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Berufung gegen ein Urteil im einstweiligen Verfügungsverfahren – Zulässigkeit

OLG Dresden – Az.: 4 U 1856/22 – Beschluss vom 05.12.2022

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Verhandlungstermin vom 10.1.2023 wird aufgehoben.

4. Es ist beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens nach dem Kosteninteresse auf 5.092, 51 € festzusetzen.

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

I.

Berufung gegen ein Urteil im einstweiligen Verfügungsverfahren - Zulässigkeit
(Symbolfoto: MIND AND I/Shutterstock.com)

Die Verfügungsklägerin (Klägerin) hat ursprünglich von den Verfügungsbeklagten verlangt, das Betreten des Grundstücks und die Verbreitung der Fotografien und/oder Videos aus dem Inneren des Gebäudes ### in ### zu unterlassen, nachdem am 18.3.2022 ein Artikel auf dem Portal www.###.de eingestellt worden war, der Bilder aus den Innenräumen dieses Gebäudes enthielt und dessen Verfasser der Verfügungsbeklagte zu 1) (Beklagter) war. Am 11. und 12.4 2022 gaben die Verfügungsbeklagten eine Unterlassungsaufforderung ab, über deren Reichweite die Parteien im erstinstanzlichen Verfügungsverfahren gestritten haben. Das Landgericht hat die Beklagte durch Versäumnisurteil vom 12.04./03.05.2022 antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat es dieses Versäumnisurteil aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zwar habe ursprünglich ein Unterlassungsanspruch bestanden, dessen Voraussetzungen die Klägerin auch glaubhaft gemacht habe. Die Wiederholungsgefahr sei jedoch aufgrund der Unterlassungserklärung der Beklagten entfallen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie den Rechtsstreit zugleich für erledigt erklärt. Sie ist der Auffassung, das Landgericht hätte auf die beabsichtigte Änderung seiner Rechtsauffassung hinweisen müssen. Die erstmalige Darstellung dieser Auffassung im angefochtenen Urteil stelle ein erledigendes Ereignis dar, das sie auch im Berufungsrechtszug geltend machen könne. Die Beklagten haben sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

II.

Die hier verfolgte Klageänderung ist in der Berufungsinstanz unzulässig. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass die einseitige Erledigungserklärung eine gemäß § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageänderung bildet, mit der von einem Leistungsantrag auf einen Feststellungsantrag übergegangen wird (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2008 – IX ZR 84/07 -). Eine solche Klageänderung kann im Hauptsacheverfahren auch mit der Berufungseinlegung verfolgt werden und zwar auch dann, wenn der Kläger bereits in erster Instanz jedenfalls objektiv in der Lage gewesen wäre, die Erledigungserklärung abzugeben (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2015 – V ZR 26/15 -, Rn. 31; Senat, Beschluss vom 16.7.2020 – 4 W 510/20; Zöller-Althammer, ZPO, 34. Aufl. § 91a Rn 37). Daran ändert auch nichts, dass der Prozessgegner ankündigt, sich dem Erledigungsverlangen nicht anschließen zu wollen.

Im Verfügungsverfahren sind jedoch mit Blick auf dessen Besonderheiten Einschränkungen geboten. Hier ist als besondere Prozessvoraussetzung stets ein Verfügungsgrund, d.h. eine besondere Eilbedürftigkeit zu fordern, die abhängig von dem Rechtsschutzziel als Sicherungs-, Regelungs- oder Leistungsverfügung unterschiedlich ausgeprägt sein muss. Ist nur noch die Entscheidung über die Kosten zu treffen, liegt eine solche Eilbedürftigkeit aber nicht vor. In der Rechtsprechung umstritten ist daher, wie zu verfahren ist, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlusswege zurückgewiesen, der Gegner am Verfahren nicht förmlich beteiligt worden war und sodann die sofortige Beschwerde mit dem alleinigen Ziel eingelegt wird, die Erledigung des Verfügungsverfahren feststellen zu lassen. Während eine Meinung in der Rechtsprechung hier die Auffassung vertritt, eine sofortige Beschwerde sei in solchen Fällen stets unzulässig (OLG Hamm, Beschluss vom 25.10.1984 – 4 W 143/84 -; OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.01.2001 – 6 W 60/00 -; OLG Bamberg, Beschluss vom 18.04.2002 – 3 W 36/02 -; OLG Koblenz, Beschluss vom 18.12.2002 – 4 W 747/02 -; OLG Celle, Beschluss vom 09.03.2009 – 13 W 20/09 -) und hierbei auch darauf verweist, dass es an der für eine Eilentscheidung notwendigen Dringlichkeit mangelt, hält die Gegenmeinung die sofortige Beschwerde für zulässig (OLG München Beschl. v. 4.4.2022 – 18 W 1247/21, BeckRS 2022, 6930 Rn. 25, beck-online). Da stets gemäß § 308 Abs. 2 ZPO von Amts wegen nach Maßgabe der §§ 91 ff. ZPO über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden sei, habe der Antragsteller auch nach Eintritt eines erledigenden Ereignisses ein Interesse an der Abänderung einer ihn beschwerenden unrichtigen Kostenentscheidung, die deshalb zu seinem Nachteil ergangen sei, weil das Gericht des ersten Rechtszuges den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zu Unrecht zurückgewiesen habe (OLG München aaO. Rn 50). Eine dritte Meinung hält jedenfalls die sofortige Beschwerde dann für möglich, wenn der Gegner in das Verfahren einbezogen wurde (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 14.10.2021 – 6 W 22/21). Dies mag mit Blick auf die Besonderheiten des sofortigen Beschwerdeverfahrens, bei dem zunächst das Ausgangsgericht angegangen wird, das sodann die Möglichkeit zur Abhilfe hat (§ 572 Abs. 1 ZPO), gerechtfertigt sein. Beim Urteilsverfahren besteht diese Möglichkeit nicht. Eine Rechtfertigung dafür, dem Kläger auch in diesen Fällen ein Eilverfahren zur Klärung der Frage zuzubilligen, wer vorläufig bis zum Abschluss eines etwaigen Hauptsacheverfahrens die Kosten des Verfügungsverfahrens zu tragen hat, besteht hier jedenfalls dann nicht, wenn das erledigende Ereignis vor Abschluss der Instanz eingetreten ist. Noch weniger ist ein solches Bedürfnis zu erkennen, wenn der Kläger und Berufungsführer durch sein Verhalten zu erkennen gibt, dass er selbst der begehrten Entscheidung keine Eilbedürftigkeit beimisst. So liegt der Fall hier. Vorliegend hat der Kläger sich die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat bis zum 17.11.2022 verlängern lassen und sodann erst am letzten Tag der verlängerten Berufungsbegründungsfrist die Erledigung erklärt. Hierdurch hat er deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er seinem Antrag selbst keine besondere Dringlichkeit beimisst. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats führt aber die Verzögerung durch eigene Fristverlängerungsanträge des Klägers im Berufungsverfahren zum Wegfall des Verfügungsgrundes, weil es dem Betroffenen grundsätzlich zuzumuten ist, eine eingelegte Berufung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zu begründen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 25. Januar 2018 – 4 U 1675/17 -). Dies muss auch dann gelten, wenn der Kläger mit der Berufungsbegründung seinen Klageantrag ändert und nunmehr allein die Erledigungsfeststellung begehrt, schon weil es ihm jederzeit möglich wäre, von dieser einseitigen Erledigungserklärung wieder Abstand zu nehmen und zu seinem ursprünglichen Antrag zurückzukehren (vgl. Zöller-Althammer, aaO. § 91a Rn 35 m.w.N.). Auch zur Verhinderung einer solchen „Flucht in die Klageänderung“ muss er darauf verwiesen werden, seine vermeintlichen Kostenerstattungsansprüche aus einem erstinstanzlich eingetretenen erledigenden Ereignis im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens durchzusetzen.

Unabhängig hiervon dürfte in der im angefochtenen Urteil enthaltenen Mitteilung einer Rechtsauffassung durch das Landgericht, auf die der Kläger seine Erledigungserklärung stützt, auch kein erledigendes Ereignis im Sinne einer Tatsache mit Auswirkungen auf die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit oder Begründetheit einer Klage (vgl. nur BGH NJW 2015, 699; NJW 2014, 2199; Zöller-Althammer, aaO. § 91a Rn 3 m.w.N.) zu sehen sein. Ein Urteil in einem presserechtlichen Unterlassungsstreitverfahren gestaltet die Rechtslage nicht, sondern stellt diese fest.

Dahinstehen kann angesichts dessen, ob – wie der Kläger meint – sich die Entscheidung des Landgerichts als „Überraschungsentscheidung“ darstellt, mit der er ohne einen Hinweis nach § 139 ZPO nicht rechnen musste.

Der Senat rät auf dieser Grundlage zu einer Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.

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