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Bobfahrt – Bobunfall und Schadenersatzansprüche

Landgericht Arnsberg

Az.: 2 O 456/02

Urteil vom 25.07.2003


In dem Rechtsstreit hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2003 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,- Euro abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand:

Der Kläger ist Lehrer und macht Schadenersatzansprüche wegen eines Unfalls anlässlich einer Bobfahrt geltend.

Die Beklagten sind Gesellschafter der W GbR und veranstalten auf der Bobbahn in X1 Taxi-Bob-Abfahrten in einem Viererbob. Der Bob wird von einem ausgebildeten Bobpiloten gesteuert und mittels Pedal gebremst. Diese zusätzliche Bremseinrichtung der Gäste-Vierer-Bobs war am 27.11.2001 Gegenstand einer Begutachtung durch den TÜV. Wegen der Einzelheiten wird auf den TÜV-Bericht, Blatt 76 – 78 d.A., Bezug genommen.

Neben dem Piloten nehmen drei Gäste an einer Abfahrt teil. Auf den letzten 100 Metern der Bahn wird der Bob abgebremst, indem unter dem Bob ein Bremsrechen ausgefahren wird. Dieser verfügt über mehrere Zacken, die in das Eis greifen und dadurch den Bob zum Stillstand bringen. Dadurch kommt es zu Unebenheiten und Eisabplatzungen.

Am letzten Tag der Bobsaison, dem 17.02.2002, nahm der Kläger gegen 16.15 Uhr an einer Abfahrt mit einem Taxi-Bob teil. Er nahm die letzte Position im Viererbob ein. Die Abfahrt dauerte etwa eine Minute und kostete 80 Euro. Der Kläger erlitt bei der Abfahrt einen Vorderkantenabbruch des 12. Brustwirbelknochens.

Der Kläger trat die Heimfahrt an und begab sich gegen 19.50 Uhr in ärztliche Behandlung im Wartburg-Klinikum F. Er wurde zwei Wochen stationär behandelt.

Daran schloss sich eine frühfunktionelle Behandlung nach Anlage eines Dreipunktstützkorsetts mit Rückmuskeltraining und schrittweiser Mobilisation an.

Vom 12.03.02 bis zum 02.04.02 erfolgte eine Anschlussbehandlung in einer orthopädischen Fachklinik. Seit Anfang Mai ist er wieder voll arbeitsfähig, jedoch nicht schmerzfrei. Bei längerem Gehen und Stehen bestehen weiterhin Beschwerden.

Der Kläger behauptet, gegen Ende der Fahrt, und zwar im Verlauf nach der letzten Kurve, habe er einen Schlag auf die Wirbelsäule verspürt. Er behauptet weiter, die gesamte Bobbahn habe sich in einem äußerst schlecht präparierten Zustand befunden. Die Bahn sei holprig und löchrig gewesen. Die Abfahrt sei sehr unruhig gewesen. Die Bobpiloten hätten das bestätigt.

Der Kläger ist der Ansicht, die Bobs seien nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen.

Denn der letzte im Bob befindliche Mitfahrer (Bremser) müsse ein erfahrener Bobsportler sein.

Der Kläger stellt sich ein Schmerzensgeld von mindestens 5.000,- Euro vor.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld aus dem Unfallereignis vom 17.02.2002 zu zahlen, und

2. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 17.02.02 auf der Bobbahn X1 zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, die Bobbahn habe sich über die gesamte Distanz in einem hinreichend gut präparierten Zustand befunden. Der zuständige Bahnmeister der Bobbahn habe die Bahn freigegeben. Die Schilderung des Klägers sei durch die technischen und physikalischen Gegebenheiten einer Bobabfahrt zu erklären.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes aus §§ 280 I, 823 I, 253 II BGB.

Die Beklagten haben keine ihnen obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt.

Grundsätzlich haftet derjenige, der eine Gefahrenquelle beherrscht, oder einen Verkehr eröffnet, für die sich daraus ergebenden Schäden, wenn er den Sicherheitserwartungen des Verkehrs nicht entspricht. Da eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar ist, muss nicht für alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden.

Vielmehr sind nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder bei nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen, vgl. Palandt-Thomas, BGB, § 823 RN 58.

Unter Zugrundelegung dieser allgemeinen Grundsätze ist die Pflicht zur Verkehrssicherung bei Taxi-Bob-Abfahrten darauf gerichtet, die Teilnehmer vor solchen Gefahren zu schützen, die über das vom Verkehr insoweit allgemein erwartete Risiko hinausgehen und für die Benutzer subjektiv nicht ohne weiteres erkennbar sind. Zur Ermittlung des Umfangs der Sicherungspflicht im Einzelfall muss jeweils ein sachgerechter Ausgleich zwischem dem schutzwürdigen Integritätsinteresse der Teilnehmer einerseits und dem Interesse an einer im allgemeinen nicht völlig gefahrlosen Teilnahme an einer solchen Abfahrt vorgenommen werden, vgl. OLG Hamm, OLG-Report 1999, 121 zu einer Überschlagsschaukel. Für Wintersportstätten ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass sich die Verkehrssicherungspflicht nur auf verdeckte oder sogenannte atypischen Gefahren erstreckt, nicht aber auf sportart- und sportstättentypische Gefahren, vgl. BGH NJW 1985, 620. Denn den mit der Benutzung einer Sportstätte verbundenen Gefahren setzen sich die Benutzer freiwillig aus.

Im Streitfall hat sich der Kläger im Verlauf nach der letzten Kurve verletzt. Er hat einen Schlag auf die Wirbelsäule verspürt und sich die durch ärztliche Berichte dokumentierte Fraktur zugezogen. Dabei ist das Gericht nach dem Vortrag der Parteien davon überzeugt, dass die Verletzung auf Unebenheiten der Bobbahn zurückzuführen sind. Andere Ursachen scheiden im vorliegenden Sachverhalt nach allgemeiner Lebenserfahrung aus.

Unebenheiten im Eis sind jedoch typisch für eine Bobbahn. Denn die aus Eis bestehende Oberfläche unterliegt unmittelbar den Einflüssen der Witterung. Je nach Temperatur und Luftfeuchtigkeit kann es zu kleineren oder größeren Veränderungen kommen. Ferner unterliegt die Oberfläche dem mechanischem Einfluss der abfahrenden Bobs. Durch das Bremsen der Bobs kommt es im Zielbereich ferner zu einem Aufkratzen des Eises, wenn die Bremsrechen mit ihren Zacken in das Eis greifen. Bei intensiver Benutzung kommt es zu entsprechend deutlichen Beeinträchtigungen. Diese nach allgemeiner Lebenserfahrung erkennbaren Umstände nimmt der Teilnehmer eine Bob-Abfahrt bewusst in Kauf.

Ebenso muss er damit rechnen, dass bei einer Bobabfahrt massive mechanische und physikalische Kräfte, insbesondere Erschütterungen, auf seinen Körper einwirken. Dies macht für viele Teilnehmer gerade den Reiz einer solchen Fahrt aus, für die ein Entgelt von immerhin 80 Euro entrichtet werden muss. Denn die Bobs erreichen bei einer Abfahrt durch die kurvenreiche Bobbahn Geschwindigkeiten von über 100 km/h und beim Durchfahren der Kurven werden die Teilnehmer hin- und hergeschüttelt. Anders als bei einem Kraftfahrzeug im Straßenverkehr werden etwaige durch Unebenheiten der Bobbahn bedingte Stöße nicht aufgefangen, sondern wirken unmittelbar auf die Insassen eines Bobs ein.

Aufgrund der Sitzhaltung der Insassen kann es in erster Linie zu Einwirkungen auf die Wirbelsäule kommen.

Die vom Kläger erlittene Verletzung ist daher als Verwirklichung eines bewusst eingegangenen Risikos anzusehen, denn solche Verletzungen sind nicht untypisch für eine Bobabfahrt. Jedenfalls geht das vom Kläger eingegangene Risiko nicht über das vom Verkehr insoweit allgemein erwartete Risiko hinaus, so dass die Verletzung nicht Folge einer Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht ist.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist nicht streitentscheidend, dass die Taxi-Bob-Abfahrten in der Vorsaison mit einem zweiten ausgebildeten Bobpiloten als Bremser durchgeführt worden sind. Ausweislich des TÜV-Berichts vom 27.11.2001 führt die zusätzliche Fahrerbremseinrichtung zu einer Verbesserung der Bremswirkung. Im Vergleich zur Originalbremse ergab sich eine Verkürzung der Bremszeit um ca. 55 %. Deshalb geht das Gericht davon aus, dass der Einsatz eines zusätzlichen Bremsers nicht erforderlich ist, jedenfalls nicht zur Erhöhung der Verkehrssicherheit einer solchen Abfahrt.

Der Feststellungsantrag hat aus den gleichen Gründen keinen Erfolg.

Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 16.07.2003 seinen Tatsachenvortrag erweitert und neue Angriffsmittel vorbringt, handelt es sich dabei um Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung, § 296 a ZPO, das nicht berücksichtigt werden darf. Denn es handelt sich nicht um die im Rahmen des Schriftsatzrechts gemäß § 283 ZPO erfolgte Erwiderung auf Vorbringen der Beklagten, sondern um neues Vorbringen des Klägers. Das verspätete Vorbringen des Klägers ist kein Grund zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO.

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