LANDESARBEITSGERICHT RHEINLAND-PFALZ
Az: 2 Sa 403/98
Verkündet am: 16.09.1998
Vorinstanz: ArbG Pirmasens – Az.: 4 Ca 675/95
In dem Berufungsverfahren w e g e n Forderung hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz in Mainz auf die mündliche Verhandlung vom 16.09.1998 für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 28. Jan. 1998 – 4 Ca 675/95 – unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu formuliert:
1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.593,95 DM brutto nebst 4% Zinsen aus dem verbleibenden Nettobetrag seit dem 13. Okt.1995 zu zahlen.
2) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 4.225,56 DM brutto nebst 4% Zinsen aus dem verbleibenden Nettobetrag seit dem 29. Febr 1996 zu zahlen.
3) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4) Der Kläger hat 17/100 und die Beklagte 83/100 der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 22/100 dem Kläger und zu 78/100 der Beklagten auferlegt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Arbeitsvergütungs- und Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers. Darüber hinaus begehrt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld für das Jahr 1995.
Der Kläger war bei der Beklagten in der Zeit vom 01.12.1981 bis zum 31.01.1996 als Kundeninstallateur beschäftigt. Er erhielt zuletzt einen Stundenlohn von 22,45 DM brutto. Die Beklagte zahlte dem Kläger bis einschließlich 1994 jährlich ein zusätzliches Urlaubsgeld, welches jeweils in vier Raten in den Monaten März, Juni, September und Dezember ausgezahlt wurde. Des Weiteren erhielt der Kläger bis einschließlich 1994 – jeweils im November – ein Weihnachtsgeld, zuletzt in Höhe von 1.200,– DM brutto. Wegen der Höhe der Sonderzuwendungen in den einzelnen Jahren wird auf die diesbezüglichen Aufstellungen des Klägers in dessen Schriftsatz vom 15.06.1998 ( Bl. 110 und 111 d.A. ) verwiesen.
Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, nebst Anträgen, wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Primasens – vom 28.01.1998 – 4 Ca 675/95 – ( Bl. 80 bis 83 d.A. ) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28. 01.1998 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.593,95 DM brutto nebst Zinsen zu zahlen. Im übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 bis 9 dieses Urteils ( = Bl. 84 bis 86 d.A. ) Bezug genommen.
Gegen das ihm am 19.03.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.04.1998 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinand-Pfalz eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluß vom 14.05.1998 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 15.06.1998 begründet.
Der Kläger trägt unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Sachvortrag im wesentlichen vor, die Beklagte habe – wie auch durch die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme bestätigt worden sei – die Arbeitsvergütung aller Arbeitnehmer entsprechend den Tarifabschlüssen für die Beschäftigten im Installateurhandwerk jeweils erhöht. Sie sei daher infolge der im Jahre 1995 eingetretenen 3%igen Tariflohnerhöhung zur Zahlung eines Stundenlohnes von 23,12 DM brutto verpflichtet, woraus sich für die Monate September und Oktober 1995 sowie Januar 1996 ein Nachzahlungsanspruch in Höhe von 386,92 DM brutto ergebe. Für den Monat August 1995 sei die Beklagte auch zur Zählung des insoweit vom Arbeitsgericht abgewiesenen Teilbetrages verpflichtet. Des Weiteren schulde ihm die Beklagte Urlaubsabgeltung für insgesamt 6 Urlaubstage aus dem Jahr 1994 in Höhe von 1.050,11 DM brutto. Es sei bei der Beklagten allgemein üblich gewesen, den Jahresurlaub – soweit nicht im Urlaubsjahr gewährt – auch über den 31.03. des Folgejahres hinaus zu übertragen. Dies sei auch durch die Aussagen der erstinstanzlich vernommenen Zeugen bestätigt worden. Letztlich habe er gegen die Beklagte aufgrund betrieblicher Übung auch Anspruch auf Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes für das Jahr 1995 i.H.v. 2.638,64 DM brutto sowie auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes für 1995 in Höhe von 1.200,- DM brutto.
Zur Darstellung des Berufungsvorbringens im weiteren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 15.06.1998 ( Bl. 107 bis 111 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – 4 Ca 675/95 P die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 5.323,24 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus 57,57 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit 13.10.1995 sowie weiteren 4% Zinsen aus dem sich aus 5.275,67 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit Zustellung der Klageerweiterung vom 26.02.1996 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte trägt unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag im wesentlichen vor, der streitbefangene Urlaubsabgeltungsanspruch sei verfallen. Keineswegs habe eine betriebliche Übung bestanden, Urlaub auch über den 31.03. des Folgejahres hinaus zu übertragen. Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Sonderzuwendungen sei zu berücksichtigen, daß der Kläger im Jahr 1995 nur wenige Tage gearbeitet und sein Arbeitsverhältnis selbst zum 31.01.1996 gekündigt habe, so daß er auch verpflichtet gewesen wäre, ein erhaltenes Weihnachtsgeld zurückzuerstatten.
Zur Darstellung der Berufungserwiderung im weiteren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 16.07.1998 ( B1. 144 und 145 d.A. ) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Soweit das Arbeitsgericht die Klage auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für den Monat August 1995 teilweise abgewiesen hat und der Kläger im Berufungsverfahren diesbezüglich noch einen Nachzahlungsanspruch i.H.v. 57,57 DM brutto weiter verfolgt, so erweist sich die Berufung als unzulässig. Gemäß § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muß die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung und/oder neue Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berfung anzuführen hat. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründungsschrift vom 15.06.1998 – soweit sie die Arbeitsvergütung für August 1995 betrifft – nicht gerecht. Sie enthält nämlich diesbezüglich weder eine Urteilskritik noch neue Angriffsmittel. Die Berufung war daher insoweit als unzulässig abzuweisen.
Im übrigen ist die nach § 64 Abs. Abs. 1, Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung gemäß § 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig.
Das Rechtsmittel hat, soweit zulässig, in der Sache zum Teil Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte über den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag hinaus Anspruch auf Zahlung von 4.225,56 DM brutto.
1) Der Kläger hat gegen die Beklagte für die Monate September und Oktober 1995 sowie Januar 1996 Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung in Höhe von insgesamt 386,92 DM brutto. Die Beklagte ist nämlich verpflichtet, dem Kläger für diese Zeiträume einen Stundenlohn von 23,12 DM brutto zu zahlen. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten tatsächlich gezahlten Arbeitsvergütung von 22,45 DM brutto pro Stunde verbleibt somit zu Gunsten des Klägers ein Nachzahlungsanspruch von 0,67 DM brutto je Arbeitsstunde. Hieraus resultiert bei unstreitigen 557,5 Arbeitsstunden ein Betrag in Höhe von 386,92 DM brutto.
Die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Stundenlohnes in Höhe von 23,12 DM folgt aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser ist verletzt, wenn der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage sachfremd schlechter stellt. Zwar ist der Gleichbehandlungsgrundsatz im Bereich der Arbeitsvergütung nur beschränkt anwendbar, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat. Dies gilt jedoch nur für individuell vereinbarte Löhne und Gehälter. Gewährt der Arbeitgeber dagegen im Rahmen einer allgemeinen Lohnbewegung der großen Mehrzahl seiner Arbeitnehmer eine Lohnerhöhung, so dürfen einzelne Arbeitnehmer nicht ohne sachlichen Grund von dieser Lohnerhöhung ausgeschlossen werden ( vgl. BAG AP Nr. 15 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Der Arbeitgeber verletzt daher auch den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn er von einer allgemeinen Erhöhung der Löhne – etwa aus Anlaß einer Tariflohnerhöhung – die Arbeitnehmer ausschließt, die zuvor arbeitsunfähig krank waren ( vgl. BAG EzA § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 30 ).
Die Beklagte hat, wie die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hat, Tariflohnerhöhungen durchweg, wie auch zuletzt, an ihre Arbeitnehmer weitergegeben. Die Berufungskammer macht sich insoweit die zutreffende Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts zu eigen. Die Beklagte kann sich diesbezüglich auch nicht darauf berufen, daß er Kläger nicht gewerkschaftlich organisiert ist. Sie hat nämlich – auch dies hat die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme bestätigt – die Tariflohnerhöhung durchweg auch den nicht organisierten Arbeitnehmern zukommen lassen. Nach Aussage des Zeugen K beschäftigt die Beklagte sogar überhaupt keine Gewerkschaftsmitglieder. Sachliche Gründe, die eine Schlechterstellung des Klägers hinsichtlich der Erhöhung seiner Arbeitsvergütung rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere rechtfertigt – wie bereits ausgeführt – die lang andauernde Arbeitsunfähigkeit des Klägers eine solche Schlechterstellung nicht.
2) Der Kläger hat gegen die Beklagte für das Jahr 1995 sowohl Anspruch auf Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes in Höhe von 2.638,64 DM brutto als auch Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes in Höhe von 1.200,– DM brutto.
Diese Ansprüche des Klägers resultieren aus betrieblicher Übung. Kraft betrieblicher Übung entsteht ein Gratifikationsanspruch, wenn der Arbeitgeber eine Gratifikation wiederholt und vorbehaltlos gewährt und dadurch für den Arbeitnehmer ein Vertrauenstatbestand des Inhalts entsteht, der Arbeitgeber wolle sich auch für die Zukunft binden. Ein derartiger Vertrauenstatbestand ist nach der Rechtsprechung des BAG regelmäßig nach dreimaliger Zahlung anzunehmen, falls nicht besondere Umstände dagegen sprechen oder der Arbeitgeber bei jeder Zahlung einen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat ( vgl. BAG EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 47 ).
Vorliegend steht bereits aufgrund des insoweit unstreitigen Sachverhalts fest, daß die Beklagte dem Kläger jährlich sowohl ein zusätzliches Urlaubsgeld als auch ein Weihnachtsgeld gezahlt hat, wobei die Beträge jeweils kontinuierlich anstiegen. Das Urlaubsgeld belief sich zuletzt auf 2.638,64 DM brutto und das Weihnachtsgeld auf 1.200,– DM brutto. Die Beklagte hat bei den jeweiligen Auszahlungen – soweit ersichtlich – keinerlei Vorbehalt erklärt. Auch sonstige Umstände, die dafür sprechen könnten, dass die Beklagte einen Bindungswillen für die Zukunft in irgend einer Weise ausgeschlossen hat, sind nicht erkennbar. Nach Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen K war die Zahlung des Urlaubsgeldes – ebenso wie die Zahlung des Weihnachtsgeldes – von keinerlei zusätzlichen Voraussetzungen abhängig. Insbesondere wurde das Urlaubsgeld nach Aussage des Zeugen unabhängig von einer tatsächlichen Urlaubsgewährung ausgezahlt.
Die Tatsache, dass der Kläger im Jahr 1995 überwiegend krankheitsbedingt an der Erbringung seiner vertraglich geschuldeten Arbeit gehindert war, steht seinen Ansprüchen nicht entgegen. Da vorliegend keinerlei vetragliche oder tarifliche Regelung eingreift, nach deren Inhalt die beiden Sonderzuwendungen wegen der Fehlzeiten des Klägers gekürzt werden könnten, ist die Beklagte zur vollen Gewährung der betrieblichen Sonderzahlungen verpflichtet ( vgl. BAG EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 94,97 ).
Auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.01.1996 läßt die Ansprüche des Klägers unberührt. Etwas anderes würde nur bei Existenz eines diesbezüglichen Rückzahlungsvorbehaltes gelten. Zwar wird die Zahlung von Gratifikationen häufig mit Rückzahlungsvorbehalten verbunden für den Fall, daß der Arbeitnehmer innerhalb der nächsten Zeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Derartige Vorbehalte sind zulässig, sie müssen aber eindeutig abgefasst sein ( vgl. BAG, AP Nr. 83 zu § 611 BGB Gratifikation). Vorliegend bestehen hinsichtlich eines solchen Rückzahlungsvorbehalts keinerlei Anhaltspunkte.
3) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Abgeltung seines Urlaubs aus dem Jahr 1994. Ein solcher Anspruch ist vielmehr mit Ablauf des 31.03.1995 erloschen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist der Abgeltungsanspruch ebenso wie der Urlaubsanspruch befristet. Wie der Urlaubsanspruch erlischt er mit Ablauf des Urlaubsjahres oder – soweit er z.B. wegen Arbeitsunfähigkeit übertragen worden ist – mit Ablauf des 31.März des Folgejahres. Nur soweit der Arbeitnehmer vor Ablauf dieser Fristen den Arbeitgeber durch eine Mahnung in Verzug gesetzt hat, ist der Arbeitgeber zum Schadensersatz verpflichtet ( vgl. BAG DB 1995, 1.287).
Es kann – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht davon ausgegangen werden, dass sein Urlaub aus dem Jahr 1994 auf das volle Kalenderjahr 1995 zu übertragen war. Das Bestehen einer diesbezüglichen betrieblichen Übung konnte der Kläger nicht beweisen. Das Berufungsgericht folgt insoweit der zutreffenden Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts. Nach Aussagen der Zeugen K , Sch und M wurden lediglich im Einzelfall einzelne noch offene Urlaubstage auf das Folgejahr übertragen. Das Bestehen einer betrieblichen Übung läßt sich jedoch hieraus nicht ableiten.
4) Nach allem war zu entscheiden, wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Für die Zulassung der Revision bestand angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.