BUNDESGERICHTSHOF
Az.: 5 StR 378/02
Urteil vom 28.01.2003
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Januar 2003,
für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. Februar 2002 werden verworfen.
Die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
– Von Rechts wegen –
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten T und M von dem Vorwurf freigesprochen, den Angeklagten W bestochen zu haben. Diesen Angeklagten hat es von dem Verdacht der Bestechlichkeit freigesprochen. Die dagegen gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten werden, bleiben erfolglos.
Den Angeklagten ist mit der Anklage folgendes zur Last gelegt worden: Die Angeklagten M und T seien Geschäftsführer der U gewesen, die in der Gemeinde S Windenergieanlagen habe errichten wollen. Um sich der Unterstützung des Angeklagten W zu versichern, welcher zu dieser Zeit Amtsdirektor des Brandenburg-Vorpommerschen Amtes G und mit diesen Anlagen befaßt gewesen sei, hätten sie ihm über die Zeugin Mi 24.000 DM zukommen lassen. Um den wahren Zweck des Geldtransfers zu verschleiern, habe der Angeklagte T einen Scheinvertrag mit der Zeugin geschlossen. Nach Erhalt des Geldes habe der Angeklagte W unvermittelt Aktivitäten zu Gunsten der beiden anderen Angeklagten entwickelt und deren Vorhaben, in der Gemeinde Windenergieanlagen zu errichten, unlauter unterstützt. Auf verschiedenen Gemeindevertretersitzungen habe er sich nachdrücklich für deren Pläne eingesetzt und dadurch erreicht, daß der G – unter Benachteiligung eines anderen Bieters – letztlich der Zuschlag für das Projekt erteilt worden sei.
Das Landgericht hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Strafkammer hat sich weder von einer Zahlung an den Angeklagten W noch von dessen Parteilichkeit für die U G überzeugen können. Es erachtet die Aussage der Belastungszeugin Mi, die die Zahlung eines Bestechungslohns bekundet hat, als lebensfremd, widersprüchlich und insgesamt unglaubhaft, so daß auf deren Angaben ausreichende Feststellungen nicht hätten gestützt werden können.
1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
a) Eine Verletzung des Beweisantragsrechts (§ 244 Abs. 6 StPO) liegt nicht vor. Der als Beweisantrag bezeichnete Antrag der Staatsanwaltschaft enthält keine Beweistatsachen, sondern lediglich Wertungen sowie die Bezeichnung allgemeiner, der erforderlichen Konkretisierung entbehrender Themenkreise, allenfalls nach Maßgabe der Aufklärungspflicht zu erhellende Beweisziele (vgl. BGHSt 39, 251, 253 ff.). Auch in der Revisionsrechtfertigung ist keine bestimmte Tatsachenbehauptung aufgestellt worden, die gestattete, der Rüge eine zulässige Aufklärungsrüge zu entnehmen (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 9).
Soweit die Staatsanwaltschaft beanstanden wollte, das Landgericht habe den „Beweisantrag“ nicht vollständig beschieden, steht dem Erfolg der Rüge schon entgegen, daß die Revisionsführerin ein entsprechendes, aus der Begründung des Gerichtsbeschlusses zu erkennendes Mißverständnis des Gerichts über den Umfang des Beweisantrages nicht in der Hauptverhandlung zu beseitigen suchte, sondern unbeanstandet ließ, es dann jedoch zur Grundlage einer revisionsrechtlichen Verfahrensrüge machte (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 3 und 30 m. w. N.; BGH, Beschl. v. 25. März 1998 – 1 StR 70/98). Eine Pflicht, auf eine vollständige Bescheidung der selbst gestellten Beweisanträge hinzuwirken, ergibt sich für die Staatsanwaltschaft verstärkt schon aus ihrer gesetzlichen Stellung und Aufgabe, den Richter in seinem Bemühen um die Erforschung des wirklichen Sachverhalts und die richtige Rechtsanwendung zu unterstützen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. vor § 141 GVG Rdn. 8 m. w. N.).
b) Die Revisionen dringen auch nicht mit der Rüge durch, das Landgericht habe sein Urteil auf nicht erhobene Beweise gestützt (§ 261 StPO). Zwar belegen sie, daß das Landgericht die zwölf Bareinzahlungen des Angeklagten W nicht mit Hilfe von nach § 249 Abs. 1 StPO verlesenen Umsatzlisten in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Ein Verfahrensverstoß ist dadurch aber nicht bewiesen, weil – was im übrigen die Berufsrichter in dienstlichen Erklärungen bestätigt haben – der Inhalt der im Urteil dargestellten Umsatzlisten von dem Zeugen KHK Wa nach Vorhalt bekundet worden sein kann (vgl. BGHSt 11, 159, 160; BGH NJW 1991, 1306, 1309). Eine solche Vorgehensweise begegnet hier keinen Bedenken, weil die Daten der zwölf Bareinzahlungen nicht einem längeren oder inhaltlich schwer zu verstehenden Schriftstück zu entnehmen waren. Nur in einem solchen Fall hätte nicht die Gewähr dafür bestanden, daß die Auskunftsperson den Sinn der schriftlichen Erklärung auf den bloßen inhaltlichen Vorhalt hin richtig hätte erfaßt haben können (vgl. BGH NJW 2002, 2480; BGHR StPO § 249 Abs. 1 Verlesung, unterbliebene 1).
2. Auch die gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts gerichteten Sachrügen bleiben erfolglos. Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen zu verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatrichter. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Es ist ihm verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen oder sie etwa nur deshalb zu beanstanden, weil aus seiner Sicht eine andere Bewertung der Beweise nähergelegen hätte. Kann der Tatrichter vorhandene, wenn auch nur geringe Zweifel nicht überwinden, so kann das Revisionsgericht eine solche Entscheidung nur im Hinblick auf Rechtsfehler überprüfen, insbesondere darauf, ob die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, die Beweismittel nicht ausschöpft, Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze aufweist oder ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewißheit gestellt hat (ständige Rechtsprechung; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 und Überzeugungsbildung 33; BGH NStZ-RR 2000, 171 f.; BGH NStZ 2001, 491, 492; BGH NStZ 2002, 48; BGH wistra 2002, 260, 261). Solche Fehler zeigt die Revision nicht auf. Das Landgericht hat die Aussage der Belastungszeugin Mi nach umfassender Darstellung (UA S. 33 bis 51) einer kritischen Würdigung unterzogen, hat sie mit anderen Beweisergebnissen in Beziehung gesetzt (UA S. 52 bis 61) und ist in einer umfassenden Gesamtbetrachtung unter Bedacht auf fehlende Realkennzeichen in der Aussage (UA S. 61 f.) zu dem Ergebnis gelangt, daß die Aussage nicht tragfähig ist, die erhobenen Vorwürfe zu belegen