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Betriebsübergang und „Zurückentleihung“ übernommener Arbeitskräfte

BUNDESARBEITSGERICHT

Az.: 8 AZR 481/07

Urteil vom 21.05.2008


Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 27. Februar 2007 - 6 Sa 870/05 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Passau - Kammern Deggendorf - vom 30. Juni 2005 - 2 Ca 790/04 D - zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerinnen auf der Grundlage ihrer mit dem Kommunalunternehmen Kreiskrankenhäuser Z geschlossenen Arbeitsverträge weiterzubeschäftigen.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen zu 1) und 2) je 2/20, die Klägerin zu 3) 1/20 und die Beklagte 15/20.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Auflösungsverträgen und den Übergang der Arbeitsverhältnisse der Klägerinnen auf die Beklagte im Wege eines Betriebsüberganges.

Die Klägerin zu 1) war seit 1. September 1978 beim Kreiskrankenhaus Z beschäftigt, seit 16. Dezember 1986 als Leiterin des Reinigungsdienstes. Die Klägerin zu 2) war seit 1. August 1971 als Reinigungskraft im selben Krankenhaus tätig. Die Klägerin zu 3) war dort seit 1. Januar 1981 als Stationshilfe im Reinigungsdienst beschäftigt. In ihren mit dem Landkreis R geschlossenen Arbeitsverträgen war vereinbart, dass sich ihre Arbeitsverhältnisse nach den jeweils geltenden Vorschriften des BAT bzw. den einschlägigen Manteltarifverträgen für Arbeiter und den zusätzlich für den Landkreis geltenden Tarifverträgen in ihren jeweiligen Fassungen richten sollten.

Zwischenzeitlich waren die Arbeitsverhältnisse der Klägerinnen auf das Kommunalunternehmen Kreiskrankenhäuser Z übergegangen.

Auf einer Personalversammlung am 21. Februar 2003 wurde den Mitarbeitern des Kommunalunternehmens die Absicht mitgeteilt, eine Service GmbH zu gründen, welche ua. die am Kreiskrankenhaus Z tätigen Reinigungskräfte übernehmen solle. Es folgten Verhandlungen, an denen Vertreter der Beklagten, der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, des Kommunalunternehmens, des Personalrats sowie der Landrat des Landkreises R teilnahmen. Das Kommunalunternehmen, der Landkreis und die Beklagte machten deutlich, dass sie mit den Beschäftigten im Servicebereich der Kreiskrankenhäuser Aufhebungsverträge schließen wollten. Gleichzeitig sollten diese mit der Beklagten neue Arbeitsverträge vereinbaren, die keine Bezugnahme auf die bisher geltenden Arbeitsvertragsbedingungen enthalten sollten. Die bisherige Vergütung sollte so lange weitergewährt werden bis die Vergütungen im Bereich des privaten Gebäudereinigerhandwerks die Höhe dieser bisherigen Vergütung erreicht haben werde (sog. Aufzehrungsmodell).

Am 3. Juni 2004 schlossen die Klägerinnen mit ihrem damaligen Arbeitgeber, dem Kommunalunternehmen, „Auflösungsverträge“, welche ua. folgende Regelungen enthalten:

㤠1

(1) Die Arbeitnehmerin … scheidet mit Ablauf des 30.06.2004 im gegenseitigen Einvernehmen aus dem Dienst der Kreiskrankenhäuser Z aus.

§ 2

Die nach der in § 1 genannten Vergütungsgruppe (bei den Klägerinnen zu 2) und 3) : Lohngruppe) zustehende Vergütung wird bis zum Ausscheiden gezahlt.

§ 5

Durch den Abschluss dieses Auflösungsvertrages können Ihnen bei der Zusatzversorgungskasse Einbußen entstehen. Für Auskünfte steht die Zusatzversorgungskasse zur Verfügung.“

Am selben Tage schlossen die Klägerinnen mit der Beklagten Arbeitsverträge. Diese lauten – soweit hier von Interesse -:

㤠1

Inhalt des Arbeitsverhältnisses

Die Mitarbeiterin wird in der B Service GmbH eingestellt und ist damit einverstanden, die Arbeitsleistung für das Kommunalunternehmen Kreiskrankenhäuser Z im Rahmen eines Gestellungsvertrages zu erbringen.

§ 2

Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses

Das Arbeitsverhältnis beginnt am 01.07.2004 und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

§ 3

Vergütung/Zahlungsweise

Die Mitarbeiterin erhält monatlich eine Vergütung nach Vorgabe der Arbeits- und Sozialordnung mit Vergütungsordnung im Rahmen des Aufzehrungsmodells.

§ 9

Besondere Abmachungen

Die Beschäftigungsjahre bei den Kreiskrankenhäusern Z werden auf die jeweiligen Kündigungsfristen und auf zu zahlende Abfindungen angerechnet.“

Die Beklagte war am 22. September 2003 gegründet worden. Nach § 2 des Gesellschaftsvertrages ist Gegenstand des Unternehmens die Erbringung von Serviceleistungen und die Stellung von Personal an die Kreiskrankenhäuser Z, Anstalt des öffentlichen Rechts, und/oder von diesen betriebene Krankenhäuser und Sozialeinrichtungen, an denen die Kreiskrankenhäuser Z, Anstalt des öffentlichen Rechts, Gesellschafter sind, sowie alle damit im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen, soweit diese nicht einer gesonderten öffentlich-rechtlichen Gestattung bedürfen. Nach § 5 Ziff. 1 des Gesellschaftsvertrages sollen Geschäftsführer leitende Angestellte des Kommunalunternehmens Kreiskrankenhäuser Z, Anstalt des öffentlichen Rechts, sein. Alleiniger Gesellschafter der Beklagten ist das Kommunalunternehmen Kreiskrankenhäuser Z. Zum Geschäftsführer der Beklagten wurde der Vorstand des Kommunalunternehmens bestellt.

Mit Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit vom 12. November 2003 wurde der Beklagten die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung erteilt. Am 2. Oktober 2004 schloss die Beklagte mit dem Kommunalunternehmen einen „Arbeitnehmergestellungsvertrag“ der ua. folgende Vereinbarungen enthält:

㤠1

Gegenstand des Vertrages

1. Um den ordnungsgemäßen Krankenhausbetrieb auch künftig zu gewährleisten, stellt die Service GmbH dem KU (sc. Kreiskrankenhäuser Z) die in der Anlage zu diesem Vertrag aufgeführten Mitarbeiter zur Dienstleistung für den Krankenhausbetrieb zur Verfügung. Die Arbeitnehmer sind mit dieser Regelung einverstanden.

§ 3

Personelle und fachliche Zuständigkeit

1. Arbeitgeber

Die Service GmbH bleibt Arbeitgeber der Mitarbeiter, die dem KU zur Dienstleistung zur Verfügung stehen. Der Geschäftsführer der Service GmbH ist der Dienstvorgesetzte der Mitarbeiter, soweit sich aus diesem Vertrag keine abweichenden Zuständigkeiten ergeben.

2. Personelle Zuständigkeit

Der Geschäftsführer der Service GmbH ist für die personellen Angelegenheiten der Mitarbeiter aus dem Arbeitsvertragsverhältnis zuständig und verantwortlich. Dies gilt insbesondere für das Arbeitsverhältnis als solches, die tariflichen Regelungen, Entgeltzahlungen, Entgeltgestaltung, Arbeitsunfähigkeit, Umfang des Urlaubs, Unfälle, Versicherungen, Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Disziplinarmaßnahmen und sonstige Angelegenheiten der Personalverwaltung.

3. Fachliche Zuständigkeit

Das KU ist berechtigt, dem Mitarbeiter alle Weisungen zu erteilen, die nach Art und Umfang in seinen Tätigkeitsbereich fallen, der in Anlage 1 aufgeführt ist.

Die Service GmbH tritt dem KU insoweit seine Ansprüche auf Arbeitsleistung gegen den Mitarbeiter mit dessen Einverständnis ab.“

Die Klägerinnen sind in der Anlage zum Arbeitnehmergestellungsvertrag als zu überlassende Arbeitnehmer im Reinigungsdienst genannt. Sie erbringen auch über den 30. Juni 2004 hinaus ihre Arbeitsleistung im Kreiskrankenhaus Z.

Die Beklagte hatte allen bisher im Reinigungsdienst des Kommunalunternehmens beschäftigten Arbeitnehmern den Abschluss von Arbeitsverträgen angeboten. Die für die Reinigungstätigkeit in den Kreiskrankenhäusern erforderlichen Gerätschaften und Reinigungsmittel stellen die Krankenhäuser zur Verfügung.

Mit Schriftsätzen vom 2. September 2004 hatten die Klägerinnen ihre Auflösungsverträge gemäß § 123 BGB wegen widerrechtlicher Drohung angefochten. Bei diesen Schriftsätzen handelt es sich um die beim Arbeitsgericht Passau eingereichten Klageschriften gegen die Beklagte.

Die Klägerinnen halten die mit dem Kommunalunternehmen geschlossenen Aufhebungsverträge wegen Umgehung des § 613a BGB für nichtig. Die zwischen dem Kommunalunternehmen und der Beklagten getroffenen Vereinbarungen hätten zu einem Betriebsübergang geführt. Das Verhalten ihres bisherigen Arbeitgebers sei von Anfang an darauf ausgerichtet gewesen, den unabdingbaren Anspruch aus § 613a BGB auf Kontinuität ihrer Arbeitsverhältnisse zu umgehen.

Die Klägerinnen haben in der Revisionsinstanz beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, die Klägerinnen auf der Grundlage der mit dem Kommunalunternehmen Krankenhäuser Z geschlossenen Arbeitsverträge weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat

Klageabweisung beantragt.

Sie bestreitet das Vorliegen eines Betriebsüberganges. Die Reinigung in den Krankenhäusern des Kommunalunternehmens durchzuführen, sei nicht Betriebszweck der Beklagten. Die Arbeitnehmerüberlassung an das Kommunalunternehmen, das die Reinigung als eigene Aufgabe und in eigener Verantwortung durchführe, sei alleiniger Betriebszweck. Grund für die im Streitfalle gewählte Konstruktion sei gewesen, den Reinigungsdienst entsprechend den geänderten gesetzlichen Regelungen im AÜG künftig auf Dauer mit Leiharbeitnehmern durchzuführen. Zu diesem Vorgehen sei das Kommunalunternehmen aus finanziellen Gründen gezwungen gewesen.

Das Arbeitsgericht hat den Klagen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klagen abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerinnen ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klagen zu Unrecht abgewiesen.

A.

Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet.

I.

Die Klägerinnen seien bei Unterzeichnung der Aufhebungsverträge nicht widerrechtlich bedroht worden. Das Kommunalunternehmen habe vor der Entscheidung gestanden, den Reinigungsdienst entweder an ein privates Reinigungsunternehmen fremd zu vergeben, mit der Folge des Wegfalles der Arbeitsplätze der Klägerinnen oder aber den eingeschlagenen Weg zu begehen. Die Offenlegung dieser Unternehmerentscheidung könne nicht als widerrechtliche Drohung iSd. § 123 Abs. 1 BGB gewertet werden. Sollte durch den Hinweis auf eine Fremdvergabe der Reinigungsarbeiten an ein privates Reinigungsunternehmen bei den Klägerinnen eine Zwangslage entstanden sein, könne diese nicht ihrem bisherigen oder neuen Arbeitgeber iSv. § 123 BGB angelastet werden, da diese die Klägerinnen im Zusammenhang mit dem Abschluss der Aufhebungsverträge und der Unterzeichnung der neuen Arbeitsverträge weder arglistig getäuscht noch widerrechtlich bedroht hätten.

II.

Der Abschluss des Arbeitnehmergestellungsvertrages zwischen der Beklagten und dem Kommunalunternehmen iVm. den neuen Arbeitsverträgen für das Reinigungspersonal ergäben keinen „Betriebsübernahmetatbestand im Sinne von § 613a Abs. 1 BGB“. Die mit den Klägerinnen geschlossenen Aufhebungsverträge seien nicht nach § 134 BGB nichtig, weil mit der streitigen Vertragsgestaltung die Arbeitsvertragsparteien § 613a BGB nicht umgangen hätten. Sie hätten „die Kontinuität des Arbeitsvertrages beendet“, was „auf Grund ihrer grundgesetzlich gewährleisteten Vertragsfreiheit“, die auch im Rahmen des § 613a BGB bestehe, möglich sei. Der Wechsel des Reinigungspersonals vom Kommunalunternehmen zur Beklagten sei auch nicht als Teilbetriebsübergang zu werten. Es liege eine bloße „Funktionsnachfolge“ vor. Die Beklagte habe nur die Reinigungskräfte eingestellt, die Betriebsmittel seien beim Kommunalunternehmen verblieben und würden auch von diesem beschafft. Die gleichbleibende Reinigungstätigkeit als solche im Kommunalunternehmen könne nicht als wirtschaftliche Einheit gewertet werden.

III.

Der Beklagten könne auch keine missbräuchliche Gestaltung der Arbeitnehmerüberlassung angelastet werden, weil sie von der gesetzlichen Möglichkeit des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes Gebrauch mache und die Bundesanstalt für Arbeit der Beklagten die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung erteilt habe.

B.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die Klagen auf Weiterbeschäftigung durch die Beklagte auf der Grundlage der zwischen den Klägerinnen und dem Kommunalunternehmen geschlossenen Arbeitsverträge sind entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts begründet. Die Arbeitsverhältnisse der Klägerinnen sind im Wege eines Betriebsteilüberganges nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen.

I.

Auf die Beklagte ist ein Betriebsteil iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangen. Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Überganges bestehenden Arbeitsverhältnissen ein, § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB.

1.

Diese Vorschrift setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebes oder Betriebsteiles auf einen anderen Inhaber voraus. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Überganges, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen, wie zB ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden oder den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Überganges maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) keinen Betriebsübergang dar (st. Rspr., vgl. Senat 16. Februar 2006 - 8 AZR 211/05 - AP BGB § 613a Nr. 301 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 47 mwN).

Gerade bei betriebsmittelarmen und dienstleistungsorientierten Branchen und Arbeitszwecken, bei denen es wesentlich auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch ihre gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit in diesem Sinne darstellen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hat (Senat 6. April 2006 - 8 AZR 249/04 - BAGE 117, 361 = AP BGB § 613a Nr. 303 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 52).

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Voraussetzung für einen Betriebsteilübergang ist, dass ein selbständig übergangsfähiger Betriebsteil vorliegt. Dies setzt voraus, dass innerhalb des betrieblichen Gesamtzweckes ein Teilzweck verfolgt wird. Die Wahrung eines Teilzweckes führt nur dann zu einer selbständigen übergangsfähigen Einheit, wenn eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen vorliegt. Diese Voraussetzungen eines übergangsfähigen Betriebsteiles muss derjenige darlegen und beweisen, der sich auf einen Betriebsteilübergang beruft (st. Rspr., vgl. Senat 27. September 2007 - 8 AZR 941/06 - AP BGB § 613a Nr. 332 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 86).

2.

Die bei dem Kommunalunternehmen in den Kreiskrankenhäusern zu erbringenden Reinigungsarbeiten stellen einen übergangsfähigen Betriebsteil dar.

a) Ein Betriebsteil ist dann gegeben, wenn eine Teilorganisation vorliegt, in der sächlich und organisatorisch abgrenzbare arbeitstechnische Teilzwecke erfüllt werden, bei denen es sich auch um bloße Hilfsfunktionen handeln kann. Reinigungsarbeiten in einem Krankenhaus stellen eine solche Teilorganisation dar. Es werden für diese Tätigkeiten nur bestimmte Arbeitnehmer eingesetzt. Ihnen ist ein konkret abgegrenztes Aufgabengebiet, nämlich die Reinigung des Krankenhauses, zugewiesen. Dafür bestehen für sie genaue Anweisungen bzgl. Art und Umfang der Reinigungstätigkeiten. Außerdem stellt ihnen das Krankenhaus die erforderlichen Reinigungsgeräte und -mittel zur Verfügung. Diese Reinigungstätigkeit ist auch eine Arbeitsaufgabe, welche auf eine dauerhafte Erfüllung angelegt ist. Deshalb ist der Teilbetriebsbegriff erfüllt (vgl. Senat 11. Dezember 1997 - 8 AZR 729/96 - BAGE 87, 303 = AP BGB § 613a Nr. 172 = EzA BGB § 613a Nr. 159). Damit konnte dieser organisatorisch abgrenzbare Teil des Betriebes des Kommunalunternehmens grundsätzlich auf die Beklagte iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergehen.

b) Da es sich bei Reinigungsarbeiten um einen Arbeitszweck handelt, bei dem es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt und sächliche Betriebsmittel, wie Reinigungsgeräte und Verbrauchsstoffe nur eine geringe, untergeordnete Bedeutung haben (Senat 11. Dezember 1997 - 8 AZR 729/96 - BAGE 87, 303 = AP BGB § 613a Nr. 172 = EzA BGB § 613a Nr. 159), liegt ein sog. betriebsmittelarmer Teilbetrieb vor.

3.

Dieser ist auf die Beklagte dadurch iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangen, dass sie die Arbeitnehmer, welche bislang die Reinigungsarbeiten in den Kreiskrankenhäusern erledigt hatten, übernommen hat. Diese sind auch - was sich durch ihre Weiterbeschäftigung in den Kreiskrankenhäusern dokumentiert - in der Lage, die Reinigungsarbeiten wie bisher auszuführen. Damit hat die Beklagte auch die Identität der bisher beim Kommunalunternehmen bestehenden wirtschaftlichen Einheit übernommen.

a) Diesem Betriebsteilübergang iSd. § 613a Abs. 1 BGB steht nicht entgegen, dass es sich bei der Beklagten um ein sog. Leiharbeitsunternehmen iSd. § 1 AÜG handelt.

Grundsätzlich liegt kein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang vor, wenn der Erwerber die übernommene wirtschaftliche Einheit nicht im Wesentlichen unverändert fortführt und damit nicht ihre wirtschaftliche Einheit wahrt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er wesentliche Änderungen des bisherigen Konzepts oder der bisher bestehenden Strukturen vornimmt (st. Rspr., vgl. Senat 4. Mai 2006 - 8 AZR 299/05 - BAGE 118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51).

Dies könnte vorliegend anzunehmen sein, wenn die Beklagte die von dem Kommunalunternehmen übernommenen Reinigungskräfte - wie bei Leiharbeitsunternehmen regelmäßig der Fall - nicht nur dem Kommunalunternehmen, sondern auch anderen Unternehmen (Entleihern) zur Arbeitsleistung überlassen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Bei der Beklagten handelt es sich um kein Unternehmen, das seine Arbeitnehmer sozusagen „am freien Markt verleiht“. Vielmehr ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrages vom 22. September 2003 Gegenstand des Unternehmens der Beklagten die Erbringung von Serviceleistungen und die Stellung von Personal an die Kreiskrankenhäuser Z und/oder an von diesen betriebene Krankenhäuser und Sozialeinrichtungen, an denen die Kreiskrankenhäuser Gesellschafter sind, sowie alle damit im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen, soweit diese nicht einer gesonderten öffentlich-rechtlichen Genehmigung bedürfen. Damit ist alleiniger Betriebszweck der Beklagten, Serviceleistungen für das Kommunalunternehmen oder dessen Tochterunternehmen zu erbringen oder diesen Personal zu stellen. Die übernommenen Arbeitnehmer sind deshalb auch nicht in eine wesentlich größere Organisationsstruktur eines Unternehmens des Arbeitnehmerüberlassungsgewerbes integriert worden, was einen Betriebsteilübergang ausschließen könnte (vgl. Senat 14. August 2007 - 8 AZR 1043/06 - AP BGB § 613a Nr. 325 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 74). Vielmehr erbringt die Beklagte im Ergebnis die gleiche Leistung, welche bislang das Kommunalunternehmen selbst erbracht hat (sc. Reinigung der Kreiskrankenhäuser), dadurch, dass sie diesem die übernommenen Reinigungskräfte wieder zur Verfügung stellt.

Sie erfüllt damit mit dem vom Kommunalunternehmen übernommenen Reinigungspersonal, welches - wie oben dargelegt - eine übergangsfähige Teilorganisation bildet, die bisher von dieser Teilorganisation erledigten Teilzwecke im Rahmen der Betriebsorganisation des Kommunalunternehmens, indem sie diesem die Arbeitnehmer im Wege der Arbeitnehmerüberlassung zur Verfügung stellt. Dass die Arbeitsgeräte und Reinigungsmittel, welche die Reinigungskräfte benützen, im Eigentum des Kommunalunternehmens stehen, hindert die Annahme eines Betriebsteilüberganges nicht. Zum einen kommt diesen im Vergleich mit der von den Reinigungskräften erbrachten Arbeitsleistung für die Erfüllung des Arbeitszweckes nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Zum anderen muss auch hier - wie bei der Auftragsübernahme - gelten, dass allein der Umstand, dass die verwendeten sächlichen Betriebsmittel vom Auftraggeber gestellt werden, einen Betriebsübergang nicht ausschließen (vgl. Senat 14. August 2007 - 8 AZR 1043/06 - AP BGB § 613a Nr. 325 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 74). Dass dem Reinigungspersonal vor Ort bei der Durchführung der Reinigungstätigkeiten von den Beschäftigten des Kreiskrankenhauses Weisungen erteilt werden dürfen (§ 3 Ziffer 3 des Arbeitnehmergestellungsvertrages vom 2. Oktober 2004), hindert die Annahme eines Betriebsteilüberganges nicht. Die Beklagte behält, was auch § 3 Ziffer 1 und 2 des Arbeitnehmergestellungsvertrages ausdrücklich festschreiben, ihre Arbeitgeberfunktion und bleibt für „die personellen Angelegenheiten der Mitarbeiter aus dem Arbeitsvertragsverhältnis zuständig und verantwortlich“.

b) Die vorliegende Fallkonstellation ist so zu behandeln, wie wenn ein Reinigungsunternehmen alle Reinigungskräfte des Kommunalunternehmens übernommen hätte und als einzige Betriebstätigkeit mit diesen Reinigungskräften auf Grund eines mit dem Kommunalunternehmen geschlossenen Reinigungsvertrages die Reinigungsarbeiten für dieses in derselben Weise wie bisher erledigen würde. Allein die Tatsache, dass die Beklagte nicht als Reinigungsunternehmen, sondern als ein Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung gegründet worden ist, das seine Arbeitskräfte ausschließlich dem Kommunalunternehmen zur Verfügung stellt, hindert die Annahme eines Teilbetriebsüberganges nicht. Die tatsächliche und vertragliche Ausgestaltung der Beziehungen zwischen der Beklagten und dem Kommunalunternehmen erfüllt die Voraussetzungen eines Teilbetriebsüberganges.

c) Der Streitfall ist mit dem vom Zweiten Senat (26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - BAGE 103, 31 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124) entschiedenen Rechtsstreit nicht vergleichbar. Dort hatte die in der Rechtsform einer GmbH betriebene Beklagte, eine Rheumaklinik, eine Service-GmbH gegründet, an der sie mehrheitlich beteiligt war. Gesellschaftszweck der Service-GmbH war die Erbringung von Dienstleistungen für die Beklagte. Zweck dieser Konstruktion war ua., dass die Beklagte auf Leistungen der Service-GmbH keine Umsatzsteuer zu zahlen hatte und sich die Personalkosten dadurch verringerten, dass die Beschäftigten der Service-GmbH nach dem Tarifvertrag des Gebäudereinigerhandwerks und nicht nach den für die Beklagte geltenden Tarifverträgen vergütet wurden. Die Beklagte schloss ihre Klinikbereiche Reinigung, Küche und den Service-Bereich sowie die Diätabteilung und die Ernährungsberatung und schloss mit der Service-GmbH Serviceverträge für die Bereiche „Reinigung der Klinik“ und „Dienstleistung Küchenbereich einschließlich Diätabteilung und Ernährungsabteilung“. Die Service-GmbH übernahm keine Arbeitnehmer der beklagten Rheumaklinik.

Der Klägerin, die als Küchenhilfe bei der Beklagten beschäftigt war, wurde wegen der Stilllegung der Reinigungs-, Küchen- und Servicebereiche gekündigt.

Der Zweite Senat hat die Kündigung als sozialwidrig und damit rechtsunwirksam nach § 1 Abs. 1, 2 KSchG angesehen. Er hat ua. ausgeführt:

„Es ist rechtsmissbräuchlich, wenn die Beklagte ihr Ziel, durch Übertragung der beiden Teilbereiche auf eine finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch unselbständige Organgesellschaft Steuern zu sparen sowie einen Betriebsübergang nach § 613a BGB zu vermeiden , dadurch verwirklicht, dass sie sich Einflussmöglichkeiten im vorliegenden Ausmaß vorbehält und trotz fortbestehenden Beschäftigungsbedarfs von allen Arbeitnehmern trennt, die bisher die entsprechenden Arbeiten verrichtet haben, um neue Arbeitnehmer zu schlechteren Bedingungen einzustellen.“

Im Gegensatz zum vom Zweiten Senat entschiedenen Rechtsstreit liegt im Streitfalle keine Umgehung eines Betriebsüberganges gemäß § 613a BGB vor. In jenem Falle hatte in Abweichung von der vorliegenden Fallgestaltung die Service-GmbH die bisher mit der Erbringung der übertragenen Serviceleistungen beauftragten Mitarbeiter nicht übernommen. Gerade diese Übernahme der Beschäftigten führt aber im vorliegenden Falle zur Annahme eines Betriebsteilüberganges.

II.

Der Übergang der Arbeitsverhältnisse der Klägerinnen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte ist nicht auf Grund der zwischen den Klägerinnen und dem Kommunalunternehmen zum 30. Juni 2004 geschlossenen Auflösungsverträge ausgeschlossen.

Diese Verträge sind wegen Umgehung des § 613a BGB nichtig, § 134 BGB. Nach der Rechtsprechung des Senats sind Vertragsgestaltungen, deren objektive Zielsetzung in der Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes besteht, nichtig (Senat 18. August 2005 - 8 AZR 523/04 - BAGE 115, 340 = AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 31 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 40). § 613a BGB wird insbesondere dann umgangen, wenn im Falle eines Betriebsüberganges zugleich mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem bisherigen Arbeitgeber ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsübernehmer vereinbart wird, da § 613a BGB einen Schutz vor einer Veränderung des Arbeitsvertragsinhaltes ohne sachlichen Grund gewährt (Senat 23. November 2006 - 8 AZR 349/06 - AP BGB § 613a Wiedereinstellung Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 61). Letzteres ist im Streitfalle gegeben. Die Klägerinnen haben nämlich am 3. Juni 2004 mit dem Kommunalunternehmen die Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse zum 30. Juni 2004 im gegenseitigen Einvernehmen vereinbart und am selben Tage mit der Beklagten neue Arbeitsverträge mit Wirkung ab dem 1. Juli 2004 geschlossen.

Wegen der Nichtigkeit der geschlossenen Auflösungsverträge nach § 134 BGB kommt es nicht darauf an, ob die Klägerinnen ihre auf Abschluss dieser Verträge gerichteten Willenserklärungen wirksam nach § 123 BGB wegen widerrechtlicher Drohung angefochten haben.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 100, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

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