LG Berlin, Az.: 7 O 64/00
Urteil vom 07.05.2002
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.474,26 Euro (= 42.000– DM) nebst 4 % Zinsen aus 9.203,25 Euro (= 18.000,– DM) seit dem 07. April 2000 und 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 511,29 Euro (= 1.000,– DM) seit dem 02.05.2000, 02.06.2000, 02.07.2000, 02.08.2000, 04.09.2000, 02.10.2000, 02.11.2000, 04.12.2000, 02.01.2001, 02.02.2001, 02.03.2001, 02.04.2001, 02.05.2001, 04.06.2001, 02.07.2001, 02.08.2001, 02.09.2001, 02.10.2001, 02.11.2001, 02.12.2001, 02.01.2002, 02.02.2002, 02.03.2002, 02.04.2002 zu zahlen.
Der Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger eine monatlich im voraus zu zahlende Rente von 511,29 Euro (= 1.000,– DM), beginnend ab 01.05.2002 und längstens bis zum 01.12.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 17 % und der Beklagte 83 % zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % hiervon vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 511,29 Euro.
Der im Jahre 1965 geborene Kläger unterhält bei dem Beklagten seit dem 01.12.1994 eine Risikoversicherung, welche auch eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit Beitragsbefreiung enthält. Als Versicherungssumme ist eine jährliche Barrente von 12.000,– DM (= 6.135,50 Euro) vereinbart.
Der Vertrag basiert auf dem Antrag vom 15.12.1994, worauf ergänzend verwiesen wird (Bl. 69, 70 d.A).
Der Kläger ist Schweißer von Beruf, erlernt hat er den Beruf des Schlossers. Wegen des genauen Tätigkeitsbildes wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 26.06.2000 (Bl. 62 d. A.) Bezug genommen.
Seit April 1997 war er wegen Konkurses seines Arbeitgebers arbeitslos.
Am 11.10.1997 stürzte der Kläger beim Ästeschneiden von der Leiter und zog sich eine Bruch der linken Ferse zu.
Arbeitsfähigkeit wurde ab Mai 1998 attestiert.
Im Oktober 1998 erhielt er eine Mitteilung des Arbeitsamtes, dass eine Neufestsetzung der Leistungen erfolgen müsse, da er seine zuletzt ausgeübte Beschäftigung nach dem eingeholten (und dem Kläger nicht vorliegenden) Gutachten nicht mehr ausüben könne.
Am 11.04.1999 unterzog sich der Kläger eine Untersuchung durch Dr. B, der ein orthopädisches Sachverständigengutachten auf Veranlassung des Unfallversicherers des Klägers erstellte. In dem Gutachten vom 01.05.1999 wird festgestellt, dass die Minderung der Gebrauchsfähigkeit des linken Beines zur Zeit 1/8 betrage in Anbetracht der Beweglichkeitseinschränkung sowohl des linken oberen als auch des linken unteren Sprunggelenkes bei gleichzeitig bestehender Sprunggelenksarthrose links. In Anbetracht der zu erwartenden Progredienz der Arthrose und einer damit verbundenen Befundverschlechterung wurde eine Nachbegutachtung in 2 Jahren empfohlen.
Im Mai 1999 zeigte der Kläger dem Beklagten den Eintritt einer Berufsunfähigkeit an.
Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 28.09.1999 Leistungen ab und erklärte hinsichtlich der Zusatzversicherung Anfechtung und Rücktritt vom Vertrag.
Nach weiterem Schriftwechsel zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und dem Beklagten nahm dieser mit Schreiben vom 29.03.2000 … Anfechtung und Rücktritt zurück.
Der Kläger nimmt weiterhin an einer Umschulungsmaßnahme des Arbeitsamtes zum Informationselektroniker teil, die bis Februar 2002 abgeschlossen sein sollte. Eine Nachprüfung ist für November 2002 vorgesehen.
Der Kläger behauptet, er sei seit 11.10.1997 gesundheitlich nicht mehr in der Lage, seinen Beruf des Schweißers/Schlossers oder eine andere (vergleichbare) Tätigkeit auszuüben. Erst seit Kenntnisnahme von dem Gutachten des Dr. B habe für ihn festgestanden, dass Berufsfähigkeit nicht wieder eintreten werde. Aus diesem Grund habe er erst dann dem Beklagten eine entsprechende Mitteilung machen können.
Nach seiner Ansicht liegt Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (im folgenden: BUZ) vor. Die Bestimmung des § 1 Abs. 3 (2) BUZ sei zudem nach dem AGBG unwirksam. Die Bedingungen seien aber ohnehin nicht Vertragsbestandteil geworden mangels Vorlage bei Vertragsschluss.
Der Kläger hat mit der Klageschrift zunächst neben dem Antrag zu 2.) beantragt, den Beklagten zu verurteilen an ihn 28.000,– DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen und hat sodann diesen Antrag mit Schriftsatz vom 11.06.2001 (Bl. 131) erhöht auf Zahlung von 44.000,– DM nebst Zinsen.
Der Kläger beantragt nunmehr,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 44.000,– DM (= 22.496,84 Euro) nebst 4 % Zinsen aus 28.000,– DM (= 14.316,17 Euro) seit Rechtshängigkeit und 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 1.000,– DM (= 511,29 Euro) seit dem 02.03.2000, 03.04.2000, 02.05.2000, 02.06.2000, 03.07.2000, 02.08.2000, 04.09.2000, 02.10.2000, 02.11.2000, 04.12.2000, 02.01.2001, 02.02.2001, 02.03.2001, 02.04.2001, 02.05.2001, 04.06.2001, ferner seit dem 02.07.2001, 02.08.2001, 02.09.2001, 02.10.2001, 02.11.2001, 02.12.2001, 02.01.2002, 02.02.2002, 02.03.2002, 02.04.2002 zu zahlen.
2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn beginnend ab 01.07.2001, längstens bis 01.12.2019 eine monatlich im voraus zu zahlende Rente von 1.000,– DM (=511,29 Euro) zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, der Kläger sei gesundheitlich in der Lage den (Vergleichs-) Beruf eines Hausmeisters, Hausmeistergehilfen, Lagerverwalters oder eine Tätigkeit im Sicherheitsdienst auszuüben. Nach seiner Ansicht handelt es sich dabei um Tätigkeiten, die der Kläger aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausüben könne und seiner bisherigen Lebensstellung entsprechen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 30.01.2001 (Bl. 95 – 97 d. A.) Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das unfallchirurgische Gutachten des Sachverständigen Dr. med. H vom 30.03.2001 (Bl. 106 – 122 d. A.), dessen Stellungnahme vom 13.09.2001 (Bl. 145 – 150 d. A.), sowie dessen Erörterungen im Termin am 09.04.2002 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist zum überwiegenden Teil begründet.
Der Kläger begehrt die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 511,29 Euro monatlich ab November 1997 und stellt dabei auf den erlittenen Unfall im Oktober 1997 ab, worauf seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zurückzuführen sind.
Dem Kläger steht die vertraglich vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente aber erst für den Zeitraum Mai 1998 bis Oktober 1998, sowie ab Mai 1999 zu.
Maßgebend sind dabei die Bedingungen für die Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung, welche wirksam einbezogen wurden.
Da der Antrag im Jahre 1994 gestellt worden ist, gilt § 23 AGBG a. F, wonach bei genehmigten Versicherungsbedingungen – wie vorliegend – die Einbeziehungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AGBG nicht vorliegen musste.
Der Kläger hat die behauptete Berufsunfähigkeit erst im Mai 1999 angezeigt. Grundsätzlich kommt nach § 1 (3) BUZ erst ab diesem Zeitpunkt eine Leistungspflicht des Beklagten in Betracht.
Hinsichtlich der Wirksamkeit der Bestimmung bestehen keine Bedenken. Der BGH hat bereits in der Entscheidung vom 02.11.1994 (VersR 1995, 82) ausgeführt, dass die Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG standhält:
Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (BGHZ 123, 83 (85) = VersR 1993, 957 (958)).
Nach § 1 Nr. 3 BUZ entsteht der Leistungsanspruch des Versicherten grundsätzlich mit Ablauf des Monats, in dem bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Voraussetzung ist allerdings, daß die „Anzeige“ nicht später als drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit erfolgt ist; andernfalls beginnen die Leistungen erst mit dem Beginn des Monats der Anzeige. § 1 Nr. 3 BUZ begründet keine Obliegenheit des Versicherungsnehmers, sondern bestimmt eine Ausschlussfrist.
Obliegenheiten des Versicherungsnehmers, die von ihm nach Eintritt des Versicherungsfalls ein bestimmtes Verhalten verlangen, unterscheiden sich von einer Befristung der Geltendmachung oder Anmeldung versicherungsrechtlicher Ansprüche.
Im letztgenannten Fall bezwecken die Versicherungsbedingungen nämlich grundsätzlich objektiv eine zeitliche Begrenzung der Leistungspflicht des Versicherers (vgl. Senat vom 24.3.1982 – IV a ZR 226/80 – VersR 1982, 567 unter 2; vom 15.4.1992 – IV ZR 198/91 – VersR 1992, 819 unter I 2 a). Diesem Zweck dient auch die Bestimmung des § 1 Nr. 3 S. 2 BUZ. Zwar entsteht nach § 1 Nr. 3 S. 1 BUZ der Anspruch auf Versicherungsleistungen mit dem Ablauf des Monats, in dem bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Ein Leistungsbeginn ab diesem Zeitpunkt verlangt aber gem. § 1 Nr. 3 S. 2 BUZ eine Anzeige, die nicht später als drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit erfolgt. Nur in diesem Rahmen verspricht der Versicherer also Leistungen auch für einen Zeitraum, der der Anzeige vorausgeht. Eine Versäumung der Anzeigefrist hat zwar nicht den vollständigen Anspruchsverlust zur Folge, jedoch „beginnen“ Versicherungsleistungen dann erst mit dem Beginn des Anzeigemonats. Mit der Fristversäumung verliert der Versicherungsnehmer also Ansprüche, die in der Zeit zwischen dem Ablauf des Monats, in dem Berufsunfähigkeit eingetreten ist, und dem Beginn des Anzeigemonats entstanden sind, während Ansprüche für die Zukunft unberührt bleiben. Die Fristversäumung bewirkt demnach einen teilweisen Leistungsausschluss, der sich auf die Zeit vor Beginn des Anzeigemonats beschränkt. Zieht man in Betracht, daß mit dieser Gesamtregelung eine bis zum Ablauf von drei Monaten nach Eintritt der Berufsunfähigkeit erfolgte Anzeige für den Versicherungsnehmer ohne Folgen bleibt, eine Fristversäumung dann aber einen Anspruchsverlust für die Vergangenheit auslöst, wird der Zweck der Fristbestimmung deutlich: Sie soll dem Versicherer eine zeitnahe Prüfung und zuverlässige Feststellung des angezeigten Eintritts des Versicherungsfalls ermöglichen, ihm alsbald Klarheit über seine Leistungspflicht verschaffen. Sie soll sicherstellen, daß er nicht für – unter Umständen lange Zeit – vor Fristablauf entstandene, ihm aber unbekannte Ansprüche einstehen muss, deren Ausmaß beträchtlich sein kann, bei denen die Aufklärung des Eintritts bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit aber schon durch Zeitablauf regelmäßig schwieriger wird (vgl. auch Voit, Berufsunfähigkeitsversicherung Rdn. 560). Letzteres gilt insbesondere mit Blick darauf, daß es hierbei um die Beurteilung der gesundheitlichen Verhältnisse des Versicherten und deren Auswirkungen auf seine berufliche Tätigkeit geht, die im Laufe der Zeit erheblichen Änderungen unterworfen sein können. Bei der hier vorliegenden fristgebundenen Ausschlussregelung steht also nicht die Begründung einer Verhaltensnorm für den Versicherungsnehmer im Vordergrund, sondern das Ziel, für solche vor Fristablauf entstandene Ansprüche grundsätzlich nicht einstehen zu müssen. Dieses Ziel wäre durch die Begründung einer Obliegenheit des VN nicht zu erreichen, weil in diesem Fall selbst eine auf grober Fahrlässigkeit beruhende Obliegenheitsverletzung den Versicherer nicht zuverlässig von seiner Leistungspflicht befreien könnte (§ 6 Abs. 3 S. 2 VVG; vgl. auch Senat vom 24.3.1982 aaO; Voit aaO).
Bestimmt § 1 Nr. 3 S. 2 BUZ also eine Ausschlussfrist, so bedeutet das noch nicht, daß gegen die Versäumung der Frist zur Anzeige auch ein Entschuldigungsbeweis nicht möglich wäre. Zwar sehen die Bedingungen der Bekl. einen solchen nicht ausdrücklich vor, die Klausel des § 1 Nr. 3 S. 2 BUZ ist aber auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks so auszulegen, daß der Versicherer sich auf die Versäumung der Frist zur Anzeige nach Treu und Glauben nicht berufen kann, wenn den Versicherungsnehmer, was dieser zu beweisen hat, daran kein Verschulden trifft.
Der BGH hat bereits wiederholt entschieden, daß eine solche Auslegung des Ausschlussprinzips, sofern es auf Untätigkeit des Versicherungsnehmer binnen bestimmter Frist abstellt, unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben im Interesse des sorgfältigen Versicherungsnehmer geboten ist (vgl. zuletzt Urteil vom 15.4.1992 VersR 1992, 819 unter II 1).
Dem Kläger ist zuzustimmen, soweit er darauf abstellt, dass der Eintritt der Berufsunfähigkeit häufig erst aufgrund einer entsprechenden ärztlichen Äußerung bekannt wird und zwangsläufig erst im Anschluss dem Versicherer mitgeteilt werden kann. Der Eintritt von Berufsunfähigkeit setzt nach der in § 2 Nr. 1 BUZ bestimmten Definition voraus, daß „der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner Lebensstellung entspricht“; dabei verspricht der Versicherer hier Leistungen gem. § 1 Nr. 1 BUZ bereits dann, wenn Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % vorliegt.
Weder die Krankheit noch andere gesundheitliche Beeinträchtigungen selbst führen nach dieser Definition zum Eintritt von Berufsunfähigkeit, noch reicht es dafür aus, daß diese Beeinträchtigungen eine (teilweise) Unfähigkeit zur Berufsausübung herbeiführen. Vorausgesetzt wird vielmehr ein Gesamtzustand des Versicherten, der derart beschaffen sein muss, daß eine günstige Prognose für die Wiederherstellung der verloren gegangenen Fähigkeiten zur Berufsausübung in einem überschaubaren Zeitraum nicht gestellt werden kann (Senat vom 22. 2. 1984 – IV a ZR 63/82 – VersR 1984, 630 unter III). Ein solcher Zustand kann zwar – z. B. bei Unfällen – mit dem Ursachenereignis eintreten, er wird sich aber auch häufig im Rahmen eines fortschreitenden gesundheitlichen Prozesses ergeben.
Deshalb ist für den Zeitpunkt des Eintritts von Berufsunfähigkeit i. S. v. § 2 Nr. 1 BUZ die rückschauende Feststellung maßgebend, wann erstmals ein Zustand gegeben war, der nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft keine Erwartung mehr auf eine Besserung rechtfertigte (Senat vom 14.6.1989 – IV a ZR 74/88 – VersR 1989, 903 unter 3 c). Es liegt auf der Hand, daß dieser Zeitpunkt für den Versicherungsnehmer – der in der Regel über die erforderlichen medizinischen Kenntnisse nicht verfügt – nur schwer bestimmbar ist, so daß er dadurch in Gefahr geraten kann, die Frist des § 1 Nr. 3 S. 2 BUZ zu versäumen. Auf eine Fristversäumung kann sich der Versicherer – wie dargelegt – jedoch grundsätzlich dann nicht berufen, wenn den Versicherungsnehmer daran ein Verschulden nicht trifft. Davon wird insbesondere auch dann auszugehen sein, wenn der Versicherungsnehmer vom Eintritt eines Zustands, der die Annahme bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit rechtfertigte, nicht wusste und ihn auch an der Nichtkenntnis ein Verschulden nicht trifft. Kenntnis vom Eintritt der Berufsunfähigkeit wird der Versicherungsnehmer nämlich regelmäßig nur und erst durch die Angaben eines Arztes erlangen können, dessen Stellungnahme über seine gesundheitlichen Verhältnisse und über den Grad der Berufsunfähigkeit er ohnehin bedarf. Nichts anderes gilt im Ergebnis auch dann, wenn der Versicherungsnehmer ohne Verschulden angenommen haben sollte, trotz Berufsunfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf noch zur Ausübung einer vergleichbaren Tätigkeit in der Lage zu sein, und deshalb die Anzeige unterlassen hat. Die Schwierigkeiten in der Bestimmung des Zeitpunkts des Eintritts von Berufsunfähigkeit wirken sich deshalb auch im Rahmen der Wahrung der Frist des § 1 Nr. 3 BUZ im allgemeinen nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers aus. Die nachteiligen Folgen eines Anspruchsverlusts bis zum Beginn des Anzeigemonats werden ihn vielmehr regelmäßig nur dann treffen, wenn er trotz Kenntnis vom Eintritt der Berufsunfähigkeit die dreimonatige Frist zur Anzeige versäumt und ein Verschulden daran nicht ausräumen kann. Darin aber liegt unter Berücksichtigung von Ziel und Zweck der Ausschlussfrist noch keine für den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 9 AGBG.
Der Kläger kann Leistungen für eine behauptete Berufsunfähigkeit daher für den Zeitraum vor Mai 1999 nur fordern, wenn ihn an der Fristversäumung ein Verschulden nicht trifft. Das hat er zu beweisen.
Davon kann für den Zeitraum von November 1997 bis Oktober 1998 ausgegangen werden. Der Kläger war bereits seit April 1997 arbeitslos. Der Unfall im Oktober 1997 führte zu einer Arbeitsunfähigkeit, die sich aber – wegen der Arbeitslosigkeit – tatsächlich nicht bemerkbar machte. Ab Mai 1998 wurde Arbeitsfähigkeit attestiert.
Der Kläger begründet seine Kenntnis von der behaupteten Berufsunfähigkeit mit Kenntnisnahme vom Gutachten des Dr. …. Er habe erst zu diesem Zeitpunkt hinreichend sicher von einer gravierenden Einschränkung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit ausgehen können, da neben einer bereits bestehenden Minderung der Gebrauchsfähigkeit des linken Beines eine zu erwartende Befundverschlechterung festgestellt wurde.
Dem Kläger kann aber nicht vollständig gefolgt werden: Er hat selbst vorgetragen, dass er im Oktober 1998 eine Mitteilung des Arbeitsamtes erhalten hatte, wonach er seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausüben könne. Er hatte daher ab Oktober 1998 Kenntnis davon, dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Da er selbst vorträgt aufgrund der Beeinträchtigung keinerlei andere vergleichbare Tätigkeit ausüben zu können, musste er ab diesem Zeitpunkt vom Vorliegen einer Berufsunfähigkeit ausgehen. Unterlässt er dann eine Anzeige bei dem Beklagten, handelt er zumindest leicht fahrlässig, so dass schon aus diesem Grund für den Zeitraum November 1998 bis April 1999 keine Leistungen in Betracht kommen.
Vom Vorliegen einer Berufsunfähigkeit ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. H ab Mai 1998 auszugehen.
Nach den vereinbarten Bedingungen werden die vertraglichen Leistungen gewährt, wenn der Versicherte während der Dauer der Zusatzversicherung zu mindestens 50 % berufsunfähig wird. Die Berufsunfähigkeit ist nach § 2 Ziff. 1 BUZ gegeben, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung, oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.
Der Kläger trägt insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Der Beweis ist ihm letztlich (nur) für den Zeitraum ab Mai 1998 gelungen.
Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten zur Frage einer Berufsunfähigkeit ab Mai 1999 ausgeführt, dass von einer solchen auszugehen ist.
Er hat dazu ausgeführt (vgl. Seite 12 ff des Gutachtens, Bl. 117 ff d. A.): „Zusammenfassend ist festzustellen, das die von Herrn … beklagte Beschwerdesymptomatik mit schmerzhafter Schwellung, Belastungs- und Bewegungseinschränkung nach einer maximalen Laufbelastung von 1,5 bis 2 Stunden glaubhaft und durch die klinischen und radiologischen Befunde zu unterlegen ist. Zu erwähnen ist, dass Herr … im Rahmen der gutachterlichen Befragung und Untersuchung keinerlei Tendenzen zur Aggravation oder Beschwerdeverdeutlichung zeigt ….
Im vorliegenden Fall ist es dem Versicherten möglich, durch Anpassung seiner körperlichen Aktivitäten an die verminderte Belastbarkeit des Linken Beines eine gute funktionelle Kompensation bei erträglicher Beschwerdesymptomatik zu erreichen. Das ist jedoch gebunden an die Verminderung der körperlichen Aktivität im Sinne der Steh- und Laufleistung…. Stehende und laufende Tätigkeiten, welche über eine Zeitrahmen von zwei Stunden pro Arbeitsschicht hinausgehen, müssen ebenfalls vermieden werden, um eine Progredienz von morphologischem Befund und damit verbundener subjektiver Beschwerdesymptomatik zu vermeiden.
Herr G ist jedoch uneingeschränkt in der Lage, vorrangig sitzende Tätigkeiten durchzuführen, wobei in diesem Zusammenhang auch gehende und stehende Tätigkeiten bis zu zwei Stunden pro Schicht zu tolerieren sind.
Auf der Basis der in der Gerichtsakte ausgeführten Tätigkeitsprofile im erlernten und zuletzt ausgeübten Beruf als Schlosser und Schweißer sowie in der Vergleichstätigkeit als Hausmeister handelt es sich dabei um Tätigkeiten mit vorrangiger Tätigkeit im Laufen und Stehen (Zeitanteil je nach Einsatz weit über 50 % pro Schicht). Dies trifft insbesondere auf die Tätigkeit als Schlosser und Schweißer zu, welche vorrangig im Stehen, Knien, Hocken und Laufen durchgeführt wird. Auch die Vergleichstätigkeit als Hausmeister umfasst einen Zeitanteil von deutlich über zwei Stunden an stehenden und laufenden Tätigkeiten pro Arbeitstag.
Bezüglich der retrospektiven zeitlichen Einschätzung ab Mai 1999 ist festzustellen, dass sowohl subjektive Beschwerdesymptomatik als auch klinischer Befund im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung am 20.03.2001 annähernd der im Gutachten von Dr. B vom 01.05.1999 auf der Basis einer gutachterlichen Untersuchung vom 11.04.1999 geschilderten Beschwerden und Befunden entsprechen, sodass die nun folgende Beurteilung der Berufsunfähigkeit ab Mai 1999 zu konstatieren ist.“
Der Sachverständige Dr. H hat auch zu den Einwendungen des Beklagten mit Schriftsatz vom 30.05.2001 Stellung genommen und die gestellten Fragen überzeugend beantwortet.
Wegen der einzelnen Ausführungen wird umfassend auf das Gutachten und die Stellungnahme vom 13.09.2001 (Bl. 145 ff) Bezug genommen.
Von einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit ab Mai 1999 war damit auszugehen. Auch ab Mai 1998 ist eine solche zu bejahen.
Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung vom 09.04.2002 – insoweit wird auf das Protokoll verwiesen -erörtert, dass bei einer Verletzung wie der vorliegenden – anders etwa als beim Vorliegen eines Trümmerbruchs – bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des Heilverfahrens eine Berufsunfähigkeit für gewöhnlich eher nicht zu prognostizieren ist. Solange die ärztliche Behandlung noch fortdauert, besteht noch die Möglichkeit einer Besserung, so dass in diesem Zeitraum noch nicht angenommen werden kann, dass der versicherte auf Dauer nicht mehr in der Lage sein wird, seinen Beruf auszuüben. Der Sachverständige hat auch auf eigene Erfahrungen hingewiesen, wonach eine Verletzung des Fersenbeins wie die des Klägers in Einzelfällen operierbar war.
Nach dieser Maßgabe hat der Sachverständige daher auf Mai 1998 abgestellt. Ab diesem Zeitpunkt ist eine – eher theoretische – Arbeitsfähigkeit attestiert worden, die einer Berufsunfähigkeit nicht entgegensteht. Die Attestierung belegt aber, das man vom Abschluss des Heilverfahren ausging und Änderungen nicht mehr zu erwarten waren. Eine Berufsunfähigkeit ist sodann vom Arbeitsamt ab August 1998 – wenn auch nicht nach den hier maßgebenden Begriffsbestimmungen – bejaht worden, da der Kläger aufgrund seiner Verletzung den von ihm ausgeübten Beruf nicht mehr ausüben könne. Gesundheitliche Veränderungen dürften sich in dem Zeitraum nicht ergeben haben.
Soweit der Kläger auf November 1997 abgestellt hat, hat er somit dem ihm obliegenden Beweis nicht geführt.
Im Rahmen der Vergleichstätigkeiten war lediglich der Beruf des Hausmeisters dem Sachverständigen vorzugeben und von diesem zu prüfen, ob auch insoweit eine Berufsunfähigkeit bejaht wird. Der Beklagte trägt die Darlegungs- und Beweislast, wenn der Kläger – wie geschehen – eine Berufsfähigkeit für andere Tätigkeiten pauschal verneint.
Er muss substantiiert darlegen, dass es sich um eine vergleichbare Tätigkeit im Sinne der vereinbarten Bedingungen handelt. Daran fehlt es, was die Tätigkeit als Lagerverwalter anbelangt: Die konkrete Tätigkeit ist zu pauschal beschrieben. Auch auf den Vortrag des Klägers, wonach er über die erforderlichen Voraussetzungen nicht verfügt, hat der Beklagte nicht mehr erwidert.
Dies gilt entsprechend, soweit es um eine Tätigkeit im Sicherheitsdienst geht: Der Beklagte hat auch hier nur pauschal vorgetragen und ist dem Vortrag des Klägers nicht substantiiert entgegen getreten, wonach dieser nicht über eine entsprechende Ausbildung verfüge und der angegebene Stundenlohn weit unter dem zuvor von ihm erzielten liegt.
Der Klage war daher stattzugeben, soweit Rentenleistungen ab Mai 1998 bis Oktober 1998 begehrt werden, mithin für 6 Monate (vgl. § 1 Nr. 3 Satz 2 BUZ). Weitere Rentenleistungen werden erneut ab Mai 1999 geschuldet, welche bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beziffert werden konnten (= 36 Monate zu je 511,29 Euro).
Im Rahmen des Antrags zu 2. war demnach eine Leistungspflicht ab Mai 2002 auszusprechen. Rentenleistungen sind zwar nach § 1 Nr. 1 b) BUZ vierteljährlich im voraus zu leisten, das Gericht war aber an den Antrag (auf monatliche Zahlung) des Klägers gebunden (§ 308 Abs. 1 ZPO). Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 288 a.F., 291 BGB bzw. §§ 284, 288 BGB.
Soweit die Klage über den zuerkannten Rahmen hinausging, war diese abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 Satz 1 ZPO.