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Betriebskostennachforderung und Zurückbehaltungsrecht 

BGH

Az.: VIII ZR 71/06

Urteil vom 13.09.2006


Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2006 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 13. Januar 2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger sind Vermieter, die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung in W. . Im Mietvertrag ist vereinbart, dass die Beklagte monatliche Vorauszahlungen auf die Betriebskosten zu leisten hat. Der von den Klägern beauftragte Rechtsanwalt übersandte der Beklagten mit Schreiben vom 8. April 2004 eine korrigierte Betriebskostenabrechnung der Kläger für das Jahr 2003 vom 5. April 2004, aus der sich eine Nachforderung von 1.230,31 EUR ergab, und bot der Beklagten an, die Rechnungsbelege in seiner in W. gelegenen Kanzlei einzusehen. Mit Schreiben vom 28. April 2004 bat der Mieterschutzverein W. e.V. im Auftrag der Beklagten um Übersendung von Belegen zu den Abrechnungspositionen städtische Gebühren und Steuern sowie Wasser- und Stromkosten. Der Anwalt der Kläger übersandte daraufhin mehrere Abrechnungsbelege wunschgemäß per Telefax. Der Mieterschutzverein beanstandete, ein Teil der Belege sei nicht vollständig übermittelt worden; auch seien die Belege der Abrechnung teilweise nicht zuzuordnen. Der Bevollmächtigte der Kläger lehnte die Bitte des Mieterschutzvereins um Vorlage ergänzender Belege ab und wiederholte das Angebot der Einsichtnahme in seinen Büroräumen.

Mit ihrer Klage haben die Kläger von der Beklagten die Zahlung der Betriebskostennachforderung in Höhe von 1.230,31 EUR nebst Zinsen verlangt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Kläger hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt:

Der Beklagten stehe gegenüber der Betriebskostennachforderung der Kläger gemäß § 273 BGB ein zur Klageabweisung führendes Zurückbehaltungsrecht zu. Denn die Beklagte habe ihrerseits gegenüber den Klägern einen Anspruch auf vorherige Übersendung der Abrechnungsbelege gegen Kostenerstattung. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ergebe sich dieses Recht der Beklagten allerdings nicht daraus, dass die Kläger einen Teil der angeforderten Unterlagen bereits ohne Kostenzusage übermittelt hätten. Sofern ein Anspruch des Mieters auf Übersendung von Belegen grundsätzlich nicht bestünde, könne sich aus der vorherigen Übermittlung von Belegen aus Gefälligkeit kein Rechtsanspruch auf die Übersendung weiterer Belege ergeben. Nach Auffassung der Kammer bestehe jedoch grundsätzlich ein Anspruch des Mieters gegen den Vermieter auf Übersendung von Abrechnungsbelegen gegen Kostenerstattung. Dass die Beklagte eine Kostenübernahme nicht ausdrücklich zugesagt habe, sei unerheblich, weil die Kläger die Übersendung weiterer Belege grundsätzlich verweigert hätten.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nicht stand. Den Klägern kann ein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Betriebskostennachforderung (§ 556 Abs. 3 BGB) für das Jahr 2003 in Höhe von 1.230,31 EUR mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Beklagten gegenüber dem mit der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2003 geltend gemachten Nachforderungsanspruch der Kläger nicht deshalb ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB zu, weil die Kläger dem Verlangen der Beklagten nach Übersendung weiterer Abrechnungsbelege nicht nachgekommen sind. Wie der Senat – nach Erlass des Berufungsurteils – entschieden hat, hat der Mieter preisfreien Wohnraums grundsätzlich keinen Anspruch gegen den Vermieter auf Überlassung von Fotokopien der Abrechnungsbelege zur Betriebskostenabrechnung (Urteil vom 8. März 2006 – VIII ZR 78/05, NJW 2006, 1419 unter II A 1 a bb). Dem berechtigten Interesse des Mieters an einer Überprüfung der Abrechnung wird vielmehr im Regelfall bereits dadurch Rechnung getragen, dass der Mieter vom Vermieter Einsicht in die der Abrechnung zugrunde liegenden Belege verlangen und sich hierbei, soweit erforderlich, fachkundiger Hilfe bedienen kann; ein Anspruch des Mieters auf Übermittlung von Fotokopien von Rechnungsbelegen kommt deshalb nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn dem Mieter die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen in den Räumen des Vermieters – oder dessen Bevollmächtigten – nicht zugemutet werden kann (Senatsurteil vom 8. März 2006, aaO unter II A 1 a bb (2) (b)). Dass ein solcher Ausnahmefall hier vorliegt und der Beklagten die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen in der – ebenfalls in W. gelegenen – Kanzlei des Anwalts der Kläger nicht zumutbar wäre, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Revisionserwiderung nicht geltend gemacht.

2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist ein Anspruch der Beklagten auf Übersendung weiterer Abrechnungsbelege nicht dadurch vertraglich begründet worden, dass der Bevollmächtigte der Kläger dem von der Beklagten beauftragten Mieterschutzverein auf dessen Bitte hin mehrere Belege zu der Betriebskostenabrechnung übermittelt hat. Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass der Anwalt der Kläger die Abrechnungsbelege – im Falle fehlender rechtlicher Verpflichtung – lediglich aus „Gefälligkeit“ an den Mieterschutzverein übersandt hat und dies eine vertragliche Verpflichtung zur Übersendung weiterer Abrechnungsunterlagen nicht begründet hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revisionserwiderung rechtfertigen keine andere Beurteilung.

III.

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen zur materiellen Berechtigung der Nachforderung der Kläger getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

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