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Beleidigung als Parkplatzschwein eine Beleidigung

Amtsgericht Rostock

Az.: 46 C 186/12

Urteil vom 11.07.2012


In dem einstweiligen Verfügungsverfahren pp. hat das Amtsgericht Rostock durch den Richter am Amtsgericht Richter am 11.07.2012 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.06.2012 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Verfügungskläger kann die Vollstreckung des Verfügungsbeklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aus dem Urteil beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht dieser vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Am 21.04.2012 befand sich der Verfügungskläger auf dem Parkplatz O. Park in R. mit einem Werttransporter mit dem amtlichen Kennzeichen … Wegen einer Baustelle auf dem Parkplatz stellte er sein Fahrzeug auf einem Behindertenparkplatz ab, um von dort den günstigen Zugang zur Geldentsorgung aus dem X.-Markt zu nutzen. Der Verfügungsbeklagte kam auf das Fahrzeug zu, fotografierte es und steckte hinter den Scheibenwischer einen Zettel mit der Aufschrift „Sie Parkplatzschwein“. Wegen des Inhaltes dieses Zettels wird auf die Anlage 1, Bl. 9 der Akte, verwiesen.

Als der Verfügungskläger das Fahrzeug verließ, wurde er vom Verfügungsbeklagten mit „Parkplatzschwein“ beschimpft. Dieser sei ihm bis zum Haupteingang des Centers gefolgt und habe diese Beleidigung mehrfach wiederholt. Im Internet-Online Magazin Y. veröffentlichte der Verfügungsbeklagte ein Foto des Fahrzeuges und einen Bericht unter der Rubrik „Parkplatzschwein“. In dieser Rubrik waren noch mehrere ähnliche Vorfälle mit Fotos von Fahrzeugen, die widerrechtlich Behindertenparkplätze benutzten, dargestellt. Mit Schreiben vom 30.04.2012 wurde der Verfügungsbeklagte aufgefordert, eine strafbewehrte Erklärung dahingehend abzugeben, dass er es ab sofort unterlasse, den Verfügungskläger als „Parkplatzschwein“ und „tickende Zeitbombe“ zu bezeichnen und ferner diese Äußerung aus dem Internet zu entfernen.

Der Verfügungskläger geht davon aus, dass die Bezeichnung „Parkplatzschwein“ ihn verunglimpfe und eine ehrverletzende Schmähkritik darstelle, weil sie fernab von jeder sachbezogenen Auseinandersetzung sich in der Herabsetzung einer Person erschöpfe. Diese Beleidigung setzte der Verfügungsbeklagte im Internet fort. Er sei daher zur Unterlassung dieser Äußerung nach §§ 1004 Abs. 1,823 Abs. 2 BGB analog i. V. m. § 185 StGB verpflichtet.

Der Verfügungskläger beantragt, der Antragsgegner hat es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß den Antragsteller als „Parkplatzschwein“ zu bezeichnen.

Der Verfügungsbeklagte beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Richtig sei, dass der Verfügungskläger das im Antrag vom 24.05.2012 benannte Fahrzeug ohne Ausliegen eines dazu berechtigenden Ausweises auf einem Behindertenparkplatz und damit unberechtigt abgestellt hat und zum Tatzeitpunkt der Verfügungsbeklagte mit seiner Lebensgefährtin, Frau I den O. Park S. unterwegs war.

Richtig sei, dass der Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger einmal als „Parkplatzschwein“ bezeichnet hat, als dieser das Fahrzeug verließ und dass er im Anschluss an diesen Vorgang die Angelegenheit auf der Internetseite http:Y.net unter der Rubrik „Parkplatzschweine“ veröffentlicht hat. Nach interner Besprechung der Betreiber wurde die Rubrik „Parkplatzschweine“ ohne Anerkennung einer Rechtspflicht umbenannt in „Falsche Behindertenparkplatzfreunde“. Dies sei erfolgt, um engagierte Leute, wie den Verfügungsbeklagten vor Verfahren, wie dem jetzigen, zu bewahren. Der Verfügungsbeklagte sei ein engagierter Vertreter der sogenannten „Behindertenrechte“. Mit der Veröffentlichung von Fotos der Pkw-Fahrer will er zusammen mit dem Betreibern der Internetseite auf den Missstand und die Geringschätzung der Behindertenrechte hinweisen . Ein Anordnungsanspruch sei weder aus §§ 1004, 823 Abs. 2 i. V. m. § 185 StGB gegeben. Die Veröffentlichung unter der Rubrik „Parkplatzschweine“ und der inhaltsgleichen Betitelung stelle keine strafbare Beleidigung nach § 185 StGB dar.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingehende Schriftsätze wurden gemäß § 296 a ZPO bei der Entscheidung nicht berücksichtigt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Verfügungskläger hat gegen den Verfügungsbeklagten keinen Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 1004,823 Abs. 2 i. V. m. § 185 StGB.

Unstreitig ist der Werttransporter, der nach der Klagdarstellung durch den Verfügungskläger gefahren wurde, auf einem Behindertenparkplatz abgestellt worden. Die von dem Verfügungskläger dazu kurz getroffene Beschreibung „um von dort den günstigen Zugang zur Geldentsorgung zu nutzen“ stellt insoweit keine Berechtigung zur Nutzung eines Behindertenparkplatzes dar. Ebenfalls unstreitig, weil durch den Verfügungskläger nicht bestritten, ist der Verfügungsbeklagte, deren Lebensgefährtin behindert ist, Verfechter sogenannter Behindertenrechte.

Das Gericht musste in der mündlichen Verhandlung vom 14.06.2012 zur Kenntnis nehmen, dass zwar nach Auffassung des Verfügungsklägers, die ihm gegenüber durch den Verfügungsbeklagten gewählte Betitelung „Parkplatzschwein“ eine grobe strafrechtliche Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte darstellen soll; gleichwohl ein Unrechtsbewusstsein hinsichtlich der unberechtigten Benutzung eines Behindertenparkplatzes in keiner Weise zu erkennen war.

Das Gericht geht auch davon aus, dass die Betitelung „Parkplatzschwein“, welche nach Akteninhalt maximal einmal gegenüber dem Verfügungskläger geäußert wurde, im vorliegenden Fall keine Beleidigung darstellt.

Die Feststellung, dass eine Äußerung eine Beleidigung darstellt, erfordert eine umfassende Aufklärung aller Umstände unter denen sie gefallen ist. Die Äußerung des Verfügungsbeklagten gegen den Verfügungskläger darf nicht aus dem Sachzusammenhang gerissen werden. Ein nach den objektiv vorliegenden Akten war der Verfügungskläger nicht berechtigt, einen Behindertenparkplatz zu benutzen. Wie auch während der Anhörung durch das Gericht war ein Unrechtsbewusstsein des Verfügungsklägers, der in der Anhörung entgegen der Darstellung der Klage dann behauptete, er sei lediglich Beifahrer gewesen, gleichwohl ein Unrechtsbewusstsein nicht zu erkennen. Danach ist zu prüfen, ob die Feststellung, ob eine Äußerung den Schutz des Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz genießt und ob sie die Tatbestandsmerkmale eines der in Artikel 5 Abs. 2 Grundgesetz bezeichneten Gesetze erfüllt, sowie die dann erforderliche fallbezogene Abwägung setzt voraus, dass die Äußerung in ihrem Sinngehalt zutreffend erfasst wird. Daher stellt Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz nicht nur auf Anforderung an die Auslegung und Anwendung mehrheitsbeschränkender Gesetze, sondern auch an die Erfassung und Würdigung der Äußerung selbst. Anders lässt sich ein wirksamer Schutz der Meinungsfreiheit nicht gewährleisten. Ein Verstoß gegen Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz liegt infolge dessen nicht nur dann vor, wenn eine Äußerung fälschlich dem Schutz des Grundrechts entzogen und wenn dieses bei Auslegung und Anwendung der Gesetze nicht ausreichend beachtet worden ist. Vielmehr verstößt die Verurteilung gegen eine Äußerung schon dann gegen Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz, wenn diese den Sinn, den das Gericht hier entnommen und der Verurteilung zugrunde gelegt hat, nicht besitzt oder wenn bei mehrdeutiger Äußerung, die zur Verurteilung führende Deutung zugrunde gelegt worden ist, ohne dass ein Anderer, ebenfalls mögliche Deutungen mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen worden sind. Allerdings muss die Meinungsfreiheit stets zurücktreten, wenn die Äußerung die Menschenwürde eines anderen antastet. Auch tritt bei herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter dem Ernstschutz zurück. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung aber für sich genommen noch nicht zur Schmähung, hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Lässt sich die Äußerung weder als Angriff auf die Menschenwürde noch als Formalbeleidigung oder Schmähung einstufen, so kommt es für die Abwägung auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter an. Ziel der Deutung, ob der Sinn einer Äußerung zutreffend erfasst worden ist, ist die Ermittlung des objektiven Sinnes eine Äußerung. Maßgeblich ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden, noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch vom sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht und von den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für die Rezipienten erkennbar waren. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird daher den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittelung regelmäßig nicht gerechtfertigt. Dabei ist ohnehin davon auszugehen, dass eine möglicherweise abfällige Bemerkung allein schon danach einen unterschiedlichen Sinn haben kann (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 02.10.2001, 2 Sa 879/01).

Dass der Verfügungskläger diese Äußerung so formal betrachtet, ergibt sich aus dem von ihm vorgenommenen Zitat des Urteils des OLG Hamburg vom 16. Juni 2009,7 U 9/09, welches eben nicht zutrifft. Bereits aus dem Wort heraus ergibt sich, dass der Verfügungsbeklagte offensichtlich nicht die negativen Eigenschaften eines „Schweines“, welches nach Auffassung des OLG Hamburg gemeint ist, als schmutzend und stinkend angesehen wird, gemeint hat, sondern den Begriff „Schwein“ zwingend im Zusammenhang mit „Parkplatzschwein“, nämlich mit der Wertung „rücksichtslos, nur im eigenen Interesse handelnd – vorliegend „parkend“ meint. Die Berücksichtigung der Umstände des Gesamtzusammenhanges, dass nämlich der Verfügungsbeklagte in Anwesenheit seiner behinderten Lebensgefährtin den Verfügungskläger auf das unberechtigte Benutzen eines Behindertenparkplatzes angesprochen hat, führt im Zusammenhang der Situation dazu, dass die „Parkplatzschwein“-Äußerung, wenn nicht durch die Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz gedeckt, dann zumindest nicht als Beleidigung oder ehrverletzende Schmähkritik gesehen werden kann. Denn nach der Haltung des Verfügungsklägers, hätte dieser offensichtlich auch die Betitelung „Falschparker“ bzw. „Falschparker auf einem Behindertenparkplatz“ als eine ehrverletzende Schmähkritik angesehen. Zusammenfassend lässt sich die Äußerung weder als Angriff auf die Menschenwürde noch als Formalbeleidigung oder Schmähung einstufen, so dass ein Verfügungsanspruch nicht erkennbar ist.

Darüber hinaus ist Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch, die auf Tatsachen begründete objektiv ernstliche Besorgnis, dass in Zukunft gegen eine bestehende Unterlassungspflicht erstmals oder wiederholt verstoßen wird. Hat ein Eingriff bereits stattgefunden, begründet dies für gleichartige Verletzungshandlung die widerlegbare Vermutung einer Wiederholungsgefahr (BGH NJW 94, 1281). Die Widerlegung dieser Wiederholungsgefahr verlangt, dass entweder ein erneuter Eingriff nicht mehr rechtswidrig ist (BGH NJW 05,594) oder das Verhalten des Störers eine sichere Gewähr gegen weitere Eingriffe bietet (KG NJW-RR10, 1424) oder die tatsächliche Entwicklung einen neuen Eingriff unwahrscheinlich macht (BGH NJW 66, 448). Vorliegend geht das Gericht davon aus, dass eine Beleidigung des Verfügungsklägers nicht erfolgt ist. Selbst wenn man jedoch von einer solchen ausgehen würde, ergibt sich schon aus dem Sachverhalt, dass eine tatsächliche Wiederholungsgefahr sich nach dem unstreitigen Sachvortrag nur ergeben könnte, wenn der Verfügungskläger sich wiederum bewusst entscheidet, unberechtigt einen Behindertenparkplatz zu nutzen. Da der Verfügungsbeklagte allerdings die Titulierung „Parkplatzschwein“ auf der Internetseite geändert hat, und das Gericht davon ausgeht, dass die Prozessparteien grundsätzlich die sich aus der StVO ergebenden Pflichten erfüllen, kann im vorliegenden Fall von einer Wiederholungsgefahr als Anspruchsvoraussetzung für den Unterlassungsanspruch nicht ausgegangen werden. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

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