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Bewertungsplattform – Kann ein Arzt vom Betreiber Auskunft über die Identität der Verfasser rechtswidriger Kommentare verlangen?


OLG München

Az: 25 O 23782/12

Urteil vom 03.07.2013


Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Feststellung, dass der ursprünglich geltend gemachte Auskunftsanspruch über die Kontaktdaten des Verfassers der Bewertung der Klägerin, vom 10.07.2012 von „…“ auf dem von der Beklagten betriebenen Bewertungsportal erledigt ist.

Die Klägerin ist Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin in … . Die Beklagte ist Betreiberin einer Internetplattform unter der URL …, auf der Nutzer Bewertungen in Textform über Ärzte abgeben können und auch Noten zu einzelnen Punkten verteilen können. Unter dem 10.07.2012 stellte ein Nutzer mit der Angabe „…“ mit der Überschrift „Nicht zu empfehlen“ und einer Gesamtnote von 5,2 liegende Bewertung auf dem von der Beklagten betrieben Bewertungsportal ein:

War mit meinem kleinen öfter bei ihr und muss leider sagen, dass ich absolut unzufrieden bin. Bei U Untersuchungen war sie innerhalb kürzester Zeit fertig ohne auf die Entwicklung einzugehen. Also wirklich kurz, dauerte keine 5 Minuten und dabei hat sie sich mit meiner Schwester mehr beschäftigt als mit meinem Sohn. Nimmt ihm die Rassel weg, legt sie daneben und behauptet, er würde nur in eine Richtung schauen, naja wunderts jemand wenn auf der Seite sein Spielzeug liegt?

Auch lässt sie die Eltern vor anderen Patienten runterlaufen und wird sehr pampig wenn Eltern sich entscheiden Impfungen getrennt vorzunehmen dann haben sie einen Grund und sollten nicht lächerlich gemacht werden. Sie sollte sich entscheiden, ob sie wirklich vor dem Praxisalltag noch in der Klinik tätig ist. Sie ist immer sehr gestresst selbst wenn nichts los ist.

Einige ihrer Entscheidungen sind auch sehr fragwürdig. Selbst dem behandelnden Klinikpersonal.

Auf Fragen geht sie überhaupt nicht oder nur sporadisch. Auf die Frage was mit der Niere nicht in Ordnung ist antwortete Sie, die Niere ist für die Urinproduktion zuständig! Das ist ja klar aber was hat das mit der Frage zu tun? Auch wollte sie meinen Sohn auf Diät setzen, er ist nicht der schlankeste aber ein Baby auf Diät setzen ist doch grausam. Erklären sie mal ihrem Baby warum es nix zu essen bekommt obwohl es Hunger hat und voll gestillt wird.

Nun war ich bei einer anderen Kinderärztin und sie war voll zufrieden mit dem kleinen. Auch sein Gewicht sei für ein Stillkind absolut in Ordnung.

Fazit: Wem wirklich das Wohl seines Kindes am Herzen liegt und richtig informiert werden möchte ist hier absolut falsch.“

Notenbewertung dieses Patienten:

– Behandlung: 5,0

– Aufklärung: 5,0

– Vertrauensverhältnis: 5,0

– Genommene Zeit: 6,0

– Freundlichkeit: 5,0

– Wartezeit Termin: 4,0

– Wartezeit Praxis: 4,0

– Sprechstundenzeiten: 3,0

– Betreuung: 3,0

– Entertainment: 1,0

– Alternative Heilmethoden: 5,0

– Kinderfreundlichkeit: 1,0

– Barrierefreiheit: 2,0

– Praxisausstattung: 1,0

– Telefonische Erreichbarkeit: 2,0

– Parkmöglichkeiten: 5,0

– Öffentliche Erreichbarkeit: 2,0

Gesamtnote: 5,2

Die in der Bewertung enthaltenen Tatsachenbehauptungen waren unzutreffend. Die Beklagte hat die entsprechende Bewertung gelöscht und einen auf Unterlassung gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung anerkannt sowie eine Abschlusserklärung abgegeben. Die Klägerin sah sich durch den Beitrag in ihren Rechten verletzt und befürchtete negative Auswirkungen auf den Betrieb ihrer Praxis.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 10.07.2012 von der Beklagten Auskunft über die Kontaktdaten des Nutzers verlangt, um diesen auf Unterlassung in Anspruch nehmen zu können. Die Beklagte hat die begehrte Auskunft bislang nicht erteilt. In der Zwischenzeit hat die Klägerin ermittelt, wer die streitgegenständliche Bewertung vorgenommen hat.

Die Klägerin meint, die Beklagte sei zur Auskunftserteilung verpflichtet. Der in § 13 VI TMG verankerte Grundsatz der möglichen Anonymität müsse eine Einschränkung erfahren, wenn Rechte Dritter massiv verletzt würden. Es sei bereits fraglich, ob sich die Beklagte angesichts der Verletzung der Rechte der Klägerin überhaupt auf Art. 5 GG berufen könne, ohne die begehrte Auskunft müsse die Klägerin die Rechtsverletzung klaglos hinnehmen. Auch §§ 12, 14 TMG stünden dem Anspruch nicht entgegen.

Nachdem die Klägerin den Verfasser des Beitrags ermittelt hat, hat sie die Hauptsache für erledigt erklärt, die Beklagte hat der Erledigterklärung widersprochen.

Die Klägerin beantragt:

Die Hauptsache ist erledigt.

Die Beklagte beantragt:

Klageabweisung

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin unter keinem Gesichtspunkt einen Anspruch auf Auskunftserteilung hat. Einem sich aus § 242 BGB ergebenden Auskunftsanspruch stehe § 13 VI TMG entgegen. Die Beklagte teile dem Nutzer mit, dass er anonym bleibe. Da eine Einwilligung des Bewerters nicht vorliegt, stehe § 12 II TMG dem Auskunftsbegehren entgegen. Auch § 14 II TMG gebe der Klägerin keinen Auskunftsanspruch. Da die Regelungen des TMG abschließend sei, könne die Klägerin einen Auskunftsanspruch auch nicht aus § 28 II Nr. 2 BDSG herleiten. Die Klägerin sei auch nicht rechtlos gestellt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Auskunftserteilung hat und somit eine Erledigung der Hauptsache nicht eingetreten ist.

Die Klage auf Erteilung der Auskunft über die Kontaktdaten des Verfassers der Bewertung vom 10.07.2013 war zulässig, aber unbegründet, so dass dadurch, dass die Klägerin den Verfasser ermittelt hat, keine Hauptsacheerledigung eingetreten ist.

Als Veranstalterin eines Internetforums, das den Nutzern inhaltliche Dienste anbietet und nicht nur Telekommunikationsleistungen zur Verfügung stellt, ist die Beklagte Diensteanbieterin im Sinne des TMG (vgl. dazu Urteil des BGH vom 23.06.2009, VI ZR 196/08 für die Betreiberin des Internetforums www.spickmich.de), so dass die Vorschriften des TMG auf die Beklagte anzuwenden und von der Beklagten zu beachten sind.

Nach § 12 II TMG darf der Diensteanbieter die für die Bereitstellung von Telemedien erhobenen personenbezogenen Daten für andere Zwecke nur verwenden, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat.

Eine Einwilligung des Nutzers des Bewertungsportals ist unstreitig nicht gegeben, die Beklagte sichert ihren Nutzern ausdrücklich Anonymität zu. Ein Nutzer muss seine E-Mail-Adresse angeben, die Beklagte sichert aber zu, dass diese nicht an Dritte weitergegeben wird. Diese anonyme Nutzung der von Beklagten betriebenen Bewertungsplattform ist zulässig und in § 13 VI TMG ausdrücklich vorgesehen, dem Diensteanbieter wird insoweit vorgegeben, dass die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen ist, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Da eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können, mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2009, VI ZR 196/08) und § 13 TMG eine anonyme Nutzung ausdrücklich vorsieht, ist die Handhabung der Beklagten rechtlich zulässig und kann einem sich aus § 242 BGB ergebenden Auskunftsanspruch entgegen gehalten werden. Im Übrigen handelt es sich bei § 242 BGB gerade nicht um eine Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, so dass sie wegen § 12 II TMG als Rechtsgrundlage für die Verwendung erhobener personenbezogener Daten ohnehin nicht herangezogen werden kann. Darüber hinaus ist die Regelung in § 14 II TMG lex specialis zu dem allgemeinen Anspruch, so dass ein Rückgriff auf den aus Treu und Glauben abgeleiteten Auskunftsanspruch auch aus diesem Grund ausscheidet.

In § 14 II TMG ist ein Auskunftsanspruch Dritter ausdrücklich geregelt. Nach dieser Vorschrift darf der Diensteanbieter auf Anordnung der zuständigen Stellen im Einzelfall Auskunft über Bestandsdaten erteilen, soweit dies für Zwecke der Strafverfolgung, zur Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden der Länder, zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes oder des Militärischen Abschirmdienstes oder des Bundeskriminalamtes im Rahmen seiner Aufgabe zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus oder zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist. Die Voraussetzungen dieses Auskunftsanspruches sind schon deshalb nicht gegeben, da das Begehren der Klägerin keinem der genannten Zwecke dient. Ein Anspruch der Klägerin nach § 14 II TMG besteht daher nicht.

Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus, da es sich erkennbar eine Ausnahmeregelung handelt, die keine Erweiterung über den ausdrücklich genannten Anwendungsbereich hinaus finden soll, wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und der Regelung in § 12 II TMG ergibt.

Ein Auskunftsanspruch der Klägerin lässt sich auch nicht aus § 28 II BDSG herleiten, da es sich bei dieser Vorschrift nicht um eine solche handelt, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht. Insoweit sind die Regelungen des TMG abschließender Natur.

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Da der Klägerin somit ein Auskunftsanspruch im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses nicht zustand, war die Klage mangels Erledigung der Hauptsache abzuweisen. Soweit sich die Klägerin durch die Bewertung verleumdet sieht, muss sie sich staatsanwaltlicher Hilfe bedienen und gegebenenfalls im Wege der Akteneinsicht die gewünschten Kenntnisse erlangen. Da der Klägerin dieser Weg offensteht und sie darüber hinaus gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch hat und durchsetzen konnte, ist sie auch nicht rechtlos gestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 709 ZPO.

Der Streitwert entspricht dem Interesse der Klägerin an der begehrten Auskunft.

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