Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Az: 9 Sa 378/08
Beschluss vom 21.07.2008
In dem Rechtsstreit wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 27.09.2007 – 11 Ca 277/07 – als unzulässig verworfen, soweit diese sich gegen die Beklagte zu 1) richtet.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe:
1.
Der Berufungsklägerin ist das in vollständiger Form abgefasste Urteil der ersten Instanz am 07.02.2008 zugestellt worden. Die gesetzliche Frist zur Einlegung der Berufung ist am 17.03.2008 abgelaufen (§ 66 Abs. 1 ArbGG). Innerhalb dieser Frist ist ein Berufungsschriftsatz gegenüber der Beklagten zu 1) beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen nicht eingegangen. Die am 06. März 2008 eingegangene Berufung vom 06.03.2008 richtet sich lediglich gegen die Beklagte zu 2). Die Berufung vom 06.03.2008 führt im Rubrum für die Klägerin Frau B. auf und nennt als Beklagte das D. GmbH. Eine Nummerierung der Beklagten (zu 1) oder zu 2)) ist nicht erfolgt. Dem Berufungsschriftsatz lag das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover bei, aus dem für das Beklagtenrubrum die Beklagte zu 1) und Beklagte zu 2) ersichtlich war. Als Berufungsantrag wird angekündigt: „Das angefochtene Urteil abzuändern und nach den in der Schlussverhandlung der ersten Instanz gestellten Anträgen der Berufungsklägerin zu erkennen.“
In der nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gemäß Beschluss vom 04.04.2008 am 08. Mai 2008 eingegangenen Berufungsbegründung, die kein Rubrum mehr enthält, ergab sich erstmals aus den nunmehr konkret gefassten Anträgen, dass die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch verurteilt werden sollen (Blatt 184 d. A.).
2.
Zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift gehört gemäß § 519 Abs. 2 ZPO auch die Angabe, für wen und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Aus der Berufungsschrift muss entweder für sich allein oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen sein, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll. Das bedeutet nicht, dass die erforderliche Klarheit über die Person des Berufungsklägers ausschließlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung zu erzielen wäre; sie kann auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden. Dabei sind, wie auch sonst bei der Auslegung von Prozesserklärungen, alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen. Die Anforderungen an die zur Kennzeichnung der Rechtsmittelpartei nötigen Angaben richten sich nach dem prozessualen Zweck dieses Erfordernisses und damit danach, dass im Falle einer Berufung, die einen neuen Verfahrensabschnitt darstellt, aus Gründen der Rechtssicherheit die Parteien des Rechtsmittelverfahrens zweifelsfrei erkennbar sein müssen (BGH vom 09.04.2008 – VIII ZB 58/06 – Rn. 5, zitiert nach Juris; BGH vom 22.11.2008 – XI ZB 43/04 -, NJW-RR 2006, 284 Rn. 8; BAG vom 04.07.1973 – 1 AZB 12/73 – NJW 1973,1949; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO § 518 Rn. 19).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist gegenüber der Beklagten zu 1) innerhalb der Berufungsfrist keine Berufung eingelegt worden. Die Berufungsschrift vom 06.03.2008 bezieht sich auch unter Heranziehung der vorhandenen Begleitumstände nur auf die Beklagte zu 2). Aus der Darstellung des Rubrums in der Berufungsschrift ergeben sich zunächst keine Anhaltspunkte dafür, dass auch die dritte erstinstanzlich an dem Rechtsstreit beteiligte Partei einbezogen werden soll. Das Passivrubrum nennt lediglich die Beklagte zu 2) als alleinige Beklagte. Eine Nummerierung ist nicht vorgenommen. Ob aus der Angabe der Reihenfolge der Beklagten in der Berufungsschrift auf die zutreffende Rechtsmittelbeklagte geschlossen werden kann, mag offen bleiben (vgl. BGH vom 11.10.1984 – V ZB 15/84- Versicherungsrecht 1984, 1093). Wird die in erster Instanz als Beklagte zu 2) geführte Person in der Berufung als alleinige Beklagte genannt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei einfacher Streitgenossenschaft auch die frühere Beklagte zu 1) Rechtsmittelbeklagte sein soll. Lediglich in dem umgekehrten Fall, in dem in der Berufungsschrift alle Streitgenossen aufgeführt werden und die Berufung uneingeschränkt eingelegt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Berufung gegen alle Beklagten richtet (vgl. Gummer/Heßler in Zöller, ZPO 26. Aufl., § 519 Rn. 32 m. w. N.). Auch aus dem bereits mit der Berufung angekündigten Antrag ergibt sich nichts anderes. Dieser bezieht sich allgemein darauf, nach den in der Schlussverhandlung der ersten Instanz gestellten Anträgen der Berufungsklägerin zu erkennen. Diese Anträge beziehen zwar in der ausformulierten Fassung auch die Beklagte zu 1) mit ein. Es handelt sich bei der Ankündigung des Antrags in der Berufungsschrift jedoch um eine allgemeine Fassung, wie auch aus der konkreten Formulierung der Anträge in der Berufungsbegründung vom 08.05.2008 folgt. Auch aus der Verwendung der Mehrzahl („Anträge“) lässt sich nicht auf einen gegenüber der Beklagten zu 1) gestellten Antrag schließen, da bereits erstinstanzlich zwei Anträge gestellt waren. Aus dem in der Berufungsschrift angekündigten Antrag lässt sich nicht sicher der Schluss ziehen, dass auf jeden Fall auch die Beklagte zu 1) Rechtsmittelbeklagte sein soll. Es macht durchaus Sinn, die Berufung auf die Beklagte zu 2) zu beschränken, aus welchen Erwägungen seitens der Klägerin auch immer. Beklagte zu 1) und 2) sind keine notwendigen Streitgenossen. Die Beschränkung der Berufung auf einen Beklagten kann aus unterschiedlichen Gründen erfolgen. Ein zweifelsfrei sicherer Schluss auf Grund der dargetanen Umstände auch auf die Beklagte zu 1) als Rechtsmittelbeklagte lässt sich daher nicht ziehen. Eine zwingende andere Auslegung liegt nicht auf der Hand (vgl. auch BGH vom 22.11.2005 a. a. O. Ziff. II 1 bb und cc). Auch der Umstand, dass die Berufung lediglich dreifach und damit nur für die Zustellung an eine Beklagte eingereicht wurde, spricht dafür, dass die Beklagte zu 1) zunächst nicht in das Berufungsverfahren miteinbezogen werden sollte. Die Berufung gegenüber der Beklagten zu 1) war daher nicht fristgerecht eingegangen, da sich erst aus der Berufungsbegründung deren Einbeziehung ergab.
3.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war auf den Antrag der Klägerin vom 29.05.2008 nicht zu gewähren. Der Antrag ist gemäß § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO fristgerecht gestellt worden, da Kenntnis von der fehlenden Berufung gegenüber der Beklagten zu 1) erst auf Grund der Verfügung vom 14. Mai 2008 bestand. Die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung liegen jedoch nicht vor. Nach § 233 ZPO ist einer Partei auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Ob ein Verschulden der Partei oder ihres Vertreters vorliegt, ist nach dem objektiv-abstrakten Maßstab des § 276 Abs. 2 BGB zu beurteilen; maßgeblich ist die Sorgfalt einer ordentlichen Prozesspartei (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl. § 233 Rn. 12). Anwaltliches Verschulden ist einer Prozesspartei nach § 85 Abs. 2 ZPO bei einer Fristversäumung zuzurechnen, wenn sie für einen pflichtbewussten Rechtsanwalt abwendbar gewesen wäre.
Die Fertigung der Berufungsschrift muss vom Rechtsanwalt vor Unterzeichnung auf Vollständigkeit und zutreffende Angabe des Rechtsmittelführers sowie inhaltliche Richtigkeit geprüft werden (BGH vom 21.03.2006 – VI ZB 25/05, VersR 2006, 991 Rn. 10 und Zöller/Greger, a. a. O. § 233 Rn. 23 „Büropersonal und Organisation“). Es handelt sich hierbei um keine einfache Tätigkeit, die auf das Büropersonal übertragen werden kann. Die fehlende Kontrolle der Berufungsschrift stellt eine Sorgfaltspflichtverletzung dar mit der Folge, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann. Die Sorgfaltspflichtverletzung ist der Partei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
4.
Die Entscheidung über die Verwerfung der Berufung hat gemäß § 66 Abs. 2 S. 2 ArbGG in der ab 01.04.2008 geltenden Fassung durch die Vorsitzende allein zu ergehen.
Eine Kostenentscheidung ergeht mit der Schlussentscheidung (Berufung gegen die Beklagte zu 2).
Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestehen nicht.
Gegen diesen Beschluss ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 77 ArbGG).