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Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Befristetes Leistungsanerkenntnis für die Vergangenheit

BGH, Az: IV ZR 6/97, Urteil vom 19.11.1997

Leitsatz: Ist der Versicherer im Zeitpunkt der Abgabe eines aufgrund zunächst nachgewiesener Berufsunfähigkeit gebotenen Anerkenntnisses der Ansicht, bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit sei bereits wieder entfallen, so kann er eine wirksame Ablehnung von Leistungen nur unter Beachtung der in seinen Bedingungen vorgesehenen Nachprüfungsregelung erklären (Fortführung BGH, 1993-02-17, IV ZR 206/91, BGHZ 121, 284).

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 5. Dezember 1996 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Befristetes LeistungsanerkenntnisDer Kläger unterhält bei der Beklagten seit 1. Januar 1990 eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Er beansprucht mit seiner Klage für den Zeitraum vom 1. Mai 1992 bis 31. März 1993 die Zahlung der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente von 2.000 DM monatlich und die Rückerstattung der geleisteten Prämien von 66,53 DM monatlich nebst Zinsen von 4% seit 7. September 1993. Dem Vertragsverhältnis der Parteien liegen Bedingungen (künftig AVB) zugrunde, nach denen die Leistungspflicht der Beklagten bei einer Berufsunfähigkeit von mindestens 50% beginnt. Sie entsprechen in ihren §§ 2, 5 und 7 den Musterbedingungen für die Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung von 1975 (VerBAV 1975, 2).

Nach einem Verkehrsunfall vom 25. September 1991, bei dem der Kläger Verletzungen der Halswirbelsäule erlitt, meldete er am 7. Juli 1992 bei der Beklagten Ansprüche wegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit an. Unter dem 7. Mai 1993 teilte die Beklagte nach Einsichtnahme in die Krankenunterlagen des Klägers diesem unter anderem folgendes mit:

„Eine dauernde Berufsunfähigkeit nach § 2 Ziff. 1 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ist bei Ihnen nicht gegeben. Jedoch erkennen wir nach § 2 Ziff. 3 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung unsere Leistungspflicht ab 1. April 1992 an. Zu diesem Zeitpunkt waren Sie sechs Monate ununterbrochen außerstande gewesen, Ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben und die Fortdauer dieses Zustandes gilt somit als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit.

Da Sie ab 27. April 1992 Ihre berufliche Tätigkeit zu mehr als 50% ausüben, entfallen die Voraussetzungen zur Weitergewährung der Berufsunfähigkeits-Leistungen ab 1. Mai 1992.

Nach dem 1. Mai 1992 sind die Voraussetzungen zur Gewährung von Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht mehr erfüllt. Es können daher keine darüber hinausgehenden Berufsunfähigkeits-Leistungen mehr entrichtet werden.“

Mit seiner – vom Landgericht abgewiesenen – Klage trug der Kläger u.a. vor, er sei bis mindestens 31. März 1993 100%ig erwerbsunfähig gewesen und sei in seinem Berufsfeld als Stadtbaurat nur auf ärztlichen Rat in unterhälftigem Umfang zeitweilig tätig gewesen.

Auf seine Berufung hat das Oberlandesgericht seiner Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel bleibt erfolglos.

1. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Im Schreiben vom 7. Mai 1993 habe die Beklagte ihre Leistungspflicht gemäß § 5 ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) ab 1. April 1992 anerkannt, weil Berufsunfähigkeit des Klägers gemäß § 2 Ziff. 3 ihrer AVB vorgelegen habe. Die erklärte Befristung dieses Anerkenntnisses bis 30. April 1992 sei in ihren Bedingungen nicht vorgesehen. Eine rechtswirksame Befristung komme auch nicht deshalb in Betracht, weil das Anerkenntnis nur einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum betreffe. Auch in Fällen wie dem vorliegenden könne ein Berufsunfähigkeitsversicherer, der die Musterbedingungen von 1975 dem Versicherungsverhältnis zugrunde gelegt habe, nur in Form des von ihm vorgesehenen Nachprüfungsverfahrens wirksam wieder von seiner Leistungspflicht abrücken. Daran habe es die Beklagte fehlen lassen. Ihre Mitteilung sei mangels einer Vergleichsbetrachtung des für das Anerkenntnis maßgeblichen Gesundheitszustandes und seiner Auswirkungen im Berufsbereich des Klägers mit dem Zustand und seinen Auswirkungen, die für die Ablehnung von über den 30. April 1992 hinausgehenden Leistungen von ihr geltend gemacht würden, für den Kläger nicht nachvollziehbar gewesen und damit rechtsunwirksam geblieben. Die versuchte Arbeitsaufnahme des Klägers erlaube noch keinen nachvollziehbaren Schluß auf die Wiederherstellung seiner Berufsfähigkeit. Auch daß Anerkenntnis und Mitteilung über die Beendigung der Leistungspflicht gleichzeitig erfolgt seien, erlaube kein Abgehen von den Regeln des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 7 AVB. Zu einer ordnungsgemäßen Nachprüfungsentscheidung sei es jedenfalls bis zum 31. März 1993 nicht gekommen, so daß sich – unabhängig vom tatsächlichen Zustand des Klägers – sein Klagebegehren als begründet erweise.

2. Diese Rechtsansicht des Berufungsgerichts hält den Revisionsangriffen stand.

a) In den AVB der Beklagten ist ein befristetes Leistungsanerkenntnis nicht vorgesehen. Typischerweise erfaßt das Leistungsanerkenntnis gemäß § 5 AVB sowohl in der Vergangenheit bereits entstandene wie erst künftig zur Entstehung gelangende Ansprüche des Versicherungsnehmers auf wiederkehrende Leistungen. Ersteres ist dadurch bedingt, daß zwischen Eintritt bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit, ihrer Geltendmachung beim Versicherer, dessen daran anschließender Prüfung seiner Leistungspflicht und der schließlich gemäß § 5 AVB zu treffenden Entscheidung unterschiedlich lange Zeiträume zu verstreichen pflegen. Letzteres ergibt sich regelmäßig daraus, daß Berufsunfähigkeit im Sinne der Musterbedingungen von 1975 ein als voraussichtlich andauernder Zustand zu prognostizieren ist, bzw. unter bestimmten Voraussetzungen als voraussichtlich andauernd prognostizierbar fingiert wird.

Auch bisherigen Senatsentscheidungen – vgl. z.B. Urteile vom 5. Oktober 1983 – IVa ZR 11/82 – VersR 1984, 51; vom 15. Januar 1986 – IVa ZR 137/84 – VersR 1986, 277; vom 16. Dezember 1987 – IVa ZR 156/86 – VersR 1988, 281 und BGHZ 121, 284 – lagen derart gestaltete Sachverhalte zugrunde: Der Berufsunfähigkeit gemäß § 2 Ziff. 1 (Prognose) oder § 2 Ziff. 3 (Fiktion der Prognose) der vereinbarten Bedingungen auslösende Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers war im Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses noch unverändert.

b) Entgegen der Ansicht der Revision folgt daraus aber nicht, daß ein mit den Musterbedingungen arbeitender Versicherer von der in seinen AVB für den Fall anzuerkennender Berufsunfähigkeit übernommenen Selbstbindung frei bliebe, d.h. § 7 der AVB nicht beachten müßte, wenn nach seiner Beurteilung die zunächst anzuerkennende Berufsunfähigkeit (sei es gemäß § 2 Ziff. 1, sei es gemäß § 2 Ziff. 3) bereits vor Abgabe seiner Erklärung gemäß § 5 AVB wieder entfallen ist. Auch dann ist nämlich die bedingungsgemäße Beurteilung, ob die einmal eingetretene Berufsunfähigkeit bereits wieder entfallen ist, nur im Wege des Vergleichs zweier Zustände und ihrer Auswirkungen möglich. Auch in derartigen Fällen bedarf der Versicherungsnehmer des Schutzes, den ihm die in einem Nachprüfungsverfahren zu liefernde nachvollziehbare Begründung des Versicherers für das Entfallen seiner Leistungspflicht bietet (BGHZ 121, 284 unter III 2 und 3 a).

aa) Der Versicherungsnehmer hat auch in Fällen wie dem vorliegenden seiner für den Eintritt von Berufsunfähigkeit bestehenden Beweislast genügt und damit Anspruch auf ein Anerkenntnis (siehe dazu aber weiter 3.). Auf den Zeitpunkt, zu dem der Versicherer seine nach § 5 AVB gebotene Erklärung abgibt, hat der Versicherungsnehmer jedoch weitgehend keinen Einfluß.

bb) Der Nachweis des Entfallens einmal entstandener und damit anzuerkennender Leistungspflicht ist zwar allein Sache des Versicherers. Dieser Umstand enthebt den Versicherungsnehmer jedoch auch in Fällen wie dem vorliegenden nicht der Notwendigkeit, gegen den Versicherer im Klagewege vorzugehen, wenn er dessen „befristetes“ Anerkenntnis nicht hinnehmen will. Die (auch hier) erteilte Rechtsbelehrung gemäß § 12 Abs. 3 VVG bringt ihn zudem noch unter einen gewissen Zeitdruck.

cc) Ferner kann auch hier nicht außer acht bleiben, daß bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit im Sinne der Musterbedingungen stets eine medizinisch fundierte Prognose erfordert (siehe dazu auch Senatsurteil vom 13. Mai 1987 – IVa ZR 8/86 – VersR 1987, 753 unter I 3 a). In Fällen zunächst anzuerkennender Leistungspflicht konnte sie entweder gestellt werden oder war vereinbarungsgemäß als gestellt zu fingieren. Der voraussichtliche Dauerzustand, der den Versicherer zur Abgabe des in seinen AVB zugesagten Anerkenntnisses verpflichtet, soll nach seiner Ansicht (nur bereits) wieder entfallen sein. Damit ist die gleiche Situation gegeben, wie sie üblicherweise in einem dem Anerkenntnis erst nachfolgenden Nachprüfungsverfahren besteht. Beide Male wird ein Vergleich zweier Zustände und ihrer Auswirkungen notwendig. Damit bleibt der Versicherungsnehmer bezüglich der Nachvollziehbarkeit der Ablehnung ebenso schutzbedürftig wie in einem dem Anerkenntnis nachgeschalteten Nachprüfungsverfahren gemäß § 7 AVB.

3. Daß der Sachverhalt, der Gegenstand der „Nachprüfung“ des Versicherers ist, zum Zeitpunkt seiner Entscheidung gemäß § 5 AVB bereits der Vergangenheit angehört, wird nur insoweit entscheidungserheblich, daß es dem Versicherer nicht aufgrund des in § 7 AVB gewählten Wortlautes angesonnen werden kann, zunächst nur ein Anerkenntnis gemäß § 5 AVB abzugeben. Insoweit ergibt eine Auslegung, die an Sinn und Zweck der auf den Normalfall ausgerichteten Nachprüfungsklausel anknüpft, daß Anerkenntnis und Nachprüfungsentscheidung miteinander verbunden werden können. Etwas anderes kann auch ein verständiger Versicherungsnehmer in derartigen Fällen nicht erwarten. Er darf jedoch angesichts der Ausgestaltung der §§ 2, 5 und 7 AVB darauf vertrauen, daß ihm sein Versicherer nachvollziehbar macht, wie er trotz zunächst nachgewiesener Berufsunfähigkeit zur Annahme gelangt ist, die Berufsunfähigkeit sei bereits wieder entfallen. Damit wird von dem Versicherer lediglich die Bekanntgabe der für seine Leistungsablehnung ohnehin unentbehrlichen Grundlage, nämlich der nachvollziehbaren Vergleichsbetrachtung samt dabei ausgewerteter Gutachten, gefordert.

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