BGH
Az.: IX ZR 63/97
Urteil vom 02.07.1998
Normen: §§ 675, 209 BGB; § 18 BRAGO
Läßt die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls nicht die Feststellung zu, ob ein Anwaltsvertrag vorliegt oder nicht, so ist im Zweifel anzunehmen, daß derjenige, der die Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch nimmt, ihn auch in dieser Eigenschaft beauftragen will, weil er erwartet, daß der Rechtsanwalt bei seiner Tätigkeit auch die rechtlichen Interessen des Auftraggebers wahrnehmen werde.
1……
2. Zur Frage, wann der Rechtsanwalt den Mandanten vor Abschluß eines Anwaltsvertrags über die voraussichtliche Vergütung aufklären muß.
3. Die Klage auf Zahlung der Vergütung nach der BRAGO unterbricht die Verjährung des Vergütungsanspruchs auch dann, wenn der Rechtsanwalt seinem Auftraggeber noch keine Berechnung der Vergütung gem. § 18 BRAGO mitgeteilt hat. Wird dies bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz nachgeholt, so wird die Vergütungsforderung damit einforderbar.
Aus den Gründen:
1. Das BerGer. hat angenommen, dem KI. stehe keine anwaltliche Vergütung zu, und hat dazu ausgeführt:
…………….Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Das BerGer. ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Klageanspruch, eine Vergütung gemäß der BRAGO zu zahlen, eine vertragliche Anwaltstätigkeit mit der dafür typischen Rechtsbeistandspflicht (§ 3 I BRAO) voraussetzt (§ 1 I BRAGO; BGH, NJW 1980, 1855 = LM § 3 BRAGebO Nr. 10).
2. Die Revision rügt aber mit Erfolg, daß die tatrichterliche Feststellung, es sei davon auszugehen, daß der KI. eine solche Tätigkeit nicht ausgeübt habe, auf einem Verstoß gegen § 286 ZPO beruht, weil das BerGer. den streitigen Sachverhalt nicht umfassend geklärt hat.
a) Entgegen der Ansicht des BerGer. hat der Kl. hinreichend substantiiert vorgetragen, daß er mit der Bekl. einen Anwaltsdienstvertrag geschlossen habe; dessen Gegenstand die Vorbereitung des Kaufvertrags gewesen sei (§§ 611, 675 BGB; vgl. BGH, NJW 1996, 661 = LM. H. 4/1996 § 51 BRAO Nr. 25 = WM 1996, 540 [541]). Der Kl. hat unter Beweisantritt, Überreichung von Unterlagen und Schilderung von Einzelheiten behauptet, die Bekl. habe ihn 1993 beauftragt und bevollmächtigt, alle Rechtshandlungen zur Privatisierung und Übernahme des Betriebsteils Werkstechnik der C-AG vorzunehmen; in Wahrnehmung dieses anwaltlichen Mandats habe er ab Mitte Mai 1993 die Bedingungen eines Kaufvertrags – insbesondere hinsichtlich des Kaufpreises und der Übernahme von Mitarbeitern – ausgehandelt und zusammen mit der Treuhandanstalt den am 18. B. 1993 geschlossenen und beurkundeten Kaufvertrag entworfen und vorbereitet. Der schlüssigen Darlegung eines Anwaltsvertrags und der daraus folgenden Vergütungsforderung steht grundsätzlich nicht entgegen, daß der Kl. auch in anderer Weise für die Bekl. tätig war.
Ob im Einzelfall ein Anwaltsvertrag vorliegt mit der Verpflichtung, dem Auftraggeber rechtlichen Beistand zu leisten, hängt vom Inhalt der Aufgabe ab, die dem Rechtsanwalt übertragen und von diesem durchgeführt wurde. Die Rechtsberatung und -vertretung muß nicht der Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit sein. Ein Anwaltsvertrag im vorstehenden Sinne kann auch anwaltsfremde Maßnahmen umfassen, falls diese in einem engen inneren Zusammenhang mit der rechtlichen Beistandspflicht stehen und auch Rechtsfragen aufwerfen können. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Rechtsberatung und -vertretung völlig in den Hintergrund tritt und deswegen als unwesentlich erscheint (BGH, NJW 1985, 2642 = LM § 675 BGB Nr. 114; BGH, NJW 1994,1405 [1406] = LM H. 6/1994 § 675 BGB Nr. 198 jew. m. w. Nachw.). Läßt die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls nicht die Feststellung zu, ob ein Anwaltsvertrag vorliegt oder nicht, so ist im Zweifel anzunehmen, daß derjenige, der die Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch nimmt, ihn auch in dieser Eigenschaft beauftragen will, weil er erwartet, daß der Rechtsanwalt bei seiner Tätigkeit auch die rechtlichen Interessen des Auftraggebers wahrnehmen werde (BGH. NJW 1980, 1855 LM § 3 BRAGebO Nr. 10; BGH, NJW 1985, 2642 = LM 675 BGB Nr. 114). Danach kann ein Anwaltsvertrag gem. § 3 I BRAO, § 1 I BRAGO mit dem vom Kl. behaupteten Inhalt zwischen den Parteien neben den übrigen Tätigkeiten des Kl. für die Bekl. zustande gekommen sein.