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Blutprobenentnahme – richterliche Anordnung

Landgericht Kassel

Az: 3 (6) Qs 253/09

Beschluss vom 20.01.2010


In dem Ermittlungsverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr hier: Blutentnahme gemäß § 81 a StPO hat die 3. Große Strafkammer des Landgerichts Kassel am 20.01.2010 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 01.09.2009 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Blutentnahme beim vormals Beschuldigten am 26.05.2009 rechtswidrig gewesen ist.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

Gegen den Beschuldigten wurde bei der Polizeistation Melsungen ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Trunkenheitsfahrt geführt. In diesem Rahmen wurde am 26. 05.2009, einem Dienstag, um 10.50 Uhr und um 12.05 Uhr beim damals Beschuldigten ohne richterliche Anordnung eine Blutentnahme gern. § 81 a StPO vorgenommen. Letztlich wurde das Verfahren gern. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil, unabhängig vom Ergebnis der Blutuntersuchung, ein Tatnachweis nicht möglich war. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 01.09.2009 erklärte das Amtsgericht Kassel auf Beschwerde des Beschuldigten die am 26.05.2009 durchgeführte Blutentnahme für rechtmäßig. Auf den angefochtenen Beschluss (BI. 34 d.A.) wird Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Verteidigerschriftsatz vom 08.09.2009 Beschwerde eingelegt. Der Beschwerde wurde durch das Amtsgericht nicht abgeholfen. Die Staatsanwaltschaft Kassel hat beantragt, die Beschwerde zu verwerfen. Im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Die Beschwerde gegen den die Rechtmäßigkeit der Blutentnahme feststellenden Beschluss vom 01.09.2009 ist zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Rechtswidrigkeit der Maßnahme vom 26.05.2009 festzustellen.

Die Blutentnahme gern. § 81 a Abs. 1 StPO wurde unter Verletzung des Richtervorbehalts des § 81 a Abs. 2 StPO vorgenommen. Danach steht die Anordnung einer Blutentnahme dem Richter zu und nur bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (§ 152 GVG). Eine richterliche Anordnung ist nicht getroffen worden. Die Voraussetzungen dafür, dass eine Blutentnahme ohne richterliche Anordnung erfolgen durfte, sind nicht gegeben. Dabei ergibt sich aus der Akte nicht, dass der Untersuchungserfolg durch Verzögerung des Verfahrens durch Einschaltung des Ermittlungsrichters gefährdet gewesen wäre. Eine dahingehende Dokumentation ist in der Akte auch nicht enthalten und unter Berücksichtigung der Umstände des hier gegebenen Einzelfalls auch nicht ersichtlich. Nicht eindeutig festzustellen ist überdies, ob eine Anordnung durch den Amtsanwalt oder durch den ermittelnden Polizeibeamten erfolgt ist. Die dahingehenden dienstlichen Stellungnahmen sind insoweit widersprüchlich. Im Ergebnis kommt es hierauf aber auch nicht an, da, wie dargelegt, die Voraussetzungen für eine staatsanwaltliche bzw. polizeiliche Anordnung nicht gegeben sind.

Nicht sicher festzustellen ist auch, ob der damals Beschuldigte wirksam in die Blutentnahme eingewilligt hat, so dass es deshalb einer richterlichen Anordnung nicht bedurft hätte. Dabei ist zunächst festzustellen, dass eine dahingehende Belehrung, dass eine Blutentnahme ohne richterliche Anordnung nur mit Einwilligung des Beschuldigten erfolgen kann und er eine solche Maßnahme daher verweigern kann, auch nach der dienstlichen Stellungnahme des ermittelnden Polizeibeamten nicht erfolgt sein dürfte. Insbesondere im Protokoll zur Blutentnahme lässt sich eine dahingehende Belehrung nicht feststellen. Aus dem Zeitpunkt der ersten Blutentnahme und dem Umstand, dass der Verteidiger erst später zur Polizeistation gelangt ist, wovon auf der Grundlage der Ermittlungsergebnisse auszugehen ist, kann auch nicht gefolgert werden, dass der Verteidiger eine entsprechende Belehrung seines Mandanten vorgenommen hat. Soweit im Vermerk des Polizeioberkommissars S. vom 03.12.2009 dargelegt wird, dass der Beschuldigte sinngemäß angegeben habe, dass man ihm ruhig Blut abnehmen könne, denn man werde in seinem Blut nichts finden, und sein Anwalt werde ihn schon raushauen, kann hierin keine wirksame Einwilligung in die Blutentnahme gesehen werden. Hierbei ist wieder auf die nicht ausreichende Belehrung über das Zustimmungserfordernis abzustellen. Hinzu kommt, dass ausweislich des Vermerks diese Äußerung des Beschuldigten gefallen ist, nachdem ihm mitgeteilt wurde, dass der Amtsanwalt eine Blutentnahme angeordnet habe. Soweit dem Beschuldigten diese Mitteilung gegenüber gemacht wurde, und nur davon kann ausgegangen werden, so stellte sich für ihn die Sachlage damals so dar, dass die Blutentnahme bereits angeordnet worden war. Soweit der Beschuldigte diese Maßnahme dann duldete und auch diese Äußerung tätigte, kann hierin keine wirksame Einwilligung in die Blutentnahme gesehen werden. Es geht bei einer die richterliche Anordnung entbehrlich machenden Einwilligung nicht darum, der Maßnahme bloß nicht zu widersprechen bzw. sich dieser nicht bloß zu widersetzen, sodass fehlender Widerspruch nicht einer Zustimmung gleichgesetzt werden kann, sondern darum, ihr nach erfolgter Belehrung vorab positiv zuzustimmen.

Nach allem ist festzustellen, dass die formalen Voraussetzungen für eine Blutentnahme nicht vorgelegen haben bzw. diese nicht in ausreichendem Maße dokumentiert sind. Solche Mängel in der Dokumentation und Begründung können nicht zu Lasten des Beschuldigten gehen. Nach allem ist daher festzustellen, dass die Blutentnahme am 26.05.2009 rechtswidrig gewesen ist. Die Frage der Verwertbarkeit stellt sich dabei nicht, da das Verfahren eingestellt worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus dem Erfolg der Beschwerde.

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