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Blutprobenentnahme – Einwilligung durch Betroffenen

Oberlandesgericht Hamm

Az: III-RVs 93/10

Beschluss vom 02.11.2010


Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.

G r ü n d e :

I.

Das Amtsgericht Detmold hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen in Höhe von jeweils 20,- € verurteilt. Weiter hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von noch sechs Monaten für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis verhängt.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils befuhr der Angeklagte am 13.01.2010 gegen 18.35 Uhr mit einem PKW Opel Kadett E mit dem Kennzeichen pp. in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand u.a. die M-Straße. Zuvor hatte er eine Tankstelle an dieser Straße aufgesucht und dort eine Flasche Bier getrunken. Als er dann trotz seines schwankenden Ganges seinen PKW bestieg und damit davonfuhr, wurde die Polizei informiert, die ihn kurz darauf anhielt. Die dem Angeklagten um 13.20 Uhr (hierbei handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler des amtsgerichtlichen Urteils) entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,23 Promille. Bei Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte der Angeklagte – so das Amtsgericht im Rahmen der rechtlichen Bewertung des Tatgeschehens – zumindest erkennen können, dass er fahruntauglich war.

Die Blutentnahme war nicht gemäß § 81 a Abs. 2 StPO von einem Richter angeordnet worden. Die einschreitenden Polizeibeamten hatten vielmehr von der Einholung einer richterlichen Anordnung abgesehen, nachdem der Angeklagte folgende Erklärung unterschrieben hatte:

„1. Erklärung

Ich wurde darüber aufgeklärt, warum mir ein/zwei Blutprobe(n) entnommen werden soll(en). Mir wurde erläutert, dass ohne meine Einwilligung die Anordnung der Blutprobe(n) grundsätzlich durch einen Richter erfolgen muss, dieses aber in den Fällen, wo ein Richter nicht rechtzeitig erreicht werden kann, auch durch die Staatsanwaltschaft oder einen Polizeivollzugsbeamten erteilt werden darf.

(x) Ich bin mit einer/zwei Blutentnahme(n) einverstanden.“

Diese Erklärung schließt mit der Unterschrift des Angeklagten.

In einer weiteren mit „Dokumentation der Polizei“ überschriebenen und von dem einschreitenden Polizeibeamten unterzeichneten Erklärung heißt es wie folgt:

„Die Einwilligung wurde erteilt; es bestehen keine Bedenken im Hinblick auf die Einwilligungsfähigkeit des Beschuldigten/Betroffenen.“

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Revision erhebt der Angeklagte die allgemeine Sachrüge und mehrere Verfahrensrügen. So rügt der Angeklagte die Unvollständigkeit des Protokolls der Hauptverhandlung als Verstoß gegen § 274 StPO. Zur Begründung führt er aus, der Verteidiger habe noch vor Verlesung des Blutalkoholgutachtens Widerspruch gegen die Verwertung des Gutachtens erhoben, der sich im Protokoll nicht hinreichend wiederfinde. Weiter wird die „Verletzung des § 81 a StPO “ gerügt. Es werde in Abrede gestellt, dass der Angeklagte angesichts seiner Alkoholisierung die Belehrungen der Polizeibeamten bezüglich der Frage, ob der Angeklagte bereit sei, einer Blutentnahme zuzustimmen, überhaupt verstanden habe. Der Angeklagte habe nämlich laut medizinischem Bericht „deutlich unter Alkoholeinfluss“ gestanden.

Darüber hinaus sei die dem Angeklagten vorgelegte Einwilligungserklärung widersprüchlich. Dementsprechend habe der Angeklagte die Einwilligungserklärung auch nur in dem Glauben unterzeichnet, dass der richterliche Eildienst nicht rechtzeitig zu erreichen war und – so die Revision – „um Zeit zu sparen“.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Sie ist offensichtlich unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO. Anlass zu näheren Ausführungen gibt nur Folgendes:

Die Rüge der Verletzung des § 81 a Abs. 2 StPO hat keinen Erfolg. Der Angeklagte hat wirksam in die Entnahme der Blutprobe eingewilligt. Einer Anordnung nach

§ 81 a Abs. 2 StPO bedurfte es in diesem Fall für die Durchführung der Blutprobe nicht. Deshalb ist es hier bedeutungslos, dass die Polizeibeamten nicht versucht haben, eine richterliche Anordnung für die Blutprobenentnahme zu erwirken.

Für die Anordnung der Entnahme einer Blutprobe durch den Richter gemäß § 81 a Abs. 2 StPO ist gemäß § 81 a Abs. 1 StPO überhaupt nur dann Raum, wenn der körperliche Eingriff ohne Einwilligung des Beschuldigten durchgeführt werden soll. Willigt der Beschuldigte dagegen in die Blutentnahme ein, so bedarf es keiner Anordnung nach § 81 a Abs. 2 StPO (Senat, NZV 2009, 90, 91; OLG Hamburg, NJW 2008, 2597, 2598; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 81 a Rdnr. 3 m.w.N.).

Der Beschuldigte muss die Sachlage und sein Weigerungsrecht kennen und muss die Einwilligung ausdrücklich und eindeutig und aus freiem Entschluss erklären (Meyer-Goßner, a.a.O., § 81 a Rdnr. 4 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Angeklagte hat nach entsprechender Belehrung durch die Polizei eine eindeutige Einverständniserklärung ausdrücklich und aus freiem Entschluss abgegeben. Die Ansicht der Revision, dass die der Einverständniserklärung vorangegangene schriftliche Belehrung des Angeklagten missverständlich sei, kann der Senat nicht teilen. Aus der Belehrung ergibt sich eindeutig, dass die Anordnung der Blutentnahme überhaupt nur dann in Betracht kommt, wenn der Beschuldigte nicht von vornherein in die Durchführung der Blutprobe einwilligt.

Allerdings muss der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Abgabe der Einwilligung in die Blutentnahme genügend verstandesreif sein, um die Tragweite seiner Einwilligungserklärung zu erkennen (Senat, a.a.O., S. 91; OLG Hamm, 2 Ss 117/09vom 28.04.2009, beckRS 2009, 21051; Heinrich, NZV 2010, 278, 279, je m.w.N.). Erforderlich ist, dass der Betroffene nach seiner Verstandesreife den Sinn und die Tragweite der Einwilligung erkennt (OLG Hamm, 2 Ss 117/09 vom 28.04.2009, beckRS 2009, 21051; LG Saarbrücken, Beschluss vom 13.11.2008 – 2 Qs 53/08, beckRS 2008, 23730). Zwar kann die Einwilligungsfähigkeit eines Beschuldigten aufgrund der Stärke des Alkoholeinflusses im Einzelfall zweifelhaft sein. Hierfür genügt aber nicht bereits jede alkoholische Beeinflussung (LG Saarbrücken, a.a.O., m.w.N.).

Der Angeklagte war hier mit 1,23 Promille Blutalkohol nur mittelmäßig alkoholisiert. Die Grenze, bei der deutliche Beeinträchtigungen in der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit angenommen werden, liegt bei etwa 2 Promille Blutalkohol. Von diesem Wert war der Angeklagte sehr weit entfernt. Er zeigte zwar Ausfallerscheinungen, insbesondere den vom Amtsgericht festgestellten schwankenden Gang, war aber durchaus in der Lage, mit seinem PKW unfallfrei zumindest noch für einen kurzen Zeitraum am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Soweit die Revision auf den ärztlichen Befundbericht verweist, nach dem der Angeklagte nach außen hin deutlich unter Alkoholeinfluss gestanden haben soll, ist dieser Vortrag urteilsfremd. Insgesamt ergeben sich keine genügenden greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte trotz der im Hinblick auf eine Beeinträchtigung seiner kognitiven Fähigkeiten eher geringgradigen Alkoholisierung nicht in der Lage gewesen sein sollte, die Belehrung zu verstehen und die Tragweite seiner Einwilligung zu erkennen, zumal es sich um einen völlig einfach gelagerten Sachverhalt gehandelt hat.

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