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Berufungsbegründungsfrist – beginnt auch dann, wenn Prozesskostenhilfe beantragt worden ist

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: III ZA 7/06

Beschluss vom 29.06.2006

Vorinstanzen:

LG München I, Az.: 9 O 13322/04, Urteil vom 08.08.2005

OLG München, Az.: 1 U 4589/05, Urteil vom 21.03.2006


Leitsätze:

Der Lauf der Berufungsbegründungsfrist beginnt auch dann nach Maßgabe des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO, wenn der Rechtsmittelführer wegen Kostenarmut um Prozesskostenhilfe nachsucht und deshalb an der Einhaltung dieser Frist gehindert ist. Seit dem Inkrafttreten des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) steht ihm in diesen Fällen nach Wegfall des Hindernisses die Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat zur Verfügung, innerhalb deren die versäumte Prozesshandlung nachzuholen ist (Abgrenzung zum Beschluss vom 9. Juli 2003 – XII ZB 147/02 – NJW 2003, 3275).


In dem Rechtsstreit hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs am 29. Juni 2006 beschlossen:

Der Antrag der Klägerin, ihr für eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. März 2006 – 1 U 4589/05 – Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 17. August 2005 zugestellte klageabweisende Urteil des Landgerichts am 15. September 2005 Berufung eingelegt und in der Folge die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Die Berufungsbegründungsfrist wurde zuletzt bis zum 16. Januar 2006 verlängert. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2005, der der Klägerin am 21. Dezember 2005 zugestellt wurde, wies das Berufungsgericht den gestellten Prozesskostenhilfeantrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Berufung zurück. Ein beim Senat angebrachter Antrag, Prozesskostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung zu erhalten, hatte keinen Erfolg. Der entsprechende Senatsbeschluss vom 26. Januar 2006 (III ZA 3/06) ging der Klägerin am 2. Februar 2006 zu. Die Berufungsbegründung wurde am 24. Februar 2006, verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag, beim Berufungsgericht eingereicht.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin durch Beschluss vom 21. März 2006 als unzulässig verworfen und ihren Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Mit ihrem Antrag vom 10. April 2006 begehrt die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung.

II.

Der Klägerin kann Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

1.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, die Klägerin hätte ihre Berufung – unbeschadet der bewilligten Verlängerung der Frist bis zum 16. Januar 2006 – innerhalb von zwei Monaten nach der am 21. Dezember 2005 bewirkten Zustellung des Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren versagenden Beschlusses vom 16. Dezember 2005 begründen dürfen, also bis zum 21. Februar 2006. Es hat sich insoweit auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gestützt, die – vor Inkrafttreten des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) – zur Angleichung der Situation bemittelter und unbemittelter Rechtsmittelführer bei Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist eine verfassungskonforme Auslegung von § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO für erforderlich gehalten und als eine Lösung angesehen hat, den Beginn des Laufs der Rechtsmittelbegründungsfrist an die Zustellung der Prozesskostenhilfeentscheidung zu knüpfen (vgl. Beschluss vom 9. Juli 2003 – XII ZB 147/02 – NJW 2003, 3275, 3276 f; ähnlich Senatsbeschluss vom 25. September 2003 – III ZB 84/02 – NJW 2003, 3782 f zur Rechtsbeschwerde und Beschluss vom 17. Juni 2004 – IX ZB 208/03 – NJW 2004, 2902, 2903). Hieran kann nach der Neuregelung der Wiedereinsetzungsfrist bei Versäumung von Rechtsmittelbegründungsfristen in § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch das am 1. September 2004 in Kraft getretene 1. Justizmodernisierungsgesetz nicht festgehalten werden.

Denn in diesen Fällen ist lediglich die Wiedereinsetzungsfrist, innerhalb deren die versäumte Prozesshandlung nachgeholt werden muss (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO), auf einen Monat verlängert worden. Im Hinblick auf diese Regelung, die auf Fälle zugeschnitten ist, in denen einem Rechtsmittelführer erst nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist Prozesskostenhilfe für die Einlegung des Rechtsmittels gewährt wird (vgl. hierzu Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 15/1508 S. 17 f), ist für einen von § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO abweichenden Beginn des Laufs der Begründungsfrist kein Raum.

Es kommt hier hinzu, dass die Frist zur Begründung der Berufung infolge der bis zum 16. Januar 2006 bewilligten Verlängerung noch nicht abgelaufen war, als der Klägerin die Prozesskostenhilfe versagende Entscheidung zuging. Im Zeitpunkt des Eingangs der Berufungsbegründung am 24. Februar 2006 waren sowohl diese Frist als auch die einmonatige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO längst verstrichen.

2.

Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin um Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen die Prozesskostenhilfe versagende Entscheidung des Berufungsgerichts vom 16. Dezember 2005 nachgesucht hat. Dieser Antrag ist zwar erst durch Senatsbeschluss vom 26. Januar 2006 (III ZA 3/06) zurückgewiesen worden, der der Klägerin am 2. Februar 2006 zuging. Dem Berufungsgericht ist allerdings darin beizutreten, dass die Klägerin bereits aus der mit einem Rechtsmittel nicht anfechtbaren Entscheidung zur Prozesskostenhilfe die erforderlichen prozessualen Konsequenzen – wie hier die dann vorgesehene Durchführung des Berufungsverfahrens auf eigene Kosten – ziehen musste. Das beabsichtigte, aber mangels Zulassung nicht statthafte Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe konnte von vornherein zu keiner günstigen Entscheidung für die Klägerin führen und deshalb den Beginn für die Wiedereinsetzungsfrist nicht hinausschieben.

3.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt auch nicht mit Rücksicht auf verschiedene Vorsprachen der Klägerin bei der Rechtsantragsstelle des Berufungsgerichts im Anschluss an die Zustellung der Prozesskostenhilfeentscheidung in Betracht. Zwar hat die Klägerin am 27. Dezember 2005, 12. Januar 2006 und 2. Februar 2006 zum Ausdruck gebracht, dass sie auf der Suche nach einem anderen Rechtsanwalt sei und deswegen um einen Aufschub oder eine Verlängerung bis zum 31. Januar 2006 bzw. 31. März 2006 bitte; tatsächlich ist die Mandatsniederlegung auch am 10. Januar durch den Anwalt mitgeteilt worden. Es mag offen bleiben, ob das Berufungsgericht mit Rücksicht auf diese Vorsprachen gehalten gewesen wäre, der Klägerin entweder einen genauen Endtermin für die Einreichung der Berufungsbegründung zu nennen oder einen Hinweis auf einen durch einen Anwalt zu stellenden Verlängerungsantrag zu geben. Denn der Klägerin ist jedenfalls in einem Telefongespräch mit dem Berichterstatter vom 13. Februar 2006 bedeutet worden, dass sie ihr Rechtsmittel „baldmöglichst“ begründen müsse. Zwar fand dieses Telefongespräch erst zu einem Zeitpunkt statt, zu dem ein Wiedereinsetzungsantrag nach § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO bereits hätte angebracht und die Prozesshandlung hätte nachgeholt sein müssen (vgl. oben 1). Von der Klägerin ist indes nicht zu erwarten, dass sie über den genauen Fristablauf der Berufungsbegründungsfrist eine bessere Kenntnis als das Berufungsgericht hatte, das die Auffassung vertrat, die Klägerin könne ihr Rechtsmittel bis zum 21. Februar 2006 begründen. Wäre dies geschehen, hätte das Berufungsgericht die Berufung aus seiner Sicht nicht als unzulässig verworfen; aus der Sicht des Senats hätte man die objektiv vorliegende Verspätung mit Rücksicht auf den vorangegangenen Geschehensablauf möglicherweise als unverschuldet behandeln müssen. Die Klägerin konnte aber nach dem Gespräch mit dem Berichterstatter vom 13. Februar 2006 nicht davon ausgehen, für die Begründung des Rechtsmittels noch eine Frist von 11 Tagen zur Verfügung zu haben.

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