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Betriebsübergang – fristlose Kündigung und Widerspruch

Landesarbeitsgericht Hamm

Az: 2 Sa 839/08

Urteil vom 12.11.2008


Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 10.03.2008 – 9 Ca 4381/07 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 42.079,99 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses.

Der am 18.08.1965 geborene Kläger, der verheiratet ist und ein Kind hat, war seit dem 01.09.1982 in dem Lebensmittelmarkt F1 der Beklagten zu 1) als Metzger und Abteilungsleiter gegen eine Vergütung von monatlich 2.650,71 EUR brutto tätig. Die Beklagte zu 1) betrieb bis Ende Juni 2007 sechs Supermärkte in L2, F1, R2, K5, B6 und H3. Die Filiale war in B2 angesiedelt. Mit Ausnahme der Filiale L2 wurden alle anderen Filialen im Sommer 2007 in selbständige GmbH & Co. KG’s überführt. Ein Betriebsrat bestand nur in der Filiale L2, in der mehr als 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind.

Die Beklagte zu 2) übernahm am 01.08.2007 im Wege eines Betriebsübergangs die Filiale F1. Von den dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat nur der Kläger mit Schreiben vom 19.11.2007 dem Betriebsübergang widersprochen.

Die Beklagte zu 2) hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 04.09.2007 fristlos gekündigt. Sie wirft dem Kläger vor, am 27.08. und 28.08.2007 die Mitarbeiterinnen N2 und M1 angewiesen zu haben, die Fleischstücke von nicht mehr zum Verkauf geeigneten Spießen abzuwaschen, zu zerschneiden, mit Öl zu behandeln und anschließend als Pfannengericht zu verkaufen.

Nachdem der Widerspruch des Klägers gegen den Betriebsübergang am 23.11.2007 bei der Beklagten zu 1) eingegangen war, kündigte diese das Arbeitsverhältnis am 26.11.2007 fristlos, vorsorglich zum nächstzulässigen Zeitpunkt mit der Begründung, sie habe keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für ihn, weil sie den Betrieb in F1 nicht mehr unterhalte. Hinsichtlich der fristlosen Kündigung erhebe sie die gleichen Vorwürfe wie sie die Beklagte zu 2) in dem Kündigungsschreiben vom 04.09.2007 zum Ausdruck gebracht habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung der Zeugin M1 durch Teilurteil vom 10.03.2008 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten zu 1) und dem Kläger durch die Kündigung der Beklagten zu 2) vom 04.09.2006 weder fristlos noch ordentlich aufgelöst worden sei. Es hat die Beklagte zu 1) zu geringfügigen Zahlungen an den Kläger u.a. an die Hamburger Pensionskasse verurteilt und die vom Kläger gegen die Kündigung vom 26.11.2007 gerichtete Feststellungsklagte ebenso abgewiesen wie den Antrag des Klägers, ihm gemäß § 113 BetrVG einen Nachteilsausgleich in Höhe einer vom Arbeitsgericht gemäß § 10 KSchG festzusetzenden Abfindung zu zahlen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Beklagte zu 2) sei am 04.09.2007 nicht kündigungsberechtigt gewesen, denn der Kläger habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen. Wegen der nicht ausreichenden Unterrichtung des Klägers habe dieser dem Betriebsübergang noch am 19.11.2007 widersprechen können.

Hingegen sei das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) nach wie vor bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 26.11.2007 wirksam beendet worden. Die Vernehmung der Zeugin M1 habe nämlich den Vorwurf der Beklagten bestätigt, dass der Kläger sie im August 2007 angewiesen habe, mit Kochschinken und Käse gefüllte Fleischspieße auseinanderzunehmen, den verdorbenen Schinken und Käse zu entsorgen und das Fleisch zu einem Pfannengericht weiterzuverarbeiten. Die glaubwürdige Aussage der Zeugin habe die Vernehmung weiterer Zeugen entbehrlich gemacht. Das Verhalten des Klägers rechtfertige eine außerordentliche Kündigung, weil seine Anweisung die Gesundheit der Kunden, den Ruf der Beklagten gefährde und zu der Konsequenz einer vollständigen oder vorübergehenden Schließung des Marktes durch die Ordnungsbehörden führen könne. Einer vorherigen Abmahnung habe es in diesem Fall nicht bedurft, weil das Vertrauen der Beklagten in den Kläger ohne weiteres durch sein einmaliges Fehlverhalten zerstört sei.

Die Wirksamkeit der Kündigung vom 26.11.2007 scheitere nicht an § 626 Abs. 2 BGB. Aus der ex-tunc-Wirkung des Widerspruchs folge, dass das Arbeitsverhältnis erst mit der Erklärung des Widerspruchs auf die Beklagte zu 1) in den Zustand zurückgefallen sei, in dem es sich zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs befunden habe. Der Lauf der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB werde erst mit dem Zugang des Widerspruchs in Lauf gesetzt.

Wegen der Einzelheiten wird auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Mit seiner Berufung will der Kläger die Unwirksamkeit der von der Beklagten zu 1) am 26.11.2007 ausgesprochenen fristlosen bzw. der fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2008 feststellen lassen und begehrt von der Beklagten zu 2) die Zahlung einer bezifferten Abfindung.

Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Kläger vor, der Inhaber der Beklagten zu 1) habe im Juni 2007 fünf der sechs zu seinem Unternehmen gehörende Betriebe aus der KG ausgegliedert, und sie jeweils in rechtlich selbständige GmbH & Co. KG’s umgewandelt. Dieser Vorgang sei unbemerkt von den Beschäftigten des Betriebes F1 vollzogen worden. Erstmals mit Schriftsatz vom 08.11.2007 habe die Beklagte zu 1) mitgeteilt, dass der Betrieb F1 zum 01.08.2007 auf die Beklagte zu 2) übergegangen sei. Daraufhin habe er dem Betriebsübergang am 19.11.2007 widersprochen.

Der Kläger rügt, zu den Kündigungen vom 26.11.2007 sei der im Betrieb der Beklagten zu 1) existierende Betriebsrat nicht angehört worden. In dem Einigungsstellenverfahren zwischen der Beklagten zu 1) und dem Betriebsrat des Betriebes L2 sei am 19.05.2008 ein Sozialplan vereinbart worden.

Der Kläger meint, die Beklagte zu 1) hätte vor Ausspruch der Kündigung vom 26.11.2007 den im Betrieb D3-L2 gebildeten Betriebsrat anhören müssen. Es habe sich bei dem von Herrn S4 unter der Bezeichnung I1 H2 KG geführten Unternehmen um einen Einzelhandelsbetrieb mit mehreren unselbständigen Niederlassungen gehandelt. Nachdem die fünf übrigen Betriebe rechtlich verselbständigt worden seien, habe die Beklagte zu 1) nur noch einen einzigen Betrieb, nämlich den in L2 betrieben. Er sei zwar nicht in L2 tätig gewesen, gehöre aber dem Betrieb in L2 aufgrund seines Widerspruchs an, so dass der dort gewählte Betriebsrat hätte angehört werden müssen.

Der Kläger meint, die fristlose Kündigung vom 26.11.2007 sei auch deshalb unwirksam, weil die Beklagte zu 1) die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten habe. Sein Widerspruch wirke auf den Zeitpunkt des erfolgten Betriebsübergangs zurück. Die Beklagte zu 1) habe es versäumt, ihn von dem Betriebsübergang rechtzeitig in Kenntnis zu setzen. Für die Beklagte zu 1) habe in Person des Inhabers J2 S4 zum Zeitpunkt der Kündigung vom 04.09.2007 durch die Beklagte zu 2) kein Zweifel bestanden, dass in Wirklichkeit nach wie vor ein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten zu 1) bestehe. Die Kündigungsgründe seien Herrn S4 spätestens seit dem 01.09.2007 bekannt gewesen. Der Inhaber der Beklagten zu 1) habe die Unterrichtung über den Betriebsübergang bewusst hinausgeschoben, weil er gewusst habe, dass der Kläger in jedem Fall und daher bereits schon im Sommer 2007 dem Betriebsübergang widersprochen hätte. Aus den Umständen müsse geschlossen werden, dass die Beklagte zu 1) ihn absichtlich über den bereits im Sommer 2007 erfolgten Betriebsübergang im Unklaren gelassen habe. Die Beklagte zu 1) müsse sich daher so behandeln lassen, als wäre sie von Anfang an berechtigt gewesen, die Kündigung auszusprechen.

Hinsichtlich der Kündigungsvorwürfe bleibe er dabei, dass er die Zeugin M1 zu keinem Zeitpunkt aufgefordert habe, nicht mehr verkaufsfähiges Fleisch durch besondere Behandlung doch noch zum Verkauf anzubieten. Er habe auch keine Personalverantwortung gehabt, denn ihm sei immer wieder mitgeteilt worden, dass er mit der Personaleinteilung nichts zu tun habe. Vorgesetzter in der Fleisch- und Wurstwarenabteilung sei der Zeuge B8 gewesen. Mangels Zuständigkeit habe er der Zeugin M1 keine Anweisungen erteilt. Unter dem Vorgesetzten B8 sei die Verwertung von Fleischspießen durchaus üblich gewesen. Dazu hätte es von seiner Seite keiner besonderen Anweisung bedurft, sondern die Verkäuferinnen hätten dies von sich aus getan. Die allgemeine Anweisung, mit den Fleischspießen derart zu verfahren, stamme von Herrn B8.

Da auch eine verhaltensbedingte fristgemäße Kündigung sozialwidrig sei, bleibe allein die betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2008. Unter Zugrundelegung der Regelabfindung belaufe sich sein Nachteilsausgleichsanspruch auf 34.127,89 EUR. Nach dem Sozialplan vom 19.05.2008 stehe ihm eine Abfindung in Höhe von 20.726,73 EUR zu.

Der Kläger beantragt,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 10.03.2008 – 9 Ca 4381/07 – abzuändern und gegenüber der Beklagten zu 1),

1. festzustellen, dass das zwischen der Beklagten zu 1) und dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose, noch durch verhaltensbedingte fristgerechte Kündigung der Beklagten zu 1) vom 26.11.2007, zugegangen am 27.11.2007, vor Ablauf des 31.05.2008 aufgelöst wird.

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2. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung zu zahlen, die das Gericht nach § 10 KSchG festsetzt, wobei mindestens ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr als Grundlage dienen sollte.

Die Beklagten beantragten,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Teilurteil und treten dem Vorbringen des Klägers entgegen. Sie tragen ergänzend vor, eine Ausgliederung der einzelnen Supermarktbetriebe habe entgegen der Darstellung des Klägers nicht stattgefunden. Der Inhaber der Beklagten zu 1) habe vielmehr sechs bzw. sieben einzelne selbständige Betriebe an verschiedenen Orten mit einer eigenständigen in B2 angesiedelten Verwaltung betrieben. Für fünf Betriebe seien eigenständige GmbH & Co. KG’s gegründet worden, in die die einzelnen Betriebe eingebracht worden seien. Der Betrieb F1 habe nie einen Betriebsrat gehabt. Nur in dem Betrieb L2, in dem der Kläger nie beschäftigt gewesen sei, sei ein Betriebsrat gewählt worden. Deshalb sei es nicht erforderlich gewesen, den Betriebsrat in L2 vor Ausspruch der Kündigung gemäß § 102 BetrVG anzuhören. Anders als vom Kläger dargestellt seien die Beschäftigten durch Aushang vom 31.07.2007 auf die neue Bezeichnung „I1 F1 GmbH & Co. KG“ hingewiesen worden. Ein Anspruch des Klägers auf Nachteilsausgleich bestehe schon deshalb nicht, weil für den Betrieb F1 kein Betriebsrat existiere. Hinsichtlich des Kündigungsvorwurfs ergäben sich aus dem Vortrag des Klägers keine Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen und der Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts. Es sei sie wesentliche Aufgabe des Klägers als Fachmann und Abteilungsleiter der Fleischabteilung gewesen, auf die Einhaltung der gesetzlichen Hygienevorschriften genau zu achten. Durch seine Anweisung habe er bewusst gegen die Hackfleischverordnung verstoßen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die gegen die Unwirksamkeit der Kündigung vom 26.11.2007 gerichtete Feststellungsklage des Klägers zu Recht abgewiesen, denn das Arbeitsverhältnis ist durch die fristlose Kündigung der Beklagten zu 1) vom 26.11.2007 wirksam aufgelöst worden. Ein Anspruch des Klägers auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 BetrVG besteht nicht. Auch insoweit ist dem Arbeitsgericht zu folgen.

I

Die Beklagte zu 1) war gemäß § 626 Abs. 1 BGB zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt, denn die Anweisung des Klägers an die Zeugin M1, nicht mehr zum Verkauf geeignete Fleischspieße zu säubern und erneut in veränderter Form zum Verkauf anzubieten, stellt eine derart schwerwiegende Vertragsverletzung dar, dass es der Beklagten zu 1) auch ohne vorherige Abmahnung nicht mehr zumutbar war, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten.

1. Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts ist nicht zu beanstanden. Die Zeugin M1 hat unmissverständlich bekundet, sie habe auf Anweisung des Klägers Spieße mit Kochschinken und Käse auseinandergenommen, den Kochschinken und den Käse in die Mülltonne geworfen, um das Fleisch dann für Pfannengerichte weiterzuverarbeiten. Das Fleisch wurde sodann in die Theke gestellt und als Gyros und dergleichen verkauft. Die Zeugin hat sogar ausgesagt, dass das Fleisch manchmal verdorben gewesen sei. Sie habe zwar Bedenken gehabt, sei aber von dem Kläger angewiesen worden, so zu handeln. Der Kläger habe gesagt, das werde so gemacht, sein Wort sei Gesetz und es lohne nicht zu diskutieren. Das Arbeitsgericht hat dazu ausgeführt, die Zeugin sei Fleischfachverkäuferin und dem Kläger unterstellt gewesen. Sie habe die vom Kläger erhaltene Anweisung knapp, aber klar und ohne Einschränkung bestätigt. Das Arbeitsgericht hat überzeugend begründet, dass es auf den genauen Wortlaut der Anweisung nicht ankomme, weil es sich nicht um einen Einzelfall gehandelt habe, sondern immer so verfahren worden sei. Die Zeugin sei sich sicher gewesen, dass der Kläger Ende August bezüglich der Spieße mit Kochschinken und Käse die fragliche Anweisung erteilt habe. Nach dem Eindruck der Kammer erschien die Zeugin natürlich und unbefangen und habe bereitwillig Auskunft gegeben, ohne Belastungstendenzen zu zeigen.

Der Kläger hat seine gegenteilige Behauptung nicht näher begründet und insbesondere keine überzeugenden Anhaltspunkte für die Unglaubwürdigkeit der Zeugin M1 dargelegt. Seine nachgeschobene Behauptung, er sei nicht Vorgesetzter der Zeugin M1 gewesen, sondern Herr B8 habe die Arbeitsanweisung bezüglich der Fleischspieße gegeben, kann sein Verhalten nicht rechtfertigen. Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger auf Anweisung des Zeugen B8 gehandelt hat. Er hat auch in der Berufungsverhandlung nicht schlüssig darlegen können, dass die Anweisung nicht von ihm, sondern von dem Zeugen B8 stamme. Der Kläger war tatsächlich für die Fleischabteilung verantwortlich und hat die damit verbundene Anordnungsbefugnis für sich in Anspruch genommen. Seine Behauptung, es gebe eine entsprechende allgemeine Anweisung des Zeugen B8 und danach habe er sich gerichtet, ist weder substantiiert noch glaubwürdig.

2. Das Verhalten des Klägers verstößt gegen § 5 der Verordnung über Hackfleisch, Schabefleisch und anderes zerkleinertes rohes Fleisch vom 10.05.1976 (BGBl. I S. 1185) i.d.F. der Verordnung vom 18.05.2005, die ab 15.08.2007 durch die Lebensmittelhygiene-Verordnung vom 08.08.2007 (BGBl. I S. 1816) abgelöst worden ist. Gemäß § 5 Abs. 1 HackfleischVO dürfen geschnetzeltes Fleisch sowie Schaschlikspieße nur am Tage ihrer Herstellung und am folgenden Tag in den Verkehr gebracht werden. Gemäß § 3 der Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV) dürfen Lebensmittel nur so hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht werden, dass sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt sind. Geschnetzeltes Fleisch darf gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 HackfleischVO nur am Tage der Herstellung in Verkehr gebracht werden. Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass das Auseinandernehmen der Spieße, das Abwaschen der Fleischstücke und die erneute Aufbereitung als Gyros mit diesen Vorschriften nicht in Einklang zu bringen ist. Nach Aussage der Zeugin M1 war das wiederverwendete Fleisch teilweise sogar verdorben. Bezeichnenderweise sind Kochschinken und Käse entsorgt worden.

Es bedarf keiner näheren Begründung, dass diese Vorgehensweise wie das Arbeitsgericht richtig ausgeführt hat nicht nur gegen die einschlägigen Vorschriften verstieß und der Ordnungsbehörde Anlass zum Einschreiten gegeben hätte, sondern die Gesundheit der Kunden der Beklagten und den Ruf des Marktes gefährdete. Einer vorherigen Abmahnung des Klägers bedurfte es nicht, denn ihm war klar, dass dieses Verhalten für die Beklagte zu 1) nicht hinnehmbar war.

3. Entgegen der Auffassung des Klägers scheitert die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nicht an § 626 Abs. 2 BGB. Danach muss die außerordentliche Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Arbeitgebers vom Vorliegen eines wichtigen Grundes ausgesprochen werden. Der Kündigende soll sich alsbald darüber schlüssig werden, ob der Grund so schwer wiegt, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Es handelt sich um einen gesetzlich konkretisierten Verwirkungstatbestand (BAG vom 17.03.2005 – 2 AZR 245/04, NZA 2006, 101).

Der Beklagten zu 1) kann nicht vorgeworfen werden, sie habe mit dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung zu lange gewartet. Es muss zunächst richtig gesehen werden, dass die Beklagte zu 2) als vermeintliche Arbeitgeberin des Klägers die fristlose Kündigung unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls am 04.09.2006 ausgesprochen hat. Erst die Ausübung des Widerspruchsrechts durch den Kläger verhinderte das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses mit der Erwerberin der Filiale F1, der Beklagten zu 2). Der Widerspruch des Klägers wirkt auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurück, so dass das Arbeitsverhältnis unverändert weiterhin mit der Beklagten zu 1) bestand (BAG vom 13.07.2006 – 8 AZR 382/05, DB 2006, 2750 unter II 1 b der Gründe, Rdnr. 36 bis 38). Unmittelbar nachdem die Beklagte zu 1) wusste, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf die Betriebserwerberin übergegangen war, hat sie ihrerseits die fristlose Kündigung ausgesprochen. Eine Verwirkung des Kündigungsrechts im Hinblick auf § 626 Abs. 2 BGB kann unter diesen Umständen nicht angenommen werde. Es verfängt auch nicht die Argumentation des Klägers, beide Beklagte hätten ihn in Kenntnis der kündigungsrelevanten Tatsachen über den Betriebsübergang im Unklaren gelassen und ihn nicht informiert. Sein Einwand, es dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, dass er erst im November 2007 über den Betriebsübergang unterrichtet worden sei, kann die Einhaltung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht in Zweifel ziehen. Es geht vielmehr um die Verwirkung des Kündigungsrechts, die hier deshalb nicht angenommen werden kann, weil beide Beklagte nach Kenntnis der maßgeblichen Umstände sofort gekündigt haben. Hätte die Beklagte zu 2) am 04.09.2007 fristlos gekündigt, hätte der Kläger geltend machen können, die Kündigung gehe ins Leere, weil ein Arbeitsverhältnis aufgrund des Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 1) zwischen ihm und der Beklagten zu 2) nicht mehr bestehe. Völlig zu Recht hat daher das Arbeitsgericht angenommen, dass erst mit dem Zugang seines Widerspruchs am 23.11.2007 für die Beklagte zu 1) die Frist des § 626 Abs. 2 BGB in Lauf gesetzt worden ist.

4. Es war nicht erforderlich, den Betriebsrat der Filiale L2 vor Ausspruch der Kündigung gemäß § 102 BetrVG anzuhören.

Eine Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nur dann unwirksam, wenn der für den Betrieb gebildete Betriebsrat nicht angehört worden ist. Der Kläger war nicht dem Betrieb in L2 zugeordnet, sondern dem Betrieb in F1. Daran hat sich durch den Betriebsübergang der Filiale F1 auf die Beklagte zu 2) und den Widerspruch des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses nichts geändert.

a) Es ist unstreitig, dass es sich bei den von der Beklagten unterhaltenen sechs Filialen jeweils um betriebsratsfähige Einheiten i.S.v. § 4 Abs. 1 BetrVG handelte. Nur für den selbständigen Betrieb in D3-L2 war ein Betriebsrat gewählt worden. Durch die Umwandlung der Filialbetriebe in rechtlich selbständige GmbH & Co. KG’s hat sich hin-sichtlich der betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeiten nichts geändert, weil die gesellschaftsrechtlichen Veränderungen das Unternehmen betreffen, die Organisationsstrukturen der bestehenden betrieblichen Einheiten aber unberührt lassen. Bei einer nicht angefochtenen Betriebsratswahl repräsentiert der Betriebsrat nur die Belegschaft, die ihn mitgewählt hat (BAG vom 03.06.2004 – 2 AZR 577/03, NZA 2005, 175). Selbst wenn der Betriebsrat in L2 unter Verstoß gegen die zwingenden Organisationsnormen der §§ 1, 3 und 4 BetrVG, d.h. unter Verkennung des Betriebsbegriffs gewählt worden sein sollte, beeinträchtigt dies seine Zuständigkeit nicht. Schon gar nicht ist der Betrieb in D3-L2 durch die unternehmensbezogenen Veränderungen für die Belegschaft des Betriebes F1 zuständig geworden.

b) Durch den Betriebsübergang der Filiale F1 auf die Beklagte zu 2) hat sich an den betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeiten nichts geändert. Der Kläger ist nicht deshalb Arbeitnehmer des Betriebes L2 geworden, weil er dem Betriebsübergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2) widersprochen hat. Die betriebliche Einheit „Filiale F1“ ist nach wie vor vorhanden. Durch seinen Widerspruch ist der Kläger auch nicht Arbeitnehmer eines nicht betriebsratsfähigen Betriebes geworden, für den der Betrieb des Hauptbetriebes gemäß § 4 Abs. 2 BetrVG zuständig geworden ist (vgl. BAG vom 17.01.2007 – 7 ABR 63/05, NZA 2007, 703). Durch den Betriebsübergang gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BetrVG tritt der Betriebserwerber in das bestehende Arbeitsverhältnis ein, ohne dass sich an der Betriebsangehörigkeit des Arbeitnehmers und den betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeiten gemäß § 102 BetrVG etwas ändert. Selbst wenn es sich bei dem Betrieb in F1 nicht um eine selbständige Betriebsstätte i.S.v. § 4 Abs. 1 BetrVG, sondern nur um einen unselbständigen Betriebsteil gehandelt haben sollte, ändert sich an der Zuordnung des Klägers zu der organisatorischen Einheit „Filiale F1“ nichts. Der Kläger hat jedenfalls nicht geltend gemacht und kann auch nicht geltend machen, dass es sich bei der Filiale F1 um einen unselbständigen Teilbetrieb des Betriebes L2 gehandelt habe (vgl. dazu BAG vom 21.06.1995 – 2 AZR 783/94, Juris).

II

Ein Anspruch auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG steht dem Kläger nicht zu. Die Filiale F1 ist nicht stillgelegt worden. Das Arbeitsverhältnis ist nicht aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung ausgelöst worden, sondern durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten zu 1) vom 26.11.2007.

Der Kläger hat auch keinen Abfindungsanspruch aus dem mit dem Betriebsrat der Filiale Lügendortmund vereinbarten Sozialplan. Von der Stilllegung der Filiale L2 ist der Kläger nicht betroffen, so dass er nicht unter den Geltungsbereich des Sozialplans fällt.

III

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren ist unter Berücksichtigung der geforderten Abfindung neu auf 42.079,99 EUR festgesetzt worden.

IV

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, da Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu klären waren.

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