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Beweiskraft einer Privaturkunde

OLG Hamm – Az.: 12 U 7/22 – Urteil vom 30.11.2022

Die Berufung der Beklagten gegen das am 08.12.2021 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Siegen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Zusammenfassung

Die Berufung der Beklagten gegen das am 08.12.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Siegen wird zurückgewiesen. Der Kläger ist Forstwirt und begehrt von der Beklagten, einer Waldgenossenschaft, die Zahlung der vertraglichen Vergütung für Forstarbeiten. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger für das Aufarbeiten des angefallenen Industrieholzes eine Vergütung erhalten sollte. Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Hauptforderung nebst Zinsen stattgegeben. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Der Senat hat die vom Kläger zur Akte gereichte Vereinbarung in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen und die Parteien darauf hingewiesen, dass er sich in der Lage sehe, die Frage möglicher Veränderungen in eigener Sachkenntnis zu beantworten. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

  • Der Kläger ist Forstwirt und fordert die vertragliche Vergütung für Forstarbeiten von der Beklagten, einer Waldgenossenschaft.
  • Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger für das Aufarbeiten des angefallenen Industrieholzes eine Vergütung erhalten sollte.
  • Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Hauptforderung nebst Zinsen stattgegeben.
  • Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung.
  • Der Senat hat die vom Kläger zur Akte gereichte Vereinbarung in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen und die Parteien darauf hingewiesen, dass er sich in der Lage sehe, die Frage möglicher Veränderungen in eigener Sachkenntnis zu beantworten.
  • Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
  • Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 29.016,94 € aus § 631 Abs. 1, § 632 Abs. 1 und 2 BGB.

Privaturkunde

Eine Privaturkunde ist eine schriftliche Erklärung zu einem bestimmten Tatbestand, die von einer Privatperson oder einem privaten Unternehmen ausgestellt wurde und keine öffentliche Urkunde ist. Eine Privaturkunde kann von ihrem Aussteller beglaubigt sein, was bedeutet, dass die Unterschrift von einem Notar oder Standesbeamten bestätigt wurde. Im deutschen Zivilprozessrecht besitzt eine Privaturkunde allein vollen Beweis dafür, dass die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben wurden, jedoch erstreckt sich die Beweisregel nicht auf die inhaltliche Richtigkeit des Erklärten. Privaturkunden werden im Zivilprozess als Gegenstück zu öffentlichen Urkunden behandelt und erbringen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind. Die Beweiskraft von Privaturkunden ist in § 416 Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt.

Gründe:

A.

Der Kläger ist Forstwirt. Er begehrt von der Beklagten, einer Waldgenossenschaft, die Zahlung der vertraglichen Vergütung für Forstarbeiten.

Im Auftrag der Beklagten sollte der Kläger das mit dem Borkenkäferschädling befallene Holz auf den Flächen der Beklagten schlagen, entasten, in bestimmte Abschnitte zersägen und für den Abtransport bereitstellen. Vertragsgrundlage war zunächst ein Volumen von 5.000 Festmetern. Das geerntete Nutzholz sollte der Kläger unstreitig zu einem Preis von 5,00 € je Festmeter von der Beklagten ankaufen. Die Parteien streiten darum, ob der Kläger für das Aufarbeiten des angefallenen Industrieholzes eine Vergütung erhalten sollte. Mit der Klage hat der Kläger die Zahlung von 29.016,94 € nebst Zinsen ab dem 01.01.2021 sowie die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.141,90 € nebst Zinsen ab dem 01.01.2021 begehrt.

Das Landgericht hat den Kläger und den Vorsteher der Beklagten persönlich angehört. Zudem hat es Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A und B sowie durch Inaugenscheinnahme der durch die Parteien im Termin vorgelegten Urkunden. Sodann hat das Landgericht der Klage – unter Abweisung im Übrigen – hinsichtlich der Hauptforderung nebst Zinsen stattgegeben.

Wegen des erstinstanzlichen Vortrags und der erstinstanzlichen Anträge der Parteien sowie der Begründung für die Stattgabe wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung.

Beweiskraft einer Privaturkunde
(Symbolfoto: Jirapong Manustrong/Shutterstock.com)

Das Landgericht habe schon einen fehlerhaften Vertragsinhalt angenommen. Die Annahme, die Beklagte sei von ca. 400 Festmetern Industrieholz ausgegangen, sei ersichtlich verfehlt. Bei einer aufzuarbeitenden Gesamtmenge von 5.000 Festmetern und der in der Urkunde genannten Menge von 4.000 Festmetern Stammholz ergebe sich durch bloße Subtraktion eine verbleibende Menge von ca. 1.000 Festmetern Industrieholz.

Darüber hinaus sei die klägerische Darlegung des Vergütungsanspruchs durch die vorgelegte Vereinbarung vom 13.01.2020 bereits nicht hinreichend, weil die Urkunde die Einigung nach dem eigenen Vortrag des Klägers nur stichwortweise wiedergebe. Abgesehen davon habe die Beklagte den behaupteten Vertragsinhalt substantiiert bestritten. Deshalb habe der Kläger den von ihm behaupteten Vertragsinhalt beweisen müssen. Diesen Beweis habe er nicht erbracht, die Anhörung des Klägers reiche hierfür nicht aus. Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass zugunsten des Klägers eine Vermutung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der von ihm präsentierten Urkunde streite. Eine entsprechende Vermutung greife schon deshalb nicht, weil die Parteien den Vertragsinhalt in der Urkunde nicht vollständig niedergelegt hätten. Im Übrigen habe der Kläger eine gefälschte Version der Urkunde vorgelegt, der Zusatz „kostenneutral Brennholz“ sei nachträglich entfernt worden. Bei dem Zusatz handele es sich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht um einen Bleistiftvermerk; der Zusatz sei mit Kugelschreiber angebracht worden.

Die Beklagte habe jedenfalls den Beweis dafür erbracht, dass eine kostenneutrale Aufarbeitung des Brennholzes vereinbart worden sei. Die Aussagen der Zeugen A und B seien glaubhaft. Die Zeugen hätten nachvollziehbar, stimmig und übereinstimmend bekundet, dass der Kläger das Industrieholz kostenfrei zu bearbeiten gehabt habe. Wenn es eine Verunsicherung der Zeugen gegeben haben sollte, was die Beklagte bestreitet, dann wäre diese allein auf die Art und Intensität der Befragung zurückzuführen gewesen.

Schließlich bestreitet die Beklagte die Üblichkeit der geforderten Vergütung.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage vollständig abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er trägt vor, die Üblichkeit der Vergütung ergebe sich daraus, dass die von der Beklagten regelmäßig beauftragte Firma C in vergleichbaren Zeiträumen für die Bearbeitung von Industrieholz – wie das Landgericht zutreffend festgestellt und gewürdigt habe – Beträge von 23,75 € bis 32,80 € pro Festmeter verlangt habe.

Darüber hinaus irre die Beklagte bei ihrer angestellten Berechnung der zu erwartenden Menge an Industrieholz gemäß der Vereinbarung vom 13.01.2020. Dort seien zwei unterschiedliche Holzgrößen genannt, zum einen eine Gesamtmenge von 5.000 Festmetern, zum anderen die Zahl 4.000, die jedoch als Einheit nicht Festmeter, sondern die Größenordnung Stammholz nenne. Dieser Wert entspreche etwa 5.000 Festmetern, es handele sich um dieselbe Menge Holz.

Die Zeugenaussagen seien zur streitigen Frage der kostenneutralen Bearbeitung des Industrieholzes gerade nicht klar gewesen. Der Zeuge A habe einräumen müssen, dass er nicht zu 100 % bezeugen könne, dass der Zusatz „kostenneutral Brennholz“ auf beiden Zetteln gestanden habe. Bei der Aussage des Zeugen B, er habe den Zusatz selbst gesehen, handele es sich beweisbar um eine Falschaussage. Das Original der Vereinbarung habe der Kläger zur Akte gereicht. Er habe nichts entfernt. Wenn die Beklagte jetzt behaupte, der Zusatz sei mit Kugelschreiber erfolgt, müssten deutliche Spuren einer Entfernung auf dem Original vorhanden sein. Im Übrigen sei es merkwürdig, dass, wenn die vereinbarten 5,00 € pro Festmeter für das Nutzholz unter der Bedingung der kostenneutralen Aufarbeitung des Brennholzes gestanden hätten, gerade diese Vereinbarung nicht in die schriftliche Fixierung aufgenommen worden sei.

Der Senat hat die vom Kläger zur Akte gereichte Vereinbarung in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen und die Parteien darauf hingewiesen, dass er sich in der Lage sehe, die Frage möglicher Veränderungen in eigener Sachkenntnis zu beantworten.

B.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat der Klage zu Recht überwiegend stattgegeben. Die Klage ist – im Umfang ihrer Stattgabe durch das Landgericht – zulässig und begründet.

I.

Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage bestehen insbesondere keine Bedenken gegen die Parteifähigkeit der Beklagten. Die Beklagte ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 9 Gemeinschaftswaldgesetz NRW) rechts- und parteifähig. Sie wird gemäß § 14 Abs. 1 und 2 Satz 2 Gemeinschaftswaldgesetz NRW durch ihren Vorsteher ordnungsgemäß vertreten.

II.

Dem Kläger steht der geltend gemacht Anspruch auf Zahlung von 29.016,94 € aus § 631 Abs. 1, § 632 Abs. 1 und 2 BGB zu.

1. Zwischen den Parteien sind unstreitig Verträge über vom Kläger durchzuführende Forstarbeiten geschlossen worden, die die Aufarbeitung von Industrieholz umfassten. In der Sache sind die Verträge als Werkverträge im Sinne des § 631 BGB zu qualifizieren. Die durch den Kläger geschuldeten Leistungen, das mit Borkenkäferschädling befallene Holz zu schlagen, zu entasten, zu zersägen, das anfallende Industrieholz aufzuarbeiten und das Holz anschließend zum Abtransport bereitzustellen, sind auf die Herbeiführung eines Leistungserfolgs gerichtet.

Unstreitig ist darüber hinaus, dass der Kläger die Arbeiten durchgeführt hat und aus beiden Schlagungsorten insgesamt 1.431,33 Festmeter Industrieholz entstanden sind.

2. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Parteien im Hinblick auf den zunächst geschlossenen Vertrag einen Arbeitspreis von 20,00 € pro Festmeter für die Aufarbeitung von Industrieholz vereinbart hätten.

An diese Feststellung sieht sich der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO als gebunden an, da nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit begründen und aus diesem Grund eine neue Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinn sind jede objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen. Aus Sicht des Berufungsgerichts muss eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass eine erneute Feststellung zu einem anderen Ergebnis führt. Anhaltspunkte können sich in erster Linie aus Verfahrensfehlern ergeben, wenn das Erstgericht entscheidungserhebliches Vorbringen nicht oder nur unvollständig berücksichtigt hat oder Fehler im Verfahren der Beweisaufnahme unterlaufen sind. Zweifel auch bei verfahrensfehlerfreier Tatsachenfeststellung können sich aus der Möglichkeit einer unterschiedlichen Bewertung der Beweisaufnahme ergeben oder wenn das Berufungsgericht das Beweisergebnis anders würdigt, insbesondere die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders beurteilt, seine Aussage anders gewichtet, sie für ergänzungsbedürftig hält oder das Erstgericht die Aussagen unvollständig gewürdigt hat. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO oder weil auf Prozessvoraussetzungen bezogen zulässigerweise in die Berufungsinstanz eingeführt werden, können die erstinstanzlichen Feststellungen ebenfalls zweifelhaft werden lassen. (Wulf in: Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.07.2020, § 529 Rn. 9 ff.)

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a) Derartige Zweifel folgen nicht daraus, dass der Kläger seinen Anspruch bereits nicht hinreichend substantiiert vorgetragen hätte. Dem steht nicht entgegen, dass die schriftliche Vereinbarung vom 13.01.2020 die Absprachen der Parteien nur stichwortartig wiedergibt. Maßgeblich ist insofern allein, dass – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – die Vereinbarung alle zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs erforderlichen Tatsachen enthält. Aus der vorgelegten Vereinbarung ergeben sich sowohl der Umfang der zu bearbeitenden Fläche als auch der vereinbarte Arbeitspreis pro Festmeter. Es ist insoweit nicht zu beanstanden, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, der in der Vereinbarung genannte Arbeitspreis beziehe sich auf die Aufarbeitung des Industrieholzes, weil der Preis unterhalb der Arbeiten für das Industrieholz (Abschnitte, Gesundschneiden) geschrieben sei. Aufgrund des Umstands, dass der Preis von 20,00 € unmittelbar im Anschluss an die durch den Kläger vorzunehmenden Arbeiten aufgelistet und als Arbeitspreis bezeichnet ist, kann er sich bei verständiger Würdigung nur auf die Bearbeitung des Holzes bezogen haben. Eine Ausnahme für die Aufarbeitung von Industrieholz ist in der vom Kläger vorgelegten Vereinbarung gerade nicht enthalten.

b) Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der landgerichtlichen Feststellung folgen auch nicht daraus, dass das Landgericht die Beweislast für die Vergütungsabrede verkannt hätte. Macht der Werkunternehmer einen Anspruch auf Werklohn geltend, so trägt grundsätzlich er die Beweislast für die Vereinbarung einer Vergütung sowie die Höhe der vereinbarten Vergütung, sodass vorliegend grundsätzlich den Kläger die Beweislast für die behauptete Vereinbarung einer Vergütung von 20,00 € pro Festmeter trifft. Hiervon ist aber offensichtlich auch das Landgericht ausgegangen.

c) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht diesen Beweis aufgrund der vom Kläger vorgelegten Version der schriftlichen Vereinbarung vom 13.01.2020 als erbracht angesehen hat. Zwar erbringt diese Vereinbarung als Privaturkunde im Sinne des § 416 ZPO grundsätzlich nur den vollen Beweis dafür, dass die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben worden sind. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, besteht allerdings nach ständiger Rechtsprechung darüber hinaus für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommene Urkunde die tatsächliche Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (vgl. BGH, NJW 2002, S. 3164 f.; Einsele in Münchner Kommentar zum BGB, 9. Auflage, § 125 Rn. 40). Dies hat zur Folge, dass diejenige Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände beruft, die Beweislast für deren Vorliegen trifft.

aa) Dieser tatsächlichen Vermutung steht – entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung – nicht entgegen, dass die Parteien die vertraglichen Regelungen nur stichpunktartig niedergelegt haben.

Das Eingreifen der Vermutung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, NJW 2002, S. 3164, 3165) voraus, dass der Geschäftsinhalt durch den Urkundstext bestimmt ist. Unklares könne keine Vermutung für eine bestimmte Erklärung begründen. Jedoch sei die Vermutung bereits dann begründet, wenn die Urkunde nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck bringe.

Gemessen hieran ist es in Bezug auf den festgehaltenen Arbeitspreis für das Eingreifen der Vermutung unerheblich, dass die Urkunde den Vertragsinhalt nur stichwortartig niederlegt. Maßgeblich ist vielmehr allein, dass die Urkunde nach ihrem Wortlaut und ihrem inneren Zusammenhang zum Ausdruck bringt, dass als Arbeitspreis für die Aufarbeitung von Industrieholz ein Preis von 20,00 € pro Festmeter vereinbart wurde. Hinsichtlich dieses Geschäftsinhalts ist die Urkunde nicht unklar, sondern hinreichend bestimmt. Insoweit wird auf die Ausführungen zur Schlüssigkeit des klägerischen Vortrags Bezug genommen.

bb) Es kann letztlich dahinstehen bleiben, ob die von dem Kläger vorgelegte – und vom Senat in der mündlichen Verhandlung am 30.11.2022 in Augenschein genommene – Version der Vereinbarung vom 13.01.2020 das Original dieses Schriftstückes darstellt. Zwar greift die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer Privaturkunde nur bei unstreitiger oder nachgewiesener Echtheit der Urkunde (Ellenberger in: Palandt, BGB, 79. Auflage, § 125 Rn. 21). Es ist aber zwischen den Parteien unstreitig, dass der Vorsteher der Beklagten – jedenfalls zunächst – ein der vom Kläger vorgelegten Version entsprechendes Schriftstück aufgesetzt hat und sowohl der Kläger als auch der Vorsteher der Beklagten dieses Schriftstück unterschrieben haben. Dies genügt als Grundlage für die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der abgegebenen Willenserklärungen.

cc) Die Beklagte hat den ihr damit obliegenden Beweis für außerhalb der Urkunde liegende Umstände, die gegen den Inhalt der Vermutung sprechen, ebenso wenig erbracht, wie den Beweis für eine nachträgliche Abänderung der getroffenen Vereinbarung. Der Senat sieht sich auch insoweit an die Feststellung des Landgerichts gebunden, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

(1) Anhaltspunkte für Zweifel ergeben sich nicht daraus, dass das Landgericht den Aussagen der Zeugen A und B nicht gefolgt ist. Das Landgericht hat nachvollziehbar und plausibel dargelegt, warum es den Ausführungen der Zeugen nicht gefolgt ist beziehungsweise diese für nicht glaubhaft erachtet hat. Die Erwägungen des Landgerichts lassen keine Rechtsfehler erkennen; sie stellen legitime Gründe dar, die Zeugenaussagen als nicht glaubhaft einzustufen.

(2) Das Landgericht hat sich im Rahmen der Beweiswürdigung auch mit dem Argument der Beklagten auseinandergesetzt, die Vereinbarung der Kostenneutralität habe darauf beruht, dass die Beklagte kein Minusgeschäft habe abschließen wollen. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang einwendet, das Landgericht sei von einem fehlerhaften Vertragsinhalt ausgegangen, weil die Annahme verfehlt sei, die Beklagte sei von etwa 400 Festmetern Industrieholz ausgegangen, dringt sie mit dieser Rüge nicht durch. Denn hiervon hat der Senat schon aufgrund der Darstellung im Tatbestand des angefochtenen Urteils und der Beweiskraft des erstinstanzlichen Tatbestands gemäß § 314 ZPO auszugehen. Im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ist nämlich im unstreitigen Teil dargestellt, dass die Parteien von einem Industrieholz-Anfall von ca. 400 Festmetern ausgegangen seien. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag hat die Beklagte nicht gestellt

Unrichtigkeiten des Tatbestands sind, sofern sie die Darstellung in Wahrheit streitigen Vorbringens als unstreitig betreffen, der Korrektur über § 529 ZPO nicht zugänglich. Das erstinstanzliche Urteil ist insoweit einer Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht entzogen. Die Parteien können solche Unrichtigkeiten des Tatbestands allein über einen Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 ZPO geltend machen. (vgl. BGH, NJW-RR 2012, S. 622 f. Rn. 18; BGH, NJW 2009, S. 3787 Rn. 35; Elzer in: BeckOK ZPO, § 314 Rn. 29 mit weiteren Nachweisen)

Da die Beklagte den Sachverhalt nunmehr anders darstellt, liegt neues Vorbringen im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO vor, ohne dass die Voraussetzungen für eine Zulassung ersichtlich wären. Soweit die Beklagte auf Diskrepanzen dieses unstreitigen Vorbringens zum Inhalt der Vereinbarung vom 13.01.2020 verweist, ergibt sich daraus nichts anderes, da die Parteien diesen Inhalt unterschiedlich auslegen.

(3) Letztlich ergeben sich Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellung nicht daraus, dass das Landgericht dem erstinstanzlichen Beweisantritt der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Echtheit der vom Kläger vorgelegten Vereinbarung nicht nachgekommen ist.

(a) Zwar kann die Ablehnung eines Beweisangebots desjenigen, der die Echtheit einer Privaturkunde bestreitet, dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen (vgl. BGH, Beschluss vom 27.07.2016 – XII ZR 125/14, Rn. 4 ff.). Etwas anderes gilt jedoch, wenn die eigene Sachkunde des Richters die Einholung eines Sachverständigengutachtens erübrigt. In diesem Fall kann ein entsprechender Beweisantritt abgelehnt werden. Das Gericht hat hierbei einen Beurteilungsspielraum, muss den Parteien jedoch Gelegenheit zur Stellungnahme geben. (Greger in: Zöller, ZPO, 32. Auflage, Vor § 402 Rn. 12) Das Gericht kann zudem einen Beweisantrag ablehnen, wenn das Beweismittel ungeeignet ist. Von der beantragten Einholung eines Gutachtens darf aber nur abgesehen werden, wenn auszuschließen ist, dass damit der erforderliche Beweis geführt werden kann. (Greger in: Zöller, ZPO, 32. Auflage, Vor § 284 Rn. 10a)

(b) Im vorliegenden Fall ist bereits nach dem eigenen Vortrag der Beklagten auszuschließen, dass diese mit der Einholung eines Sachverständigengutachtens die Unechtheit der vom Kläger vorgelegten Version der Vereinbarung vom 13.01.2020 oder die spätere Abänderung der Vereinbarung beweisen kann. Denn die Beklagte bestreitet, dass es sich bei dem von dem Kläger vorgelegten Dokument um das am 13.01.2020 aufgesetzte Original handelt. Wenn aber der Kläger nicht das Original vorgelegt hätte, ist auszuschließen, dass ein Sachverständiger anhand dieser – dann anzunehmenden – Kopie Erkenntnisse über die Echtheit des (Original-)Dokuments gewinnen kann.

(c) Aber auch wenn es sich bei dem seitens des Klägers vorgelegten und vom Senat in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommenen Dokument um das Original der Vereinbarung handeln sollte, bedarf es nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dessen Echtheit. Denn der Senat sieht sich in der Lage, die Frage, ob an diesem Dokument Veränderungen vorgenommen worden sind, aus eigener Sachkunde zu beantworten. Hierauf sind die Parteien in der mündlichen Verhandlung hingewiesen und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Die vom Kläger vorgelegte Version der Vereinbarung vom 13.01.2020 lässt nicht die geringsten Anzeichen dafür erkennen, dass ein sich hierauf befundener Zusatz entsprechend der von der Beklagten vorgelegten Kopie nachträglich entfernt worden ist. Weder in der Durchsicht noch in der Draufsicht zeigt das Papier irgendwelche Veränderungen in der Struktur oder im vorhandenen Kästchenaufdruck. Derartige Veränderungen wären jedoch sicher zu erwarten gewesen, wenn ein ursprünglich vorhandener Zusatz nachträglich entfernt worden wäre. Dies würde umso mehr gelten, wenn der Zusatz, wie die Beklagte nunmehr behauptet, nicht mit einem Bleistift, sondern mit einem Kugelschreiber aufgebracht worden wäre. Denn das verwandte Papier stellt sich, wie der Zustand an den Falzmarken zeigt, als insoweit durchaus empfindlich dar.

3. Hinsichtlich des weiteren Schlagungsortes haben die Parteien zwar keine ausdrückliche Vereinbarung über die Zahlung einer Vergütung getroffen. Insbesondere im Hinblick auf die vorherige Absprache vom 13.01.2020 war aber auch die Aufarbeitung des Industrieholzes für den weiteren Schlagungsort den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten, § 632 Abs. 1 BGB.

Der Kläger hat insofern schon in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen, es sei absolut unüblich, für die Aufarbeitung von Industrieholz keine Vergütung zu verlangen. Es sind zudem keine sonstigen Umstände ersichtlich, aus denen sich ergäbe, dass die Aufarbeitung des Industrieholzes für den zweiten Schlagungsort ausnahmsweise ohne Vergütung zu erwarten gewesen wäre. Vielmehr spricht die Behauptung der Beklagten, man habe sich auf den Preis von 5,00 € für den Ankauf des Nutzholzes nur unter der Bedingung geeignet, dass die Aufarbeitung des Industrieholzes kostenneutral erfolgen solle, sogar dafür, dass auch die Beklagte im Grundsatz von einer vergütungspflichtigen Tätigkeit ausgeht.

Dafür, dass die Parteien die Vergütung für beide Schlagungsorte einheitlich regeln wollten, sprechen der zeitliche Zusammenhang der Vereinbarungen und die einheitliche Vereinbarung der Parteien über den Ankauf des Nutzholzes durch den Kläger zu 5,00 € pro Festmeter. Im Übrigen ergäbe sich die geltend gemachte Vergütung andernfalls aus § 632 Abs. 2 BGB. Der Kläger hat bereits erstinstanzlich substantiiert unter Verweis auf die durch die Firma C angesetzten Preise die Üblichkeit einer Vergütung von 20,00 € pro Festmeter behauptet, ohne dass die Beklagte dem entgegengetreten wäre. Das Landgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Vortrag des Klägers hinsichtlich der Üblichkeit der Vergütungshöhe gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Soweit die Beklagte nunmehr die Üblichkeit der geforderten Vergütung bestreitet, liegt darin ein neues Angriffs- und Verteidigungsmittel im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO, ohne dass sich die Voraussetzungen für eine Zulassung dem Vortrag der Parteien entnehmen lassen.

4. Ausgehend von der unstreitig verarbeiteten Masse von 1.431,33 Festmetern und einem Arbeitspreis von 20,00 € je Festmeter ergibt sich jedenfalls die geltend gemachte Vergütung.

III.

Der geltend gemachte und vom Landgericht zuerkannte Zinsanspruch folgt – unter Berücksichtigung des gestellten Antrags (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) – aus § 280 Abs. 1 und 2, § 286 Abs. 2 Nr. 3, § 288 Abs. 2 BGB. Die Beklagte ist mit der ernsthaften und endgültigen Verweigerung der Zahlung vom 30.12.2020 gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug geraten. Der Zinssatz folgt aus § 288 Abs. 2 BGB. Weder der Kläger als Forstwirt noch die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen Rechts handelten als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB und die vom Kläger geltend gemachte Forderung stellt eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB dar.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711ZPO.

D.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Der Rechtssache kommt weder eine grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts wegen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 543 Abs. 2 ZPO.

 

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