Arbeitsgericht Frankfurt am Main
Az.: 116 Ca 376/01
Verkündet am 14.05.2001
In dem Rechtsstreit hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main Kammer 1 auf die mündliche Verhandlung vom 14.05.2001 für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 6.496,00 (i.W.: Sechstausendvierhundertsechsundneunzig Deutsche Mark) brutto nebst 9,26 % Zinsen aus DM 3.248,00 seit dem 09.01.2000 und weiteren 9,26 % Zinsen aus DM 3.248,00 seit dem 13.02.2001 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 6.496,00 festgesetzt.
Tatbestand
Mit der vorliegenden Klage beansprucht der seit 1992 als Arbeiter bei der Beklagten beschäftigte Kläger von ihr unstreitig nicht bezahltes Urlaubs- und Weihnachtsgeld für 1999 und 2000.
Der Kläger behauptet unwidersprochen, seine durchschnittliche Monatsvergütung betrage DM 3.248,– brutto. Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses habe die Beklagte aufgrund betrieblicher Übung vorbehaltlos Weihnachts- und Urlaubsgeld von zusammen einer Monatsvergütung gezahlt. 1997 habe die Beklagte beabsichtigt, diese Betriebsübung einzustellen und Weihnachts- bzw. Urlaubsgeld nur noch auf freiwilliger Basis zahlen wollen.
Der Kläger behauptet, er habe sich geweigert anzuerkennen, dass die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsvergütung nur noch auf Freiwilligkeitsbasis erfolgen sollte. Er habe gegen die jeweilige Nichtzahlung bei seinem Vorarbeiter und in der Personalabteilung protestiert. Er meint, die Beklagte könne die so entstandene Betriebsübung nicht gegen seinen Willen einseitig ändern oder aufheben.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 6.496,– brutto nebst 9,26 % Zinsen seit dem 09.01.2000 zu zählen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte meint, sie sei aus Gründen der Gleichbehandlung aller Mitarbeiter und aus wirtschaftlichen Gründen nicht verpflichtet, dem Kläger Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld zu zahlen. Mit im Termin am 14. Mai 2001 überreichten Schriftsatz behauptet die Beklagte, der Kläger habe über die Jahre 1998, 1999 und 2000 die betriebsbedingte Entscheidung der Geschäftsleitung, kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu vergüten, akzeptiert, da ihr keinerlei Widerspruchsverhalten bekannt sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und bis auf die überhöhte Zinsforderung begründet.
Die Beklagte muss an den Kläger aufgrund arbeitsvertraglicher, durch Betriebsübung begründeter Verpflichtung Weihnachts- und Urlaubsgeld in – unstreitiger Höhe von DM 6.496,– brutto für die Jahre 1999 und 2000 bezahlen.
Zwischen den Parteien besteht offenkundig kein Streit darüber, dass der Kläger – wie auch andere Arbeitnehmer der Beklagte – aufgrund einer unangefochtenen Betriebsübung bis einschließlich 1996 die von ihm jetzt für die Jahre 1999 und 2000 beanspruchten Sonderleistungen erhalten hat.
Nach der Rechtsprechung des BAG (Urteil v. 26.3.1997 – 10 AZR 612/96 – EZA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 38, NZA 1997, 1007; DB 1997, 1672; Urteil v. 4.5.1999 – 10 AZR 290/98 – EZA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 43), der das Gericht folgt, kann – nicht anders als beim Entstehen einer betrieblichen Übung auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes – ein Arbeitgeber mangels entgegenstehender Anhaltspunkte dann, wenn er entgegen einer früher geübten Praxis bislang ohne Vorbehalt gezahltes Weihnachtsgeld drei Jahre lang ausdrücklich unter den Vorbehalt der Freiwilligkeit gestellt hat und die Arbeitnehmer die Weihnachtsgratifikation widerspruchslos entgegengenommen haben, davon ausgehen, dass das Schweigen der Arbeitnehmer ein Einverständnis mit der angebotenen Neuregelung darstellt und damit die geänderte Handhabung als geänderte betriebliche Übung Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge wird.
Eine solche Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Der Kläger hat bereits in der Klageschrift behauptet, er habe sich ebenso wie eine Reihe von weiteren Mitarbeitern von Anfang an geweigert anzuerkennen, dass die Zahlungen künftig nur freiwillig erfolgen sollten. Im Hinblick auf diese prozessuale Situation hätte die Beklagte, die sich auf die Abänderung der Betriebsübung beruft, ihre Behauptung, der Kläger habe die von ihr seit 1997 betriebene Abänderung der Betriebsübung zu Lasten der Arbeitnehmer widerspruchslos akzeptiert, beweisen müssen. Diesen Beweis ist die Beklagte schuldig geblieben. Sie hätte beispielsweise den Nachweis führen können, dass der Kläger wie andere Mitarbeiter auch durch seine Unterschrift einschränkungslos den künftig freiwilligen Charakter der Urlaubsgeld- und Weihnachtsgeldzahlungen akzeptiert hat.
Der Zinsanspruch für die im Jahre 1999 fällig gewesenen Zahlungen ist aus §§ 284 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Die für das Jahr 2000 zu leistenden Zahlungen waren allerdings noch nicht am 09. Januar 2000 fällig, weswegen die Klage insoweit abgewiesen werden musste.
Die Beklagte hat die Kosten nach § 92 Abs. 2 ZPO zu tragen.
Die Festsetzung des Streitwertes im Urteil beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG.