Übersicht:
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- BGH stoppt Verwahrentgelte (Negativzinsen): Der Wesenskern von Sparverträgen ist unantastbar
- Der Paukenschlag aus Karlsruhe: Ein Urteil, das genau hinschaut
- Das gescheiterte Schutzschild der Banken
- Was dieses Urteil jetzt konkret für Ihr Geld bedeutet
- Ein Blick über den Tellerrand: Was das Urteil nicht entschieden hat
- Häufig gestellte Fragen zum BGH-Urteil zu Verwahrentgelten
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was ist der erste Schritt, den ich jetzt unternehmen muss, um mein Geld zurückzubekommen?
- Was ist, wenn ich der Einführung der Gebühr damals zugestimmt habe? Gilt das Urteil trotzdem für mich?
- Ich habe diese Gebühren schon vor mehreren Jahren gezahlt. Ist es jetzt zu spät, eine Rückforderung zu stellen?
- Gilt die Entscheidung für alle meine Konten, also auch für mein normales Girokonto?
- Meine Bank argumentiert, die Gebühr sei keine Standardklausel gewesen, sondern eine ganz persönliche Absprache mit mir. Zählt das?
- Ich bin selbstständig und habe die Gebühren auf meinem Geschäftskonto bezahlt. Kann ich mein Geld auch zurückfordern?
- Der Vertragszweck als rote Linie: Ein Name ist mehr als nur ein Wort

Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Negativzinsen („Verwahrentgelte„) auf Spar- und Tagesgeldkonten für unwirksam erklärt (Az. XI ZR 183/23).
- Begründung: Solche Gebühren widersprechen dem grundlegenden Charakter eines Sparvertrags, der dem Kapitalerhalt und der Vermögensansammlung dient.
- Das Urteil gilt für vorformulierte Klauseln in Verträgen mit Verbrauchern, nicht für Girokonten oder Geschäftskunden.
- Argumente der Banken, wie die EZB-Zinspolitik oder gewährte Freibeträge, wurden vom BGH zurückgewiesen.
- Kunden, die solche Entgelte gezahlt haben, haben einen direkten Anspruch auf Rückerstattung der Beträge.
- Betroffene sollten ihre Kontoauszüge (insbes. 2020-2022) prüfen und ihre Bank unter Verweis auf das BGH-Urteil schriftlich zur Rückzahlung auffordern.
Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. Februar 2025, Az. XI ZR 183/23
BGH stoppt Verwahrentgelte (Negativzinsen): Der Wesenskern von Sparverträgen ist unantastbar
Es ist eine Situation, die unzählige Sparer in Deutschland über Jahre hinweg irritiert und verärgert hat. Ein Verbraucherschutzverein, der die Interessen von Millionen Bürgern vertritt, sah sich mit einer Praxis konfrontiert, die dem Grundgedanken des Sparens zu widersprechen schien. Eine große deutsche Geschäftsbank, die „C-Bank“, hatte in den Jahren 2020 bis 2022 begonnen, für Guthaben auf Sparkonten Gebühren zu erheben. Zunächst traf es Neukunden, denen ein „Verwahrentgelt“ von 0,5 % pro Jahr für Einlagen oberhalb gestaffelter Freibeträge (zuerst 250.000 €, später nur noch 50.000 €) berechnet wurde.
Bald darauf wurden auch Bestandskunden mit gesonderten Vereinbarungen konfrontiert, in denen ein „Guthabenentgelt“ festgelegt wurde, das ebenfalls das Ersparte schmälerte.
Für die Bank war dies eine Reaktion auf die damalige Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die von den Banken selbst Zinsen für geparkte Gelder verlangte. Doch für die Verbraucherschützer war es ein inakzeptabler Eingriff. Sie zogen vor Gericht, um eine fundamentale Frage klären zu lassen: Darf eine Bank im Kleingedruckten festlegen, dass das Geld, welches Kunden zum Zweck des Ansparens und Vermehrens anvertrauen, stattdessen durch Gebühren systematisch weniger wird? Der Fall wanderte durch die Instanzen, die Meinungen der Gerichte gingen auseinander, bis er schließlich zur endgültigen Entscheidung beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe landete. Dieses Urteil sollte die Spielregeln für Banken und Sparer nachhaltig verändern.
Der Paukenschlag aus Karlsruhe: Ein Urteil, das genau hinschaut
Am 4. Februar 2025 fällte der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sein wegweisendes Urteil (Az. XI ZR 183/23) und erklärte die umstrittenen Klauseln der Bank für unwirksam. Auf den ersten Blick ein klarer Sieg für die Verbraucher. Doch die wahre Brillanz der Entscheidung liegt im Detail und in der präzisen juristischen Unterscheidungskraft der Richter. Sie haben nicht pauschal alle Negativzinsen verboten, sondern sehr genau analysiert, um welche Art von Vertrag es sich handelt und was sein eigentlicher Zweck ist.
Das Gericht stellte klar, dass die Erhebung von Entgelten auf Spareinlagen fundamental anders zu bewerten ist als bei reinen Girokonten. Während ein Girokonto primär eine Dienstleistung für den Zahlungsverkehr darstellt – vergleichbar mit einem Postfach für Geldtransaktionen –, hat ein Sparvertrag einen völlig anderen Charakter. Diese Differenzierung ist entscheidend, um die gesamte Tragweite des Urteils zu verstehen. Es geht nicht um die Frage, ob eine Bank für eine Leistung Geld verlangen darf, sondern darum, ob sie einseitig den Kernzweck eines Vertrages aushöhlen kann.
Die Reise durch die Instanzen: Ein juristisches Tauziehen
Bevor der Fall den BGH erreichte, hatte er bereits für juristische Debatten gesorgt. Das Landgericht Frankfurt am Main gab zunächst den Verbraucherschützern recht. Doch das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hob diese Entscheidung auf und stellte sich auf die Seite der Bank. Die Begründung des OLG war formaljuristisch nachvollziehbar: Bei dem „Verwahrentgelt“ handele es sich um eine sogenannte Preishauptabrede.
Eine Preishauptabrede ist, vereinfacht gesagt, der Preis für die Kernleistung eines Vertrages – wie der Kaufpreis für ein Auto oder die Miete für eine Wohnung. Solche Preisabsprachen dürfen Gerichte im Rahmen der Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) normalerweise nicht auf ihre Angemessenheit überprüfen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Preis frei verhandelt wird und die Gerichte keine „Preispolizei“ sein sollen. Das OLG argumentierte, die Verwahrung des Geldes sei eine Hauptleistung der Bank, und das Entgelt sei der Preis dafür. Damit wäre die Klausel einer inhaltlichen Prüfung entzogen.
Genau an diesem Punkt setzte der Bundesgerichtshof den Hebel an und vollzog eine entscheidende Wende in der Argumentation.
Die DNA des Sparvertrags: Mehr als nur sichere Aufbewahrung
Der BGH widersprach der Sichtweise des OLG nicht rundheraus, sondern verfeinerte sie auf geniale Weise. Ja, die Verwahrung des Geldes ist eine Leistung. Aber bei einem Sparvertrag ist sie untrennbar mit einem weiteren, prägenden Zweck verbunden: dem Sparen selbst. Die Richter griffen tief in die juristische und sogar historische Bedeutung des Sparvertrags ein. Sie stellten fest, dass Spareinlagen seit jeher der „Ansammlung oder Anlage von Vermögen“ dienen. Das Ziel ist es, Kapital zu erhalten und idealerweise durch Zinsen zu mehren.
Hier liegt der Kern des Urteils: Dieser Charakter des Sparvertrags wird durch die Erhebung eines Verwahr- oder eines Guthabenentgelts entgegen den Geboten von Treu und Glauben verändert, da das laufzeitabhängige Verwahr- oder Guthabenentgelt mit dem den Sparvertrag kennzeichnenden Kapitalerhalt nicht zu vereinbaren ist. Die Klausel ist also nicht nur ein Preisschild für eine Dienstleistung, sondern sie verändert die DNA des gesamten Vertrags. Sie verkehrt den Zweck ins Gegenteil.
Ein Alltagsvergleich macht dies deutlich: Wenn Sie einem Gärtner Geld dafür geben, eine junge Pflanze aufzuziehen, damit sie wächst und Früchte trägt, erwarten Sie nicht, dass er Ihnen zusätzlich eine Gebühr berechnet, für die er jeden Monat ein Blatt abschneidet. Genau das passierte aber mit den Spareinlagen. Für alle Sparer bedeutet diese Feststellung des Gerichts, dass der Name „Sparvertrag“ nicht nur eine leere Hülse ist, sondern eine rechtlich geschützte Erwartungshaltung begründet: Das eingezahlte Geld soll nicht planmäßig weniger werden.
Kontrollfähige Klausel oder nicht? Der entscheidende Unterschied
Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) schützt Verbraucher vor unfairen Klauseln im „Kleingedruckten“. Eine zentrale Vorschrift ist § 307 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Er besagt, dass Klauseln unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Aber: Diese Inhaltskontrolle gilt laut § 307 Abs. 3 BGB nicht für Klauseln, die nur den Preis und die Hauptleistung festlegen (Preishauptabreden). Der BGH entschied hier, dass die Negativzins-Klausel für Spareinlagen eben keine reine Preisabrede ist, weil sie die Hauptleistung selbst – das Sparen mit dem Ziel des Kapitalerhalts – grundlegend verändert und damit kontrollierbar wird.
Das gescheiterte Schutzschild der Banken
Die beklagte Bank hatte mehrere Argumente vorgebracht, um die Rechtmäßigkeit ihrer Entgelte zu verteidigen. Sie verwies auf die schwierige Marktlage, die durch die Zinspolitik der EZB entstanden war, und auf die großzügigen Freibeträge, die sie ihren Kunden einräumte. Doch der BGH ließ sich von diesen Argumenten nicht überzeugen und demontierte die Verteidigungslinie der Bank Punkt für Punkt.
Das Argument der EZB-Kosten: Eine abgewälzte Last
Die Banken argumentierten, sie hätten die Kosten, die ihnen durch die negativen Einlagezinsen der EZB entstanden, lediglich an ihre Kunden weitergegeben. Das sei wirtschaftlich notwendig gewesen. Der BGH erkannte diese wirtschaftliche Zwangslage zwar an, erteilte dem Argument aber eine klare Absage.
Die Richter stellten fest: Diese mit dem damaligen Marktzinsniveau verbundenen Umstände rechtfertigen es aber nicht, vertraglich berechtigte Erwartungen von Verbrauchern, ihr in Spareinlagen gehaltenes Kapital mindestens zu erhalten, durch die Einführung eines Verwahr- oder Guthabenentgelts […] zu enttäuschen.
Die Entscheidung, wie eine Bank auf veränderte Marktbedingungen reagiert und ihre Kosten deckt, gehört zu ihrem unternehmerischen Risiko. Dieses Risiko kann sie nicht einfach durch eine Klausel, die den Vertragszweck untergräbt, auf die Schultern ihrer Kunden abwälzen.
Ein Vergleich aus dem Alltag: Wenn die Miete für ein Restaurant steigt, kann der Wirt die Preise für seine Gerichte anheben. Er kann aber nicht plötzlich anfangen, seinen Gästen für die Benutzung von Teller und Besteck eine separate „Infrastrukturgebühr“ zu berechnen, die das Essen selbst ad absurdum führt. Die Kalkulation muss im Rahmen des üblichen Geschäftsmodells bleiben.
Die Illusion der Freibeträge: Ein bisschen Unrecht ist auch Unrecht
Ein weiteres Argument der Bank war, dass die Entgelte ja nicht auf das gesamte Guthaben anfielen, sondern erst oberhalb von Freibeträgen von anfangs 250.000 € und später 50.000 €. Dies mildere die Belastung für die Kunden erheblich. Auch hier blieben die Karlsruher Richter hart. Sie folgten ihrer ständigen Rechtsprechung, wonach die geringe Höhe eines unzulässigen Entgelts oder das Vorhandensein von Freibeträgen die Unzulässigkeit der Klausel an sich nicht heilt.
Eine prinzipiell unfaire Regelung wird nicht dadurch fair, dass sie nur „ein bisschen“ angewendet wird. Das ist, als würde man argumentieren, eine kleine Menge Gift sei unbedenklich. Das Prinzip des Kapitalerhalts beim Sparvertrag wird verletzt, unabhängig davon, ob dies ab dem ersten Euro oder erst ab 50.001 € geschieht. Für Sie als Kunde bedeutet das: Eine Bank kann sich nicht damit herausreden, dass eine unfaire Gebühr ja „nicht so hoch“ sei. Wenn die Regelung im Kern fehlerhaft ist, ist sie es ganz.
Was dieses Urteil jetzt konkret für Ihr Geld bedeutet
Die Entscheidung des BGH ist mehr als nur eine abstrakte juristische Abhandlung. Sie hat direkte und handfeste Konsequenzen für Millionen von Bankkunden in Deutschland, die in der Vergangenheit sogenannte Verwahrentgelte auf ihre Spar- und Tagesgeldkonten gezahlt haben. Die für unwirksam erklärten Klauseln sind rechtlich so zu behandeln, als hätte es sie nie gegeben.
Ihr Recht auf Rückerstattung: So kommen Sie an Ihr Geld
Alle auf Basis dieser oder ähnlicher unwirksamer Klauseln gezahlten Verwahrentgelte wurden ohne Rechtsgrundlage von den Banken einbehalten. Daraus ergibt sich für Sie ein direkter Anspruch auf Rückerstattung. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass die Banken dieses Geld nicht automatisch zurücküberweisen werden. Sie müssen selbst aktiv werden.
Für Betroffene ist der erste Schritt, die Kontoauszüge der Jahre 2020 bis 2022 oder anderer relevanter Zeiträume sorgfältig zu prüfen und die Summe der abgezogenen Verwahrentgelte zu ermitteln. Fordern Sie Ihre Bank anschließend schriftlich zur Rückzahlung dieser Beträge auf und beziehen Sie sich dabei ausdrücklich auf das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 4. Februar 2025 (Az. XI ZR 183/23). Es ist ratsam, der Bank für die Rückzahlung eine klare Frist zu setzen, beispielsweise von zwei bis drei Wochen. Sollte Ihre Bank die Zahlung verweigern, kann der nächste Schritt die Einschaltung einer Verbraucherzentrale oder eines Anwalts sein.
In diesen typischen Situationen greift das Urteil
Die Relevanz des Urteils erstreckt sich auf verschiedene alltägliche Szenarien. Betroffen ist jeder Verbraucher, der ein klassisches Sparbuch, ein Tagesgeldkonto oder eine andere Form der Spareinlage bei einer Bank hatte, die dafür ein „Verwahrentgelt“, „Negativzins“ oder „Guthabenentgelt“ berechnet hat. Dies gilt auch, wenn Sie einer solchen Regelung zugestimmt haben, weil die Bank dies zur Bedingung für die Fortführung des Kontos gemacht hat. Da die Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von vornherein unwirksam war, ist auch Ihre Zustimmung dazu rechtlich ohne Belang.
Ein weiterer typischer Fall ist der eines Anlegers, der eine größere Summe, etwa aus einer Erbschaft oder dem Verkauf einer Immobilie, vorübergehend auf einem Tagesgeldkonto geparkt hat. Gerade hier wurden oft hohe Verwahrentgelte fällig, die nun zurückgefordert werden können. Prüfen Sie auch die Bedingungen bei Online-Banken oder Direktbanken, da auch diese Institute solche Entgelte erhoben haben. Denken Sie daran, dass die Bezeichnung der Gebühr keine Rolle spielt; entscheidend ist, dass Ihr Sparguthaben durch eine laufende, prozentuale Gebühr geschmälert wurde.
Die tickende Uhr: Ein entscheidendes Wort zur Verjährung
Ein zentraler Punkt für die Durchsetzung Ihrer Ansprüche ist die Verjährung. Grundsätzlich verjähren solche Rückforderungsansprüche nach drei Jahren. Die Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und Sie von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt haben. Hierüber wird es voraussichtlich noch rechtliche Auseinandersetzungen geben.
Viele Juristen argumentieren, dass die für die Kenntnis erforderliche Rechtssicherheit für einen Laien erst mit diesem höchstrichterlichen Urteil des BGH geschaffen wurde. Sollte sich diese Ansicht durchsetzen, könnten Sie auch Entgelte zurückfordern, die bereits vor mehr als drei Jahren gezahlt wurden. Sie sollten daher nicht zögern, auch länger zurückliegende Zahlungen bei Ihrer Bank anzumahnen und sich im Zweifel rechtlich beraten zu lassen. Gerne prüfen wir Ihren Fall. Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an.
Ein Blick über den Tellerrand: Was das Urteil nicht entschieden hat
So weitreichend die Entscheidung des BGH auch ist, so wichtig ist es, ihre Grenzen zu verstehen. Das Urteil betrifft vorformulierte Klauseln in Verträgen mit Verbrauchern. Die Frage, ob Verwahrentgelte in Verträgen mit Geschäftskunden (Unternehmen, Selbstständige) zulässig sind, wurde hier nicht entschieden. Zwar gelten auch für sie Schutzmechanismen im AGB-Recht, diese sind aber schwächer ausgeprägt.
Ebenfalls nicht geklärt ist die Lage bei echten Individualvereinbarungen. Wenn eine Bank mit einem Kunden ein Verwahrentgelt nicht nur über ein Formular, sondern tatsächlich im Detail frei ausgehandelt hat, könnte eine solche Vereinbarung wirksam sein.
Der BGH hat hier die Hürden aber sehr hoch gelegt: Ein echtes Aushandeln liegt nur vor, wenn die Bank den Kern der Regelung ernsthaft zur Disposition stellt. Das reine Verhandeln über die Höhe des Freibetrags oder den genauen Prozentsatz reicht dafür nicht aus. Das ist vergleichbar mit einem Autokauf, bei dem der Verkäufer Sie zwar über die Farbe der Sitze verhandeln lässt, aber der Motor und das Chassis (die Grundstruktur der Gebühr) unveränderlich vorgegeben sind.
Das Urteil hat damit eine grundlegende rote Linie für den Umgang mit Spareinlagen gezogen. Es stärkt die Position der Verbraucher erheblich und erinnert die Finanzinstitute daran, dass wirtschaftliche Interessen nicht über die fundamentalen Prinzipien des Vertragsrechts gestellt werden dürfen. Der Kernzweck eines Vertrages ist und bleibt heilig – und beim Sparen ist das der Erhalt und die Mehrung des anvertrauten Kapitals.
Häufig gestellte Fragen zum BGH-Urteil zu Verwahrentgelten
Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten praktischen Fragen, die sich aus dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs zu den sogenannten Verwahrentgelten auf Spareinlagen ergeben.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist der erste Schritt, den ich jetzt unternehmen muss, um mein Geld zurückzubekommen?
Sie müssen selbst aktiv werden, da die Banken die zu Unrecht gezahlten Entgelte nicht automatisch erstatten. Der erste Schritt ist, Ihre Kontoauszüge aus den betroffenen Jahren, insbesondere 2020 bis 2022, durchzusehen und die Summe aller abgebuchten Verwahrentgelte oder Guthabenentgelte zu ermitteln. Fordern Sie Ihre Bank anschließend schriftlich zur Rückzahlung auf und beziehen Sie sich dabei ausdrücklich auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4. Februar 2025 (Az. XI ZR 183/23). Es ist empfehlenswert, der Bank eine klare Frist für die Überweisung zu setzen, zum Beispiel drei Wochen.
Was ist, wenn ich der Einführung der Gebühr damals zugestimmt habe? Gilt das Urteil trotzdem für mich?
Ja, das Urteil gilt auch dann für Sie. Die Richter haben entschieden, dass die Vertragsklausel, die das Verwahrentgelt eingeführt hat, von Anfang an unwirksam war. Sie verstößt gegen den fundamentalen Zweck eines Sparvertrages. Aus diesem Grund ist auch Ihre Zustimmung zu dieser unwirksamen Klausel rechtlich ohne Bedeutung. Es spielt also keine Rolle, ob Sie der Regelung aktiv zugestimmt haben oder dies unter dem Druck geschehen ist, dass Ihr Konto andernfalls gekündigt worden wäre. Die Gebühr wurde ohne gültige Rechtsgrundlage erhoben.
Ich habe diese Gebühren schon vor mehreren Jahren gezahlt. Ist es jetzt zu spät, eine Rückforderung zu stellen?
Das ist die entscheidende Frage der Verjährung, die noch nicht endgültig geklärt ist. Grundsätzlich verjähren solche Ansprüche nach drei Jahren. Allerdings argumentieren viele Juristen, dass die für den Beginn dieser Frist nötige rechtliche Klarheit für Laien erst durch das höchstrichterliche BGH-Urteil geschaffen wurde. Wenn sich diese Auffassung durchsetzt, könnten Sie auch Entgelte zurückfordern, die bereits vor mehr als drei Jahren gezahlt wurden. Sie sollten daher nicht zögern, auch ältere Forderungen bei Ihrer Bank anzumelden, um Ihre Ansprüche zu sichern.
Gilt die Entscheidung für alle meine Konten, also auch für mein normales Girokonto?
Nein, hier hat das Gericht eine sehr wichtige Unterscheidung gemacht. Das Verbot, ein Entgelt für das Guthaben zu erheben, gilt für alle Konten, deren Hauptzweck das Sparen ist. Dazu gehören klassische Sparbücher und Tagesgeldkonten. Deren „DNA“ ist der Kapitalerhalt, der durch eine solche Gebühr verletzt wird. Ein Girokonto dient hingegen in erster Linie dem Zahlungsverkehr, also einer Dienstleistung der Bank. Hier ist ein Entgelt für die Kontoführung oder Verwahrung nicht grundsätzlich ausgeschlossen, weshalb die Entscheidung für Girokonten nicht direkt übertragbar ist.
Meine Bank argumentiert, die Gebühr sei keine Standardklausel gewesen, sondern eine ganz persönliche Absprache mit mir. Zählt das?
Hier kommt es auf die Details an. Das Urteil bezieht sich auf vorformulierte Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wie sie von Banken standardmäßig verwendet werden. Eine echte, frei ausgehandelte Individualvereinbarung könnte theoretisch wirksam sein. Der Bundesgerichtshof hat die Hürden dafür aber extrem hoch gelegt. Ein echtes Aushandeln liegt nur dann vor, wenn die Bank die Grundstruktur der Gebühr ernsthaft zur Verhandlung gestellt hat. Das bloße Verhandeln über die Höhe des Freibetrags oder den Prozentsatz reicht dafür nicht aus.
Ich bin selbstständig und habe die Gebühren auf meinem Geschäftskonto bezahlt. Kann ich mein Geld auch zurückfordern?
Das ist leider noch unklar. Das Urteil des Bundesgerichtshofs bezog sich ausdrücklich auf Verträge mit Verbrauchern und nicht mit Geschäftskunden wie Unternehmen oder Selbstständigen. Zwar gibt es auch für Geschäftskunden Schutzmechanismen vor unfairen Vertragsklauseln, diese sind aber schwächer ausgeprägt als im Verbraucherrecht. Die Frage, ob die Argumentation der Richter auch auf Geschäftskonten übertragen werden kann, wurde hier nicht entschieden und muss möglicherweise in zukünftigen Verfahren geklärt werden. Ihre Rechtsposition ist daher unsicherer als die eines privaten Sparers.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Der Vertragszweck als rote Linie: Ein Name ist mehr als nur ein Wort
Dieses Urteil ist weit mehr als ein Sieg für Verbraucher; es ist eine Grundsatzentscheidung über die Integrität von Verträgen. Der Bundesgerichtshof hat eine klare rote Linie gezogen: Der Wesenskern eines Sparvertrags – der Kapitalerhalt – ist unantastbar und darf nicht durch kreative Gebührenmodelle ausgehöhlt werden, um unternehmerisches Risiko auf den Kunden abzuwälzen.
Für Sparer ist die Botschaft klar: Der Name eines Finanzprodukts ist keine leere Werbehülse, sondern ein rechtlich bindendes Versprechen. Die Entscheidung stärkt damit nicht nur den Anspruch auf Rückerstattung, sondern vor allem das Vertrauen in die fundamentalen Spielregeln zwischen Bank und Kunde für die Zukunft. Das Prinzip hat über die reine Kostenlogik gesiegt.

Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz