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Beweiswert eines widerrufenen Geständnisses im Zivilprozess: Kein Schmerzensgeld

Nach 17 Jahren Ungewissheit forderte die Mutter eines vermissten Kindes Schmerzensgeld, gestützt auf den Beweiswert eines widerrufenen Geständnisses im Zivilprozess. Obwohl der Mann die Verheimlichung des Leichnams eingeräumt hatte, entlastete ihn die erfolgreiche Darlegung von Vernehmungsdruck vor Gericht.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 12 U 80/24 e | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
  • Datum: 14.08.2025
  • Aktenzeichen: 12 U 80/24 e
  • Verfahren: Berufung im Zivilverfahren
  • Rechtsbereiche: Deliktsrecht, Schmerzensgeld, Zivilprozessrecht

  • Das Problem: Die Mutter eines 2001 verschwundenen Kindes klagt den Beklagten auf Schmerzensgeld. Sie behauptet, er habe die Leiche ihrer Tochter verbracht und jahrelang verschwiegen. Dadurch erlitt sie schwere psychische Schäden. Der Beklagte bestreitet die Tat und widerrief sein früheres Geständnis.
  • Die Rechtsfrage: Hat die Klägerin Anspruch auf Schmerzensgeld? Reicht das widerrufene Geständnis des Beklagten aus, um seine Haftung im Zivilprozess zu beweisen?
  • Die Antwort: Nein. Das Gericht weist die Berufung der Klägerin ab. Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass der Beklagte die Leiche tatsächlich verbracht hat. Das widerrufene Geständnis gilt nicht als ausreichender Beweis.
  • Die Bedeutung: Ein im Strafverfahren abgelegtes, aber widerrufenes Geständnis ist im Zivilprozess nur ein Indiz. Der Kläger muss die inhaltliche Wahrheit dieses Geständnisses umfassend beweisen. Zweifel an der Echtheit, etwa wegen hohem Vernehmungsdruck, gehen zulasten des Klägers.

Der Fall vor Gericht


Wie viel wiegt ein Geständnis, das einen Tag später widerrufen wird?

Ein Geständnis, abgelegt in einem zehnstündigen Polizeiverhör, schien nach 17 Jahren endlich Klarheit in das Verschwinden eines neunjährigen Mädchens zu bringen. Ein Mann gab zu, den leblosen Körper des Kindes im Jahr 2001 in einen Wald gebracht zu haben. Doch nur einen Tag später widerrief er alles. Für die Mutter des Mädchens war dieses Geständnis – auch widerrufen – der Schlüssel zu einer Klage. Sie forderte Schmerzensgeld für 15 Jahre quälender Ungewissheit. Vor dem Oberlandesgericht Bamberg stand eine einzige, zerreißende Frage im Raum: Wie viel Beweiswert hat ein Wort, das zurückgenommen wurde?

Warum war das Geständnis der einzige Strohhalm der Mutter?

Ein Protokollant fertigt die Vernehmungsniederschrift des Täters an, dessen widerrufenes Geständnis den Beweiswert im Zivilprozess klärt.
Widerrufenes Geständnis gilt im Zivilprozess nur als schwaches Beweismittel. | Symbolbild: KI

Fünfzehn Jahre lang wusste die Mutter nicht, was mit ihrer Tochter geschehen war. Erst 2016 fand ein Pilzsammler die sterblichen Überreste des Kindes. Die Ermittlungen liefen erneut an und führten zu jenem Mann, der 2018 die Verbringung der Leiche gestand. Die Mutter sah darin den Beweis für unvorstellbares Leid, das ihr der Mann angetan hatte. Ihre Argumentation war direkt: Er wusste, wo ihre Tochter lag. Er hat geschwiegen. Dieses Schweigen und das Verstecken des Leichnams hätten ihre Psyche und ihre Gesundheit zerstört. Sie litt an einer posttraumatischen Belastungsstörung, Depressionen und Angstzuständen.

Ihre Klage auf mindestens 75.000 Euro Schmerzensgeld stützte sie auf die allgemeine Deliktische Haftung, die im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist (§ 823 Abs. 1 BGB). Wer das Leben, den Körper oder die Gesundheit eines anderen widerrechtlich verletzt, ist zum Schadensersatz verpflichtet. Sie argumentierte weiter, der Mann habe sich durch das Wegschaffen des Körpers wegen Störung der Totenruhe strafbar gemacht. Ein solches Strafgesetz zu verletzen, kann ebenfalls Schadensersatzansprüche auslösen (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 168 StGB). Der Kern ihrer Klage war das widerrufene Geständnis. Es sollte beweisen, dass der Mann die Tat begangen hatte und für ihr Leid verantwortlich war.

Wie verteidigte sich der Mann gegen den schweren Vorwurf?

Der Beklagte bestritt die Tat rundheraus. Seine Aussage bei der Polizei sei eine Falschaussage gewesen, erzwungen durch die besondere Situation der Vernehmung. Er legte dem Gericht seine Sicht der Dinge dar: Er sei von der Polizei aufgegriffen und rund zehn Stunden lang vernommen worden, anfangs ohne einen Verteidiger an seiner Seite. Mehrere Ermittler und ein Profiler hätten auf ihn eingeredet, ihm angebliche Indizien vorgehalten und Durchsuchungen bei seiner Familie angedroht. In der Hoffnung, das Verfahren gegen ihn würde bei einem „Teilgeständnis“ eingestellt, habe er schließlich die Geschichte erfunden. Sein Widerruf am nächsten Tag vor dem Ermittlungsrichter sei die einzig wahre Aussage. Damit lag der Ball wieder beim Gericht. Es musste entscheiden, welcher Version es glaubt.

Welchen Maßstab legt ein Gericht an ein solches Hin und Her?

Das Oberlandesgericht Bamberg bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Klage der Mutter ab. Die Richter machten deutlich: Der von der Mutter behauptete Sachverhalt war nicht bewiesen. Das Zentrum ihrer Würdigung war der Umgang mit dem widerrufenen Geständnis.

Ein im Strafverfahren abgelegtes Geständnis ist im Zivilprozess kein automatischer Schuldbeweis. Es ist ein Indiz – ein starkes zwar, aber eben nur ein Puzzleteil. Das Gericht muss dessen Wahrheitsgehalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) selbst prüfen. Dabei folgt es einer klaren Logik, die der Bundesgerichtshof vorgegeben hat. Zuerst muss derjenige, der sein Geständnis widerruft, plausible Gründe für die Falschaussage darlegen. Man nennt das die Sekundäre Behauptungslast. Er muss dem Gericht erklären, warum er gelogen haben könnte.

Genau das hatte der Mann getan. Seine Schilderung der als Druck empfundenen Vernehmungssituation war nachvollziehbar und durch die Akten belegt. Die Dauer, die fehlende anwaltliche Begleitung zu Beginn, die konfrontative Befragung – all das waren Umstände, die eine Falschaussage zumindest denkbar machten. Durch diese plausible Erklärung verlagerte sich die volle Beweislast zurück zur Mutter. Sie musste nun das Gericht davon überzeugen, dass das ursprüngliche Geständnis trotz des Widerrufs der Wahrheit entsprach.

Wieso zerfiel das Geständnis unter der juristischen Lupe?

Die Mutter scheiterte an dieser Beweislast. Ihr Hauptargument war, der Mann habe in seinem Geständnis sogenanntes Täterwissen offenbart – Details, die nur jemand kennen konnte, der wirklich dabei war. Das Gericht nahm diese Details akribisch auseinander und fand nichts, was diese These stützte.

Die Angaben des Mannes waren lückenhaft, widersprüchlich oder aus anderen Quellen erklärbar. Seine Beschreibung des Weges zum Ablageort war vage. Seine Aussagen zur Kleidung des Mädchens waren teilweise falsch. Die Behauptung, er habe das Kind in eine rote Decke gewickelt, war durch nichts zu belegen. Andere Details, etwa zu den Schuhen des Mädchens, passte er während der Vernehmung an die Vorhalte der Beamten an. Nichts davon trug das Siegel exklusiven Wissens. Vieles hätte er aus Medienberichten oder durch die Fragen der Ermittler selbst erfahren können.

Der Schlussbericht der Kriminalpolizei lieferte den finalen Schlag gegen die Klage. Trotz intensiver Untersuchungen fanden sich keine Spuren – keine Fasern, keine DNA –, die den Mann mit dem Leichnam des Mädchens in Verbindung brachten. Das Geständnis stand allein. Ein starkes Indiz, aber ohne jede Stütze durch objektive Fakten.

Die Mutter rügte zudem, das Gericht der Vorinstanz hätte das Video der Vernehmung ansehen oder die Beamten als Zeugen hören müssen. Auch hier folgte ihr das Oberlandesgericht nicht. Die Richter erklärten, dass die Klägerin ihre Beweisanträge nicht ausreichend konkretisiert hatte. Sie hätte genau benennen müssen, welche spezifische Tatsache durch das Video oder die Zeugen bewiesen werden sollte. Ein pauschaler Antrag genügt nicht. Am Ende blieb eine tragische Situation, aber keine juristisch haltbare Grundlage für eine Verurteilung. Das Wort des Mannes, einmal gegeben und einmal genommen, war als Beweis zu wenig.

Die Urteilslogik

Ein in der Strafsache abgelegtes und später widerrufenes Geständnis behält im Zivilprozess niemals seine automatische Beweiskraft, sondern dient lediglich als ein zu prüfendes starkes Indiz.

  • Verlagerung der Beweislast bei Falschaussage: Wenn der Geständige plausible Gründe für seine Falschaussage darlegt – etwa den Druck einer langen Vernehmung ohne Rechtsbeistand oder die Erwartung einer Verfahrenseinstellung –, muss der Kläger die volle Beweislast für die Richtigkeit des ursprünglichen Geständnisses übernehmen.
  • Die Anforderung an exklusives Täterwissen: Ein widerrufenes Geständnis gewinnt nur dann Beweiskraft, wenn es Details enthält, die der Täter ausschließlich kennen konnte und die nicht aus Medienberichten oder den Fragen der Ermittler abgeleitet wurden; lückenhafte, widersprüchliche oder an die Aktenlage angepasste Angaben entkräften die Beweiswirkung.
  • Zivilrechtliche Haftung setzt bewiesene Widerrechtlichkeit voraus: Ein Schmerzensgeldanspruch wegen psychischer Schädigung aufgrund eines Delikts, wie der Störung der Totenruhe, setzt voraus, dass der behauptete rechtswidrige Akt durch objektive und exklusive Indizien gesichert ist; ohne diesen direkten Schuldbeweis entfällt die deliktische Haftung, unabhängig von der Tragik des erlittenen Leids.

Die freie Beweiswürdigung verlangt, dass Gerichte stets objektive Fakten über das subjektive Wort eines Einzelnen stellen, um die Wahrheit eines Sachverhalts sicher festzustellen.


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Experten Kommentar

Ein Geständnis fühlt sich oft wie die ganze Wahrheit an, selbst wenn es einen Tag später widerrufen wird. Aber in der nüchternen Welt des Zivilrechts gilt: Ein Wort ist kein Beweis, wenn die Umstände der Aussage wackelig sind. Die strategische Konsequenz dieses Urteils ist klar: Wird der Vorwurf des Vernehmungsdrucks plausibel erhoben, muss derjenige, der Schmerzensgeld fordert, objektive Fakten liefern, die über das reine Geständnis hinausgehen. Nur echtes, exklusives Täterwissen – und nicht vage, mediale Details – kann ein solches Indiz stützen. Für Betroffene bedeutet das eine harte Lektion: Ohne DNA oder andere unumstößliche Spuren bricht die Beweiskette trotz emotionaler Gewissheit schnell zusammen.


Symbolbild für Rechtsfragen (FAQ): Allegorische Justitia mit Waage und Richterhammer.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie viel ist mein widerrufenes Geständnis im Zivilprozess noch wert?

Im Zivilprozess gilt Ihr widerrufenes Geständnis niemals als automatischer Schuldbeweis. Es handelt sich lediglich um ein starkes Indiz, dessen Wahrheitsgehalt das Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO selbst prüfen muss. Sie müssen nicht befürchten, dass ein widerrufenes Geständnis Sie automatisch zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet. Entscheidend ist, wie überzeugend Sie die Gründe für die Falschaussage darlegen können.

Als Beklagter tragen Sie die sogenannte sekundäre Behauptungslast. Das bedeutet, Sie müssen dem Gericht plausible und nachvollziehbare Gründe dafür liefern, warum Ihre ursprüngliche Aussage falsch war. Ihre Erklärung muss konkret darlegen, wie die Falschaussage zustande kam, beispielsweise durch starken Vernehmungsdruck oder die Hoffnung auf eine schnelle Verfahrenseinstellung. Es reicht nicht aus, sich nur auf allgemeine Verwirrung oder Belastung zu berufen.

Gelingt Ihnen diese plausible Erklärung, entfällt der Beweiswert des Geständnisses rapide. Die volle Beweislast fällt dann auf den Kläger zurück, der nun beweisen muss, dass das Geständnis trotz Ihres Widerrufs die Wahrheit enthielt. Objektive Umstände, wie ein langes Verhör über zehn Stunden hinweg oder die fehlende anwaltliche Begleitung, machen eine erzwungene Falschaussage für das Gericht zumindest denkbar.

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Was passiert, wenn mein Geständnis unter starkem Vernehmungsdruck zustande kam?

Wenn Ihr Geständnis unter extremen Bedingungen, wie stundenlangen Verhören, zustande kam, kann dieser Vernehmungsdruck Sie stark entlasten. Ein Gericht darf eine Aussage, die offensichtlich erzwungen wurde, nicht als Wahrheitsbeweis verwenden. Der dokumentierte Druck macht eine Falschaussage plausibel und untergräbt die Annahme, die Aussage sei wahrhaftig gewesen.

Die Regel ist: Gerichte müssen bei ihrer Beweiswürdigung die genauen Umstände des Geständnisses berücksichtigen. Entscheidend ist dabei, dass Sie nicht nur subjektives Unwohlsein schildern. Sie müssen vielmehr objektive Umstände anführen, die in den polizeilichen Akten dokumentiert sind. Dazu gehören die exakte Dauer der Vernehmung, konfrontative Befragungsmethoden oder die Abwesenheit eines Verteidigers zu Beginn. Solche Fakten lassen eine Falschaussage zumindest denkbar erscheinen.

Konkret: Wenn Sie nach zehn Stunden Verhör ohne juristischen Beistand eine Aussage machten, ist diese Situation ein starkes Indiz für Zwang. Sobald Sie diese Umstände erfolgreich belegen, entfällt der Beweiswert des Geständnisses. Das Gericht muss dies im Rahmen der freien Beweiswürdigung prüfen. Die volle Beweislast verschiebt sich dann zurück auf die Gegenseite, die nun beweisen muss, dass Sie trotz des Drucks die Wahrheit gesagt haben.

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Wie kann ich plausibel begründen, dass meine Aussage bei der Polizei falsch war?

Um eine Falschaussage vor Gericht glaubhaft zu widerrufen, müssen Sie die sogenannte sekundäre Behauptungslast erfüllen. Das bedeutet, Sie müssen diesen schwerwiegenden Fehler, nämlich das Abgeben eines Geständnisses trotz Unschuld, nachvollziehbar erklären. Eine stichhaltige Begründung erfordert stets die Verknüpfung von zwei untrennbaren Elementen: dem äußeren Druck der Vernehmung und einem rationalen Motiv für das Lügen.

Der nachweisbare Vernehmungsdruck dient als objektiver Grund, warum Sie zur Falschaussage geneigt waren. Dokumentieren Sie dafür alle Umstände, welche die Lüge zumindest denkbar machen. Dazu zählen die exakte Dauer des Verhörs, das Fehlen anwaltlicher Unterstützung zu Beginn oder der Einsatz konfrontativer Befragungsmethoden durch die Ermittler. Gerichte prüfen die Akten genau, um festzustellen, ob diese Schilderungen der Drucksituation durch die offiziellen Protokolle belegt werden.

Alleiniger Druck reicht jedoch selten aus; Sie benötigen zusätzlich ein rationales Motiv, das Ihren Widerruf unterstützt. Konkret: Warum schien Lügen im Moment die beste Option? Viele Beschuldigte geraten in die Hoffnung, das Verfahren werde bei einem „Teilgeständnis“ schnell eingestellt. Sie erhoffen sich eine rasche Beendigung der belastenden Situation. Wenn Sie die Kombination aus dokumentiertem Vernehmungsdruck und dem Motiv der erhofften Verfahrenseinstellung darlegen können, gewinnt Ihr Widerruf massiv an Glaubwürdigkeit.

Steigern Sie die Glaubwürdigkeit zusätzlich, indem Sie darlegen, dass der Widerruf unmittelbar, beispielsweise bereits am folgenden Tag vor dem Ermittlungsrichter, erfolgte.


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Welche objektiven Beweise brauche ich, um ein widerrufenes Geständnis zu stützen?

Wenn der Beklagte ein Geständnis widerruft, verschiebt sich die Beweislast auf Sie als Kläger. Sie müssen dem Gericht beweisen, dass die ursprüngliche Aussage die Wahrheit enthielt. Um das Geständnis erfolgreich gegen einen Widerruf zu verteidigen, sind zwingend zwei Arten von Beweisen erforderlich: Exklusives Täterwissen und unterstützende objektive Fakten.

Das Gericht prüft die Aussage akribisch, um festzustellen, ob das Wissen exklusiv war. Details, die der Geständige nur als Täter kennen konnte, sind essentiell. Vage Angaben zur Wegbeschreibung oder widersprüchliche Aussagen zur Kleidung des Opfers schwächen das Geständnis sofort ab. Informationen, die der Beklagte aus Medienberichten kannte oder durch suggestive Fragen der Beamten während der Vernehmung erhielt, gelten als nicht exklusiv.

Fehlen zudem objektive Fakten, die eine Verbindung zur Tat herstellen, zerfällt die Beweiskraft. Ermittlungsbehörden suchen nach physischen Spuren wie DNA, Fasern oder anderen direkten Verbindungen zum Tatort oder Opfer. Ein Geständnis ohne jegliche physische Stütze steht juristisch allein. Die Richter können in diesem Fall nicht von der Wahrhaftigkeit der Aussage überzeugt werden, selbst wenn sie emotional stark erscheint.

Vergleichen Sie die Details des Geständnisses sofort mit allen Medien- und Polizeiberichten, um sicherzustellen, dass das Täterwissen tatsächlich nur aus erster Hand stammen konnte.


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Kann ich Schmerzensgeld wegen jahrelanger Ungewissheit über den Tod meines Kindes fordern?

Ja, ein solcher Anspruch auf Schmerzensgeld ist juristisch möglich, wenn der Täter die Ursache für das jahrelange Leid gesetzt hat. Die Grundlage bildet die allgemeine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB, da die schwere psychische Belastung durch die Ungewissheit als widerrechtliche Verletzung der Gesundheit gilt. Im Zivilrecht lässt sich der Anspruch oft auch auf die Verletzung eines Schutzgesetzes, konkret die Störung der Totenruhe (§ 168 StGB), stützen. Diese juristische Konstruktion soll das unerträgliche psychische Leid anerkennen, das durch das Verbergen des Leichnams entsteht.

Gerichte erkennen schwere psychische Beeinträchtigungen, wie etwa eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder Depressionen, als einen ersatzfähigen Gesundheitsschaden an. Wenn das jahrelange Verbergen des Körpers oder das beharrliche Schweigen des Täters diese Verzweiflung direkt verursacht oder erheblich verlängert hat, liegt eine widerrechtliche Verletzung vor. Im Fall der Mutter, die 15 Jahre litt, stützte sich die Klage auf die Behauptung, das Verhalten des Täters habe ihre Gesundheit zerstört.

Die entscheidende Hürde ist jedoch der Beweis der Kausalität und der Täterschaft. Sie müssen beweisen, dass der Beklagte die schadensauslösende Handlung – das Verstecken des Körpers und das anschließende Schweigen – tatsächlich begangen hat. Ein widerrufenes Geständnis allein genügt dafür oft nicht. Gelingt es nicht, die Täterschaft juristisch zweifelsfrei festzustellen, scheitert der Schmerzensgeldanspruch.

Lassen Sie alle relevanten ärztlichen Berichte zu PTBS oder Depressionen von einem Fachanwalt prüfen, um die Kausalität zwischen dem Schweigen und Ihrem Leid konkret darzulegen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Juristisches Glossar: Symbolbild der Justitia mit Waage und Richterhammer.

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Deliktische Haftung

Deliktische Haftung bezeichnet die zivilrechtliche Verpflichtung, einem anderen Schadensersatz zu leisten, weil man dessen Rechtsgüter (wie Leben, Körper oder Gesundheit) widerrechtlich verletzt hat (§ 823 Abs. 1 BGB).
Das Gesetz stellt damit sicher, dass jeder, der durch sein schuldhaftes Handeln einen Schaden bei Dritten verursacht, diesen Schaden auch finanziell ausgleichen muss.

Beispiel: Die Mutter stützte ihre Klage auf Deliktische Haftung, da das jahrelange Schweigen des Mannes ihre Gesundheit nachweislich zerstört und eine posttraumatische Belastungsstörung ausgelöst hatte.

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Freie Beweiswürdigung

Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) entscheidet der Richter nach seiner persönlichen Überzeugung, ob ein behaupteter Sachverhalt wahr ist oder nicht, wobei er alle Beweismittel sorgfältig prüfen muss.
Diese richterliche Freiheit erlaubt es den Gerichten, die gesamte Prozesssituation – also auch die Glaubwürdigkeit von Zeugen oder die Umstände eines Geständnisses – individuell zu bewerten, ohne an starre Beweisregeln gebunden zu sein.

Beispiel: Das Oberlandesgericht Bamberg nutzte die freie Beweiswürdigung, um den tatsächlichen Beweiswert des widerrufenen Geständnisses zu prüfen, wobei die Richter die lange Vernehmungsdauer stark gewichteten.

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Sekundäre Behauptungslast

Juristen nennen die sekundäre Behauptungslast die Pflicht des Beklagten, dem Gericht plausible und konkrete Erklärungen zu liefern, warum eine von ihm getätigte frühere Aussage – in diesem Fall ein Geständnis – falsch war.
Diese Regel dient der Waffengleichheit im Prozess: Wer einen schweren Vorwurf durch seinen eigenen Widerruf entkräften will, muss die Umstände seiner Falschaussage transparent darlegen, um seine Glaubwürdigkeit zu erhalten.

Beispiel: Der Mann erfüllte die sekundäre Behauptungslast, indem er seine Falschaussage mit dem extremen, zehnstündigen Vernehmungsdruck und der Hoffnung auf eine schnelle Verfahrenseinstellung begründete.

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Störung der Totenruhe

Die Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) ist ein Strafgesetz, das unter anderem das Entziehen oder Verstecken des Leichnams einer Person unter Strafe stellt, um die Pietät gegenüber dem Verstorbenen zu schützen.
Obwohl es sich um ein Strafgesetz handelt, kann die Verletzung dieses Schutzgesetzes im Zivilprozess Ansprüche auf Schadensersatz auslösen, weil das Verbergen des Körpers Angehörigen großes seelisches Leid zufügt.

Beispiel: Die Mutter argumentierte, der Mann habe durch das Wegschaffen des Körpers die Störung der Totenruhe begangen und damit einen direkten Anspruch auf Schmerzensgeld wegen ihres psychischen Schadens ausgelöst.

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Täterwissen

Unter Täterwissen versteht man spezifische, nicht öffentlich bekannte Detailkenntnisse über die Tat, die nur derjenige besitzen kann, der die Tat tatsächlich begangen oder miterlebt hat.
Gerichte verwenden Täterwissen als wichtigen Gradmesser zur Überprüfung der Wahrhaftigkeit eines Geständnisses, da es objektive Hinweise auf eine unmittelbare Tatbeteiligung liefert.

Beispiel: Das Gericht zerlegte das Geständnis des Mannes akribisch, weil es wissen wollte, ob seine Angaben über die Kleidung oder den Ablageort des Mädchens echtes, exklusives Täterwissen enthielten oder nur aus Medienberichten stammten.

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Das vorliegende Urteil


OLG Bamberg – Az.: 12 U 80/24 e – Urteil vom 14.08.2025


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