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Bissverletzung Krankenschwester durch einen Patienten im Delir

OLG Köln – Az.: 5 U 40/17 – Beschluss vom 04.09.2017

Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 31.01.2017 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 25 O 268/15 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

Gründe

I.

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO). Zu Recht hat das Landgericht die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage abgewiesen, denn der Klägerin stehen gegen den Beklagten keine Ansprüche aufgrund des Vorfalls vom 05.09.2012 zu.

1.) Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Schmerzensgeld und Ersatz materieller Schäden ergibt sich zunächst nicht aus §§ 823 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB. Der Beklagte kann gemäß § 827 S. 1 BGB für den Gesundheitsschaden der Klägerin nicht verantwortlich gemacht werden, denn er befand sich, als er die Klägerin in den Oberarm biss, in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit. Nach dem Ergebnis des erstinstanzlich eingeholten Gutachtens von Prof. Dr. S bestehen keine vernünftigen Zweifel (§ 286 ZPO), dass der Beklagte unzurechnungsfähig war, als er nach einem Aufwachversuch auf der Intensivstation die Handmanschetten löste und die Klägerin, als sie ihn daran zu hindern versuchte, den arterielle Zugang an der Hand herauszureißen, in den Oberarm biss. Der Sachverständige ist nach sorgfältiger Auswertung der Behandlungsdokumentation zu dem klaren und eindeutigen Ergebnis gekommen, dass der Beklagte wegen eines Delirs nicht in der Lage gewesen sei, die Situation korrekt einzuordnen. Er habe mit hoher Wahrscheinlichkeit unter Fehlinterpretationen des Geschehens gelitten. Geordnetes Denken sei ihm nicht möglich gewesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht gegen die Annahme einer Unzurechnungsfähigkeit nicht, dass der Sachverständige einen willentlichen Biss als nicht belegbar bezeichnet hat. Der Sachverständige ist mit dieser Aussage auf die an ihn gestellte Frage einer zurechenbaren Verletzungshandlung im Sinne eines der Bewusstseinskontrolle und Willenslenkung unterliegenden beherrschbaren Verhaltens eingegangen. Eine willentliche und damit zurechenbare Handlung hat er nicht sicher ausschließen können. Davon zu trennen ist jedoch die Frage der Zurechnungsfähigkeit des Beklagten. Diese hat der Sachverständige eindeutig verneint, zuletzt in der mündlichen Verhandlung mit den eindrücklichen Worten, der Beklagte sei nicht mehr „Herr seiner Sinne“ gewesen. Dass der Beklagte die Situation nicht einordnen konnte, leuchtet dem Senat aufgrund der medizinischen Ausführungen des Sachverständigen zu Ursachen und Symptomen eines Delirs durchaus ein.

2.) Ein Anspruch folgt auch nicht aus § 829 S. 1 BGB.

a) Anders als das Landgericht neigt der Senat allerdings zu der Auffassung, dass der Anspruch nicht bereits an dem Nachweis einer zurechenbaren Verletzungshandlung scheitert. Ob sich der Beklagte in einem geistigen Zustand befand, in dem er sein Handeln nicht bewusst kontrollieren und beherrschen konnte, ist streitig und konnte durch das eingeholte Sachverständigengutachten nicht sicher geklärt werden. Diese Nichterweislichkeit geht nach Auffassung des Senates zulasten des Beklagten.

Grundsätzlich muss zwar der Geschädigte ein der Bewusstseinskontrolle und Willenslenkung unterliegendes, beherrschbares Verhalten des Schädigers nachweisen. Er muss insbesondere ausschließen, dass die Verletzungshandlung unter physischen Zwang erfolgt oder als unwillkürlicher Reflex durch fremde Einwirkung ausgelöst worden ist. Eine Ausnahme von der Beweislast des Geschädigten hat der Bundesgerichtshof allerdings für den Fall der Bewusstlosigkeit gemacht ( vgl. BGH, Urteil vom 01.07.1986, Az. VI ZR 294/85 = BGHZ 98, 135 ff, Tz. 7 ff, zitiert nach juris). Sei streitig, ob der Schädiger im Zustand der Bewusstlosigkeit gehandelt habe, müsse er dies beweisen. Es sei nicht gerechtfertigt, dem Geschädigten in allen Fällen, in denen der Schädiger geltend mache, dem Schaden nicht durch ein willensabhängiges selbststätiges Handeln herbeigeführt zu haben, den Beweis für eine willensgesteuerte Handlung aufzuerlegen. Es müsse vielmehr danach unterschieden werden, aus welchen Gründen es möglicherweise an einem beherrschbaren Verhalten gefehlt habe. Bringe der Schädiger vor, dass der Verletzungsvorgang unter physischem Zwang erfolgt oder als unwillkürlicher Reflex durch fremde Einwirkung ausgelöst worden sei, berufe er sich auf außerhalb seiner Person liegender Umstände, welche die Willenssteuerung seines Verhaltens ausschlössen. In solchen Fällen, in denen das äußere Erscheinungsbild eines eigenständigen Handelns des Schädiger in Frage stehe, müsse der Geschädigte den Beweis für eine vom Willen getragene Handlung des Schädigers führen. Anderes gelte jedoch für die Fälle, in denen eine der Willenslenkung unterliegende Handlung des Schädigers aufgrund innerer Vorgänge fraglich erscheine, weil der Schädiger möglicherweise bewusstlos gewesen sei. Die Einbettung der Bewusstlosigkeit in die Fälle der Unzurechnungsfähigkeit in § 827 BGB zeige, dass die Bewusstseinslage deliktsrechtlich aus dem Begriff der Handlung ausgeklammert und als Element der Deliktsfähigkeit mit der Haftungsvoraussetzung des Verschuldens in der Weise verknüpft worden sei, dass der Schädiger die Beweislast für den Ausnahmefall einer Bewusstlosigkeit bei der Schadensverursachung trage (BGH, aaO). Diese dogmatische Begründung des Bundesgerichtshofes ist in der Literatur auf Kritik gestoßen; die Beweislastverteilung wird jedoch mit unterschiedlichen Begründungen im Ergebnis geteilt (vgl. hierzu der Überblick in Baumgärtel/Laumen/Prütting, „Handbuch der Beweislast“ 2010, § 823 BGB, Rz. 15 ff:).

Ob über den Fall der Bewusstlosigkeit hinaus auch in anderen Fällen der Bewusstseinseinschränkung der Geschädigte nur das äußere Erscheinungsbild einer zurechenbaren Verletzungshandlung zu beweisen hat, während der Schädiger das Nichtvorliegen der inneren Merkmale zu beweisen hat, ist bislang in der Rechtsprechung – soweit ersichtlich – nicht geklärt. Der Senat neigt jedoch der Auffassung zu, dem Schädiger auch in den Fällen, in denen eine willensgesteuerte Handlung aufgrund innerer Vorgänge – wie hier aufgrund eines Delirs – fraglich ist, die Beweislast aufzuerlegen. In § 827 BGB wird die Bewusstlosigkeit hochgradigen Bewusstseinsstörungen gleichgestellt. Es erscheint daher konsequent, dem Schädiger nicht nur in den Fällen einer fraglichen Bewusstlosigkeit, sondern auch bei fraglichen Bewusstseinsstörungen die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass er zu einer willensgesteuerten Handlung nicht in der Lage war. Die Unterscheidung zwischen äußerem Tatbestand und inneren Vorgängen bei der Beweislastverteilung ist auch billig, denn während der Geschädigte zu inneren Vorgängen des Schädigers in der Regel nichts wird vortragen können, ist der Schädiger an dieser Frage näher dran, auch wenn – wie hier anzunehmen – der Schädiger aus eigener Erinnerung keine Kenntnisse über seinen damaligen geistigen Zustand hat.

b) Die Frage, wer die streitige Frage einer zurechenbaren Handlung zu beweisen hat, kann im vorliegenden Fall jedoch dahinstehen. Ein Anspruch aus § 829 BGB scheitert jedenfalls daran, dass nach den konkreten Umständen die Billigkeit eine Schadloshaltung nicht erfordert.

Ob die Billigkeit einen Schadensersatz durch den Täter erfordert, muss nach allen Umständen des Einzelfalls entschieden werden. Es kommt nicht darauf an, ob die Billigkeit einen Schadensersatz zugunsten des Geschädigten erlaubt, sondern ob die gesamten Umstände des Falles eine Haftung des schuldlosen Schädigers aus Billigkeitsgründen geradezu erfordern. Der Ausnahmecharakter des § 829 BGB als Billigkeitshaftung für schuldloses Verhalten zwingt dazu, die Voraussetzungen, unter denen eine Schadloshaltung des Geschädigten erfolgt, hoch anzusetzen (BGH, Urteil vom 11.10.1994, VI ZR 303/93, BGHZ 127, 186 ff, Tz. 23; BGH, Urteil vom 29.11.0216, VI ZR 606/15, VersR 2017, 296 ff, Tz. 9 – zitiert nach juris).

Gemäß § 829 BGB sind insbesondere die Verhältnisse der Beteiligten zu berücksichtigen. Dazu bedarf es eines Vergleichs der Vermögenslagen der Beteiligten, wobei für einen Anspruch aus § 829 BGB ein „wirtschaftliches Gefälle“ zugunsten des Schädigers vorliegen muss. Dass ein solches wirtschaftliches Gefälle vorliegt, hat die Klägerin nicht hinreichend vorgetragen. Ihr Vorbringen, der Beklagte sei „gut situiert“, ist nicht aussagekräftig. Auch wenn es für die Klägerin naturgemäß schwierig ist, zu den Vermögensverhältnissen des ihr vermutlich persönlich nicht bekannten Beklagten vorzutragen, bedarf es zur Begründung eines Anspruches aus Billigkeitsgründen der Darlegung konkreter Anhaltspunkte, die auf ein wirtschaftliches Gefälle hinweisen könnten. Solche sind einer Partei, auch wenn sie keine Kenntnisse über die finanziellen Interna hat, durchaus im Rahmen möglich. Insbesondere bedarf es zur Überprüfung, ob der Beklagte wirtschaftlich wesentlich besser als die Klägerin gestellt ist, aber auch der Darlegung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Klägerin. Daran fehlt es hier vollständig. Dass der Beklagte eine Privathaftpflichtversicherung unterhält, ist für die Frage, ob eine Haftung aus Billigkeitsgründen überhaupt in Betracht kommt, nicht relevant. Anders als bei der Pflichtversicherung hat das Vorliegen einer privaten Haftpflichtversicherung nur einen Einfluss auf die Höhe, nicht aber auf den Grund des Anspruchs (vgl. BeckOK BGB, Bamberger/Roth, Stand 01.02.2017, § 829 BGB, Rz. 7 m.w.N.).

Es liegen auch keine weiteren Umstände vor, die eine Haftung aus Billigkeitsgründen erforderlich machen würden. Insbesondere gebieten weder das Tatgeschehen noch dessen Folgen eine Schadloshaltung der Klägerin. Es wird nicht verkannt, dass die Klägerin bei dem Versuch, den Beklagten vor Schaden zu bewahren, nach ihrem – allerdings bestritten – Vortag einen nicht unerheblichen Gesundheitsschaden erlitten hat. Zu berücksichtigten ist jedoch auch, dass sich der Beklagte, als er auf der Intensivstation im Zustand des Delirs aufwachte, in einer hilflosen Lage befand und es zu dem bedauerlichen Vorfall auch nur deswegen kommen konnte, weil er nicht ausreichend fixiert worden war. Die Klägerin hatte nach ihren Angaben auf der Intensivstation häufiger mit aggressiven Patienten zu tun. Nachdem sie bemerkte, dass der Beklagte die Handmanschetten gelöst hatte und sich den arteriellen Zugang herausziehen wollte, hätte sie mit einer Gegenwehr des Patienten, wenn auch sicherlich nicht in der Intensität wie erfolgt, rechnen können. Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass der Vorfall – nach von der Klägerin nicht ausreichend bestrittenem Vortrag des Beklagten – durch die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen als Arbeitsunfall anerkannt worden ist und die Behandlungskosten und der Erwerbsschaden vollständig von der Berufsgenossenschaft ersetzt worden sind. Nicht ersetzt worden ist der Klägerin der von ihr angedeutete Haushaltsführungsschaden, der nach ihrer Behauptung daraus folgen soll, dass sie keine Überkopfarbeiten ausführen kann. Die damit einhergehenden Einschränkungen erscheinen nicht von derartig starkem Gewicht, dass ein finanzieller Ausgleich zwingend geboten wäre. Soweit die Klägerin ein Schmerzensgeld verlangt, ist zu sehen, dass die Zubilligung von Schmerzensgeld mit Rücksicht auf den Ausnahmecharakter des § 829 BGB ohnehin nur dann in Betracht kommt, wenn seine Versagung im Einzelfall dem Billigkeitsempfinden krass widersprechen würde (BGH aaO). Dies ist nach Auffassung des Senates nach den Gesamtumständen eindeutig nicht der Fall.

3.) Schließlich kann die Klägerin von dem Beklagten auch kein Schmerzensgeld und keinen Ersatz materieller Schäden nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß den §§ 683, 670 BGB verlangen.

a) Fraglich ist bereits, ob ein solcher Aufwendungsersatzanspruch alle denkbaren Schäden erfasst, oder ob er auf Ersatz von risikotypische Begleitschäden oder gar auf echte Zufallsschäden, die weder vom Geschäftsherrn noch vom Geschäftsführer verschuldet wurden, begrenzt ist. Hier ist in Rechtsprechung und Literatur vieles umstritten (vgl. Münchener Kommentar-Schäfer, 7. Auflage 2017, § 683 BGB, Rz. 29 ff; Staudinger-Bergmann, Neubearbeitung 2015, § 683 BGB, Rz. 62 ff; Jauernig/Mansel, 16. Auflage 2015, § 670 BGB, Rz. 1 ff). Auch wenn sich Gesundheitsschäden und dadurch verursachte materielle Schäden als unfreiwillige Einbußen nicht unmittelbar unter den Begriff der Aufwendung im Sinne einer freiwilligen Vermögenseinbuße fassen lassen, ist in der Rechtsprechung jedoch anerkannt, dass der Geschäftsführer Ersatz risikotypischer Begleitschäden verlangen kann (Staudinger-Bergmann, aaO, Rz. 62 m.w.N; vgl. auch BGH NJW 1993, 2234: Opfer an Leben und Gesundheit, die dem Verletzen bei der Gefahrenabwehr für einen Dritten geschehen als Aufwendungen im Sinne der §§ 670, 683 BGB). Ein solcher risikotypischer Begleitschaden ist hier anzunehmen. Bei dem Versuch der Klägerin, den Beklagten von einer selbstgefährdenden Handlung abzuhalten, hat sich eine mit der Geschäftsbesorgung verbundene typische Gefahr verwirklicht. Auch wenn die Art der Gegenwehr des Beklagten in Form einer Bissattacke sicherlich eine ungewöhnliche Reaktion darstellte, hat sich bei der Hilfestellung der Klägerin eine risikotypische Gefahr verwirklicht.

Keine grundsätzlichen Bedenken bestehen auch gegen die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes zum Ausgleich der mit der Gesundheitsverletzung verbundenen Beeinträchtigungen im Rahme eines Anspruches aus §§ 683, 670 BGB. Mit der Ausweitung des § 253 Abs. 2 BGB auf die Fälle der Gefährdungshaftung ist der Argumentation, da der Ersatzanspruch aus § 683 BGB kein Verschulden voraussetze, widerspreche die Gewährung eines Schmerzensgeldes der Genugtuungsfunktion des § 847 BGB a.F., der Boden entzogen worden (vgl. Staudinger-Bergmann, aaO, Rz. 69; a.A. Münchener Kommentar-Schäfer, aaO, Rz. 30).

b) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag sind jedoch vorliegend deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen Pflicht tätig geworden ist und die Folgen des Arbeitsunfalls abschließend ausgeglichen worden sind.

Nimmt der Geschäftsführer mit der Besorgung zugleich eine ihm obliegende vertragliche Verpflichtung wahr, können dabei die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag greifen, sofern der Geschäftsführer nicht nur in Erfüllung seiner eigenen Pflicht, sondern erkennbar und willentlich auch im Interesse des Geschäftsherrn gehandelt hat (BGHZ 101, 393 ff; BGH NJW-RR 2004, 81, 82). Daran, dass die Klägerin neben der Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten auch im Interesse des Beklagten tätig geworden ist, kann entgegen den Ausführungen des Beklagten nicht ernsthaft gezweifelt werden.

Eine Inanspruchnahme des Geschäftsherrn scheidet gleichwohl aus, wenn die Verpflichtung auf einem wirksamen mit einem Dritten geschlossenen Vertrag beruht, der Rechte und Pflichten des Geschäftsführers und insbesondere die Entgeltfrage abschließend regelt (BGH NJW-RR 2004, 81 ff.). Eine solche Regelung innerhalb der wirksamen Vertragsbeziehung ist hinsichtlich des Ausgleichs für die jeweils erbrachten Leistungen auch im Verhältnis zu Dritten grundsätzlich abschließend (BGH aaO). Die Klägerin begehrt zwar kein Entgelt von dem Beklagten, sondern den Ersatz von Schäden, die ihr durch ihr berufliches Tätigwerden entstanden sind. Der Ersatz dieser Schäden ist im Verhältnis zum Arbeitgeber in der Weise abschließend geregelt, dass dieser wegen § 104 Abs. 1 SGB VII nur im Fall der vorsätzlichen Herbeiführung des Arbeitsunfalls (und bei Wegeunfällen) haftet und der Arbeitnehmer im Übrigen Ersatz von materiellen Schäden durch den gesetzlichen Unfallversicherer erlangen kann. Die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit und die Zielrichtung der Pflichten sprechen für eine auch im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagtem abschließende Regelung, die nicht über die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag korrigiert werden kann. Als Krankenschwester hatte die Klägerin die Schutzpflichten wahrzunehmen, die ihrem Arbeitgeber als Krankenhausträger im Verhältnis zum Beklagten oblagen und gerade dafür zu sorgen, dass der Beklagte in der Aufwachphase weder sich selbst noch einen Dritten schädigte. Dass der Klägerin kein Schmerzensgeld zukommt, beruht auf der gesetzgeberischen Wertung im SGB VII.

c) Schließlich ist ein Anspruch der Klägerin auch nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses ausgeschlossen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können in den Fällen, in denen zwischen mehreren Schädigern ein Gesamtschuldverhältnis besteht, Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschädiger) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des Erstschädigers gestört wäre. Der Zweitschädiger ist in Höhe des Verantwortungsteils freizustellen, der auf den Erstschädiger im Innenverhältnis entfiele, wenn man seien Haftungsprivilegierung hinwegdenkt (BGH, Urteil vom 18.11.2014, VI ZR 47/13, BGHZ 203, 224 ff, Tz. 19 – zitiert nach juris).

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Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend gegeben. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S ist davon auszugehen, dass es dadurch zu dem Vorfall gekommen ist, dass entweder das ausgewählte Material zur Fixierung des Beklagten im konkreten Fall ungeeignet war oder die Anwendung des Fixierungsmaterials fehlerhaft war. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass sich der Beklagte nach dem Inhalt der Behandlungsdokumentation am 05.09.2012, obwohl an beiden Händen fixiert, gegen 8:20 Uhr selbst extubiert hatte. Gegen 9:00 Uhr entfernte er sich trotz erneuter Fixierung Magensonde und Dauerkatheter. Auch danach sei der Beklagte lediglich mit Klettmanschetten fixiert worden. Dass der Beklagte anschließend erneut die Fixierung gelöst habe, spreche entweder für ein ungeeignetes Fixierungsmaterial oder für eine fehlerhafte Anwendung des Materials, beispielsweise durch unzureichend eng anliegende Manschetten. Dass es dem Beklagten nach wiederholtem Lösen der Manschetten erneut gelang, sich aus der Handfixierung zu befreien, fällt in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers der Klägerin. Entweder war das Material fehlerhaft, oder es wurde fehlerhaft durch Mitarbeiter der Klinik angebracht, was ebenfalls von der Klinik zu vertreten wäre. Die Klägerin hat daher einen Anspruch gegen ihren Arbeitgeber auf Ersatz der Schäden, die ihr durch schuldhaft begangene Pflichtverletzungen von Mitarbeitern, die der Arbeitgeber als Erfüllungsgehilfe eingesetzt hatte, entstanden sind.

Eine Haftung des Beklagten unterstellt, besteht zwischen dem Arbeitgeber der Klägerin und dem Beklagten ein Gesamtschuldverhältnis. Das Gesamtschuldverhältnis ist jedoch dadurch gestört, dass eine Haftung des Arbeitsgebers der Klägerin aufgrund des § 104 Abs. 1 SGB VII entfällt. Da der Arbeitgeber bei Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile im Innenverhältnis allein haften würde, entfällt ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten.

II.

Bei dieser Sachlage gibt die Berufung zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils insgesamt keine Veranlassung. Die Rechtssache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO); eine mündliche Verhandlung erscheint unter Berücksichtigung aller weiteren Aspekte des Rechtsstreites auch aus sonstigen Gründen nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).

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