LG Düsseldorf – Az.: 11 O 259/12 – Urteil vom 15.11.2012
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer großen Bank oder Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.
Tatbestand
Der Vater der Klägerin, A, verstarb am 18.10.2011. Er unterhielt bei der Beklagten seit dem 21.06.2005 eine Sofort Rente gegen Zahlung eines Einmal-Betrages. Als bezugsberechtigte Person im Todesfall wurde Frau B benannt.
Im Jahre 2011 wurde der Beklagten die Betreuung des Versicherungsnehmers A durch die Klägerin angezeigt. Mit Schreiben vom 11.10.2011 – eine Woche vor dem Tod des Herrn A – beantragte die Klägerin die Änderung des Bezugsrechts auf ihre eigene Person. Die Klägerin bestätigte die beantragte Änderung mit Schreiben vom 19.10.2011, nach ihren Angaben aufgrund eines technischen Fehlers.
Nach dem Tod ihres Vaters beantragte die Klägerin von der Beklagten Auszahlung der Versicherungsleistung an sie, die Klägerin. Die Beklagte teilte ihr mit Schreiben vom 02.12.2011 mit, dass sie entgegen dem Schreiben vom 19.10.2011, mit dem sie die Änderung des Bezugsrechts bereits bestätigt gehabt habe, die Bestätigung als nichtig erklären müsse. Grund hierfür sei, dass es sich bei der Änderung des Bezugsrecht um ein nach § 181 BGB unzulässiges In-Sich-Geschäft handele. Hierfür müsse eine Bescheinigung des Betreuungsgerichts über die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB vorgelegt werden.
In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu einem Schriftwechsel über die Auszahlung der Versicherungssumme. Die Beklagte lehnte es weiterhin ab, die Versicherungssumme an die Klägerin auszuzahlen.
Nunmehr verfolgt die Klägerin mit der vorliegenden Klage die Auszahlung der Versicherungssumme aus der Lebensversicherung ihres verstorbenen Vaters an sie, die Klägerin.
Sie trägt im Wesentlichen vor: Sie sei – unstreitig – mit Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 20.06.2011 zum vorläufigen gesetzlichen Betreuer ihres Vaters A bestellt worden. Die Bestellung zur Betreuerin habe die Aufgabenkreise Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten und Rechts- / Antrags- und Behördenangelegenheiten umfasst (Bestellungsurkunde des AG Hannover vom 20.06.2011, Anlage K 1).
Kurz vor seinem Tode habe der Vater der Klägerin, Herr A, die Klägerin gebeten, für ihn das bestehende Bezugsrecht zu Gunsten von Frau B zu widerrufen und gegenüber der Beklagten die Klägerin selber als Bezugsberechtigte zu benennen.
Hintergrund dieser Entscheidung sei die Tatsache gewesen, dass sich Frau B wegen fortschreitender Demenz zwischenzeitlich selbst im Pflegeheim befunden habe und für sie ebenfalls ein gesetzlicher Betreuer bestellt worden sei. Eine Verbesserung des Zustandes von Frau B sei daher nicht abzusehen gewesen. Daher sei der ursprüngliche Gedanke, mit der Versicherungssumme den Verbleib von Frau B in der gemeinsamen Wohnung von Frau B und dem Vater der Klägerin abzusichern, hinfällig.
Mit ihrem Schreiben vom 11.10.2011 habe die Klägerin das Bezugsrecht als Vertreterin ihres Vaters wirksam geändert oder zumindest das bestehende Bezugsrecht wirksam widerrufen.
Die Klägerin beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 29.656,21 Euro nebst Zinsen hieraus seit dem 13.12.2011 zu zahlen,
2.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 610,11 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor:
Soweit die Klägerin vortrage, die Änderung des Bezugsrechts sei auf Wunsch des Versicherungsnehmers erfolgt, werde dies mit Nichtwissen bestritten. Entsprechendes gelte für den weiteren Vortrag, mit welchem der Widerruf des Bezugsrechts von der Klägerin begründet worden sei.
Hierauf komme es im Ergebnis aber nicht an. Denn die Klägerin sei aus Rechtsgründen gehindert gewesen, dass zu Gunsten von Frau B bestehende Bezugsrecht zu widerrufen und ein auf ihre Person lautendes Recht zu begründen. In der gewünschten Bezugsrechtsänderung habe ein unentgeltliches Rechtsgeschäft im Sinne einer Schenkung zu Grunde gelegen. Derartige Rechtsgeschäfte seien dem Betreuer gemäß § 1908 Absatz 2 i.V.m. § 1804 BGB untersagt und unheilbar nichtig. Dies betreffe sowohl das Schenkungsversprechen als auch unentgeltliche Verfügungen, so dass nicht nur das Kausalgeschäft, sondern auch die Bezugsrechtsänderung unwirksam gewesen sei.
Auch stehe der Bezugsrechtsänderung der Genehmigungsvorbehalt gemäß § 1908 i i.V.m. § 1831 BGB entgegen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin von der Beschränkung des § 1812 BGB befreit gewesen sei. Es sei jedenfalls keine Befreiung von § 1831 BGB erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme aus der Lebensversicherung ihres verstorbenen Vaters in Höhe von 29.656,21 Euro zu.
Die bezugsberechtigte Person im Todesfall war seit Abschluss des Versicherungsvertrages Frau Else B. Die Bezugsrechtsänderung ist später nicht wirksam zu Gunsten der Klägerin geändert worden. Die Klägerin war aus rechtlichen Gründen daran gehindert, mit Schreiben vom 11.10.2011 das zu Gunsten von Frau B bestehende Bezugsrecht zu widerrufen und ein auf ihre Person lautendes Recht zu begründen.
Wie die Beklagte richtig ausgeführt hat, lag der von der Klägerin – angeblich im Auftrag ihres Vaters – gewünschten Bezugsrechtsänderung ein unentgeltliches Rechtsgeschäft im Sinne einer Schenkung zu Grunde. Derartige Rechtsgeschäfte sind dem Betreuer – hier der Klägerin als Betreuerin ihres inzwischen verstorbenen Vaters – gemäß § 1908 i Absatz 2 BGB i.V.m. § 1804 BGB untersagt und unheilbar nichtig (Palandt, 71. Auflage, § 1804 BGB Rdnr. 1). Dies gilt sowohl hinsichtlich des Schenkungsversprechens als auch hinsichtlich unentgeltlicher Verfügungen, so dass nicht nur das Kausalgeschäft, sondern auch die Bezugsrechtsänderung als solche unwirksam war.
Darüber hinaus steht der Bezugsrechtsänderung der Genehmigungsvorbehalt des § 1908 i BGB i.V.m. § 1831 BGB entgegen. Dies deshalb, weil sowohl der Widerruf eines eingeräumten Bezugsrechts als auch dessen Änderung eine inhaltliche Umgestaltung des aufschiebend bedingten Anspruchs auf Versicherungsleistung darstellt und damit ein einseitiges Verfügungsgeschäft. Derartige Rechtsgeschäfte kann der Betreuer ohne Genehmigung des Familiengerichts nicht wirksam vornehmen. Hieran ändert sich auch dadurch nichts, dass die Klägerin von den Beschränkungen des § 1812 BGB befreit war. Abgesehen davon, dass die Befreiung ausweislich der Betreuungsurkunde des Amtsgerichts Hannover allein im Hinblick auf „Verfügungen über Konten aller Art“ erfolgt ist, also Bezugsrechtsänderungen gerade nicht in das Belieben der Klägerin gestellt waren, erfolgte aber jedenfalls keine Befreiung von der Vorschrift des § 1831 BGB.
Sofern die Klägerin oder deren Prozessbevollmächtigter einen der Beklagten mit der Bezugsrechtsbestimmung zu Gunsten von Frau B konkludent erteilten Auftrag zur Überbringung eines Schenkungsversprechens widerrufen haben, vermag auch dies keinen Anspruch begründen. Selbst wenn man in diesem Zusammenhang mit der Klägerin davon ausgeht, dass infolge des Widerrufs zur Überbringung eines Schenkungsangebotes kein wirksames Kausalgeschäft zwischen der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherungsnehmers und Frau B zu Stande gekommen wäre, so beträfe dies allein das Rechtsverhältnis der Vorbenannten, nicht aber das zwischen den Parteien bestehende Valutaverhältnis. Denn, auch wenn der Erbe den „Wettlauf“ gewinnt und den Auftrag zur Überbringung eines Schenkungsangebots widerruft, bevor der Versicherer dieses dem Bezugsberechtigten übermittelt hat, folgt hieraus allein, dass dem Bezugsberechtigten kein Rechtsgrund zum Behaltendürfen der Versicherungsleistung zur Seite steht, im Ergebnis also die Versicherungsleistung an den Erben heraus zu geben ist.
Dem gegenüber bleibt das für das Deckungsverhältnis maßgebliche Bezugsrecht hiervon unberührt, der Versicherer ist also verpflichtet, die Versicherungsleistung an den Bezugsberechtigten auszuzahlen (vgl. Prölss / Martin, § 13 ALB 86, Rdnr. 31 m.w.N.).
Soweit die Klägerin anführt, sie bzw. ihr Prozessbevollmächtigter hätten vorprozessual das Bezugsrecht zu Gunsten von Frau B wirksam widerrufen, kann dem nicht gefolgt werden. Der Widerruf vom 21.02.2012 war bereits deshalb unbeachtlich, da dieser nach dem Tod des Versicherungsnehmers ausgesprochen wurde. Denn mit Eintritt des Versicherungsfalls am 18.10.2011 wurde das Bezugsrecht unwiderruflich (§ 159 Absatz 2 VVG) und konnte Frau B daher auch nicht mehr entzogen werden.
Das Schreiben der Klägerin vom 11.10.2011 erfolgte zwar vor dem Tod des Versicherungsnehmers. Die zu Gunsten der Klägerin erfolgte Bezugsrechtseinräumung war aber gemäß § 1908 i Absatz 2 BGB i.V.m. § 1804 BGB nichtig, wie oben bereits ausgeführt wurde. Diese Unwirksamkeit erfasste auch den gleichzeitig zum Ausdruck kommenden Widerruf des Bezugsrechts zu Gunsten von Frau B, da – aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Empfängerhorizonts – mit dem Schreiben vom 11.01.2011 nicht zwei getrennte Verfügungsakte in Form des Widerrufs einerseits und der Einräumung von Bezugsrechten andererseits, sondern eine einheitliche „Änderung des Bezugsrechts“ erfolgte.
Nach alledem ist – wovon die Beklagte zu Recht ausgegangen ist – die Änderung des Bezugsrechts zu Gunsten der Klägerin unwirksam, so dass der Klage (Klageantrag zu Ziffer 1.) der Erfolg versagt bleibt. Mangels begründeter Hauptforderung bleibt auch der Klageantrag zu Ziffer 2. auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Absatz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Streitwert: 29.656,21 Euro.