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Betriebskostenabrechnung – Nachforderung im Gewerberaummietverhältnis

OLG Koblenz

Az.: 6 U 618/12

Urteil vom 13.12.2012


In dem Rechtsstreit wegen Nachforderung von Betriebskosten im Gewerberaummietverhältnis hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2012 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin und ihrer Streithelferin wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 30. April 2012 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.670,81 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für das Jahr seit dem 11. Juli 2011 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin oder ihre Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Nachzahlung von Heizkosten aus der Heizkostenabrechnung für das Jahr 2008.

Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagte ist Mieterin von Geschäftsräumen (Erdgeschoss und Kellergeschoss) in dem Wohn- und Geschäftshaus ………Nach § 5 des Mietvertrags vom 24. März/25. März 1998 hat die Beklagte als Mieterin anteilige Kosten für Wartung, Lüftungsanlage, Heizung, Wasser, Abwasser, Grundsteuer, Straßenreinigung und Hausmüllabfuhr zu zahlen. Die Mieterin hat auf diese Kosten Vorschusszahlungen zu leisten.

Mit der Erstellung der Heiz- und Hausnebenkostenabrechnung hat die Klägerin die Streithelferin beauftragt.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2010 übersandte die Klägerin der Beklagten die Heizkosten- und Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2006 bis 2009 sowie eine Wartungsrechnung für die Lüftungsanlage 2010 und bat um Überprüfung und Ausgleich. Für das Jahr 2008 ergab die Abrechnung einen Erstattungsbetrag zugunsten der Beklagten in Höhe von 617,03 Euro (GA 95). Dieser setzte sich aus einer Nachforderung von (sonstigen) Nebenkosten in Höhe von 742,41 Euro (GA 96), einer Nachforderung für die Heizkosten betreffend das Kellergeschoss in Höhe von 172,98 Euro (Abrechnung der Streithelferin „Lage KG“, GA 97 f.) und einem Erstattungsbetrag von 1.532,42 Euro betreffend das Erdgeschoss (Abrechnung der Streithelferin „Lage EGL“, GA 99 f.) zusammen. Für die Jahre 2006, 2007 und 2009 ergaben sich dagegen Nachforderungen der Klägerin. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 13. Dezember 2010 nebst Anlagen (GA 88 ff.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2010 legte die Beklagte gegen die Nebenkostenabrechnungen Widerspruch ein. Sie beanstandete die Umlage der Position „Erstellung NK-Abrechnung“. Die Beklagte bat darum, diese Position aus den Abrechnungen herauszunehmen und ihr mietvertragsgerechte Abrechnungen zukommen zu lassen (GA 87).

Mit Schreiben vom 27. Januar 2011 übersandte die Klägerin der Beklagten korrigierte Abrechnungen, in denen die beanstandete Nebenkostenposition nicht mehr enthalten war. Wegen der weiteren, von der Beklagten nicht beanstandeten Abrechnungspositionen wurden die ursprünglichen Abrechnungen nicht abgeändert. Infolge der Herausnahme der Abrechnungsposition „Erstellung NK-Abrechnung“ ergaben sich für jedes Jahr Abrechnungssalden, die der Beklagten günstiger waren. Für das Jahr 2008 belief sich das Abrechnungsguthaben der Beklagten nunmehr auf 731,77 Euro. Unter Verrechnung von Nachzahlungsbeträgen mit Erstattungsbeträgen aus den Jahren 2006 bis 2009 und der noch offenen Wartungsrechnung für die Lüftungsanlage bezifferte die Klägerin ihre Forderung auf 8.568,01 Euro und bat um Überweisung (GA 58 f.).

Die Beklagte überwies diesen Betrag ohne weitere Beanstandung am 7. Februar 2011.

In der Zwischenzeit hatte ein Wohnungsmieter des gleichen Mietobjekts am 20. Dezember 2010 gegenüber der Klägerin Bedenken gegen die Abrechnung der Heizkosten hinsichtlich der letzten zehn Jahre geltend gemacht. Die Beklagte hatte davon keine Kenntnis. Die Klägerin übermittelte der Streithelferin diese Bedenken zur Stellungnahme. Die Streithelferin stellte bei der Überprüfung der Heizkostenabrechnungen fest, dass ihr betreffend die Abrechnung für das Jahr 2008 ein Fehler bei der Erfassung des Energieverbrauchs unterlaufen war. Auf das Schreiben der Streithelferin vom 18. Februar 2011 wird Bezug genommen (GA 5 f.). Der Abrechnungsfehler der Streithelferin hatte sich bei der Abrechnung der Gesamtheizkosten für das Mietobjekt vom 13. Dezember 2010 / 27. Januar 2011 zugunsten der Beklagten ausgewirkt.

Mit Schreiben an die Beklagte vom 8. Juni 2011 machte die Klägerin unter Hinweis auf den Abrechnungsfehler der Streithelferin Nachforderungen bezüglich der Heizkostenabrechnung 2008 geltend. Ausweislich der Kostenaufstellung der Klägerin ergab sich betreffend das Kellergeschoss ein Guthaben der Beklagten von 208,07 Euro, betreffend das Erdgeschoss dagegen einen Nachzahlungsbetrag von 6.878,88 Euro. Die Klägerin verlangte den Ausgleich des Differenzbetrags von 6.670,81 Euro (GA 7 f.). Die Beklagte zahlte diesen Betrag nicht. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin mit ihrer Nachforderung ausgeschlossen ist. Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin könne keine Nachforderung mehr stellen, weil hinsichtlich der korrigierten Heiz- und Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2008 ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis vorliege.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin Zahlung von 6.670,81 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Juni 2011 verlangt. Aufgrund der Streitverkündung seitens der Klägerin ist die Streithelferin dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten. Sie hat sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die tatbestandlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, durch den Ausgleich der ursprünglichen Abrechnung für das Jahr 2008 seitens der Beklagten sei die Klägerin mit Nachforderungen oder Änderungen ausgeschlossen. Betriebskostenabrechnungen hätten die Aufgabe, festzustellen, ob der Mieter im Abrechnungszeitraum die geschuldete Bruttomiete noch nicht vollständig entrichtet oder sie überzahlt habe. Durch die Verpflichtung zur Abrechnung über eine abgeschlossene Periode solle bezweckt werden, endgültige Klarheit und Einvernehmen über die entstandenen Kosten in dem abgeschlossenen Abrechnungszeitraum zu erzielen. Darin liege der maßgebliche Unterschied zu einer Rechnung beispielsweise über eine Werkleistung. Übersende der Vermieter eine von ihm erstellte Abrechnung, so dürfe der Mieter davon ausgehen, dass diese aufgrund einer abschließenden Prüfung erstellt worden sei. Der Vermieter seinerseits dürfe bei abschließender Akzeptierung der Abrechnung davon ausgehen, dass diese geprüft und für richtig befunden sei. Dementsprechend komme zwischen den Mietvertragsparteien ein Vertrag bezüglich der geltend gemachten Forderung mit der Folge zustande, dass beide Seiten mit der Geltendmachung von tatsächlichen oder rechtlichen Einwendungen ausgeschlossen seien, die sie gekannt hätten oder die sie aufgrund des Inhalts der Abrechnung und des Mietvertrags hätten kennen müssen. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 2011 (Az.: VIII ZR 296/09) folge nichts anderes. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Wohnraummietrecht sei insbesondere im Hinblick auf die Regelung des § 556 Abs. 3 BGB ergangen. Diese Vorschrift sei jedoch auf die Gewerbemiete nicht anzuwenden. Auch bei der Gewerbemiete bestehe jedoch ein Bedürfnis der Mietvertragsparteien, möglichst schnell Klarheit über die nachzuzahlenden oder zu erstattenden Beträge herzustellen und langwierige, mit längerem Zeitablauf immer schwierige Nachprüfungen zu vermeiden. Bei der gewerblichen Miete seien dann, wenn der Mieter die Schlussabrechnung ohne Beanstandung akzeptiere, indem er den darin geforderten Betrag vorbehaltlos zahle, alle gegenseitigen Forderungen der Parteien erledigt, weil in der Abrechnung des Vermieters und in deren vorbehaltloser Bezahlung seitens des Mieters ein deklaratorisches Anerkenntnis gesehen werden könne, das die Parteien mit den ihnen bekannten Einwendungen ausschließe.

Der Klägerin sei aufgrund der Beanstandung eines anderen Mieters vom 20. Dezember 2010 bekannt gewesen, dass die streitgegenständliche Heizkostenabrechnung möglicherweise fehlerhaft gewesen sei. Ihr sei auch bekannt gewesen, dass Abrechnungsfehler der Heizkostenabrechnung regelmäßig Auswirkungen auf die Heizkostenabrechnung sämtlicher Mieter eines Objektes hätten. Bei entsprechend sorgfältiger Prüfung der Heizkostenabrechnung sei der Abrechnungsfehler für beide Parteien erkennbar gewesen, so dass spätestens der Ausgleich der Abrechnung am 7. Februar 2011 dazu geführt habe, dass die Klägerin mit weiteren Nachforderungen bezüglich der Heizkostenabrechnung für das Kalenderjahr 2008 ausgeschlossen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin und ihrer Streithelferin. Die Streithelferin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Klägerin hat sich den Ausführungen der Streithelferin angeschlossen.

Die Klägerin beantragt nach teilweiser Rücknahme des Zinsantrags,das Urteil des Landgerichts Mainz aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.670,81 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Juli 2011 zu zahlen.

Die Streithelferin beantragt, das Urteil des Landgerichts Mainz abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.670,81 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 11. Juli 2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufungen der Klägerin und der Streithelferin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin und ihrer Streithelferin hat in der Sache Erfolg. Auf das Rechtsmittel ist das erstinstanzliche Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Nachzahlung rückständiger Heizkosten aus der Abrechnung für das Jahr 2008 in Höhe von 6.670,81 Euro nach § 535 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 5 des Mietvertrags.

1. Zwischen den Parteien steht nicht im Streit, dass die mit Schreiben der Klägerin vom 8. Juni 2011 geltend gemachte Nachforderung von Heizkosten rechnerisch zutreffend ist und der Klägerin dieser Betrag jedenfalls dann zustehen würde, wenn er bereits mit der ersten Abrechnung geltend gemacht worden wäre. Die ursprüngliche Heiz- und Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2008 vom 13. Dezember 2010, die die Klägerin hinsichtlich der Heizkostenabrechnung der Streithelferin unverändert in die korrigierte Betriebskostenabrechnung vom 27. Januar 2011 übernommen hat, beruht auf einem Abrechnungsfehler, der sich zugunsten der Beklagten ausgewirkt hat.

2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Klägerin nicht aus dem Gesichtspunkt eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses daran gehindert, ihre – berechtigte – Nachforderung aufgrund einer erneuten Korrektur der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2008 geltend zu machen.

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a) Das Landgericht hat angenommen, aufgrund der Erstellung der Heiz- und Nebenkostenabrechnung unter anderem für das Jahr 2008 und der vorbehaltlosen Bezahlung des geforderten Abrechnungssaldos durch die Beklagte sei ein Vertrag mit dem Inhalt eines deklaratorischen Anerkenntnisses zustande gekommen, der zum Ausschluss des Nachforderungsrechts führe.

Das Landgericht hat sich einer in Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums vertretenen Auffassung angeschlossen (vgl. OLG Hamburg, WuM 1991, 598 m.w. Nachw. – diese und sämtliche folgende Entscheidungen zitiert nach juris; LG Aachen, NZM 2001, 707 (dort mitgeteilt in Leitsätzen); Staudinger/Emmerich, BGB (2011), § 535 Rdnr. 80 m.w. Nachw.; Staudinger/Weitemeyer, aaO, § 556 Rdnr. 133; Langenberg, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 5. Aufl., G 197 ff., aufgegeben in der 6. Aufl. 2012, aaO, H Rdnr. 227, 231, 232). Nach anderer Auffassung beinhaltet die Abrechnung von Betriebskosten durch den Vermieter und die Zahlung des Saldos oder die Entgegennahme eines Gutachtens durch den Mieter für sich genommen keinen Schuldbestätigungsvertrag (Milger, NZM 2009, 497, 499; Flatow, WuM 2010, 606, 608 f. m.w. Nachw.; Palandt/Weidenkaff, BGB, 71. Aufl., § 556 Rdnr. 13; Langenberg, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 6. Aufl., H Rdnr. 227, 231, 232).

b) Der Senat hält die letztgenannte Auffassung für zutreffend. Sie steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen für die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses.

aa) Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist ein vertragliches kausales Anerkenntnis. Ein solches Schuldanerkenntnis setzt voraus, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen wollen und sich dahingehend einigen. Die erforderliche Einigung kann nur angenommen werden, wenn sich ein entsprechendes Angebot sowie dessen Annahme feststellen lassen (BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 – VII ZR 165/05, NJW-RR 2007, 530, Tz. 8 m.w. Nachw.). Eine generelle Vermutung dafür, dass die Parteien ein bestätigendes Schuldanerkenntnis vereinbaren wollten, gibt es nicht. Seine Annahme ist vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn die Beteiligten dafür unter den konkreten Umständen einen besonderen Anlass hatten. Ein solcher Anlass besteht nur dann, wenn zuvor Streit oder zumindest eine (subjektive) Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtliche Punkte herrschte. Der Schuldbestätigungsvertrag weist damit dem Vergleich ähnliche Züge auf (BGH, Beschluss vom 3. Juni 2008 – XI ZR 239/07, NJW 2008, 3425; ähnlich Urteil vom 11. November 2008 – VIII ZR 265/07, NJW 2009, 580 Tz. 11).

Insoweit ist anerkannt, dass die Prüfung einer Rechnung, die Bezahlung einer Rechnung oder auch die Bezahlung nach Prüfung für sich genommen nicht erlauben, ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis anzunehmen (BGH, Urteil vom 11. Januar 2007, aaO, Tz. 9; Urteil vom 11. November 2008, aaO, Tz. 12). Der Umstand, dass eine Rechnung vorbehaltlos beglichen wird, enthält über seinen Charakter als Erfüllungshandlung (§ 363 BGB) hinaus keine Aussage des Schuldners, zugleich den Bestand der erfüllten Forderung insgesamt oder in einzelnen Beziehungen außer Streit stellen zu wollen. Das gilt auch für die tatsächlichen Grundlagen der einzelnen Anspruchsmerkmale. Zwar wird es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht als ausgeschlossen angesehen, der vorbehaltlosen Begleichung einer Rechnung zugleich eine Anerkenntniswirkung hinsichtlich der zugrunde liegenden Forderung beizumessen. Dies erfordert aber stets ein Vorliegen weiterer Umstände, die geeignet sind, eine derartige Wertung zu tragen (BGH, Urteil vom 11. November 2008, aaO).

bb) Nach diesen Grundsätzen haben die Parteien keinen Vertrag über ein Schuldanerkenntnis geschlossen. Es fehlt sowohl an einem Vertragsangebot als auch an dessen Annahme. Besondere Umstände des Einzelfalls, die im vorliegenden Fall die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.

(1) Die Abrechnungsschreiben der Klägerin vom 13. Dezember 2010 bzw. vom 27. Januar 2011 haben nach der gebotenen Auslegung vom Horizont eines objektiven Erklärungsempfängers aus (§§ 133, 157 BGB) nicht den Erklärungswert, dass die Klägerin auf etwaige spätere Nachforderungen aufgrund einer – im Zeitpunkt der Abrechnung noch nicht erkannten – Unrichtigkeit der Abrechnung hätte verzichten wollen.

(a) Der Abrechnung von Betriebskosten kommt kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert zu. Sie ist lediglich ein Rechenvorgang im Sinne des § 259 BGB. Die Übermittlung einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung an den Mieter dient dazu, die Fälligkeit des sich hieraus ergebenden Saldos, also einer eventuellen Nachforderung des Vermieters oder eines Guthabens des Mieters, herbeizuführen (BGH, Urteil vom 28. April 2010 – VIII ZR 263/09, NJW 2010, 1965 Tz. 8 m.w. Nachw.). Ein etwaiger Verzichtswille ist den Übersendungsschreiben der Klägerin vom 13. Dezember 2010 und vom 27. Januar 2011 auch im Übrigen nicht zu entnehmen. Er folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin innerhalb der Abrechnung über die Gesamtnebenkosten für das Jahr 2008 Verrechnungen von Nachforderungen mit Guthaben vorgenommen hat (Nebenkostenabrechnung GA 95), und dass sie anschließend das sich hieraus ergebende Guthaben der Beklagten aus der Gesamtabrechnung für das Jahr 2008 mit Nachforderungen der Klägerin für die Jahre 2006, 2007 und 2009 verrechnet hat (Abrechnungsschreiben vom 27. Januar 2011). Auch hier handelt es sich um einen reinen Rechenvorgang, der lediglich der Ermittlung eines Gesamtsaldos für die Abrechnungsjahre 2006 bis 2009 diente.

(b) Zwischen den Parteien bestand auch kein Streit oder eine Ungewissheit über die Höhe der Nebenkostenposition „Heizkostenabrechnung“ für das Jahr 2008. Zwar hat die Beklagte mit Schreiben vom 28. Dezember 2010 die Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2006 bis 2009 beanstandet. Diese Beanstandung bezog sich aber ausschließlich auf die Umlage einer im Mietvertrag nicht vereinbarten Position „Erstellung NK-Abrechnung“. Die Klägerin hat diese Beanstandung akzeptiert. Diese Nebenkostenposition wies jedoch keinen Zusammenhang mit der Heizkostenabrechnung auf, über die die Streithelferin im Übrigen gesonderte Abrechnungen erteilt hatte (Kellergeschoss GA 97 f.; Erdgeschoss GA 99 f.). Dementsprechend hat die Klägerin, für die Beklagte erkennbar, in ihrer korrigierten Abrechnung vom 27. Januar 2011 die ursprünglichen Abrechnungen lediglich um die Position „Erstellung NK-Abrechnung“ bereinigt und die sonstige Abrechnung einschließlich der Heizkostenabrechnung für das Jahr 2008 unverändert gelassen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts bestand auch keine Ungewissheit über die Berechtigung der Heizkostenabrechnung 2008 im Hinblick darauf, dass ein anderer Mieter im Haus um eine Überprüfung der Heizkostenabrechnungen der letzten zehn Jahre gebeten hatte. Es kann dahinstehen, ob aufgrund dieser offenbar lediglich allgemein gehaltenen Beschwerde des Mieters für die Klägerin für diese überhaupt Anlass bestand, an der Richtigkeit der Heizkostenabrechnung für das Jahr 2008 zu zweifeln. Es handelte sich jedenfalls nicht um eine gemeinsam zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehende Ungewissheit. Die Beklagte hatte unstreitig von der Beanstandung ihres Mitmieters keine Kenntnis. Von ihrem (objektiven) Empfängerhorizont aus war es ihr auch nicht erkennbar, dass die Klägerin die Beschwerde des Mitmieters an die Streithelferin zum Zwecke der Überprüfung der Berechtigung der Beanstandung weitergeleitet hatte. Die korrigierte Abrechnung vom 27. Januar 2011 diente deshalb nicht dazu, eine zwischen den Parteien übereinstimmend erkannte Ungewissheit über die Berechtigung der Heizkostenabrechnung zu beseitigen.

(2) Die Bezahlung des Gesamtsaldos, der sich aus der korrigierten Abrechnung der Klägerin vom 27. Januar 2011 ergab, ist auch nicht als Annahme eines Vertragsangebots zu werten. Wie vorstehend ausgeführt, stellte die Übersendung der Abrechnung seitens der Klägerin bereits kein annahmefähiges Angebot mit einem rechtsgeschäftlichen Erklärungswert hinsichtlich eines Schuldanerkenntnisvertrages dar. Darüber hinaus ist auch die vorbehaltlose Zahlung des aus der Abrechnung ersichtlichen Nachforderungsbetrages aus der Sicht eines verständigen Vermieters lediglich als Erfüllung dieser Forderung (§§ 362 Abs. 1, 363 BGB) ohne weitergehenden rechtsgeschäftlichen Erklärungswert zu werten. Die Beklagte hat mit ihrer vorbehaltlosen Zahlung erkennbar nicht auf etwaige zu ihren Gunsten bestehende Einwendungen hinsichtlich der Heizkostenabrechnung für das Jahr 2008 verzichten wollen.

Die widerspruchslose Annahme dieser Zahlung seitens der Klägerin hatte ebenfalls keinen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert bezüglich eines etwaigen Schuldanerkenntnisses.

cc) Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 2011 (VIII ZR 296/09, NJW 2011, 843). In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof für den Bereich des Wohnraummietrechts entschieden, dass jedenfalls seit der gesetzlichen Einführung der ausschlussbewehrten Abrechnungs- und Einwendungsfristen gemäß § 546 Abs. 3 Satz 2, 3 und Satz 5, 6 BGB durch das Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2011 weder die vorbehaltlose Zahlung einer Betriebskostennachforderung durch den Mieter noch die vorbehaltslose Erstattung eines sich aus der Betriebskostenabrechnung ergebenden Guthabens durch den Vermieter für sich genommen die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses, das einer späteren Nach- oder Rückforderung während des Laufs der genannten Fristen entgegensteht, erlauben.

Aus dieser Entscheidung kann nicht der Schluss gezogen werden, der Bundesgerichtshof gehe für Gewerberaummietverhältnisse wie den vorliegenden Mietvertrag davon aus, dass die vorbehaltlose Zahlung des Mieters auf eine Nebenkostenabrechnung des Vermieters stets einen deklaratorischen Schuldanerkenntnisvertrag begründe. Das Urteil vom 11. Januar 2011 verhält sich zu dieser Rechtsfrage nicht.

dd) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Parteien von Gewerberaummietverträgen im Hinblick auf etwaige Unrichtigkeiten von Nebenkostenabrechnungen und sich daraus ergebende Nachforderungen des Vermieters oder Rückerstattungsansprüche des Mieters in besonderer Weise schutzbedürftig wären und aus diesem Gesichtspunkt allgemein ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis oder ein aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten (etwa § 242 BGB) herzuleitender Einwendungsausschluss anzunehmen wäre. Den Parteien eines Mietvertrages über Gewerberaum bleibt es unbenommen, über die Verbindlichkeit einer vom Vermieter gestellten Betriebskostenabrechnung und einen entsprechenden Einwendungsausschluss für bisher nicht bekannte Unrichtigkeiten der Abrechnung eine Vereinbarung zu treffen. So kann etwa der Mieter den Vermieter um eine Bestätigung bitten, dass dieser keine weiteren Nachforderungen aus der Betriebskostenabrechnung erheben wird. Lässt sich der Vermieter darauf ein, ist er aufgrund dieser Vereinbarung daran gehindert, Nachforderungen aufgrund einer später als unrichtig erkannter Betriebskostenabrechnung zu stellen.

3. Die Klägerin ist auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Verwirkung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) daran gehindert, hinsichtlich der Heizkostenabrechnung für das Jahr 2008 eine Nachzahlung zu verlangen.

a) Der Rechtsgedanke der Verwirkung, der auch im Miet- und Pachtrecht gilt, ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens. Danach ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Die Annahme einer Verwirkung setzt somit neben dem Zeitablauf das Vorliegen besonderer ein solches Verhalten des Verpflichteten begründender Umstände voraus (BGHZ 184, 117 Tz. 32).

b) Im vorliegenden Fall fehlt es bereits am Zeitmoment. Zwar hat die Klägerin die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2008 nicht binnen Jahresfrist erteilt (vgl. dazu BGH, aaO, Tz. 37 ff.). Die Beklagte hat hieraus jedoch keine Folgerungen abgeleitet und hat akzeptiert, dass die Klägerin verspätet abgerechnet hat. Sie hat auf die – verspätete – korrigierte Nebenkostenabrechnung der Klägerin vom 27. Januar 2011 anstandslos gezahlt. Die nochmalige Korrektur der Heizkostenabrechnung für das Jahr 2008 erfolgte bereits mit Schreiben der Klägerin vom 8. Juni 2011, mithin lediglich 4 1/2 Monate später.

Darüber hinaus kann es offenbleiben, ob die Beklagte aufgrund des Verhaltens der Klägerin darauf vertrauen durfte, diese werde keine weiteren Nachforderungen erheben. Insbesondere begründet die Abrechnung durch professionelle Verwalter – wie hier die Streithelferin – kein Vertrauen der Beklagten auf die Richtigkeit der Abrechnungen. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass professionellen Verwaltern keine Fehler bei der Abrechnung unterlaufen (BGH, aaO, Tz. 42). Jedenfalls hat die Beklagte nicht dargelegt, dass sie sich darauf eingerichtet hat, keine weiteren Nebenkosten für das Jahr 2008 mehr bezahlen zu müssen. Es ist auch im Übrigen nicht ersichtlich, dass die Beklagte insoweit Dispositionen getroffen hätte, die nunmehr eine weitere Nachforderung von Nebenkosten seitens der Klägerin als treuwidrig erscheinen lassen würde.

4. Die Entscheidung über den Zinsausspruch beruht auf §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 3 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in §§ 91, 101 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 ZPO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Die zwischen den Parteien streitige, entscheidungserhebliche Rechtsfrage erscheint klärungsbedürftig, weil sie in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten ist. Der Senat hat beschlossen, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 6.670,81 Euro festzusetzen.

Beschluss

hier: Urteilsberichtigung hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz am 11.01.2013 beschlossen:

Das Urteil vom 13. Dezember 2012 wird in den Gründen unter II 2 a) wie folgt berichtigt:

Auf Seite 8 des Urteilsumdrucks müssen die Gründe anstelle folgender Textstelle

„Nach anderer Auffassung beinhaltet die Abrechnung von Betriebskosten durch den Vermieter und die Zahlung des Saldos oder die Entgegennahme eines Gutachtens durch den Mieter für sich genommen keinen Schuldbestätigungsvertrag …“

(Unterstreichung zum Zwecke der Hervorhebung hinzugefügt)

wie folgt lauten:

„Nach anderer Auffassung beinhaltet die Abrechnung von Betriebskosten durch den Vermieter und die Zahlung des Saldos oder die Entgegennahme eines Guthabens durch den Mieter für sich genommen keinen Schuldbestätigungsvertrag …“

Gründe:

Die Berichtigung beruht auf § 319 Abs. 1 ZPO. Es handelt sich um eine offenbare Unrichtigkeit in Form eines Schreibversehens.

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