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Blutalkoholgutachten – Beweisverwertungsverbot

 Oberlandesgericht Karlsruhe

Az: 1 Ss 151/07

Beschluss vom 29.05.2008


Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bruchsal vom 19. September 2007 (3 OWi 40 Js 27598/07 – AK 317/07) wird auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe, die der Verteidigerin des Betroffenen Gelegenheit zur Gegenäußerung gegeben hat, kostenpflichtig als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung der Entscheidung aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§§ 79 Abs. 3, 80 a Abs. 1 OWiG, §§ 349 Abs. 2 und 3, 473 Abs. 1 StPO).

Zu bemerken ist:

Entgegen der Auffassung des Rechtsbeschwerdeführers steht der im amtsgerichtlichen urteil verfolgten Verwertung der dem Betroffenen am 12.02.2007 um 17.10 Uhr entnommenen Blutprobe und des diese auswertenden Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin der Universität Heidelberg vom 12.03.2007 kein Beweisverwertungsverbot entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob – wovon das Amtsgericht ausgeht – zum Zeitpunkt der Blutentnahme um ca. 16.30 Uhr wegen der erfahrungsgemäß raschen Abbaugeschwindigkeit der im Blut nachweisbaren Rauschmittelrückstände drohenden Beweismittelverlustes tatsächlich eine Eilanordnungskompetenz der Polizeibeamten gegeben war oder ob es – wie der Rechtsbeschwerdeführer meint- geboten und ohne den Beweismittelverlust riskierende Verzögerung möglich gewesen wäre, eine richterliche Entscheidung über die Blutentnahme einzuholen.

Nach § 81 a Abs. 2 StPO – hier in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG – steht die Anordnung der Entnahme von Blutproben zwar grundsätzlich und originär dem Richter und nur ausnahmsweise und subsidiär bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung – insoweit gleichrangig und ohne weitere Abstufung (NacK in KK StPO 5. Aufl. § 98 Rdnr. 12; Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 98 Rdnr. 6)- der Staatsanwaltschaft und deren Ermittlungspersonen zu. Auch müssen – wie die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zutreffend ausführt- die Strafverfolgungsbehörden bei einem schweren Eingriff in den Grundrechtsbereich, wie es die Entnahme einer Blutprobe ohne Einwilligung des Betroffenen darstellt, wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes vor Inanspruchnahme der ihnen ausnahmsweise zustehenden Eilanordnungskompetenz grundsätzlich und regelmäßig versuchen, eine Entscheidung des zuständigen Richters einzuholen (BVerfG, Beschl. v. 12.02.2007 -2 BvR 273/06-; vgl. auch BVerfGE 103, 142, 155). Auch muss im Falle der selbständigen Anordnung der Maßnahme die Gefährdung des Untersuchungserfolges von der Staatsanwaltschaft bzw. deren Ermittlungspersonen mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und – was nach den amtsgerichtlichen Feststellungen vorliegend unterblieben ist- zeitnah in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, wobei hiervon nur dann ausnahmsweise abgesehen werden kann, wenn die Dringlichkeit der Maßnahme evident ist (BVerfG a.a.0.; OLG Karlsruhe StV 2005, 376; Meyer-Goßner a.a.0. § 81 a Rdnr. 25). Entgegen der Bewertung der Rechtsbeschwerde rechtfertigt allerdings nicht jede ungerechtfertigte Inanspruchnahme der sich aus § 81 a Abs. 2 StPO ergebenden Eilanordnungskompetenz und jeder Verstoß gegen die die diesbezüglich bestehende Dokumentationspflicht die Annahme eines Verbots der Verwertung des Ergebnisses der entnommenen Blutprobe.

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei Nichtbeachtung des sich aus Art. 19 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, § 81 a Abs. 2 StPO ergebenden Richtervorbehalts ein Verwertungsverbot hinsichtlich des Ergebnisses der entnommenen Blutprobe anzunehmen ist, hat der Gesetzgeber nicht entschieden (vgl. hierzu Gössel in LR StPO 26. Aufl. Einl. L Rdnr. 16). So ist – ebenso wie auch bei der Prüfung eines Verwertungsverbots bei Verstößen gegen andere Erhebungsvorschriften- davon auszugehen, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist (BGHSt 44, 243, 249; BGH, B. v. 18. 4. 2007 – 5 StR 546/06 = NJW 2007, 2269). Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung ist diese Frage vielmehr nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art und dem Gewicht des Verfahrensverstoßes sowie der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden (BGH a.a.O.). Dabei ist zu beachten, dass die Annahme eines Beweisverwertungsverbots eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts – nämlich die Verpflichtung des Gerichts zur Wahrheitserforschung (§ 244 Abs. 2 StPO) – einschränkt und deshalb eine Ausnahme bedeutet, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten Gründen im Einzelfall anzuerkennen, ist (BGH a.a.O.). Gemessen an diesen Maßstäben ist – jenseits der gesetzlichen Regelung des § 138 a Abs. 3 StPO- ein Verwertungsverbot dann anzunehmen, wenn einzelne Rechtsgüter durch objektiv willkürliche Eingriffe fern jeder Rechtsgrundlage so schwerwiegend beeinträchtig` werden, dass dadurch das Ermittlungsverfahren als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnetes Verfahren nachhaltig beschädigt wird (BGH a.a.O.; vgl. ferner BGHSt 31, 296; 31, 304. 308; 34. 39; 35, 32. 34: 36, 396, 398; 42, 372. 377: 50, 206; Gössel 2.a.0. Rdnr. 33 und 178). Des weiteren sind Beweismittel dann ausnahmsweise unverwertbar, wenn ihrer Gewinnung schwerwiegende Rechtsverletzungen zugrunde liegen. die durch das besondere Gewicht der jeweiligen Verletzungshandlung bei grober Verkennung der Rechtslage geprägt sind (BGH a.a.O. sowie ferner BGHSt 24, 125, 131; 31, 304, 307; 34 39, 51; Gössel, a.a.O., Rdnr. 175; Roxin, Strafverfahrensrecht, 25. Aufl., S. 193 Rdnr. 46). Für den Fall ungerechtfertigter Inanspruchnahme einer bei Gefahr im Verzug gesetzlich eingeräumten Eilanordnungskompetenz durch die Staatsanwaltschaft und/oder deren Ermittlungspersonen ist ein Verbot der Verwertung der hierbei gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse dann -und nur dann- anzunehmen, falls eine solche Gefahr im Verzug willkürlich angenommen und der Richtervorbehalt bewusst und gezielt umgangen bzw. ignoriert wird oder wenn die den Richtervorbehalt begründende Rechtslage in gleichgewichtiger ~Neise gröblich verkannt bzw. fehlbeurteilt wird (vgl. BVerfGE 113, 29, 61; BVerfG NJW 2005, 1917 und NJW 2006, 2684, 2686; BVerfG, B.v. 12.08.2005 -2 BvR 1404/04; BGHSt 32, 68, 70; 41, 30, 34; 47, 362, 366; 48, 240, 248; zusammenfassend BGH NJW 2007, 2269; vgl. auch OLG Karlsruhe a.a.O.; Senge in KK StPO 5. Aufl. § 81 a Rdnr. 14; Meyer-Goßner a.a.0. § 81 a Rdnr. 32; grundsätzlich Roxin, Strafverfahrensrecht, 25. AufI., S. 193 Rdnr. 46).

Eine solche die Annahme eines Beweisverwertungsverbots rechtfertigende und gebietende Fallgestaltung ist vorliegend auch dann, wenn – wovon die Rechtsbeschwerde ausgeht, was aufgrund der im amtsgerichtlichen Urteil enthaltenen Feststellungen vom Senat allerdings nicht sicher und abschließend beurteilt werden kann- der die Blutprobe anordnende Polizeibeamte die Eilkompetenz des § 81 a Abs. 2 OWiG zu Unrecht in Anspruch genommen haben könnte, nicht gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass der Beamte die Gefahr im Verzug bzw. Gefährdung des Untersuchungserfolges willkürlich angenommen haben und den Richtervorbehalt sowie die ihn treffende Dokumentationspflicht bewusst und gezielt umgangen bzw. willkürlich ignoriert haben könnte, sind den vom Tatgericht getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen und werden von der Rechtsbeschwerde auch nicht – jedenfalls nicht hinreichend substantiiert – behauptet. Da eine Verfahrensrüge mit weitergehendem Sachvortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) nicht ausgeführt ist, ist dem Senat aufgrund der allein erhobenen Sachrüge auch eine umfassende diesbezügliche Nachprüfung nicht möglich (vgl. auch hierzu BGH NJW 2007, 2269; ferner BGHSt 19, 273, 275, 279 sowie Kuckein in KK StPO 5. Aufl. § 337 Rdnr. 30). Dass der die Entnahme der Blutprobe anordnende Polizeibeamte die den – möglichen – Richtervorbehalt begründende Rechtslage in einer der objektiven Willkür gleichgewichtigen Weise gröblich verkannt bzw. fehlbeurteilt haben könnte, kann den im amtsgerichtlichen Urteil enthaltenen Feststellungen und Ausführungen ebenfalls nicht entnommen werden. Nach diesen mangels Vorliegens einer Verfahrensrüge vom Senat hinzunehmender, und keiner weiteren umfassenden Überprüfung zugänglichen (vgl. oben) tatrichterlichen Feststellungen waren anlässlich der um 16.25 Uhr durchgeführten Verkehrskontrolle bei dem Betroffenen verschiedene auf Drogenkonsum hinweisende Auffälligkeiten -verzögerte Reaktion, Schweißausbruch, Zittern, Unruhe, schläfriger Eindruck, träge Lichtreaktion der Pupillen mit einer unterschiedlichen Größe von 2,5 mm rechts und 3 mm links- festgestellt worden; des weiteren war – nach um 16.30 Uhr erfolgter Durchführung eines Alco-Tests mit dem Ergebnis einer Atemalkoholkonzentration von 0,00 mg/Lein aufgrund des auffälligen Erscheinungsbildes durchgeführter Urindrogenschnelltest (On Call) positiv ausgefallen. Bei diesen konkret festgestellten Gegebenheiten spricht bei der hier gebotenen objektiven Sicht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch bei Einschaltung des örtlich zuständigen Ermittlungsverfahrenrichters ein die Blutprobe anordnender richterlicher Beschluss zu erlangen gewesen wäre (zur Beachtlichtkeit dieses Gesichtspunktes vgl. BGH NJW 2007, 2269; Roxin, a.a.O., S. 82 Rdnr. 21).

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