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Fehlender Warnhinweis vor Alkoholgefahr auf Bierflasche – Schadensersatz- und Schmerzensgeld?


Oberlandesgericht Hamm

Az.: 9 W 23/00

Beschluss vom 14.02.2001


Tenor

Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 14.02.2001 beschlossen:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 19. Januar 2000, nicht abgeholfen durch Beschluss vom 01. März 2000, wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.


Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt Prozeßkostenhilfe für eine Schadenersatzklage, mit der er die Gegnerin wegen fehlender Warnhinweise vor Alkoholmißbrauch in Anspruch nehmen will.

Der Antragsteller behauptet, er habe seit etwa 17 Jahren von der Gegnerin hergestelltes Bier konsumiert und sei dadurch alkoholkrank geworden. Aus diesem Grunde habe sich seine Ehefrau von ihm scheiden lassen und sei er arbeitslos geworden. Desweiteren habe er seine Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit am Steuer verloren. Er vertritt die Ansicht, die Gegnerin sei verpflichtet gewesen, auf die Gefahren hinzuweisen, die bei regelmäßigem, insbesondere aber exzessivem Konsum des von ihr hergestellten Produktes „Bier“ entstehen könnten. Er behauptet, wenn sich auf den von ihm erworbenen Flaschen Warnhinweise befunden hätten, wäre er von übermäßigem Trinkkonsum abgehalten worden.

Mit der beabsichtigten Klage begehrt der Antragsteller ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 30.000,00 DM sowie die Feststellung einer Schadenersatzpflicht der Gegnerin für alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden, die ihm aus dem Alkoholkonsum noch entstehen werden.

Die Gegnerin tritt diesem Begehren entgegen. Sie verneint eine Verpflichtung zu besonderen Hinweisen auf die Gefahren übermäßigen Alkoholkonsums und bestreitet, daß der Antragsteller sich von derartigen Warnhinweisen von seinem Bierkonsum hätte abhalten lassen.

Das Landgericht hat die beantragte Prozeßkostenhilfe im wesentlichen mit der Begründung verweigert, (daß es für eine Hinweispflicht auf „Risiken und Nebenwirkungen“ von Bier keine gesetzliche Vorschrift gebe, daß die Alkoholhaltigkeit von Bier allgemein bekannt sei und selbst bei Annahme einer Produkthaftung der Gegnerin das Eigenverschulden des Antragstellers derart schwer wiege, daß demgegenüber eine Verantwortlichkeit der Gegnerin nicht mehr ins Gewicht falle.

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Prozeßkostenhilfegesuch weiter, wobei er als Anspruchsgrundlage die aus § 823 BGB hergeleitete Produzentenhaftung wegen Verstoßes gegen Instruktions- und Produktbeobachtungspflichten in den Vordergrund stellt.

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO statthafte Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat die beantragte Prozeßkostenhilfe zu Recht verweigert; denn die von dem Antragsteller beabsichtigte Schadenersatzklage bietet auch nach der Beurteilung des Senats keine Aussicht auf Erfolg.

1.

Dem Antragsteller steht kein nach §§ 823, 847 BGB aus Produzentenhaftung hergeleiteter Schadenersatzanspruch gegen die Gegnerin zu.

a)

Nach anerkannter Rechtsprechung ist der Hersteller eines Produktes im Rahmen der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht zwar unter anderem gehalten, die Produktanwender durch sachgemäße Instruktionen vor Gefahren zu warnen, die von dem Produkt ausgehen können (Instruktionspflicht). Diese Pflicht erstreckt sich jedoch nicht auf solche Risiken, die jedem Verständigen einleuchten. Da sie nur die selbstverantwortliche Gefahrensteuerung ermöglichen soll, ist eine Warnung nicht erforderlich, wenn und soweit der Produktanwender selbst über die sicherheitsrelevanten Informationen verfügt und sie ihm im konkreten Fall gegenwärtig sind (BGH NJW 1994, 932 <933> m.w.N.; Meyer, Instruktionshaftung, 1992, S. 126). Da hiernach die Instruktionspflicht grundsätzlich nur im Rahmen der vernünftigen Verbrauchererwartung besteht, kann eine Instruktion von dem Hersteller im allgemeinen nur dann verlangt werden, wenn er damit rechnen muß, daß seine Produkte in die Hand von Personen gelangen, die mit den Produktgefahren nicht vertraut sind.

Was dagegen auf dem Gebiete allgemeinen Erfahrungsweise der in Betracht kommenden Abnehmerkreise liegt, braucht nicht zum Inhalt einer Warnung gemacht werden (BGH NJW 1986, 1863 <1864> m.w.N.).

b).

Legt man diesen Maßstab, von dem abzuweichen auch in Fällen der vorliegenden Art kein Grund besteht, auf die Frage der Warnbedürftigkeit vor den Gefahren übermäßigen Alkoholkonsums an, so ist hier eine Instruktionspflicht zu verneinen. Die Kenntnis von den Wirkungen alkoholischer Getränke gehört zwar nicht bezüglich der medizinischen Details, wohl aber hinsichtlich der Kernproblematik zum allgemeinen Grundwissen. Daran kann bei lebensnaher Würdigung kein ernsthafter Zweifel bestehen.

Von der Instruktionspflicht überhaupt nicht berührt ist die Frage der mehr oder weniger leichten Verführbarkeit zum Alkoholkonsum. Die Instruktionspflicht soll dem Produktbenutzer nämlich lediglich eine Entscheidungsgrundlage dafür bieten, ob er das Risiko bei der Produktbenutzung auf sich nehmen oder das Produkt wegen seines Risikos meiden will (Zekoll, NJW 1999, 2722 <272>). hingegen soll sie ihm nicht diese Entscheidung selbst abnehmen. Diese ist vielmehr grundsätzlich von dem Produktverwender in Selbstverantwortung für die eigene Lebensführung zu treffen. Der Senat verkennt nicht, daß charakterlich weniger gefestigte Menschen erfahrungsgemäß trotz ihrer Kenntnis von den Gefahren übermäßigen Alkoholkonsums dazu verleitet werden können, dieses Risiko einzugehen. Diese Gefahren sind jedoch der Sphäre der eigenen Lebensführung einzuordnen und können auf der Suche nach dem „Verantwortlichen“ nicht ohne weiteres auf die Hersteller von Produkten abgewälzt werden, die von der Gesellschaft nicht nur toleriert, sondern auch als gesellschaftsfähig akzeptiert werden (vgl.. Steffen a.a.O).

c)

Der Antragsteller hat auch nicht nachvollziehbar dargelegt, daß er etwaige Warnhinweise auf den Bierflaschen der Gegnerin tatsächlich zum Anlaß genommen hätte, seinen Alkoholkonsum zumindest erheblich einzuschränken, und daß damit eine etwaige Verletzung von Instruktionspflichten für seine Gesundheitsschädigung überhaupt ursächlich geworden wäre.

Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung obliegt dem Verletzten die Beweislast dafür, daß die Schäden durch eine ausreichende Warnung vor dem Risiko vermieden worden wären. Es kann zwar eine tatsächliche Vermutung dafür sprechen, daß dann, wenn auf bestehende Gefahren deutlich und für den Adressaten plausibel hingewiesen worden wäre, diese Warnung auch Beachtung gefunden hätte (BGH .NJW 1999, 2273 <2274>). Für eine solche Vermutung sind jedoch konkrete Anhaltspunkte erforderlich; die hier weder vorgetragen noch aus dem Akteninhalt ersichtlich sind.

2.

Ein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch nach § 3 des Produkthaftpflichtgesetzes (ProdHaftG), der im übrigen lediglich zu einem Ausgleich materieller Schäden berechtigen würde, scheitert daran, daß auch ein Produktfehler im Sinne dieser Vorschrift nur bei einer Abweichung von den berechtigten Sicherheitserwartungen der Verwender bejaht werden kann.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 7 ZPO in Verbindung mit § 12 GKG, KV Nr. 1952; § 127 Abs.4 ZPO.


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