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Bissverletzung eines Hundes durch anderen Hund – Behandlungskosten des verletzten Hundes

LG Erfurt, Az.: 10 O 582/14, Urteil vom 12.05.2015

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.525,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.269,64 € seit 09.09.2012 und aus weiteren 2.256,35 € seit dem 09.01.2014 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 492,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.06.2014 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 11 % und die Beklagte 89 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Folgen einer Beißerei ihrer Hunde.

Bissverletzung eines Hundes durch anderen Hund - Behandlungskosten des verletzten Hundes
Symbolfoto: Von Alexandr Jitarev /Shutterstock.com

Der Kläger ist Halter und Eigentümer eines siebenjährigen Hundes der Rasse Jack-Russell-Terrier, an dem er und seine Familie sehr hängen. Die Beklagte ist Halterin eines Hundes der Rasse Rhodesian Ridgeback. Am 03.07.2012 gegen 8:15 Uhr gingen die Lebensgefährtin des Klägers, Frau xxx, mit dem Hund des Klägers und der Ehemann der Beklagten, Herr xxx, in ihrer Begleitung mit ihrem Hund spazieren. Beide Hunde waren zunächst angeleint. In der Straße “xxx“ in xxx begegneten sie sich auf den gegenüberliegenden Fußwegen in einer Entfernung von ca. 6 m. Als die Hunde Witterung voneinander aufgenommen hatten, bellte zumindest der Hund des Klägers. Der Ehemann der Beklagten zog deren Hund zunächst hinter ein Auto. Dann zog der Hund jedoch nach hinten, wodurch es ihm gelang, sich aus dem Hundegeschirr loszureißen. Der Hund der Beklagten rannte zum Hund des Klägers auf die andere Straßenseite und biss diesen mindestens einmal in den Rumpf. Die Lebensgefährtin des Klägers schlug mit der sich im Verlaufe der Beißerei gelösten Leine auf den Hund der Beklagten ein, wodurch dieser vom Hund des Klägers abließ. Durch die Beißerei trug der Hund des Klägers erhebliche Verletzungen davon. Der Kläger ließ daraufhin seinen Hund tiermedizinisch behandeln. Dabei wurde insbesondere eine Hauttransplantation und eine regelmäßige Wundversorgung durchgeführt. Der Tierarzt Dr. xxx stellte dem Kläger Rechnungen über 381,41 €, 42,25 €, 400,73 € und 1.838,12 €. Der Tierarzt Dr. xxx stellte dem Kläger Rechnungen über 79,74 €, 6,63 €, 19,93 €, 325,22 €, 1.437,92 €, 389,64 € und 430,79 €. Der Kläger bezahlte sämtliche Rechnungen. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten zahlte an den Kläger 924,29 €. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 06.08.2012 zur Zahlung von weiteren 2.269,64 € und mit Schreiben vom 20.12.2013 zur Zahlung von 5.566,07 € bis zum 08.01.2014 auf.

Außerdem macht der Kläger Fahrtkosten für 1.864 km à 0,30 €, die Kosten für eine Jacke seiner Lebensgefährtin von 100,00 €, eine Unkostenpauschale von 25,00 € sowie außergerichtliche Kosten von 571,44 € und Akteneinsichtskosten von 31,00 € geltend.

Der Kläger behauptet, seine Lebensgefährtin habe seinen Hund an einer Führleine mit einer maximalen Länge von 1,90 m spazieren geführt. Der Hund habe sich allzeit auf dem Gehweg befunden. Auch der Hund der Beklagten habe kurz gebellt. Sein Hund habe unverzüglich aufgehört zu bellen, nachdem seine Lebensgefährtin ein entsprechendes Kommando gegeben habe. Der Hund der Beklagten sei von einer „über das natürliche Maß hinausgehenden Angriffslust und Bissigkeit“. Der Hund der Beklagten habe seinen Hund mehrfach gebissen und sich dabei regelrecht verbissen sowie zu einem sogenannten – regelmäßig tödlichen – Nackenschüttler angesetzt. Die Beklagte und ihr Ehemann hätten weder eingegriffen noch versucht, den Hund durch entsprechende Kommandos zum Einhalten zu bewegen.

Der Kläger meint, der Ehemann der Beklagte habe bei der Beaufsichtigung ihres Hundes nicht die erforderliche Sorgfalt walten lassen. Die Aufwendungen für die tiermedizinische Versorgung seines Hundes seien erforderlich gewesen.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an ihn 5.112,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.09.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an ihn außergerichtliche Kosten in Höhe von 571,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.09.2012 sowie 31,00 € Akteneinsichtskosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen

Sie behauptet, der Hund des Klägers sei an einer flexiblen sog. Zip-Leine geführt worden. Ihr Hund habe überhaupt nicht gebellt. Die Zip-Leine sei so weit ausgefahren gewesen, dass der Hund des Klägers laut bellend und mit gefletschten Zähnen ihrem Hund bis auf die Mitte der Straße entgegen gelaufen sei. Ihr Ehemann habe im Rahmen seiner Möglichkeiten und unverzüglich auf das Losreißen ihres Hundes reagiert.

Die Beklagte meint, die Beißerei und die daraus entstandenen Schäden seien maßgeblich auf klägerseitige Verursachungsbeiträge zurückzuführen. Insbesondere sei der Hund des Klägers an einer kürzeren Leine zu führen gewesen. Dem Kläger sei demnach ein Verursachungsbeitrag von mindestens 30 Prozent anzulasten. Die für die Behandlung des Hundes des Klägers aufgewandten Kosten seien in jedem Fall unverhältnismäßig; insoweit sei zu berücksichtigen, dass – wie die Beklagte behauptet – der Wert des Hundes des Klägers allenfalls 200,00 € betragen habe; einen soliden Gesundheitszustand des Hundes des Klägers bestreitet sie mit Nichtwissen. Ein über den sechsfachen Marktwert hinausgehender Aufwand bei der Schadensbehebung sei von vornherein nicht ersatzfähig. Hinsichtlich der bestrittenen Beschädigung einer Jacke seiner Lebensgefährtin sei der Kläger schon nicht aktivlegitimiert. Die Kostenpauschale sei nur im Rahmen von Verkehrsunfällen erstattungsfähig, eine Kilometerpauschale in Höhe von 0,30 € pro Kilometer jedenfalls übersetzt und auf 0,21 € pro Kilometer beschränkt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen xxx, xxx, xxx und xxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der öffentlichen Sitzungen vom 12.02. und 26.03.2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 4.525,99 € gemäß § 833 Satz 1 BGB.

Der Hund des Klägers der Rasse Jack-Russell-Terrier ist am 03.07.2012 gegen 8.15 Uhr durch den Hund der Beklagten der Rasse Rhodesian Ridgeback verletzt worden. Dadurch hat sich die vom Hund der Beklagten ausgehende Tiergefahr verwirklicht. Eine solche verwirklicht sich, wenn ein Schaden aufgrund der Unberechenbarkeit des Verhaltens eines Tieres und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter entsteht, so dass der Tierhalter grundsätzlich für all das einzustehen hat, was aufgrund der Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens an Schaden entsteht (Staudinger/Erbel-Borges Neubearbeitung 2012 § 833 Rn. 37). Zum unberechenbaren Tierverhalten zählen insbesondere auch abweichende Verhalten, namentlich das Losreißen (OLG Köln, VersR 1972, 177 (178)) und auch das Beißen eines Hundes (BGH, NJW 1965, 2397; NJW 1983, 1311; OLG Stuttgart, VersR 1978, 1123 (1124)).

Durch die vom Hund der Beklagten ausgehende Tiergefahr ist dem Kläger ein weiterer gemäß §§ 249Abs. 2, 251 Abs. 2 Satz 2 BGB ersatzfähiger Schaden in Höhe von 4.525,99 € entstanden.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der Behandlungskosten von 5.352,28 € gemäß Anlagenkonvolute K 3 und K 4 in voller Höhe.

Gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB sind die aus einer Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie den Wert erheblich übersteigen. Grundsätzlich ist der Schädiger hinsichtlich der fehlenden Verhältnismäßigkeit darlegungsbelastet. Die Verhältnismäßigkeit der Kosten der Heilbehandlung des Tieres wird gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB auch dann nicht ausgeschlossen, wenn diese den Wert des Tieres „erheblich“ übersteigen. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Behandlungskosten gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB folgt das Gericht nicht der Meinung des OLG München (Urteil vom 11.04.2011, Az.: 21 U 5534/10, zitiert nach juris), das eine starre Grenze (sechsfacher Wert) favorisiert. Der Wert des Tieres ist schon nach dem Normzweck nicht Ausgangspunkt der Bestimmung der Verhältnismäßigkeit. Im Gegenteil hat der Wert des Tieres nur Bedeutung in „einem eingeschränkten Maße“ (Münchener Kommentar-Oetker, BGB, 6. Auflage, § 251 Rn. 62). Vielmehr sind weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Dazu zählt der Gesundheitszustand des Tieres vor der Verletzung. Zwingend zu berücksichtigen ist schon nach dem Zweck der Norm, dem Tierschutz (BGBl. I 1990, 1762), das immaterielle Interesse des Hundehalters, weil der Wert des Tieres zur Bestimmung verhältnismäßiger Aufwendungen allein gerade nicht ausreicht. Das immaterielle Interesse des Hundehalters überwiegt bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Kriterium des Wertes des Tieres. Es ist also der besonderen Qualität der Beziehung zwischen Mensch (Familie) und Haustier Rechnung zu tragen. Hierbei spielt auch eine Rolle, wie lange der Hund bereits in der Familie lebt. Ebenfalls ist von Belang, was der Eigentümer im Sinne eines verständigen Tierhalters in der konkreten Lage ohne die Fremdschädigung für sein Tier aufgewendet hätte. Als weiterer Gesichtspunkt spielt die Erfolgsaussicht der tierärztlichen Behandlung eine Rolle. Je unwahrscheinlicher der Erfolg ist, umso eher wird die Behandlung unvernünftig und unverhältnismäßig sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verhältnismäßigkeit eher angenommen werden kann, wenn erhebliche Kosten erst im Laufe einer längeren Behandlung anfallen, also – quasi unerwartet – nach und nach entstehen (OLG Schleswig, Beschluss vom 19.08.2014, Az.: 3 W 19/14, zitiert nach juris; LG Bielefeld, NJW 1997, 3320; Staudinger-Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 251 Rn. 28). Entsprechend dem allgemeinen Standard für Wiederherstellungskosten nach § 249 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt es auf die Sicht eines vernünftigen Tierhalters an, der wegen des vordergründigen immateriellen Interesses großzügige Anwendung finden muss (Staudiger-Schiemann, aaO.). Selbst bei Tieren ohne jeglichen Verkehrswert werden teils erhebliche Rettungskosten als verhältnismäßig erachtet (LG Bielefeld, NJW 1997, 3320: 3.000,00 DM bei einer Katze ohne materiellen Marktwert; AG Idar-Oberstein, NJW-RR 1999, 1629: 4.600,00 DM für die Rettung eines Mischlingshundes ohne Verkehrswert). Selbst bei hilflosen und morbiden Tieren und entsprechend gänzlich fehlendem materiellen Wert würde die Schutzfunktion des § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB indes nicht enden (Staudinger-Schiemann, aaO., § 251 Rn. 29). In die Wertung einfließen muss schließlich das Verschulden des Schädigers (Reg.-Ent. In BT-Drs. 11/5463, S. 7).

Unter Einbeziehung all dieser Aspekte gelangt das Gericht nicht zu dem Ergebnis, dass die beim Kläger unstreitig angefallenen kausalen Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 5.352,28 € unverhältnismäßig im Sinne des § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB sind. Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Ehemann der Beklagten am 03.07.2012 den Rhodesian Ridgeback der Beklagten ohne Maulkorb nicht sicher an der Leine führte, da sich dieser losreißen konnte. Insoweit muss sich die Beklagte einen erheblichen Schuldvorwurf zurechnen lassen. Zudem kommt entscheidende Bedeutung dem immateriellen Interesse des Klägers an seinem Hund zu, der bereits seit Jahren der Hund der Familie ist. Es ist nicht ersichtlich, dass die Behandlungskosten für den Hund, die sich sukzessive erhöhten und nicht von vornherein in dieser Höhe erkennbar waren, nicht auch von einem Hundehalter ausgegeben worden wären, der wegen einer fehlenden Fremdschädigung nicht die Möglichkeit zum Schadensersatz gehabt hätte. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Heilbehandlung des Hundes des Klägers zum Erfolg geführt hat und damit auch dem Gesichtspunkt des Tierschutzes zum Erfolg verholfen worden ist. Das Bestreiten des vorherigen Gesundheitszustandes des Hundes des Klägers mit Nichtwissen ist unzulässig, wenn dieser Aspekt zu den wertbildenden Faktoren gehört (Münchener Kommentar-Oetker, aaO., § 251 Rn. 63). Der streitige materielle Wert des Hundes des Klägers allein führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Heilbehandlungskosten, wobei hinzutritt, dass die Wertermittlung von 200,00 € durch die Beklagte aus ihren Darlegungen nicht nachvollziehbar ist.

Der Kläger hat zudem gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Fahrtkosten in Höhe von 98,00 € gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Die zwecks Heilbehandlung des Tieres entstandenen Fahrtkosten sind grundsätzlich ersatzfähig gemäß § 249 Abs. 2 BGB (AG Frankfurt, NJW-RR 2001, 17). Da der Kläger die mit der Klageschrift geltend gemachten Fahrtkosten trotz Bestreitens durch die Beklagte nicht näher substantiiert hat, sind diese gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen. Entgegen der Angabe des Klägers in der Klageschrift beträgt die einfache Entfernung von seiner Wohnung in der xxx in xxx zu dem Tierarzt bzw. der Tierklinik in Erfurt-Nord nicht 16 oder 20 km, sondern 4 km. Bei den im Einzelnen mit Datumsangeben aufgeführten 49 Fahrten sind dies für Hin- und Rückfahrt 392 km. Bei der Höhe der Kilometerpauschale für die Benutzung des eigenen Pkws ist regelmäßig § 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG anzuwenden (LG Ingolstadt, Urteil vom 07.04.2013, Az.: 42 O 2058/11; zitiert nach juris; Burmann/Heß/Jahnke/Janker-Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 23. Auflage, § 249 BGB Rn. 452), der einen Satz von 0,25 €/km vorsieht. Dies ergibt einen Betrag von 98,00 €.

Der Kläger hat hingegen gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch wegen der angeblich beschädigten Jacke seiner Lebensgefährtin. Insoweit hat der Kläger schon nicht schlüssig zu seiner Aktivlegitimation vorgetragen. Soweit er auf eine gewillkürte Prozessstandschaft verweist, ist diese vorliegend nicht einschlägig. Denn eine gewillkürte aktive Prozessstandschaft ist nur zulässig, soweit der Prozessstandschafter der bisherige Rechtsinhaber gewesen ist (Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Auflage, vor § 50 Rn. 63). Dies ist bei der Jacke der Lebensgefährtin des Klägers nicht der Fall.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch kein Ersatz einer Unkostenpauschale zu. Zwar ist bei Verkehrsunfällen dem Geschädigten für Telefon, Porto und Fahrtkosten ohne weitere Spezifizierung eine Auslagenpauschale zuzuerkennen. Dies wurde bislang von der Rechtsprechung nur für den speziellen Fall der Verkehrsunfälle entschieden. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass es sich bei der Regulierung von Verkehrsunfällen um ein Massengeschäft handelt, bei dem dem Gesichtspunkt der Praktikabilität besonderes Gewicht zukommt (Burmann/Heß/Jahnke/Janker-Jahnke, aaO., § 249 BGB Rn. 252) Eine generelle Anerkennung einer solchen Pauschale für anderweitige Schadensfälle ohne nähere Darlegung der getätigten Aufwendungen lehnt die Rechtsprechung ab (BGH, NJW 2012, 2267; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.12.2005, Az.: 15 U 44/05, zitiert nach juris; OLG Hamburg, SP 2013, 32). Da der Kläger vorliegend die Fahrtkosten separat geltend gemacht hat, ist zudem unklar, woraus sich die geltend gemachte Auslagenpauschale zusammensetzt.

Den Kläger bzw. seiner Lebensgefährtin als Tieraufseherin trifft kein Mitverschulden gemäß § 254 BGB am Eintritt der Bissverletzungen am Hund des Klägers. Bei § 254 BGB sind vom Tierhalter oder Tieraufseher verschuldeten Verursachungsbeiträge genauso zuzurechnen wie auf dessen Seite liegende verschuldensunabhängige konkrete Gefährdungshaftungstatbestände (BGH, NJW 1976, 2130). Insoweit ist die Beklagte als schädigende Tierhalterin beweisbelastet (vgl. BGHZ 39, 103 (109); BGH, NJW-RR 1990, 789 (791)). Die Berücksichtigung entsprechender Verursachungsbeiträge wäre allerdings daran gebunden, dass sie sowohl hinsichtlich ihres Vorliegens als auch hinsichtlich ihrer Kausalität nachgewiesen werden (BGH, VersR 1970, 441; NJW 1995, 1029; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2009, 1681). Nicht gefolgt kann insoweit der Ansicht des OLG München im Urteil vom 11.04.2011 (21 U 5534/10, zitiert nach juris), das eine mitwirkende abstrakte Tiergefahr für die analoge Anwendung des § 254 BGB ausreichen lässt. Denn es fehlt schon an einer Regelungslücke für eine solche analoge Anwendung. Denn anders als bei der Gefährdungshaftung im Verkehrsunfallprozess, bei dem nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG auch die Betriebsgefahr des beschädigten Kraftfahrzeuges in die Abwägung einzustellen ist, sieht die Gefährdungshaftung des Tierhalters nach § 833 Satz 1 BGB eine abstrakte Tiergefahr des geschädigten Tieres allein durch dessen Anwesenheit nicht vor. Vielmehr bedarf es des Beweises der Verwirklichung einer vom geschädigten Tier ausgehenden Tiergefahr durch den Tierhalter des schädigenden Tieres.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen xxx. xxx, xxx und xxx in den öffentlichen Sitzungen am 12.02. und 26.03.2015 steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass zu dem Körperschaden des Hundes des Klägers auch ein Mitverschulden seiner Lebensgefährtin xxx oder ein konkretes Verhalten seines Hundes beigetragen hat. Denn die Beklagte hat weder ein übermäßiges Bellen noch ein Fletschen des Hundes des Klägers oder ein Reißen des Hundes des Klägers an einer ausgefahrenen Zip-Leine in Richtung des Hundes der Beklagten bis zur Mitte der Straße bewiesen. Ein Fletschen des Hundes der Klägerin mit den Zähnen hat keiner der Zeugen bekundet. Der Ehemann der Beklagten xxx hat zwar bekundet, dass der Hund des Klägers stark gebellt habe und an einer ausgezogenen sogenannten Zip-Leine schon über die Hälfte der Straße in ihre Richtung gelangt gewesen sei. Die Zeugin xxx hat hingegen bekundet, ihr Hund habe zwar geknurrt und Witterung aufgenommen. Sie habe ihn angerufen. Er habe auch gehört. Sie habe den Hund an einer Führleine mit einer Länge von ca. 1,70 m – 1,80 m geführt. Der Hund habe auch nicht auf die Straße gezogen. Er habe zwar angezogen. Sie habe jedoch reagiert und ihn kurz gehalten. Die Zeugin xxx hat bekundet, der kleine Hund habe auch (kurz) gebellt. Er sei nicht an einer Ausziehleine gewesen. Der kleine Hund habe auch nicht in Richtung des großen Hundes gezogen. Er sei auf dem Fußweg gewesen. Sie könne definitiv ausschließen, dass der kleine Hund auf der Straße oder der Hälfte der Straße gewesen sei. Er sei bei seinem Herrchen gewesen und habe nicht zum großen Hund rüber gewollt. Die Aussage des Zeugen xxx ist unergiebig gewesen, weil er das konkrete Geschehen nicht gesehen hatte.

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Nach diesem Beweisergebnis hat die Beklagte ein Mitverschulden des Klägers gemäß § 254 BGB nicht bewiesen. Denn ein solches steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Denn die Aussage des Zeugen xxx ist für das Gericht nicht glaubhafter als die Aussagen der Zeuginnen xxx und xxx, zumal die Zeugin xxx bekundet hat, dass sie sich mit dem Kläger nicht verstehe.

Auf den begründeten Schadensbetrag von 5.450,28 € hat die Beklagte 924,29 € gezahlt, so dass ein Restbetrag von 4.525,99 € verbleibt. Dieser Betrag ist gemäß § 288 Abs. 1 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen und zwar auf den Betrag von 2.269,64 € nach den Mahnschreiben vom 06.08. und 08.08.2012 ab dem 09.09.2012 und auf den weiteren Betrag von 2.256,35 € ab dem 09.01.2014.

Der Kläger kann von der Beklagten auch den Ersatz von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß § 833 Satz 1 BGB zum Streitwert von begründeten 4.525,99 €, das sind einschließlich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer 492,54 €, verlangen. Mangels eines früheren Zeitpunktes ist dieser Betrag gemäß § 291 BGB ab Rechtshängigkeit am 05.06.2014 zu verzinsen.

Der Kläger hat hingegen keinen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Akteneinsichtskosten gemäß § 833 Satz 1 BGB. Denn der Kläger hat nicht dazu vorgetragen, dass die Akteneinsichtnahmen in Akten der Staatsanwaltschaft bzw. des Bürgeramtes mit der Geltendmachung des materiellen Schadens in einem kausalen Zusammenhang stehen.

Die Kostenentscheidung folgt gemäß § 92 Abs. 1 ZPO dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens der Parteien.

Das Urteil ist für den Kläger gemäß § 709 S. 1 und 2 ZPO und für die Beklagte gemäß §§ 708Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.

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