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Verkehrsunfall – Beschädigung neuwertiges E-Bike

AG Nordhorn – Az.: 3 C 1180/16 – Urteil vom 02.05.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf bis zu 2.000,00 €  festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall.

Verkehrsunfall mit neuem eBike
Verkehrsunfall mit neuem eBike – Schadensregulierung (Symbolfoto: Von Spic/Shutterstock.com)

Am 23.08.2016 kam es in … zu einem Verkehrsunfall, bei dem das E-Bike der Klägerin beschädigt wurde. Die Beklagte ist die Haftpflichtversicherung des PKW des Unfallgegners, der der Klägerin dem Grunde nach für sämtliche entstandenen Schäden voll haftet. Die Klägerin kaufte das streitgegenständliche Fahrrad am 20.07.2017. Dieses hatte zum Zeitpunkt des Unfalls eine Laufleistung von 180 km. An dem Fahrrad wurde das Vorderrad, das vordere Schutzblech, das Bremsenset, die Lenkergriffe, die Pedale, der Lenker, die Klingel, der Displayhalter, das Display sowie der Fahrradkorb nebst Klick-Fix-Halter beschädigt. Die Klägerin wurde durch den Inhaber der Firma … darauf hingewiesen, dass der Elektromotor bei der Kollision in Mitleidenschaft gezogen worden sein könnte, so dass er vielleicht in naher Zukunft Probleme bereiten könnte. Die Kosten der Reparatur der beschädigten Fahrradteile werden sich nach dem Kostenvoranschlag der Firma … vom 26.08.2016 auf 558,00 € belaufen. Eine Reparatur seitens der Klägerin fand nicht statt. Die Beklagte zahlte an die Klägerin mit Abrechnungsschreiben vom 30.09.2016 Nettoreparaturkosten in Höhe von 468,91 €. Durch Rechtsanwaltsschreiben vom 06.10.2016 wurde die Beklagte zur Zahlung von 1.547,90 € innerhalb von 10 Tagen aufgefordert. Die Beklagte reagierte trotz Nachfristsetzung vom 04.11.2016 nicht.

Die Klägerin behauptet, der Neupreis belaufe sich auf 2.400,00 €, wobei der Mehrwertsteueranteil 383,19 € betrage. Die Klägerin beabsichtige, sich ein fabrikneues anderes E-Bike anzuschaffen, sobald die Beklagte ihr zumindest die Netto-Neuwertentschädigung ausgezahlt hat.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz des Neupreises des Fahrrades habe. Die Grundsätze der Abrechnung auf Neuwagenbasis bei Kraftfahrzeugen seien auch auf E-Bikes anwendbar.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.547,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2016 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung des wie folgt Unfall beschädigten E-Bike Victoria E-Trekking 7.5, Rahmennummer …: Vorderrad, vorderes Schutzblech, Bremse, Lenkergriffe, Pedalen, Lenker, Glocke, Bosch-Display inkl. Halter, Fahrradkorb nebst Klick-Fix-Halterung,

2. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin gegen Vorlage einer Rechnung über die Ersatzbeschaffung eines vergleichbaren Fahrzeuges den darin enthaltenen Mehrwertsteueranteil, maximal jedoch 383,19 € ersetzen muss,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung in Höhe von 255,85 € freizustellen,

hilfsweise beantragt sie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin 1.931,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2016 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung des unfallbeschädigten E-Bikes Victoria E-Trekking 7,5 mit beschädigtem Vorderrad, beschädigtem vorderen Schutzblech, beschädigter Bremse, beschädigten Lenkergriffen, beschädigten Pedalen, beschädigtem Lenker, beschädigter Glocke, beschädigtem Bosch-Display mit Halter, sowie beschädigtem Fahrradkorb nebst Klick-Fix-Halterung, und die Klägerin von Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung in Höhe von 255,85 € freizustellen, sobald die Klägerin der Beklagten durch Vorlage einer Kaufrechnung über mindestens 2.400,00 € nachweist, fabrikneues E-Bike beim einem Händler erworben zu haben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, ein Anspruch auf Neupreisentschädigung bestehe nicht. Die Grundsätze der Abrechnung auf Neuwagenbasis bei Kraftfahrzeugen seien nicht übertragbar.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein weiterer Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 1 PflVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 823 Abs. 1 BGB aus dem Unfallereignis vom 23.08.2016 zu.

Die berechtigten Ansprüche der Klägerin sind durch die seitens der Beklagten vorgerichtlich vorgenommene Schadensregulierung auf Reparaturkostenbasis abgegolten.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neupreisentschädigung nach der Rechtsprechung des BGH. Die Rechtsprechung ist allein auf Kraftfahrzeuge anwendbar und lässt sich nicht auf E-Bikes übertragen.

Es ist in Rechtsprechung und Lehre einhellig anerkannt, dass der auf Herstellung des früheren Zustandes (Naturalrestitution) gerichtete Ersatzanspruch gem. § 249 BGB bei Beschädigungen neuwertiger Kraftfahrzeuge dem Geschädigten eine Entschädigung nach den Beschaffungskosten eines Neuwagens gewährt, wenn und weil die allgemeine Wertschätzung eines Neuwagens die eines auch fachgerecht instandgesetzten Wagens übersteigt, was sich im Wert niederschlägt (OLG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 17. Dezember 1996 – 5 U 154/96 –, Rn. 17, juris).

Bei dieser Rechtsprechung geht es nicht darum, etwaige emotionale, letztlich wohl irrationale „Unlustgefühle“ zu berücksichtigen. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die allgemeine Wertschätzung eines unfallfreien Personenkraftwagens erheblich höher ist als die eines – wenn auch fachgerecht – reparierten Fahrzeuges (vgl. für viele BGH NJW 1982, 433 f; OLG München NJW 1982, 52 ff; sowie die Rechtsprechungsübersicht bei: Berr, Abrechnung auf Neuwagenbasis, DAR 1990, 313 ff). Diese Verkehrseinschätzung stellt durchaus einen wirtschaftlich relevanten Wertbildungsfaktor dar, der nicht durch die Zubilligung einer – sei es auch erhöhten – Wertminderung ausgeglichen werden kann (OLG Nürnberg, Urteil vom 07. Juni 1994 – 3 U 1020/94 –, Rn. 4, juris).

Dies ist bei E-Bikes nicht der Fall. Zwar existiert allgemein eine höhere Wertschätzung gebrauchter Gegenstände, welche nicht repariert worden sind gegenüber solchen, welche einer Reparatur unterlegen sind. Jedoch lässt sich die besondere Wertschätzung in der Verkehrsanschauung, welche bei Kraftfahrzeugen besteht, nicht auf jedwede Gegenstände übertragen. Dies zeigt sich vor allem dadurch, dass der BGH durch seine Rechtsprechung zur Neupreiserstattung bei Kraftfahrzeugen, diesen besondere Bedeutung beigemessen hat und diese Rechtsprechung nicht auf andere Gegenstände ausgeweitet hat.

Diese besondere Wertschätzung gründet sich vor allem darin, dass es sich bei einem Pkw um ein komplexes technisches Gefüge handelt, welches insbesondere durch Laien meist nicht gänzlich zu überblicken ist. Aufgrund dessen besteht eine erhöhte Gefahr an Missbrauch und ein größeres Risiko einer nicht fachgerechten Reparatur. Deshalb mindert sich die Wertschätzung eines Pkw immer dann, wenn ihm der Makel „Unfallwagen“ anhaftet. Das Vertrauen in das Fahrzeug ist sodann gemindert. Dieser Makel schlägt sich dann auch wirtschaftlich dadurch nieder, dass solche Fahrzeuge erhebliche Wertminderungen erfahren.

Der Sinn und Zweck dieser Rechtsprechung lässt sich auf E-Bikes nicht übertragen, da die eben dargelegten Besonderheiten bei E-Bikes gerade nicht vorliegen. Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass ein E-Bike komplexer ist, als ein nicht motorisiertes Fahrrad. Es existiert allerdings keine allgemeine, über das normale Maß hinausgehende, Wertschätzung eines unfallfreien E-Bikes, gegenüber einem gebrauchten, fachgerecht reparierten E-Bike.

Aus diesen Gründen hat die Klägerin auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg.

Da der Klägerin kein Anspruch auf Ersatz der für die Beschaffung eines neuen E-Bikes erforderlichen Kosten zusteht, kann sie auch nicht den Ersatz vorgerichtlicher Kosten der Rechtsverfolgung verlangen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

III.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.

IV.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 3, 4 ZPO in Verbindung mit §§ 45 Abs. 1,48 Abs. 1 S. 1 GKG.

 

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