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Betriebsrat – Anspruch auf Mobilfunktelefon

Hessisches Landesarbeitsgericht

Az: 16 TaBV 129/11

Beschluss vom 28.11.2011


Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3.2.2011 – 11 BV 540/10 – abgeändert:

Die Beteiligte zu 2 wird verpflichtet, dem Antragsteller 16 Mobiltelefone zur Verfügung zu stellen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um das zur Verfügung stellen von Mobiltelefonen.

Der Arbeitgeber betreibt eine Fluggesellschaft. Bei ihm ist ein Betriebsrat für das Bodenpersonal gebildet, der aus 33 Mitgliedern besteht. Dieser ist für etwa 6500 Mitarbeiter zuständig. Der Arbeitgeber stellt dem Betriebsratsvorsitzenden, seinem Stellvertreter, dem Vorsitzenden des Personalausschusses und dem Vorsitzenden des Arbeitszeitausschusses ein Mobiltelefon zur Verfügung. Weitere 13 Betriebsratsmitglieder verfügen aus dienstlichen Gründen über ein Mobiltelefon. Für die verbleibenden 16 Betriebsratsmitglieder begehrt der Betriebsrat die Zurverfügungstellung je eines Mobiltelefons. Der Betriebsrat will damit die Erreichbarkeit seiner Mitglieder während Meetings und bei eventuellen Ortsbegehungen, bei denen keine Erreichbarkeit per Festnetzanschluss besteht, sicherstellen. Der Umfang der Zeit, in denen die Betriebsratsmitglieder nicht über das Festnetz erreichbar sind, ist zwischen den Beteiligten streitig. Nach Auskunft der Einkaufsabteilung des Arbeitgebers liegen die Kosten für ein Handy im Konzern derzeit bei durchschnittlich 22 € pro Monat. Der Betriebsrat geht konzernweit von 32.000 vorhandenen Handys aus. Daraus resultieren aktuell monatliche Kosten von 704.000 €. Der Arbeitgeber hält die Zurverfügungstellung von Mobiltelefonen für sämtliche Betriebsratsmitglieder für nicht erforderlich. Deshalb komme es auf die Kosten, die insoweit auf ihn zukommen, nicht an.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen im Beschluss des Arbeitsgerichts unter I. der Gründe (Blatt 86 bis 90 der Akten) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Der Arbeitgeber sei nach § 40 Abs. 2 BetrVG verpflichtet, dem Betriebsrat in erforderlichem Umfang Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. An der Erforderlichkeit fehle es hier. Dem Betriebsrat könne nicht darin gefolgt werden, dass ohne Mobiltelefon nicht gewährleistet sei, dass Betriebsratsmitglieder in Meetings, Ausschusssitzungen oder bei der Wahrnehmung von überörtlichen Aufgaben erreichbar sind. Wenn ein Betriebsratsmitglied in einem Meeting ist, könne es dies dem Betriebsratssekretariat mitteilen, das die Auskunft an den Mitarbeiter weiter geben könne. Zum anderen seien sowohl bei Meetings, Ausschusssitzungen als auch bei überörtlichen Meetings jeweils Festnetzanschlüsse vorhanden, über welche die Mitarbeiter das Betriebsratsmitglied erreichen können. Soweit die Betriebsratsmitglieder -wie der Betriebsrat ausführe- zu 20% der Arbeitszeit nicht in ihrem Büro seien, sei eine ausreichende Kommunikation auch in diesem Fall über das Betriebsratssekretariat sichergestellt. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Ausführungen unter II des Beschlusses (Blatt 90 bis 96 der Akten) Bezug genommen.

Dieser Beschluss wurde dem Betriebsrat am 17.6.2011 zugestellt. Er hat dagegen mit einem am 8. Juli 2011 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese am 17.8.2011 begründet.

Der Betriebsrat ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die Entscheidung des Betriebsrats über die Erforderlichkeit von Mobiltelefonen zur Erledigung seiner gesetzlichen Aufgaben durch die eigene -die des Arbeitsgerichts- ersetzt. Richtigerweise sei das Arbeitsgericht in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob das verlangte Sachmittel aufgrund der konkreten betrieblichen Situation der Erledigung einer gesetzlichen Aufgabe diene und ob der Betriebsrat nicht nur die Interessen der Belegschaft berücksichtigt, sondern bei seiner Entscheidung auch den berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rechnung getragen hat. Hierbei stelle das Arbeitsgericht zunächst selbst fest, dass Mobiltelefone für die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben geeignet, nützlich und sinnvoll seien. Das Arbeitsgericht stelle ausdrücklich fest, dass ansonsten ein Zeitverlust, Unwägbarkeiten oder ein Reibungsverlust entstehe. Es setze jedoch seine Bewertung an die Stelle der Bewertung des Betriebsrats, indem es Alternativen aufzeige, wie seiner Ansicht nach eine ausreichende Kommunikation sicher gestellt werden könne.

Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3.2.2011 -11 BV 540/10- abzuändern und die Beteiligte zu 2 zu verpflichten, dem Antragsteller weitere 16 Mobiltelefone zur Verfügung zu stellen.

Der Beteiligte zu 2 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Der Betriebsrat verfüge über ein Betriebsratsbüro mit Sekretariat und Festnetzanschluss sowie Internet. Unter Berücksichtigung dessen seien Mobiltelefone für alle Betriebsratsmitglieder nicht erforderlich. Die jederzeitige ständige Erreichbarkeit jedes Betriebsratsmitglied sei nicht erforderlich. Im übrigen lege der Betriebsrat nicht ansatzweise dar, dass tatsächlich Informations- und Mitbestimmungslücken dadurch entstehen, dass nicht jedem der 33 Betriebsratsmitglieder ein Mobiltelefon zur Verfügung steht. Die Erreichbarkeit sei über das Betriebsratssekretariat sichergestellt. Ein Mobiltelefon gehöre bei der Arbeitgeberin auch nicht zur Grundausstattung der Beschäftigten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle verwiesen.

II.

1. Die Beschwerde ist statthaft, § 84 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 87 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 und 2 Arbeitsgerichtsgesetz.

2. Die Beschwerde ist begründet. Das Arbeitsgericht ist zwar zutreffend von dem vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Prüfungsmaßstab ausgegangen, hat aber seine Bewertung hinsichtlich der Erforderlichkeit an die Stelle der des Betriebsrats gesetzt.

a) Nach § 40 Abs. 2 BetrVG steht dem Betriebsrat Informations- und Kommunikationstechnik gleichrangig neben Räumen, sachlichen Mitteln und Büropersonal zur Verfügung. Die Beschränkung des Sachmittelanspruch des Betriebsrats auf den erforderlichen Umfang dient dazu, eine übermäßige finanzielle Belastung des Arbeitgebers zu verhindern. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts obliegt dem Betriebsrat die Prüfung, ob ein von ihm verlangtes Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist. Die Entscheidung hierüber darf er nicht allein an seinen subjektiven Bedürfnissen ausrichten. Von ihm wird vielmehr verlangt, dass er die betrieblichen Verhältnisse und die sich ihm stellenden Aufgaben berücksichtigt. Dabei hat er die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts einerseits und berechtigte Interessen des Arbeitgebers, auch soweit sie auf eine Begrenzung der Kostentragungspflicht gerichtet sind, gegeneinander abzuwägen. Diese Grundsätze gelten auch für das Verlangen des Betriebsrats auf Überlassung von Informations- und Kommunikationstechnik. Die Entscheidung des Betriebsrats über die Erforderlichkeit des verlangten Sachmittels unterliegt der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Diese ist auf die Prüfung beschränkt, ob das verlangte Sachmittel aufgrund der konkreten betrieblichen Situation der Erledigung der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats dient und der Betriebsrat bei seiner Entscheidung nicht nur die Interessen der Belegschaft berücksichtigt, sondern auch berechtigten Belangen des Arbeitgebers Rechnung getragen hat. Dient das jeweilige Sachmittel der Erledigung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben und hält sich die Interessenabwägung des Betriebsrats im Rahmen seines Beurteilungsspielraums, kann das Gericht die Entscheidung des Betriebsrats nicht durch seine eigene ersetzen (Bundesarbeitsgericht 14.7.2010 -7 ABR 80/08- AP Nr. 107 zu § BetrVG 1972, Randnummer 17 bis 19 mit weiteren Nachweisen).

b) Mit dem Arbeitsgericht (Seite 8 des Beschlusses, Blatt 92 der Akten) ist davon auszugehen, dass das zur Verfügung stellen von Mobiltelefonen für alle Betriebsratsmitglieder für ihre gesetzlichen Aufgaben geeignet, nützlich und sinnvoll ist. Hierdurch wird die Erreichbarkeit der Betriebsratsmitglieder für die Beschäftigten und die Kommunikation unter den Betriebsratsmitgliedern verbessert. Mit dem Mobiltelefon sind diese nämlich auch zu Zeiten, an denen sie sich nicht an ihrem Arbeitsplatz oder im Betriebsratsbüro aufhalten und deshalb nicht über Festnetz angerufen werden können, erreichbar. Der Betriebsrat hat bei seiner Entscheidung auch die betrieblichen Verhältnisse hinreichend berücksichtigt. Er hat bei seiner Abwägung der Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an einer Begrenzung der Kostentragungspflicht gegenüber gestellt. Hierbei hat sich ergeben, dass einerseits im Konzern des Arbeitgebers monatlich bei vorhandenen 32.000 Handys von einer Kostenbelastung in Höhe von 704.000 € auszugehen ist. Für die Anschaffung von weiteren 16 Mobiltelefonen, um sämtliche Betriebsratsmitglieder mit dieser Technik auszustatten, sind monatlich weitere jeweils 22 €, insgesamt 352 €, aufzubringen. Wenn der Betriebsrat diese Kostenbelastung für den Arbeitgeber als zumutbar erachtet hat, hält sich dies im Rahmen seines Beurteilungsspielraums.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor, § 92 Abs. 1, § 72 Arbeitsgerichtsgesetz. Insbesondere liegt keine Divergenz zu den Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts München vom 20.12.2005 (8 TaBV 57/05) und des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. Mai 2010 (10 TaBV 97/09) vor, die die Erforderlichkeit von Mobiltelefonen für den Betriebsrat verneint haben, da es sich hierbei jeweils um eine Einzelfallentscheidung unter besonderer Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation handelt.

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