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Betriebsteilverlagerung und betriebsbedingte Änderungskündigung

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Az.: 2 AZR 246/00

Verkündet am 27.09.2001

 

I. Arbeitsgericht Augsburg – Az.: 4 Ca 5876/96 – Teilurteil vom 19.05.1998

II. Landesarbeitsgericht München – Az.: 6 Sa 155/99 – Urteil vom 06.07.1999


Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2001 für Recht erkannt:

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 6. Juli 1999 – 6 Sa 155/99 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung.

Der am 9. März 1946 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 1. September 1962 bei der Beklagten beschäftigt. Er war zuletzt am Standort M. (Bayern) als sales-manager (Vertriebsleiter) im Vertrieb tätig. Die Beklagte stellt Graphitelektroden und Kathoden in ihrem Werk G. (Hessen) her. In der Vergangenheit erfolgte der Vertrieb der Produkte einheitlich vom Standort M. aus.

Am 31. Mai 1996 beschloß der Vorstand der Beklagten, zukünftig alle Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Kathodengeschäft am Standort G. zu konzentrieren und die Kathoden von dort aus zu vertreiben. Mit Schreiben vom 13. Dezember 1996 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers wegen Verlagerung seines Arbeitsplatzes nach G. zum 31. Juli 1997 und bot ihm dort seine Weiterbeschäftigung ab dem 1. August 1997 an. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an.

Mit seiner Klage hat der Kläger – soweit für die Revision von Interesse – die Feststellung der Unwirksamkeit dieser Änderungskündigung begehrt. Er hat die Ansicht vertreten, die erstrebte Änderung seiner Arbeitsbedingungen sei sozial ungerechtfertigt. Es bestehe keine Notwendigkeit zu einer Verlagerung seines Arbeitsplatzes. Er könne seine Tätigkeiten im Vertrieb auf Grund der modernen Kommunikationsmittel weiterhin vom Standort M. aus erbringen. Die Verlagerungsentscheidung der Beklagten habe keine sachliche Basis und sei willkürlich. Vor dem Hintergrund der bisherigen Organisation sei vor allem die Behauptung unsinnig, für den Vertrieb der Kathoden sei der enge Kontakt zur Produktion unabdingbar. Die Beklagte habe nicht dargelegt, ob und ggf. welche Vorteile sich aus dieser Verlegung ergeben würden. Das bisherige Vertriebskonzept habe sich als praktikabel erwiesen. Die Beklagte vertreibe auch jetzt nicht alle Kathoden vom Standort G. aus. Der Vertrieb für Osteuropa und die Türkei erfolge zwischenzeitlich von Polen und der für Nordamerika von Pittsburgh aus. Die Elektroden würden weiterhin vom Standort M. aus vertrieben. Außerdem sei die Sozialauswahl fehlerhaft. Sämtliche sales-manager seien mit ihm vergleichbar, zumal bis 1996 die Vertriebsbereiche nicht aufgeteilt gewesen seien. Die vergleichbaren Mitarbeiter H., Ha., S., He., K., T., E. und U. seien wesentlich jünger und kürzer im Betrieb beschäftigt.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, daß die Änderungskündigung der Beklagten vom 13. Dezember 1996 rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Juli 1997 hinaus unverändert fortbesteht.

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag vor allem damit begründet, das Kathodengeschäft solle in G. konzentriert werden. Für den Vertrieb der Kathoden sei ein enger Kontakt zur Produktion wichtig. Eine Verlagerung nach G. sei erforderlich gewesen, um Synergieeffekte zu nutzen. Von der Verlagerung sei der Arbeitsplatz des Klägers, der im Geschäftsbereich Kathoden tätig gewesen sei, unmittelbar betroffen worden. Die Sozialauswahl sei zutreffend. Der Kläger sei nur mit dem Mitarbeiter D., der seine Versetzung nach G. unstreitig akzeptiert habe, vergleichbar. Diese beiden Mitarbeiter bildeten das sogenannte „Kathodenteam“ und verfügten als sales-manager über die notwendigen Spezialkenntnisse für diesen Vertriebsbereich. Der Kläger habe im übrigen auch den Verkauf von Elektroden als unzumutbar abgelehnt.

Das Arbeitsgericht hat den Feststellungsantrag des Klägers mit Teil- (End-) urteil abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Unwirksamkeit der Änderungskündigung und das unveränderte Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses des Klägers festgestellt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision, mit der sie die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung begehrt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht (§ 565 ZPO). Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zur sozialen Auswahl gemäß § 2 Abs. 1 iVm. § 1 Abs. 3 KSchG nicht möglich. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann jedenfalls die Sozialwidrigkeit der Änderungskündigung nicht begründet werden.

l. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen angenommen, die betriebsbedingte Änderungskündigung sei nicht „dringend“ iSv. § 1 Abs. 2 S 1 KSchG, da sie den Kläger unverhältnismäßig belaste. Die Beklagte habe bei ihrer organisatorischen Entscheidung, den Arbeitsplatz des Klägers von M. nach G. zu verlagern, die sozialen und wirtschaftlichen Interessen des seit 35 Jahren am bisherigen Standort beschäftigten Klägers unverhältnismäßig hintangestellt.

Diese Rechtsauffassung steht in Widerspruch zu § 2 Satz 1 iVm. § 1 Abs. 2 KSchG und der Rechtsprechung des erkennenden Senats.

1. Die Änderung des Arbeitsortes des Klägers war durch dringende betriebliche Erfordernisse, die seiner unveränderten Weiterbeschäftigung in M. entgegenstehen, bedingt.

a) Nimmt der Arbeitnehmer, wie im vorliegenden Fall, das Änderungsangebot des Arbeitgebers rechtzeitig unter Vorbehalt an, so hängt die Wirksamkeit einer Änderungskündigung von der sozialen Rechtfertigung der Vertragsänderung ab. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Frage der sozialen Rechtfertigung ist im Revisionsverfahren hierbei nur beschränkt nachprüfbar. Bei der Frage der sozialen Rechtfertigung iSv. §§ 2 Satz 1, 1 Abs. 2 KSchG handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Landesarbeitsgericht mit dem angefochtenen Urteil die Rechtsbegriffe selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhaltes unter die Rechtsnorm der §§ 2, 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsgesetze verletzt hat, ob es sich bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat, und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. zuletzt beispielsweise BAG 17, Juni 1999 -2AZR 141/99- BAG E 92, 71; 17. Juni 1999 – 2 AZR 522/98- BA-GE92, 61). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die angefochtene Entscheidung nicht Stand.

b) Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und ob der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlaß zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muß (BAG 18. April 1984 -2 AZR 543/82 – BAGE 47, 80, 88; 12. November 1998 -2 AZR 91/98 – BAGE 90, 182; 11. Juli 1999 – 2 AZR 826/98 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 53 = EzA KSchG § 2 Nr. 35).

Eine Änderungskündigung ist ua. durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb überhaupt oder unter Zugrundelegung des Vertragsinhalts zu den bisherigen Arbeitsbedingungen entfällt (BAG 18. September 1997 -2 AZR 657/96- EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 97).

c) Unter Beachtung dieser Grundsätze ist ein betriebliches Erfordernis für die Änderungskündigung gegeben.

aa) Der Entschluß der Beklagten, gemäß ihrem Vorstandsbeschluß vom 31. Mai 1996 das Kathodengeschäft am Standort G. zu konzentrieren und den Vertrieb dorthin zu verlagern, stellt eine unternehmerische Organisationsentscheidung dar (so für eine Verlagerungsentscheidung ins Ausland auch schon BAG 18. September 1997 aaO), die zum Wegfall von Arbeitsplätzen im Vertrieb der Kathoden in M. führt. Sie wirkt sich unmittelbar auf den Beschäftigungsbetrieb M. und die Beschäftigung des Klägers aus. Durch die Verlagerung des Vertriebs der Kathoden nach G. entstand am bisherigen Standort eine entsprechende Überkapazität im Vertrieb.

bb) Zum wesentlichen Inhalt der freien unternehmerischen Entscheidung gehört die Gestaltungsfreiheit bezüglich der betrieblichen Organisation. Sie umfaßt auch die Festlegung, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Ziele verfolgt werden. Dem widerspräche eine Verpflichtung der Beklagten, den Vertrieb der Kathoden von M. aus weiter durchzuführen. Eine solche Verpflichtung würde unmittelbar ihre grundrechtlich geschützte unternehmerische Freiheit (Art. 2 Abs. 1, Art. 12, 14 GG) berühren. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, dem Arbeitgeber eine „bessere“ Betriebs- oder Unternehmensstruktur vorzuschreiben (BAG 6. Mai 1996 -2AZR 438/95- BA-GE83, 127; 19. Juni 1999 -2AZR 522/98- B AG E 92, 61). Nach der gegenwärtigen Wirtschafts- und Sozialordnung trägt der Arbeitgeber das wirtschaftliche Risiko für die zweckmäßige Einrichtung und Gestaltung des Betriebes. Organisatorische Unternehmerentscheidungen, die sich konkret nachteilig auf die Einsatzmöglichkeiten des gekündigten Arbeitnehmers auswirken, unterliegen deshalb keiner Zweckmäßigkeitsprüfung, sondern nur einer gerichtlichen Mißbrauchskontrolle dahin, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind (vgl. beispielsweise BAG 17. Juni 1999 -2AZR 141/99- aaO; 17. Juni 1999 -2AZR 522/98- aaO; 17. Juni 1999 -2 AZR 456/98 – BAGE92, 79). Da für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung die Vermutung spricht, daß sie aus sachlichen Gründen erfolgt, Rechtsmißbrauch also die Ausnahme ist, hat im Kündigungsschutzprozeß grundsätzlich der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und im Streitfall zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, daß die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 17. Juni 1999-2 AZR 522/98 – aaO).

cc) Der Kläger hat nicht konkret dargelegt, daß die Standortentscheidung der Beklagten in diesem Sinne offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Aus seinen Hinweisen, daß die Konzentration des Kathodengeschäfts am Standort G. vor dem Hintergrund der bisherigen Organisation des Betriebs keine sachliche Basis habe, willkürlich sei und keine Vorteile erkennen lasse, folgt nicht, daß sie deshalb mißbräuchlich ist. Zutreffend hat die Revisionsbegründung ausgeführt, daß verschiedene Vertriebs- und Organisationskonzepte in der Wirtschaft praktiziert werden, die Vor- und Nachteile hätten, ohne daß sich feststellen ließe, daß ein bestimmtes Konzept – wie beispielsweise den Vertrieb am Standort der Produktion zu organisieren – völlig unsinnig oder willkürlich wäre. Aus der Tatsache, daß die Beklagte bisher ein anderes -gleichfalls praktikables – Vertriebsmodell praktiziert hatte, kann nicht geschlossen werden, daß sie sich zukünftig an diesem festhalten lassen muß und nicht andere Vertriebsstrukturen einführen und ausprobieren kann. Es entspricht der grundsätzlichen unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, den Betrieb so zu organisieren, wie es der Unternehmer für sinnvoll erachtet. Eine Effizienzkontrolle dahingehend, daß die Umorganisation der betrieblichen Abläufe nur zulässig ist, wenn sie zu einer Effizienzsteigerung führe, ist entgegen der Auffassung des Klägers vor dem Hintergrund der grundrechtlich geschützten unternehmerischen Freiheit nicht zulässig. Dem Arbeitgeber muß es überlassen bleiben, wie er sein Unternehmensziel am Markt verfolgt (BAG 9. Mai 1996 aaO), Deshalb würde selbst ein gewisser Effizienzabfall auf Grund der geänderten Vertriebsorganisation noch nicht dazu führen, die unternehmerische Organisationsentscheidung als offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich und im Ergebnis als rechtlich unzulässig zu qualifizieren. Etwas anderes ergibt sich schließlich weder aus der Tatsache, daß die Elektroden weiterhin von M. aus vertrieben werden, noch aus dem Umstand, daß für die Regionen Osteuropa und Nordamerika der Vertrieb für Kathoden aus diesen Regionen heraus erfolgt.

2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und des Klägers sind die betrieblichen Erfordernisse, die die Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers rechtfertigen, auch „dringend“.

a) Ob die zur Kündigung vom Arbeitgeber angeführten betrieblichen Erfordernisse dringend sind, beurteilt sich anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (BAG 18. Januar 1990 -2AZR 183/89 – BAGE 64, 24; 29. März 1990 -2AZR 369/89 – BA-GE65.61).

b) Die Änderungskündigung ist an sich geeignet, die unternehmerische Organisationsentscheidung zu realisieren. Sie ist zur Umsetzung der neuen Vertriebsstruktur erforderlich. Der Vertrieb von Kathoden sollte zentral von G. und nicht mehr von anderen Standorten aus erfolgen. Der Beklagten war es deshalb nicht möglich, durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Änderungskündigung zu erreichen, daß die bisher mit dem Vertrieb von Kathoden beschäftigten Mitarbeiter aus M. zukünftig am Standort G. tätig werden. Dabei gilt es zu berücksichtigen, daß nur solche Mittel in die Erforderlichkeitsprüfung einbezogen werden können, die gleich wirksam sind, um das unternehmerische Ziel zu erreichen (Wank RdA 1987, 129, 136). Zum Vergleich können hiergegen nicht solche milderen Mittel herangezogen werden, die zur beabsichtigten Zweckerreichung weniger oder sogar ungeeignet sind. Die vom Arbeitgeber beabsichtigte unternehmerische Organisationsentscheidung würde sonst eine andere Gestalt annehmen. Sie muß vielmehr als Fixpunkt hingenommen werden, dh., in Betracht kommen nur solche anderen Mittel, die für den Arbeitnehmer zwar weniger belastend sind, aber die als Vorgabe hinzunehmende unternehmerische Entscheidungen nicht verändern (Wank RdA 1987, 129, 136; Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG 12. Aufl. § 1 Rn. 381).

Der Kläger kann deshalb der Beklagten nicht mit Erfolg entgegenhalten, sie hätte den Vertrieb der Kathoden von G. aus organisieren können und ihn durch andere organisatorische Maßnahmen, beispielsweise durch Einrichtung oder Nutzung eines umfassenden Kommunikationssystems, der Durchführung von Meetings in G., oder einer Neuaufteilung der Vertriebserzeugnisse, noch in M. belassen und weiter dort beschäftigen können. Zum einen würde mit einer solchen Argumentation die von der Beklagten getroffene Organisationsentscheidung in unzulässiger Weise auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüft werden. Zum anderen würde – abgesehen von möglichen höheren Kosten für die Beklagte (bzw. Reisekosten, Reisezeit, Telefonkosten) – ein Verbleiben des Klägers am bisherigen Standort die Einführung der neuen Vertriebsstruktur verhindern bzw. verändern und der mit der Neuorganisation erstrebte Zweck – die Anbindung des Vertriebs an die Produktion – konterkariert werden. Deshalb scheiden alle vom Kläger angesprochenen Alternativen zum Verbleib an seinem bisherigen Arbeitsplatz am Standort M. aus. Gegen diese Annahme spricht auch nicht, daß für bestimmte Regionen der Vertrieb der Kathoden in diesen Regionen (Osteuropa und Nordamerika) erfolgt. Dies ist den Besonderheiten der entsprechenden Märkte außerhalb der Bundesrepublik Deutschland geschuldet.

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Schließlich ist die unternehmerische Entscheidung der Beklagten nicht auf ihre Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu prüfen. Die unternehmerische Entscheidung ist als gegeben hinzunehmen. Sie kann nicht auf ihre Zweckmäßigkeit oder Notwendigkeit hin kontrolliert werden. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann deshalb nicht geprüft werden, ob der Nutzen der neuen Struktur in einem – noch angemessenen – vertretbaren Verhältnis zu den Nachteilen für den betroffenen Arbeitnehmer steht (vgl. insbesondere BAG 30. April 1987 – 2 AZR 184/86- BAG E 55, 262; 26. Januar 1995 – 2 AZR 371/94 – BAGE 79, 159; 17. Juni 1999 – 2 AZR 522/98 – aaO).

II. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Von seinem Standpunkt aus konsequent hat das Landesarbeitsgericht zur Frage der sozialen Auswahl keine weiteren Feststellungen getroffen. Die bisherigen Darlegungen der Parteien reichen jedoch nicht aus, um abschließend über die Ordnungsgemäßheit der sozialen Auswahl entscheiden zu können. Die Sache ist deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 565 ZPO).

1. Dabei wird das Landesarbeitsgericht zunächst zu prüfen haben, ob der Kläger mit den acht namentlich genannten Mitarbeitern vergleichbar ist. Dies gilt um so mehr, als nach dem Vorbringen des Klägers die Vertriebsbereiche – Kathodenvertrieb und Elektrodenvertrieb- bis 1996 von den sales-managern gemeinsam betreut worden sind.

Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die austauschbar sind. Der von der Kündigung bedrohte Arbeitnehmer muß die Funktion des anderen Arbeitnehmers ausüben können. Die Vergleichbarkeit richtet sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, somit nach der ausgeübten Tätigkeit. Sie ist nicht nur bei völliger Identität der Arbeitsplätze gegeben, sondern auch dann, wenn der Beschäftigte auf Grund seiner bisherigen Aufgaben im Betrieb und angesichts seiner beruflichen Qualifikation in der Lage ist, die andersartige, aber gleichwertige Arbeit eines Kollegen zu verrichten. Der Vergleich der Arbeitnehmer vollzieht sich ausschließlich auf derselben Ebene der Betriebshierarchie (horizontale Vergleichbarkeit) und setzt voraus, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann; eine Vergleichbarkeit scheidet somit in allen Fällen aus, in denen eine anderweitige Beschäftigung nur auf Grund einer Änderung der Arbeitsbedingungen durch Vertrag oder Änderungskündigung in Betracht kommt (zB BAG 17. September 1998 -2AZR 725/97-AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 36; 17. Februar 2000 -2AZR 142/99 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 46 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 43). Insofern wird zunächst vom Arbeitsvertrag des Klägers und den Arbeitsverträgen der anderen Mitarbeiter auszugehen und aufzuklären sein, für welche Produkte die Mitarbeiter nach ihren Arbeitsverträgen Vertriebsleistungen zu erbringen hatten. Ferner wird aufzuklären sein, welche konkreten Produkte der Kläger vor der Änderungskündigung vertrieben hat, ob und ggf. wann eine Spezialisierung auf den Vertrieb von Kathoden erfolgte. Weiter wird das Landesarbeitsgericht aufzuklären haben, ob und in welchem Umfange für den Vertrieb von Kathoden – im Vergleich zum Vertrieb von Elektroden – Spezialkenntnisse erforderlich sind und ob und in welchem zeitlichen Umfang diese auf welche Art und Weise erworben werden können.

2. Sollte sich hiernach eine Vergleichbarkeit mit einem der vom Kläger benannten acht Mitarbeitern ergeben, so wird das Landesarbeitsgericht weiter zu prüfen haben, ob der Kläger seinen Einsatz im Vertrieb von Elektroden endgültig und vorbehaltlos bzw. als unzumutbar abgelehnt hat. Da jede Rechtsausübung unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben steht (§ 242 BGB), kann sich ein Arbeitnehmer nicht auf eine fehlerhafte Sozialauswahl bei einer Änderungskündigung berufen, wenn er in Kenntnis der Kündigungsabsicht seinerseits ein eindeutiges Angebot des Arbeitgebers definitiv abgelehnt hat, ihn auf einen Arbeitsplatz umzusetzen, hinsichtlich dessen Inhaber er nunmehr die Sozialauswahl rügt (vgl. auch BAG 7. Dezember 2000 -2AZR 391/99 -AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 113 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 108).

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