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Betriebsgefahr – Keine Anrechnung wenn Fahrzeugeigentümer nicht Halter ist


OLG Karlsruhe

Az.: 1 U 74/13

Urteil vom 02.12.2013


1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 31.5.2013 – Az.6 O 321/12 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.

3. Dieses Urteil sowie das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 31.5.2013 -Az. 6 O 321/12- sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten im eigenen Namen Ersatz für den aufgrund eines Verkehrsunfalls entstandenen Sachschaden in Höhe von 6.894,67 EUR an dem von ihr von der C. GmbH geleasten PKW.

Am 12.9.2011 befuhr der Zeuge S. gegen 17.35 Uhr mit seiner Tochter und seiner Ehefrau mit dem von der Klägerin gemieteten PKW Audi A6, amtl. Kennzeichen …, die linke Spur der BAB 5 aus Frankfurt in Richtung Basel auf Höhe des Autobahndreiecks Karlsruhe. Zur gleichen Zeit befuhr auch der Beklagte Ziff. 2 mit seinem bei der Beklagten Ziff.1 haftpflichtversicherten PKW Ford Mondeo, amtl. Kennzeichen …, die BAB 5 in derselben Fahrtrichtung. Kurz nach dem Autobahndreieck Karlsruhe kollidierte das klägerische Fahrzeug mit der Mittelleitplanke.

Die Klägerin trug insoweit vor, der Fahrer des Audi A6 sei dem Beklagten Ziff. 2 ausgewichen, der sein Fahrzeug schnell und ohne Beachtung der in dieser Situation gebotenen besonderen Sorgfalt von der linken auf die rechte Fahrspur gezogen habe.

Die Klägerin wurde von der C. GmbH mit Schreiben vom 4.2.2013 ermächtigt und verpflichtet, deren Rechte als Eigentümerin des Fahrzeugs Audi A6, insbesondere Schadensersatzansprüche gegen Dritte im eigenen Namen geltend zu machen und Zahlung an sich zu verlangen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Anhörung des Beklagten Ziff. 2 und Vernehmung der angebotenen Zeugen. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.5.2013 Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 31.5.2013 vollumfänglich stattgegeben. Der Anspruch der Klägerin ergebe sich gegen den Beklagten Ziff. 2 aus § 7 StVG sowie gegen die Beklagte Ziff.1 aus §§ 7 StVG, 115 VVG, da die Beweisaufnahme den von der Klägerin vorgetragenen Unfallhergang zur Überzeugung des Gerichts ergeben habe, woraus sich die Alleinhaftung der Beklagten ergebe. Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs, für deren Erhöhung die Beklagten keine Umstände vorgetragen hätten, trete im Hinblick auf den Fahrfehler des Beklagten Ziff. 2 beim Spurwechsel zurück.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, der tatbestandlichen Feststellungen, den Anträgen und dem Vorbringen der Parteien in erster Instanz sowie den Entscheidungsgründen wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Karlsruhe Bezug genommen.

Gegen dieses, den Beklagten am 4.6.2013 zugestellte Urteil richtet sich deren am 3.7.2013 bei Gericht eingegangene und mit Schriftsatz vom 5.8.2013 (Montag), eingegangen am 5.8.2013, begründete Berufung.

Die Berufung wendet sich nur gegen die eine Quote von 75% übersteigende Haftung der Beklagten mit der Begründung, das Landgericht habe zu Unrecht auf Klägerseite die Betriebsgefahr nicht berücksichtigt. Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs sei aufgrund der deutlich über der Richtgeschwindigkeit liegenden Fahrgeschwindigkeit, die der Fahrer in seiner Zeugenvernehmung selbst mit 150-180 km/h angegeben habe, derart erhöht gewesen, dass diese auch in Anbetracht der vom Landgericht festgestellten Pflichtverstöße des Beklagten Ziff. 2 in die Abwägung mit 25% einzustellen sei. Bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit wäre der Verkehrsunfall vermieden worden.

Die Beklagten b e a n t r a g e n, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagten verurteilt worden sind, mehr als 5.171,– EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.3.2012 zu zahlen.

Die Klägerin b e a n t r a g t, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und ist der Auffassung, dass in Anbetracht des Zeitraums von zwei Jahren zwischen dem Unfall und der Vernehmung des Fahrers am 15.5.2012 von einer ungenauen Erinnerung auszugehen sei. Der Zeuge habe in der Geschädigtenvernehmung am Tag nach dem Unfall eine gefahrene Geschwindigkeit von schätzungsweise 140-150 km/h angegeben, so dass eher von einer maximalen Annäherungsgeschwindigkeit von 150 km/h auszugehen sei. Dies sei keine deutliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit. Zum Unfallzeitpunkt habe wenig Verkehr geherrscht; Hinweise auf sichtbeeinträchtigende Witterungsverhältnisse seien weder vorgetragen noch dokumentiert.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht die Zulässigkeit der Klage (1.) bejaht und der Klägerin den geltend gemachten Schadensersatzbetrag von 6.894,67 EUR nebst Zinsen zugesprochen, wobei sich der Anspruch der Eigentümerin, den die Klägerin vorliegend geltend macht, auch aus §§ 823 BGB, 115 VVG ergibt (2.).

1. Zulässigkeit der Klage

Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin hinsichtlich der Ansprüche aus dem Eigentum, die gemäß § 56 Abs.1 ZPO von Amts wegen zu prüfen ist, ergibt sich aus der von der Eigentümerin des unfallbeschädigten Fahrzeugs unter Bezugnahme auf den konkreten Schadensfall erteilten Ermächtigung zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche im eigenen Namen vom 4.2.2013 (Anlage K6).

Die gewillkürte Prozessstandschaft der Klägerin ist zulässig, da die Klägerin als Leasingnehmerin ein wirtschaftliches Interesse an der Durchsetzung der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche hat und von der Leasinggeberin auch ermächtigt wurde, diese Ansprüche durchzusetzen.

Eine Benachteiligung der Beklagten aufgrund der Prozessstandschaft ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Geltendmachung der Eigentumsansprüche der Leasinggeberin durch die Fahrzeughalterin auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Beklagten diesen Ansprüchen etwaige Ansprüche aus der eigenen Gefährdungshaftung der Klägerin nicht entgegen halten können (s.u. Ziff. 2), für die Beklagten nicht nachteilig im Vergleich zu der Geltendmachung dieser Ansprüche durch die Eigentümerin selbst.

2. Begründetheit der Klage

Der von der Berufung gegen die Begründetheit der Klage in Höhe eines Betrags von 1.723,67 EUR (25%) einzig geltend gemachte Einwand der Mithaftung der Klägerin aus einer ohne Verschuldensbeitrag erhöhten Betriebsgefahr greift schon aus Rechtsgründen nicht durch.

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch der Leasinggeberin wegen Beschädigung deren Eigentums ergibt sich neben § 7 StVG auch aus §§ 823 Abs.1 BGB, 115 VVG.

Das Landgericht hat sich aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme die Überzeugung gebildet, dass der Beklagte Ziff. 2 durch den Wechsel von einem der rechten auf den linken Fahrstreifen der Autobahn das Bremsmanöver des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs, das zu dessen Kollision mit der Leitplanke und zur Beschädigung des Fahrzeugs geführt hat, unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 S.1 StVO schuldhaft verursacht hat. Ein Mitverschulden des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs wurde indes nicht festgestellt. Diese Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung lässt keine Rechtsverletzung erkennen und wird von der Berufung insoweit auch nicht angegriffen. Die Rechtswidrigkeit der Eigentumsverletzung wird nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung durch die Rechtsgutsverletzung indiziert.

Die Leasinggeberin, deren Ansprüche die Klägerin vorliegend geltend macht, muss sich weder ihrem Schadensersatzanspruch wegen unfallbedingter Verletzung ihres Eigentums am Leasingfahrzeug aus § 823 BGB noch aus § 7 StVG dessen Betriebsgefahr anspruchsmindernd zurechnen lassen, da es hierfür keine Zurechnungsnorm gibt (vgl. BGHZ 173, 182 ff; Heß in Burmann/Heß/Jahnke/Janker: Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl. 2010, StVG § 9 Rn. 9b; Lemcke, r+s 2011, 134, ders., aaO. S. 373).

§ 17 Abs.2 StVG kommt nicht in Betracht, da diese Vorschrift die Haftungsverteilung der Halter untereinander regelt. Der Bundesgerichtshof hat in der oben zitierten Entscheidung auch in Ansehung der Änderung des § 17 Abs. 3 S. 3 StVG durch das 2. Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, die eine Erstreckung der Anwendung des § 17 StVG auf den Eigentümer, der nicht Halter ist, wegen des eindeutigen Wortlauts des § 17 Abs.1, Abs.2 StVG ablehnt (vgl. BGH aaO., 186 f.; vgl. auch Wagner, Deliktsrecht, 12. Aufl. 2013, S. 224 Rn. 564). Mit der Gesetzesänderung sei vom Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien, aus denen ein Bewusstsein für das mögliche Auseinanderfallen von Halter- und Eigentümerstellung gerade beim Leasing hervorgehe, keine durchgehende Gleichstellung von Eigentümer und Halter, sondern nur für den geregelten Fall des unabwendbaren Ereignisses, angestrebt worden.

Die Haltereigenschaft der Leasinggeberin ist jedoch vorliegend weder vorgetragen noch gibt es Anhaltspunkte hierfür. Bei üblicher Gestaltung des Leasingvertrags ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH der Leasingnehmer, nicht jedoch der Leasinggeber Halter des Leasingfahrzeugs (vgl. BGHZ 87, 133, 135 f.; BGH VersR 1986, 169).

Auch §§ 9 StVG, 254 BGB scheiden als Zurechnungsnormen aus.

Im Rahmen der deliktischen Haftung scheitert eine direkte Anwendung des § 9 StVG bereits daran, dass sich die Norm unmittelbar nur auf Ansprüche aus der straßenverkehrsrechtlichen Gefährdungshaftung, damit gerade nicht auf deliktische Schadensersatzansprüche bezieht (vgl. König in Hentschel/König/Dauer: Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage 2013, StVG § 9 Rn.17, 24 m.w.N.).

Auch eine analoge Anwendung kommt mangels Regelungslücke nicht in Betracht. Die Haftungserweiterung des § 9 StVG gegenüber § 254 BGB durch die Zurechnung des Verschuldens dessen, der die tatsächliche Gewalt über die geschädigte Sache ausübt, dient gerade dem Ausgleich für die schärfere Gefährdungshaftung des Schädigers nach StVG gegenüber der Verschuldenshaftung des allgemeinen Deliktsrechts (vgl. BGHZ 173, 182, 186 und BGH NJW 2013, 3235).

Aber auch ihrem Schadensersatzanspruch aus § 7 StVG, auf den § 9 StVG grundsätzlich anwendbar ist, kann der Eigentümerin die Betriebsgefahr des Fahrzeugs nicht anspruchsmindernd entgegen gehalten werden, da die Haftungserweiterung des § 9 StVG ein Verschulden voraussetzt. Eine entsprechende und verschuldensunabhängige Anwendung auf die mitwirkende Betriebsgefahr würde entgegen dem Haftungssystem des StVG, nach dem der Halter für das von ihm geschaffene Wagnis der Betriebsgefahr haftet, zur Zuweisung der Betriebsgefahr allein aufgrund des Eigentums und damit zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 17 StVG führen. Dies hat der BGH aber bereits, wie oben im Rahmen der Prüfung des § 17 StVG als Zurechnungsnorm ausgeführt, aufgrund des klaren Wortlauts des Gesetzes eindeutig abgelehnt.

Zwar kann sich die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs nach ständiger Rechtsprechung des BGH in erweiternder Auslegung des § 254 BGB grundsätzlich anspruchsmindernd auswirken. Voraussetzung hierfür ist aber, dass sich der Geschädigte die Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeugs dem Schädiger gegenüber zurechnen lassen muss, was beim Fahrzeugeigentümer, der nicht zugleich Halter ist, nicht der Fall ist. Der BGH hat in seinen Entscheidungen ausdrücklich die Zurechnung der Betriebsgefahr über § 254 BGB gegen eigene Ansprüche des Halters aus Eigentum bejaht, gegen Ansprüche des Eigentümers, der nicht Halter ist, aber ebenso ausdrücklich verneint (vgl. BGH a.aO.).

Das Argument, die Zurechnung müsse im vorliegenden Fall dennoch erfolgen, da die Klägerin, die als Halterin selbst der Haftung des StVG unterliegt, die Eigentumsansprüche geltend macht, greift entgegen der Berufungsbegründung nicht durch.

Die Tatsache, dass hier diejenige, die für die Betriebsgefahr nach StVG haften würde, die Ansprüche aus Eigentum geltend macht, führt nicht zum Zusammenfallen des Anspruchs aus Eigentum und der Haftung aus Betriebsgefahr in einer Person, was Voraussetzung für die vom BGH begründete Anspruchsminderung über § 254 BGB wäre; denn die Klägerin macht ein fremdes Recht in Prozessstandschaft gelten.

Der Senat sieht auch in Anbetracht dessen, dass die Beklagten die Halterin als Prozessgegnerin haben, keine Möglichkeit, aus Billigkeitsgründen zugunsten der Beklagten eine etwaige mitwirkende Betriebsgefahr, für die die Klägerin haften würde, ohne Zurechnungsnorm den Ansprüchen der Eigentümerin, die nicht Halterin ist, entgegen zu halten. Diese Situation der Beklagten, die, sofern ein Gesamtschuldnerausgleich zwischen den Beklagten und der Klägerin und dem Fahrer des geleasten Fahrzeugs an deren fehlender verschuldensunabhängiger Haftung gegenüber der Leasinggeberin scheitert, im Ergebnis unbillig erscheinen kann, hat ihren Grund nicht in der Prozessstandschaft, sondern ergibt sich aus den gesetzlichen Haftungsnormen und deren durch die zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung geklärten Anwendungsbereich.

Die Entscheidung, ob – de lege ferenda – eine haftungsrechtliche Gleichstellung des geschädigten Eigentümers, der nicht zugleich Halter ist, mit dem Eigentümer, der auch Halter des Kraftfahrzeugs ist, vorzugswürdig wäre (so die Empfehlung der Arbeitskreise II und IV des 49. Deutschen Verkehrsgerichtstags 2011 sowie Lemcke, r+s 2011, 134; r+s 2011, 373ff), ist dem Gesetzgeber vorbehalten.

Daher ist der Vortrag der Beklagten zur Überschreitung der Autobahnrichtgeschwindigkeit durch den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs als die Betriebsgefahr erhöhenden Faktor und zur Abwägung mit dem schuldhaften Verursachungsbeitrag des Beklagten Ziff. 2 nicht entscheidungserheblich.

Der vom Landgericht als ersatzfähig festgestellte Schaden steht in zweiter Instanz auch hinsichtlich der Kostenpauschale der Höhe nach zu Recht außer Streit. Dies gilt auch für die zuerkannten Verzugszinsen.

Die Beklagte Ziff.1 haftet für den vom Beklagten Ziff. 2 nach den obigen Ausführungen zurechenbar beim Betrieb des bei ihr pflichtversicherten Fahrzeugs schuldhaft verursachten Schadens gemäß § 115 Abs.1 Nr.1 VVG.

Die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten ergibt sich aus §§ 115 Abs.1 S.4 VVG.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs.1, 100 Abs.4 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.

Gründe, die für den vorliegend entschiedenen Einzelfall nach § 543 Abs.2 ZPO eine Zulassung der Revision rechtfertigen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

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