Bundesgerichtshof
Az: VIII ZR 321/08
Urteil vom16.09.2009
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2009 für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 6. November 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegen die Beklagte, die unter der Bezeichnung „R. Automobile GmbH“ firmiert, nach den Grundsätzen der Haftung für eine Firmenfortführung gemäß § 25 HGB Ansprüche auf Zahlung geltend. Die – der Höhe nach unstreitigen – Forderungen resultieren aus einer Vereinbarung der Klägerin mit der „Automobile R. e.K.“, durch die diese sich unter anderem zur Abnahme einer bestimmten Menge von Schmierstoffen von der Klägerin verpflichtet hatte.
Anfang des Jahres 2005 wurde das Vermögen der „Automobile R. e.K.“ im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung von der „Autohaus R. GmbH“ übernommen. Deren Geschäftsgegenstand war der Handel mit neuen und gebrauchten Fahrzeugen sowie der Betrieb einer Autowerkstatt. Mit Gesellschafterbeschluss vom 25. Oktober 2005, im Handelsregister eingetragen am 10. November 2005, wurde diese GmbH in „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ umfirmiert. Den Geschäftsbetrieb stellte die „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ Ende 2005 ein. Im folgenden Jahr wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ eröffnet.
Zur Reduzierung ihrer Verbindlichkeiten schloss die „J. Auto- und Servicehaus GmbH“, deren geschäftsführender Gesellschafter J. R. war, Ende 2005 Verträge einerseits mit der Beklagten, die mit Gesellschaftsvertrag vom 22. Dezember 2005 gegründet worden war und deren Geschäftsführer gleichfalls J. R. ist, und andererseits mit der (von den Mitarbeitern) ebenfalls neu gegründeten „R. Service GmbH“.
Alle vorgenannten Unternehmen führten bzw. führen ihren Geschäftsbetrieb unter derselben Anschrift, nutzten bzw. nutzen dieselben Telefon- und Faxnummern und traten bzw. treten unter dem Internetportal „www.autohaus-..de“ mit den Marken Alfa Romeo, Suzuki und Rover auf. Geschäftsgegenstand der Beklagten ist der Handel mit Kraftfahrzeugen der genannten Marken, während die unter derselben Anschrift arbeitende „R. Service GmbH“ die Werkstattleistungen erbringt.
Die „Autohaus R. GmbH“ hatte von der Klägerin Schmierstoffe bezogen, die am 21. Juli 2005 mit 7.437,11 EUR in Rechnung gestellt worden waren und Gegenstand eines am 16. März 2006 rechtskräftig gewordenen Versäumnisurteils gegen die „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ sind. In diesem Rechtsstreit sind außerdem Kosten in Höhe von 1.279,60 EUR festgesetzt worden. Diese beiden Beträge macht die Klägerin nunmehr gegen die Beklagte geltend. Daneben begehrt sie von der Beklagten Zahlung in Höhe von 22.808,55 EUR aus der mit der „Automobile R. e.K.“ geschlossenen Vereinbarung.
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung von 31.525,26 EUR nebst Zinsen in vollem Umfang stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Die Beklagte hafte der Klägerin gegenüber aus § 25 Abs. 1 HGB für die geltend gemachten Verbindlichkeiten der „J. Auto- und Servicehaus GmbH“.
Für die Anwendbarkeit von § 25 Abs. 1 HGB genüge ein Teilerwerb, wenn dieser den Kern des Unternehmens ausmache. Es sei für die Kontinuität des Unternehmens nicht auf die Gesamtheit aller Geschäftsbereiche abzustellen. Vielmehr genüge die Übernahme eines wesentlichen Teils des früheren Unternehmens. Diese Voraussetzung sei mit dem Teilbereich Handel mit Kraftfahrzeugen hier erfüllt.
Die Beklagte habe das Handelsgeschäft der früheren „Autohaus R. GmbH“ insoweit als neuer Inhaber unverändert fortgeführt. Nach ihrer Gründung habe sie in denselben Ausstellungs- und Büroräumen Kraftfahrzeuge angeboten, deren Marken sich mit den von ihrer Vorgängerin vertretenen deckten. Die bestehenden Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten und Abnehmern seien gewahrt und würden aufrechterhalten. Sie handele ebenso wie ihre Vorgängerin mit Gebrauchtwagen und sei unter denselben Ruf- und Faxnummern zu erreichen. Darüber hinaus würden beide Unternehmen von derselben Person, J. R. , als Geschäftsführer vertreten, durch dessen personelle Kontinuität das Unternehmen ganz wesentlich geprägt werde. Die Fortführung der Firma werde im Übrigen durch den Internetauftritt geprägt. Die Fotos des Geschäftslokals mit den Fahrzeugen in den Ausstellungsräumen seien vergleichbar, wenn nicht identisch. Es komme auch nicht darauf an, ob für eine kurze Zeitspanne der Name „R. “ am Geschäftslokal zugehängt gewesen sei. Auch dass zeitgleich mit der Neugründung der Beklagten eine Umfirmierung vorgenommen worden sei, die den Namen „R. “ nur noch in den Anfangsbuchstaben „J. “ enthalten habe, sei nicht entscheidend. Zwar stelle die Verwendung der Initialen „J. “ keinen hinreichend engen Bezug zu dem Namen „R. “ her. Dieser Umstand sei jedoch wegen der zu kurzen Dauer der Existenz der „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ nicht isoliert zu betrachten. Maßgeblich sei vielmehr das Auftreten der Firma im Geschäftsverkehr nach außen unter dem Namen „Autohaus R. „. Dieser Name habe das Unternehmen über mehrere Jahre geprägt und werde von den Verkehrskreisen mit der für § 25 Abs. 1 HGB erforderlichen Kontinuität des Unternehmens verbunden.
II.
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Haftung der Beklagten für die gegen die „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ begründeten Forderungen der Klägerin bejaht. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 HGB liegen vor. Die Beklagte hat das Handelsgeschäft der „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ in seinem wesentlichen Kern unter Lebenden erworben und es unter deren – hier maßgeblichen alten – Firmenbezeichnung fortgeführt.
Die Haftung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB greift nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein, wenn zwar der Unternehmensträger wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortgeführt wird (Senatsurteil vom 24. September 2008 – VIII ZR 192/06, WM 2008, 2273, Tz. 12; BGH, Urteil vom 28. November 2005 – II ZR 355/03, NJW 2006, 1002, Tz. 7 m.w.N.). Das ist hier der Fall.
1.
Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass die Beklagte das Unternehmen der „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ unter deren Firma fortführt. Mit dem Berufungsgericht ist allerdings davon auszugehen, dass die Verwendung der Initialen „J. “ keinen hinreichend engen Bezug zu dem hinsichtlich der Individualisierung des Unternehmens prägenden Eigennamen des Geschäftsführers „R. “ zwischen der Firma der Beklagten und deren Vorgängerin darstellen. Die gemäß § 25 Abs. 1 HGB erforderliche Firmenfortführung wird jedoch nicht dadurch unterbrochen, dass im November 2005 eine Umfirmierung der „Autohaus R. GmbH“ in die „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ erfolgte.
Denn die Firmenfortführung ist deshalb eine Voraussetzung für die Haftung gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt, welche der tragende Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfolger ist (Senatsurteil, aaO, Tz. 19; BGH, aaO, Tz. 7). Nach außen in Erscheinung getreten ist die „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ unter ihrer neuen Firma aber nur in der kurzen Zeitdauer von der Umfirmierung im Oktober/November 2005 bis zur Einstellung ihres Geschäftsbetriebs Ende 2005. Da die Beklagte nahezu zeitgleich (durch Gesellschaftsvertrag vom 22. Dezember 2005) gegründet wurde, ist dies eine zu kurze Zeitspanne, als dass aus der maßgeblichen Sicht der beteiligten Verkehrskreise dieser Name („J. Auto- und Servicehaus GmbH“) mit der Kontinuität des Unternehmens, das zuvor mehrere Jahre unter der Firma „Autohaus R. GmbH“ bzw. „Automobile R. e.K.“ aufgetreten ist, verbunden wird.
Entgegen der Auffassung der Revision ist durch die Eintragung der neuen Firmenbezeichnung „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ in das Handelsregister auch nicht das Vertrauen der maßgeblichen Verkehrskreise in die Fortführung der früheren Firma beseitigt worden. Für die Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 HGB kommt es nicht darauf an, welche Erklärung gegenüber dem Registergericht abgegeben wird, sondern vielmehr darauf, unter welcher Bezeichnung ein Unternehmen tatsächlich am Markt auftritt (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1986 – II ZR 303/85, NJW 1987, 1633).
2.
Zu Recht nimmt das Berufungsgericht auch an, dass die Beklagte das Unternehmen des zuletzt unter „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ firmierenden Autohauses im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB erworben und fortgeführt hat. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, genügt es für die Anwendung des § 25 Abs. 1 HGB, dass ein Teilerwerb des früheren Handelsgeschäfts stattfindet, wenn dieser den Kern des Unternehmens ausmacht.
a)
Von einer Unternehmensfortführung im Sinne des § 25 Abs. 1 HGB geht der maßgebliche Verkehr aus, wenn ein Betrieb von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen Bestand unverändert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich, die innere Organisation und die Räumlichkeiten ebenso wie Kundenund Lieferantenbeziehungen jedenfalls im Kern beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen werden (BGH, Urteil vom 28. November 2005, aaO, Tz. 9 m.w.N.). Die Haftungsfolge aus § 25 Abs. 1 HGB greift daher auch dann ein, wenn einzelne Vermögensbestandteile oder Betätigungsfelder von der Übernahme ausgenommen sind, solange nur der den Schwerpunkt des Unternehmens bildende wesentliche Kern desselben übernommen wird, so dass sich der nach außen für die beteiligten Verkehrskreise in Erscheinung tretende Tatbestand als Weiterführung des Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand darstellt (BGH, Urteil vom 4. November 1991 – II ZR 85/91, NJW 1992, 911, unter III 1). Dies ist bei der Beklagten, auch wenn sie nur den Teilbereich des Handels mit Kraftfahrzeugen und nicht den Werkstattbetrieb fortgeführt hat, der Fall.
Nach den dazu vom Berufungsgericht getroffenen – von der Revision insoweit nicht angegriffenen – tatsächlichen Feststellungen hat die Beklagte durch den Handel mit Fahrzeugen derselben Automarken, wie sie auch von der „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ vertrieben wurden, in denselben Ausstellungsund Büroräumen unter Beibehaltung derselben Telefon- und Faxnummern und unter Wahrung der personellen Kontinuität durch den Namensgeber der Firma, den Geschäftsführer J. R. , sowie unter Aufrechterhaltung der bestehenden Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten und Abnehmern und nicht zuletzt durch Verwendung eines vergleichbaren, wenn nicht gar identischen Internetauftritts wie die Vorgängerfirma, einen wesentlichen Teil des früheren Autohauses R. , der „J. Auto- und Servicehaus GmbH“, fortgeführt.
b)
Ohne Erfolg beanstandet die Revision insoweit die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht seine Annahme begründet, die Beklagte und nicht die „R. Service GmbH“ habe das frühere Handelsgeschäft in seinem wesentlichen Kern erworben und fortgeführt. Das Berufungsgericht hat den Teilbereich des Handels mit Kraftfahrzeugen als den wesentlichen Teil des Unternehmens des früheren Autohauses R. gewertet und die Übernahme des Werkstattbetriebs und der früheren Mitarbeiter durch die „R. Service GmbH“ für nicht von ausschlaggebender Bedeutung gehalten. Dies begegnet aus revisionsrechtlicher Sicht keinen Bedenken.
Selbst wenn man – entsprechend der dahingehenden Rüge der Revision – für das Revisionsverfahren unterstellte, die Erlöse aus dem Werkstattbetrieb der „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ seien höher gewesen als diejenigen aus dem Autohandel, ergäbe sich keine abweichende Beurteilung. Der den Schwerpunkt eines Unternehmens bildende wesentliche Kern ist der Tätigkeitsbereich, mit dem das Unternehmen nach außen in Erscheinung tritt (vgl. OLG Koblenz, NJW-RR 2006, 408 f. ). Die Vorgängerin der Beklagten betrieb ein Autohaus für bestimmte Automarken, also aus der maßgeblichen Sicht der beteiligten Verkehrskreise im Wesentlichen den Geschäftsgegenstand des Handels mit Kraftfahrzeugen. Demgegenüber tritt der Geschäftsbereich eines Werkstattbetriebs in dem äußeren Erscheinungsbild eines Autohauses dahinter gewöhnlich zurück und ist nicht der vordergründige Gegenstand eines Autohauses, selbst wenn durch den Werkstattbetrieb höhere Umsätze und Erlöse als durch den Autohandel erzielt werden sollten.