereits aufgelöste – Konto bei der Streithelferin. Die Streithelferin vereinnahmte diese Zahlung und verrechnete den Betrag mit ihren Forderungen gegen den Kläger aus der Kontoüberziehung. Für die Buchungen verwendete die Streithelferin weiterhin die Kontonummer des aufgelösten Girokontos. Eine Auszahlung an den Kläger fand nicht statt. Der Kläger verlangte in der Folgezeit von der Beklagten eine Überweisung der Nachzahlung in Höhe von 14.237,68 € auf sein neues Konto bei der V. Bank F.. Nach der Mitteilung der neuen Kontoverbindung im September 2013 habe die Beklagte gewusst, dass Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung – sowohl aus dem Grundvertrag als auch aus der Zusatzvereinbarung – nur auf das neue Konto bei der V. Bank F. erfolgen sollten. Der Kläger habe telefonisch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er das Konto bei der Streithelferin auflösen werde.

Die Beklagte war zu einer Zahlung nicht bereit. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von rückständigen Leistungen aus der Zusatzvereinbarung sei erloschen, da die Beklagte ihren Verpflichtungen aus dem Zusatzvertrag durch Überweisung auf das Konto bei der Streithelferin nachgekommen sei. Die Kontoverbindung habe der Kläger bei seinem Leistungsantrag im Jahr 2012 angegeben. Nach dem Telefonanruf des Klägers im September 2013 habe die zuständige Mitarbeiterin im Hause der Beklagten nur die Änderung der Kontoverbindung für die bereits damals laufend erbrachten Zahlungen aus dem Grundvertrag vermerkt. Dass damit gleichzeitig auch der Überweisungsweg für eventuelle weitere Leistungen aus der Zusatzvereinbarung geändert werden sollte, habe der Kläger bei dem Telefonanruf nicht erklärt. Die Beklagte hat zudem hilfsweise die Aufrechnung erklärt mit einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Sollte die Beklagte verpflichtet sein, die Versicherungsleistung noch einmal zu erbringen, müsse der Kläger gleichzeitig die Bereicherung herausgeben, welche für ihn durch die Gutschrift auf seinem Konto bei der Streithelferin entstanden sei.

Mit Urteil vom 04.09.2015 hat das Landgericht die Zahlungsklage des Klägers abgewiesen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, den Nachzahlungsbetrag in Höhe von 14.237,68 € an den Kläger ein zweites Mal zu erbringen. Die Überweisung auf das ehemalige Konto des Klägers bei der Streithelferin sei nicht zu beanstanden. Denn der Kläger habe die Beklagte nur auf eine Änderung der Kontoverbindung für Leistungen aus der Grundversicherung hingewiesen, nicht jedoch auf eine Änderung auch für Leistungen aus dem Zusatzvertrag. Zudem hätte die Beklagte – wenn man die Rechtslage anders beurteilen würde – mit ihrer Hilfsaufrechnung Erfolg. Wenn dem Kläger – entgegen der Auffassung des Landgerichts – ein Nachzahlungsanspruch zustehen würde, könnte die Beklagte mit einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung aufrechnen. Durch die Überweisung der Beklagten auf das Konto bei der Streithelferin seien die Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der Streithelferin in Höhe von 14.237,68 € vermindert worden; in dieser Höhe sei der Kläger bereichert.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Er hält die erstinstanzliche Entscheidung aus Rechtsgründen für unzutreffend und ergänzt seinen Sachvortrag vor dem Landgericht. Die Beklagte hätte die telefonische Mitteilung des Klägers im September 2013 dahingehend verstehen müssen, dass die Kontoverbindung für sämtliche Zahlungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung – auch aus dem Zusatzvertrag – geändert werden sollte. Spätestens bei Aufnahme der Zahlungen im Juni 2014 hätte sich die Beklagte vorsorglich noch einmal vergewissern müssen, auf welches Konto die Zahlungen erfolgen sollten. Durch die Überweisung auf das nicht mehr existente Konto bei der Streithelferin sei der Zahlungsanspruch des Klägers nicht erfüllt worden. Der Kläger sei für seinen Lebensunterhalt dringend auf die Zahlungen aus den beiden Berufsversicherungsverträgen mit der Beklagten angewiesen gewesen; denn er habe keine weiteren Einkünfte gehabt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 04.09.2015 – 14 O 35/15 – dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 14.237,68 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.08.2014 zu bezahlen.

Die Beklagte und die im Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetretene Streithelferin beantragen, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, dass Leistungen auch aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Endnummer 785-9) nicht mehr auf das früher angegebene Konto bei der Streithelferin erbracht werden sollten. Der Kläger habe auch nicht angezeigt, dass dieses Konto Ende Oktober 2013 erloschen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Die Beklagte ist zur Zahlung in Höhe von 14.237,68 € nebst Zinsen verpflichtet.

1. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus dem Berufsunfähigkeits-Zusatzvertrag, welchen die Beklagte unter der Endnummer 785-9 führte. Die Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit für die Zeit ab dem 01.04.2012 liegen unstreitig vor. Die von der Beklagten zugesagte Leistung beträgt für die Zeit bis zum 30.06.2014 483,20 € monatlich, also für diesen Zeitraum insgesamt 13.046,40 €. Einschließlich der nach den vertraglichen Vereinbarungen zu erstattenden Beiträge ergibt sich eine Forderung in Höhe von 14.237,68 €. Auf Grund der telefonischen Mahnungen des Klägers (vgl. die Anlage K 2) hat die Beklagte Verzugszinsen gemäß §§ 286Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB ab dem 01.08.2014 zu zahlen.

2. Der Anspruch des Klägers ist nicht erloschen. Die Überweisung des Betrages im Juli 2014 auf das erloschene Konto bei der Streithelferin war keine Erfüllung im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB.

a) Eine Banküberweisung ist dann eine Erfüllung im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB, wenn der Gläubiger gegenüber dem Schuldner sein Einverständnis mit dem Zahlungsweg erklärt hat. Der Kläger hat zwar bei Beantragung der Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung und aus dem Zusatzvertrag das Konto bei der Streithelferin gegenüber der Beklagten angegeben. Mit der telefonischen Mitteilung der neuen Bankverbindung im September 2013 hat der Kläger jedoch sein früheres Einverständnis auf das Konto bei der Streithelferin konkludent widerrufen. Nach diesem Widerruf entsprach die spätere Überweisung auf das Konto bei der Streithelferin nicht mehr dem Willen des Klägers, so dass die Wirkungen gemäß § 362 Abs. 1 BGB nicht eintreten konnten (vgl. zur Erfüllung durch Banküberweisung Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Auflage 2017, § 362 BGB, RdNr. 9).

b) Die telefonische Mitteilung des Klägers im September 2013 bezog sich nicht nur auf die damaligen laufenden Zahlungen in Höhe von 464,40 € monatlich aus dem Grundvertrag; vielmehr betraf die Erklärung des Klägers sämtliche in Betracht kommenden Leistungen der Beklagten aus der Berufsunfähigkeitsversicherung, sowohl aus dem Grundvertrag als auch aus der Zusatzvereinbarung. Dies ergibt eine Auslegung der telefonischen Erklärung des Klägers (§ 133 BGB).

Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger bei dem Telefonat mit der Mitarbeiterin der Beklagten eine Versicherungsnummer genannt hat. Es kann auch dahinstehen, ob und wie er seine Motivation für die Änderung der Kontoverbindung, nämlich die beabsichtigte Auflösung des Kontos bei der Streithelferin, mitgeteilt hat. Es reicht aus, dass er wegen der Zahlungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Beklagten angerufen hat.

Unter den gegebenen Umständen musste die Mitarbeiterin der Beklagten den Hinweis des Klägers so verstehen, dass in der Zukunft sämtliche in Betracht kommenden Zahlungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung auf das neue Konto überwiesen werden sollten, also auch eventuelle Leistungen aus der Zusatzvereinbarung, über welche sich die Parteien im September 2013 noch nicht endgültig geeinigt hatten. Denn der Kläger hat unstreitig bei dem Telefonat keine Einschränkungen dahingehend gemacht, dass Zahlungen aus der Grundvereinbarung und aus dem Zusatzvertrag auf unterschiedliche Konten erfolgen sollten. Aus der Sicht des Klägers, der die Leistungen der Beklagten zur Sicherung seines Lebensunterhalts benötigte, gab es keinen Anlass für eine Aufspaltung der Zahlungen auf verschiedene Konten. Auch aus der Sicht der Beklagten gab es keinen Hinweis, dass eine Splittung der Zahlungen vom Kläger gewollt sein könnte. Die Beklagte musste beim Telefongespräch im September 2013 davon ausgehen, dass der Kläger die Berufsunfähigkeitsversicherung – Grundvertrag und Zusatzvereinbarung – als Einheit betrachtete, so dass die Möglichkeit eines gespaltenen Zahlungsweges auch aus der Sicht der Beklagten fernliegend war (vgl. zur Auslegung von Willenserklärungen eines Gläubigers in ähnlichen Fällen BSG, NZS 2004, 374; OLG Hamm, Versicherungsrecht 2007, 485).

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Eine andere Auslegung käme nur dann in Betracht, wenn es aus der Sicht der Beklagten – anders als im vorliegenden Fall – vernünftige Gesichtspunkte für die Annahme gegeben hätte, dass der Kläger möglicherweise nur einen Teil der beanspruchten Zahlungen auf ein neues Konto umleiten wollte (vgl. zu einer solchen abweichenden Konstellation OLG Hamm a.a.O.). Gegen eine solche Annahme sprach insbesondere der Leistungsantrag des Klägers vom 08.02.2013 (Anlage BB 6). Denn in diesem Antrag hatte der Kläger gleichzeitig Leistungen aus beiden Versicherungsverträgen geltend gemacht, und für sämtliche Zahlungen ein einheitliches Konto angegeben. Daraus konnte die Beklagte – zum Zeitpunkt des Leistungsantrags ebenso wie zu einem späteren Zeitpunkt bei einer Änderung der Kontoverbindung – entnehmen, dass der Kläger für die laufenden Zahlungen aus den beiden Verträgen kein Interesse an einem gespaltenen Zahlungsweg hatte.

Bei der Auslegung der telefonischen Erklärung des Klägers ist zu unterstellen, dass die Gesprächspartnerin des Klägers im Hause der Beklagten wusste oder wissen musste, dass die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zur Berufsunfähigkeit aus zwei Teilen bestanden. Denn der Vermerk einer geänderten Kontoverbindung – in den schriftlichen Unterlagen oder in der EDV im Hause der Beklagten – war nur sinnvoll, wenn die Mitarbeiterin der Beklagten dabei Kenntnis von den Grundlagen der vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien hatte; das muss zumindest für die verschiedenen Verträge gelten, die das Risiko der Berufsunfähigkeit zum Gegenstand hatten. Eine mögliche Unkenntnis von der Struktur der vertraglichen Vereinbarungen im Hause der Beklagten war aus der Sicht des Klägers bei dem Telefongespräch im September 2013 nicht zu erwarten, und kann daher für die Auslegung der Erklärung des Klägers keine Rolle spielen.

3. Der Kläger hat sich – entgegen den Erwägungen im erstinstanzlichen Urteil – nicht widersprüchlich oder rechtsmissbräuchlich verhalten. Der Kläger hat sich nachträglich weder mit der Überweisung der Beklagten auf sein ehemaliges Konto bei der Streithelferin einverstanden erklärt, noch mit einer Verrechnung des überwiesenen Betrages mit seinen Verbindlichkeiten bei der Streithelferin. Der Umstand, dass der Kläger zunächst versucht hat, eine Auszahlung des überwiesenen Betrages von der Streithelferin zu erlangen, ändert nichts. Die vom Landgericht zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.03.2004 (NJW-RR 2004, 1281) betraf einen Fall, der mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar ist. Im Fall des Bundesgerichtshofs hatte der Gläubiger – anders als vorliegend – sein Einverständnis mit einer bestimmten Verrechnung verschiedener Forderungen erklärt (vgl. BGH a.a.O., RdNr. 22).

4. Die Hilfsaufrechnung der Beklagten hat keinen Erfolg. Der Beklagten steht kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu, den sie gegen die Klageforderung hätte aufrechnen können.

a) Da die Überweisung der Beklagten auf das erloschene Konto des Klägers bei der Streithelferin im Juli 2014 keine Erfüllungswirkung im Verhältnis zum Kläger hatte (siehe oben), stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die Zahlung der Beklagten rückabgewickelt werden kann. Da die Streithelferin – trotz der Auflösung des Kontos – die Überweisung als Zahlung der Beklagten an den Kläger behandelt hat, ist die Überweisung möglicherweise als Leistung der Beklagten an den Kläger zu behandeln (vgl. Mayen in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, Band I, 4. Auflage 2011, § 50, RdNr. 31 ff.). Es kann letztlich jedoch dahinstehen, ob wegen der Zahlung im Juli 2014 von einer Leistungsbeziehung zwischen den Parteien auszugehen ist, da die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB in jedem Fall nicht vorliegen.

b) Ein Anspruch der Beklagten gegen den Kläger könnte sich – eine Leistungsbeziehung zwischen den Parteien vorausgesetzt – nur auf das beziehen, was der Kläger – ohne Erfüllungswirkung – im Juli 2014 „erlangt“ hat. Da der Kläger durch die Überweisung keinen Geldbetrag erlangt hat, über den er hätte verfügen können, ergibt sich aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB kein (aufrechenbarer) Zahlungsanspruch der Beklagten.

aa) Als herauszugebender Vermögensvorteil, den die Beklagte durch die Überweisung bewirkt hat, kommt ein Anspruch des Klägers gegen die Streithelferin gemäß §§ 681Satz 2, 667 BGB in Betracht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 05.07.2006 – 20 U 17/06 -, RdNr. 34, zitiert nach Juris). Ein solcher Anspruch der Beklagten würde sich auf Abtretung dieses Herausgabeanspruchs und nicht auf Zahlung richten. Ein auf Auszahlung des Betrages einer Gutschrift gerichteter Herausgabeanspruch ist jedoch erloschen. Denn die Streithelferin hat den Auszahlungsanspruch des Klägers mit dem Schuldsaldo aus der Kontoüberziehung verrechnet. Zu dieser Verrechnung (Aufrechnung) war die Streithelferin berechtigt. Die Streithelferin war durch Pfändungsschutzvorschriften an einer Verrechnung nicht gehindert. (Vgl. zur Verbuchung und Verrechnung durch die Streithelferin nach Ende des Girovertrages BGH, NJW 2007, 914; vgl. zu den begrenzten Wirkungen des Pfändungsschutzes bei der Überweisung von pfändungsfreiem Einkommen BGH, NJW 2005, 1863 sowie Bitter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, Band I, 4. Aufl. 2011, § 33 Rdnr. 33 und derselbe in Bankrechtshandbuch Band I, 5. Aufl. 2017, § 33 Rdnr. 36 c).

bb) Durch die Verrechnung der Zahlung auf dem im Soll stehenden Konto bei der Streithelferin hat sich der Schuldsaldo des Klägers gegenüber der Streithelferin vermindert. Diese Verminderung von Schulden stellt im vorliegenden Fall für den Kläger jedoch keinen wirtschaftlichen Wert dar, den er gemäß § 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen hätte.

aaa) Bei der Zahlung der Beklagten im Sommer 2014 handelte es sich um eine sogenannte aufgedrängte Bereicherung für den Kläger. Der Kläger hatte kein Interesse an einer Zahlung auf das falsche Konto, weil er bei einer Gutschrift auf dem falschen (erloschenen) Girokonto über den Geldbetrag nicht verfügen konnte. Er war darauf angewiesen, über die Berufsunfähigkeitsrente für seinen Lebensunterhalt zu verfügen. Der Kläger hatte – nachdem die Beklagte die fehlerhafte Überweisung getätigt hatte – keine Möglichkeit, die für ihn ungünstige Situation zu vermeiden, da die Streithelferin zu einer Verrechnung berechtigt und zu einer Auszahlung nicht bereit war. (Vgl. zur aufgedrängten Bereicherung in einem entsprechendem Fall KG, Beschluss vom 06.03.2008 – 19 U 68/07 -, zitiert nach Juris; vgl. grundsätzlich zur aufgedrängten Bereicherung BGH, Urteil vom 21.06.2000 – XII ZR 153/98 -, Rdnr. 24, zitiert nach Juris; Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Aufl. 2017, § 812 BGB Rdnr. 52; Palandt/Herrler, a.a.O., § 951 BGB Rdnr. 18 ff.; Staudinger/Lorenz, BGB (2007), vor § 812 ff. BGB Rdnr. 46; Prütting in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 8. Aufl. 2013, § 812 BGB Rdnr. 73).

bbb) Bei einer aufgedrängten Bereicherung wird ein möglicher Vermögensvorteil des Schuldners nicht objektiv bestimmt, sondern es sind subjektive Gesichtspunkte entscheidend. Der Bereicherungsschuldner darf bei der aufgedrängten Bereicherung keinen wirtschaftlichen Nachteil daraus erleiden, dass er vom Gläubiger (ohne Rechtsgrund) eine Leistung erlangt hat, die er nicht wollte und an der er kein Interesse hatte. In einem derartigen Fall kommt ein Wertersatz gemäß § 818 Abs. 2 BGB nur in Betracht, wenn und soweit der Schuldner die aufgedrängte Bereicherung in irgendeiner Weise in seinem Vermögen realisiert hat (vgl. Palandt/Sprau a.a.O.; Prütting a.a.O.; Lorenz a.a.O.; BGH a.a.O.).

Nach diesem Maßstab ist der Kläger nicht bereichert. Der auf das erloschene Konto bei der Streithelferin überwiesene Betrag ist nicht an den Kläger ausgezahlt worden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger einen Vermögensvorteil für sich auf andere Weise realisiert hätte. Insbesondere hat die Beklagte nicht dargetan, dass der Kläger in der Lage war, seine Schulden bei der Streithelferin mit anderen Mitteln zurückzuführen, und dass er diese Aufwendungen aufgrund der Fehlüberweisung der Beklagten erspart hat.

ccc) Für die Anwendung der Grundsätze der aufgedrängten Bereicherung spricht zudem die gesetzliche Regelung in § 362 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat mit der Zahlung auf das erloschene Konto kein Erlöschen des Schuldverhältnisses bewirkt (siehe oben). Sie hat aus den oben angeführten Gründen ihre Pflichten aus dem Vertragsverhältnis mit dem Kläger fahrlässig verletzt. Es wäre mit Sinn und Zweck der vertraglichen Festlegung eines bestimmten Zahlungsweges nicht vereinbar, wenn die Beklagte (über einen Einwand der Aufrechnung oder einen Einwand gemäß § 242 BGB – dolo petit -) sich ihrer Leistungspflicht gegenüber dem Kläger entziehen könnte, obwohl sie ihm – entgegen ihren vertraglichen Verpflichtungen – keine ungehinderte Verfügung über den geschuldeten Betrag verschafft hat (vgl. zu diesen rechtlichen Erwägungen Mayen in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch Band I, 4. Aufl. 2011, § 50, Rdnr. 31 ff.).

In diesem Zusammenhang greift die von Mayen (a.a.O.) erörterte Möglichkeit eines Aufrechnungsverbots nach Auffassung des Senats zu kurz; denn bei einem bloßen Aufrechnungsverbot könnte die Beklagte den Anspruch des Klägers möglicherweise durch zügige Geltendmachung eines eigenen Gegenanspruchs nebst Vollstreckungsmaßnahmen vereiteln oder beeinträchtigen. Im Übrigen wird bei den Ausführungen von Mayen (a.a.O.) nicht klar, wie sich der Versicherungsnehmer nach einer vertragswidrigen Fehlüberweisung gegen einen dolo petit-Einwand rechtfertigen soll. Nach Auffassung des Senats muss eine Gläubigerin – wie die Beklagte -, bei einer vertragswidrigen Fehlüberweisung im Rahmen von § 818 Abs. 2 BGB das Risiko tragen, dass der Bereicherungsschuldner aus bestimmten Gründen (hier: Verrechnung der Gutschrift mit einem Schuldsaldo durch die Empfängerbank) die ihm zustehenden wirtschaftlichen Vorteile durch die Überweisung nicht oder nicht vollständig in Anspruch nehmen kann. (Vgl. zur Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarungen bei der Zuweisung eines Entreicherungsrisikos in einer anderen Konstellation auch BGH, Urteil vom 05.03.2015 – IX ZR 164/14 -, Rdnr. 15, zitiert nach Juris).

c) Auch dann, wenn man – entgegen der Auffassung des Senats – eine Bereicherung des Klägers annehmen würde, könnte dies der Hilfsaufrechnung der Beklagten nicht zum Erfolg verhelfen. Denn aus dem Umstand, dass die Beklagte nicht mit Erfüllungswirkung gezahlt hat, wäre dann zumindest auf ein Aufrechnungsverbot zu schließen (vgl. dazu ausführlich Mayen a.a.O. und die dort zitierte Rechtsprechung und Literatur).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708Ziffer 19, 713 ZPO.

6. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt.

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