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Bonusgewährung – arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsanspruch

Landesarbeitsgericht Niedersachsen

Az: 10 Sa 1574/08

Urteil vom 06.08.2010


1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 2. September 2008 – 1 Ca 130/08 – teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, in welche der Einstufungen (grades) des Incentive Compensation Plan Bonus sie sämtliche bei ihr angestellten Anwendungsingenieure und Werkstattmitarbeiter unter Angabe von deren Berufsbezeichnungen und Tätigkeitsgebieten für das Kalenderjahr 2005 eingereiht hat, und ob der Incentive Compen Plan Bonus für das Kalenderjahr 2005, soweit er sich bezüglich der bei ihr angestellten Anwendungsingenieure und Werkstattmitarbeiter aus den Einstufungen (grades) 8 – 19 in Höhe von 90 Prozent und der bei ihr angestellten Anwendungsingenieure und Werkstattmitarbeiter aus allen anderen Einstufungen (grades) in voller Höhe nach den finanziellen und/oder nicht finanziellen Ergebnissen des Landes, der Region und der Abteilung berechnete,

a) innerhalb jeder Einstufung (grade) für die jeweils dort eingereihten

b) Angestellten in gleicher Höhe berechnet wurde unter Angabe der

c) jeweiligen Gesamthöhe des Incentive Compensation Plan Bonus

d) pro einzelnem Angestellten für sämtliche Einstufungen (grades),

falls dies nicht der Fall gewesen sein sollte,

e) auf welche Gesamthöhe sich der Incentive Compensation Plan

f) Bonus für jeden dieser Angestellten belief und wie er sich zusammensetzte, unter Angabe der von der Beklagten für die jeweiligen Angestellten verwendeten Einstufungen (grades) sowie der für diese zur Berechnung herangezogenen Anteile der finanziellen und nicht finanziellen Ergebnisse des Landes, der Region und der Abteilung an der Gesamthöhe des Incentive Compensation Plan Bonus.

2. Soweit es den Zahlungsanspruch abgewiesen hat, wird das Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft über Zahlungen eines sogenannten ICP-Bonus an andere Arbeitnehmer und in der zweiten Stufe die Gewährung eines solchen Bonus an ihn unter dem Gesichtspunkte des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.

Der Kläger ist bei der Beklagten auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 13. September 1995 (Bl. 54 bis 57 d. A.) beschäftigt und wird als sogenannter Tool Specialist Technician/Field-Service-Techniker eingesetzt. Er ist hauptsächlich im Ölfeldeinsatz tätig, arbeitet jedoch an ca. 30 Tagen pro Jahr in der Betriebswerkstatt. Er erhält eine Grundvergütung von 48.575,00 Euro brutto pro Jahr zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld. Im Jahre 2007 erhielt er eine Gesamtvergütung von 103.592,64 Euro brutto, von denen 46.200,00 Euro brutto auf den sogenannten Feldbonus entfielen. Diesen gewährt die Beklagte dem Kläger für jeden Einsatztag im Ölfeld in Höhe von 300,00 Euro brutto.

Am Standort A-Stadt der Beklagten sind auch mindestens 15 Werkstattmitarbeiter beschäftigt; sie werden hauptsächlich in der Werkstatt und nur gelegentlich auf Ölfeldern eingesetzt. Bis zum Jahre 2004 erhielten alle Arbeitnehmer im Betrieb einen sogenannten Special Performance Bonus, dessen Höhe allein vom Unternehmensergebnis, also nicht von der individuellen Leistung, abhing. Im Jahre 2005 wurde dieses System durch einen neuen, ICP genannten, Bonusplan abgelöst. Dessen Regelungen sehen einen Anspruch vor, wenn bestimmte Leistungsgrade auf Unternehmens- oder Divisionsebene oder auch durch Erreichung persönlicher Zielvereinbarungen und -vorgaben erfüllt werden. Für Arbeitnehmer, die in die sogenannten grades 8 bis 19 eingestuft sind, richten sich 10 v. H. der Bonuszahlung nach der individuellen Leistungsbeurteilung durch einen Manager. Für den Kläger und die anderen Field-Service-Mitarbeiter ist der ICP-Bonus nicht vorgesehen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Herausnahme aus dem ICP-Bonussystem verstoße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, denn sie sei sachlich nicht gerechtfertigt. Er bestimme das Jahresergebnis der Beklagten durch seine Tätigkeit wesentlich mit. Die Werkstattmitarbeiter leisteten die gleiche Arbeit, wenn man von der unterschiedlichen zeitlichen Gewichtung absehe. Die im Vergleich zu den Werkstattmitarbeitern höhere Vergütung des Klägers rechtfertige es nicht, ihm den ICP-Bonus zu verweigern, zumal zumindest ein Werkstattmitarbeiter ein höheres Grundgehalt erhalte als er und der Bonus auch dem Personalleiter gezahlt werde. Alle Vergütungsbestandteile einschließlich des Feldbonus würden auch den Werkstattmitarbeitern gewährt. Bezüglich des Feldbonus trage der Kläger das alleinige Risiko seines Einsatzes im Feld und damit für die Bonuszahlung. Außerdem komme der Bonus nur zur Auszahlung, wenn der Kunde den Feldeinsatz auch bezahle. Er arbeite in 24-stündiger Einsatzbereitschaft und werde ohne Vorlauffrist, auch aus dem Urlaub, abberufen. Der Kläger sei auch als sogenannter Sales Supervisor eingesetzt, habe aber auch für diesen Teil seiner Tätigkeit im Unterschied zu anderen Arbeitnehmern keinen Bonus erhalten.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft über sämtliche Berechnungsgrundlagen des Incentive Compensation Plan Bonus für die Einstufungen (grades) 1 – 19 sowie die Kriterien für die Einreihung ihrer Angestellten in die Einstufungen (grades) 1 – 19 für das Kalenderjahr 2005 entsprechend den Richtlinien der Beklagten gemäß ihrem Schreiben “ BOT Addendum to 2005 ICP Policy“ zu erteilen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen nach Erledigung der vorhergehenden Stufen zu beziffernden Incentive Compensation Plan Bonus für das Kalenderjahr 2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt, die unterschiedliche Behandlung der Werkstattmitarbeiter und Anwendungsingenieure einerseits sowie der Field-Service-Techniker andererseits sei sachlich begründet. Erstere hätten wesentlich geringere Entgelte und Verdienstmöglichkeiten. Die seit dem Jahre 2005 geltende, überdies für die Beklagte freiwillige Regelung habe das Bonussystem klarstellend neu strukturieren und es ermöglichen sollen, erfolgsabhängige Vergütungskomponenten für alle Beschäftigten einzuführen. Erstmals gebe es auf individuelle Leistungen zugeschnittene Boni. Auch persönliche Zielvereinbarungen würden ermöglicht, was die Motivation verbessere. Die Konzernmutter habe entschieden, dass Außendienstler, die einen täglichen Bonus bezögen, nicht an weiteren Bonusprogrammen teilnehmen sollten. Die früher gezahlten Boni seien freiwillig geleistet worden. Ihr Wegfall werde überdies durch die Erhöhung des Feldbonus um 6,00 Euro pro Tag größtenteils kompensiert. Eine Doppelgewährung beider Provisionsarten würde den Kläger ungerechtfertigt besserstellen als andere Arbeitnehmer. Er trage praktisch kein Risiko, nicht eingesetzt zu werden. Schon wegen seiner hohen Grundvergütung sei die Beklagte an seinem häufigen Einsatz interessiert. Während der vielen „Bereitschaftstage“, die bis auf die kleine Einschränkung telefonischer Erreichbarkeit einer Freizeit gleichkämen, erhalte der Kläger im Unterschied zu den Werkstattmitarbeitern sein Grundgehalt weiter. Arbeitnehmer, die nicht Field-Service-Techniker seien, würden nur in Not- und Ausnahmefällen im Feld eingesetzt. Jene Arbeitnehmer seien mit dem Kläger nicht vergleichbar. Anders als im Arbeitsvertrag geregelt sei der Feldbonus immer auch dann bezahlt worden, wenn der Kunde nicht gezahlt habe. Der Kläger sei niemals als Sales Supervisor eingesetzt worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Bonuszahlung, denn die Herausnahme der Field-Service-Mitarbeiter aus dem Bonussystem sei rechtlich nicht zu beanstanden. Im Unterschied zum Kläger stehe den Werkstattmitarbeitern kein einsatzabhängiger Bonus zu. Auch beim Bonus nach dem ICP-Plan bestehe das Risiko, die vereinbarten Ziele zu verfehlen und keinen Bonus zu erhalten. Der bewusste Nichteinsatz des Klägers würde seinen Bonusanspruch im Hinblick auf § 162 BGB nicht berühren. Auch die Bonuszahlung an mehrere Mitarbeiter, die zugleich an dem ICP teilnähmen, führe nicht zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung, denn sie hätten im Unterschied zum Kläger nur an einzelnen Tagen die Möglichkeit des Feldeinsatzes gehabt.

Gegen das ihm am 17. September 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Oktober 2008 Berufung eingelegt und diese am 17. November 2008 begründet.

Die Berufung führt aus: Das Arbeitsgericht habe den Zweck des Bonus fehlgedeutet, indem es zu Unrecht von einer leistungsbezogenen Prämie ausgegangen sei. Für die Gruppe, in die der Kläger eingereiht sei, beruhe die Bonuszahlung ausschließlich auf dem Unternehmenserfolg. Die Gewährung des Feldbonus an den Kläger mache es nicht sachgerecht, ihm den ICP-Bonus zu versagen, denn der Feldbonus belohne ausschließlich den persönlichen Einsatz des Klägers und sei ausschließlich leistungsabhängig. Nicht nachvollziehbar sei die Wertung, die Gewährung des ICP-Bonus neben dem Feldbonus für Anwendungsingenieure sei sachgemäß. Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, diese Arbeitnehmer hätten nur an wenigen Tagen im Feld gearbeitet, obgleich das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten nicht hinreichend substantiiert gewesen sei.

Nachdem der Kläger seinen Antrag auf Auskunft, wie viele verschiedene Einstufungen es für das Kalenderjahr 2005 im Rahmen der Berechnung des ICP-Bonus gegeben habe, für erledigt erklärt hat, beantragt er nunmehr noch, die Beklagte zu verurteilen,

1. dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, in welche der Einstufungen (grades) des Incentive Compensation Plan Bonus sie sämtliche bei ihr angestellten Anwendungsingenieure und Werkstattmitarbeiter unter Angabe von deren Berufungsbezeichnungen und Tätigkeitsgebieten für das Kalenderjahr 2005 eingereiht hat, und ob der Incentive Compensation Plan Bonus für das Kalenderjahr 2005, soweit er sich bezüglich der bei ihr angestellten Anwendungsingenieure und Werkstattmitarbeiter aus den Einstufungen (grades) 8 – 19 in Höhe von 90 Prozent und der bei ihr angestellten Anwendungsingenieure und Werkstattmitarbeiter aus allen anderen Einstufungen (grades) in voller Höhe nach den finanziellen und/oder nicht finanziellen Ergebnissen des Landes, der Region und der Abteilung berechnete,

a) innerhalb jeder Einstufung (grade) für die jeweils dort eingereihten Angestellten in gleicher Höhe berechnet wurde, unter Angabe der jeweiligen Gesamthöhe des Incentive Compensation Plan Bonus pro einzelnem Angestellten für sämtliche Einstufungen (grades), falls dies nicht der Fall gewesen sein sollte,

b) auf welche Gesamthöhe sich der Incentive Compensation Plan Bonus für jeden dieser Angestellten belief und wie sich dieser jeweils zusammengesetzt hat, unter ausdrücklicher Angabe der von der Beklagten für die jeweiligen Angestellten verwendeten Einstufungen (grades) sowie der für diese zur Berechnung herangezogenen Anteile der finanziellen und nicht finanziellen Ergebnisse des Landes, der Region und der Abteilung an der Gesamthöhe des Incentive Compensation Plan Bonus;

2. an den Kläger einen nach Erledigung der vorhergehenden Stufe zu beziffernden Incentive Compensation Plan Bonus für das Kalenderjahr 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmergruppen sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Beide Bonussysteme, nämlich ICP- und Feldbonus, seien für alle Arbeitnehmer leistungsbezogen ausgestaltet. Ebenso bedeute der häufige Einsatz des Klägers im Feld den wirtschaftlichen Erfolg der Beklagten, so dass eine Trennung zwischen Einsatzhäufigkeit und Unternehmenserfolg nicht möglich sei. Der ICP-Bonus für Werkstattmitarbeiter habe im Jahre 2005 durchschnittlich 2.000,00 Euro betragen, während der Kläger einen Feldbonus von 31.500,00 Euro erhalten habe. Der bis 2004 gewährte Bonus sei freiwillig gewährt worden. Im Übrigen sei der Kläger nicht mit den Anwendungsingenieuren und den Werkstattmitarbeitern vergleichbar. Diese Arbeitnehmer seien arbeitsvertraglich nicht verpflichtet, Feldeinsätze zu leisten, so dass die im Falle eines solchen Einsatzes überobligationsmäßige Leistungen erbrächten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf die begehrte Auskunft; nach deren Erteilung wird das Arbeitsgericht über den Zahlungsanspruch zu entscheiden haben.

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist von ihm frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

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II.

Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die begehrte Auskunft; das Arbeitsgericht wird sodann über den noch zu beziffernden Zahlungsantrag zu befinden haben.

1.

Der Antrag des Klägers ist zulässig. Insbesondere handelt es sich nicht um einen sogenannten Globalantrag.

a)

Der Kläger will an dem für das Jahr 2005 auf eine Gruppe von Arbeitnehmern angewendeten ICP-Bonus teilnehmen. Die Bezifferung seines Zahlungsanspruches ist ihm nicht möglich, weil er nicht weiß, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte den Bonus in welcher Höhe gewährt hat. Die verlangte Auskunft dient dem Zweck, einen bestimmten Leistungsantrag zu erheben. Damit liegt eine zulässige Stufenklage gemäß § 254 ZPO vor. Der Kläger durfte den auf Auskunft gerichteten Antrag mit einem unbestimmten Leistungsantrag auf Gleichbehandlung verbinden (vgl. BAG 1.12.2004 – 5 AZR 664/03 – BAGE 113, 55 = AP BGB § 242 Nr. 38 = EzA BGB 2002 § 242 Nr. 5 mwN).

b)

Der Antrag ist nicht zu weitgehend. Der Kläger benötigt die beantragten Informationen, um den ihm seiner Auffassung nach zustehenden Bonus zu beziffern.

c)

Der Antrag ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwischen den Parteien ist außer Streit, dass die Beklagte für die von ihr als berechtigt angesehen Arbeitnehmer den Bonus nach einem generalisierenden Prinzip berechnet. Auch ergibt die Auslegung des Antrags zu c), dass es sich nicht um einen unzulässigen Alternativantrag handelt, sondern um Haupt- und Hilfsantrag.

2.

Der Auskunftsanspruch ist begründet.

a)

Es ist anerkannt, dass Auskunftsansprüche nach Treu und Glauben bestehen können, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (BAG 19.4.2005 – 9 AZR 188/04 – AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 242 Auskunftspflicht Nr. 1; 1.12.2004 – 5 AZR 664/03 – aaO; 21.11.2000 – 9 AZR 665/99 – BAGE 96, 274 = AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 35 = EzA BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 6; 7.9.1995 – 8 AZR 828/93 – BAGE 81, 15 = AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 24 = EzA BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 4).

Ein Ungleichgewicht kann etwa aus einer wirtschaftlichen Übermacht oder aus einem erheblichen Informationsgefälle resultieren. Eine solche Situation kann es erfordern, Auskunftsansprüche zu statuieren, die eine Vertragspartei zur Wahrnehmung ihrer materiellen Rechte aus dem Vertrag benötigt. Im Regelfall setzt das einen dem Grunde nach feststehenden Leistungsanspruch voraus (BAG 1.12.2004 – 5 AZR 664/03 – aaO; 27.6.1990 – 5 AZR 334/89 – BAGE 65, 250 = AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 27 = EzA BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 2).

Innerhalb vertraglicher Beziehungen, insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen, kann der Auskunftsanspruch darüber hinaus die Funktion haben, dem Berechtigten Informationen auch schon über das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach zu verschaffen (BAG 1.12.2004 – 5 AZR 664/03 – aaO). Aus dem Arbeitsverhältnis ergeben sich spezifische Rücksichtnahmepflichten auch aus einer besonderen persönlichen Bindung der Vertragspartner. Besteht ein billigenswertes Interesse an einer Auskunft, kann sie verlangt werden, soweit die Verpflichtung keine übermäßige Belastung des Vertragspartners darstellt und die gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess berücksichtigt bleibt (BAG 1.12.2004 – 5 AZR 664/03 – aaO). Die Darlegungs- und Beweissituation darf allerdings nicht durch die Gewährung materiellrechtlicher Auskunftsansprüche unzulässig verändert werden (BAG 1.12.2004 – 5 AZR 664/03 – aaO; 7.9.1995 – 8 AZR 828/93 – aaO).

b)

Danach steht dem Kläger die begehrte Auskunft zu.

aa)

Er benötigt die Auskunft, um einen bezifferten Zahlungsanspruch geltend zu machen. Andere zumutbare Möglichkeiten, sich die Information zu beschaffen, stehen ihm nicht zu Gebote. Dagegen ist es der Beklagten unschwer möglich, die Auskunft zu erteilen, da sie die maßgeblichen Regeln selbst gesetzt hat. Eine übermäßige Belastung ist mit der Auskunftserteilung nicht verbunden. Nach Auffassung der Kammer war der Kläger auch nicht gehalten, sein Auskunftsverlangen entweder auf die Gruppe der Werkstattmitarbeiter oder auf diejenige der Anwendungsingenieure zu beschränken. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass gewisse Schwierigkeiten bestehen, beide Arbeitnehmergruppen voneinander abzugrenzen.

bb)

Die zwischen den Parteien unstreitige unterschiedliche Behandlung der Feldmitarbeiter einerseits sowie der Anwendungsingenieure und Werkstattmitarbeiter andererseits in Bezug auf Bonuszahlungen lässt einen Zahlungsanspruch des Klägers unter dem Gesichtspunkt der arbeitsrechtlichen Gleichbehandlung als möglich erscheinen.

(1)

Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleichzubehandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (BAG 1.12.2004 – 5 AZR 664/04 – aaO; 21.6.2000 – 5 AZR 806/98 – AP BGB § 612 Nr. 60 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 83; 13.2.2002 – 5 AZR 713/00 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 184 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 87).

(2)

Im Bereich der Vergütung, also der Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers, ist der Gleichbehandlungsgrundsatz trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar, wenn der Arbeitgeber die Leistungen nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Das Gebot der Gleichbehandlung greift immer dann ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt. Von einer solchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen (BAG 29.9.2004 – 5 AZR 43/04 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 192 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 4; 21.3.2002 – 6 AZR 144/01 – EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 88).

(3)

Die Anwendung dieser Grundsätze lässt eine sachwidrige Ungleichbehandlung des Klägers möglich erscheinen.

(a)

Die Beklagte behandelt verschiedene Arbeitnehmergruppen hinsichtlich der Bonusgewährung unterschiedlich. Sie nimmt die Gruppe der Field-Service-Techniker, der der Kläger angehört, von der Teilnahme am Incentive Corporation Plan aus, gewährt diesen Arbeitnehmern also keinen ICP-Bonus. Darüber hinaus existiert eine Gruppe von Arbeitnehmern, die sowohl den ICP-Bonus als auch – bei Einsätzen auf Ölfeldern – den Feldbonus in gleicher täglicher Höhe wie der Kläger erhält.

(b)

Die zur sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung vorgebrachten Gründe reichen nicht aus.

Die Beklagte führt zwar aus, beide Bonusarten seien leistungsbezogen, erfüllten also den gleichen Zweck. Tatsächlich bestehen aber erhebliche Unterschiede in Voraussetzung und Zielrichtung. Während der ICP-Bonus multifaktoriell ermittelt wird, wobei über die Leistung des einzelnen Arbeitnehmers hinausgehende Erfolge größerer Einheiten eine entscheidende Rolle spielen dürften, kann der Feldbonus nur verdient werden, soweit dem betreffenden Arbeitnehmer die Arbeit auf dem Ölfeld zugewiesen wird und er diese auch tatsächlich durchführt. Im Übrigen hat die Beklagte das Vorbringen des Klägers nicht bestritten, dass sich der ICP-Bonus zumindest in der Vergütungsgruppe, in die der Kläger eingereiht ist, ausschließlich nach dem Unternehmensergebnis, nicht jedoch nach der individuellen Leistung bemisst. Dann aber ist nicht ersichtlich, weshalb der Kläger eine ungerechtfertigte Besserstellung erführe, erhielte er neben dem einsatz- und damit leistungsbezogenen Feldbonus auch den ICP-Bonus.

Die von der Beklagten behaupteten Vergütungsunterschiede zwischen dem Kläger und den Werkstattmitarbeitern vermögen für sich genommen die unterschiedliche Behandlung nicht zu rechtfertigen. Hierzu ist es erforderlich, ein objektives, wirkliches Bedürfnis darzulegen (BAG 12.10.2005 – BAGE 116, 136 = AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 259 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 16). Die Gruppenbildung muss auf die Anforderungen im Betrieb zugeschnitten sein (BAG 18.11.2003 – 3 AZR 655/02 – EzA-SD 2004, Nr. 18, 15 = NZA 2004, 1296) und auf nachvollziehbaren, plausiblen Gesichtspunkten beruhen (BAG 21.3.2001 – 10 AZR 444/00 – AP BAT § 33a Nr. 17 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 84). Dem wird der Verweis auf Vergütungsunterschiede nicht gerecht. Das Vorbringen lässt nicht erkennen, weshalb es sachlich gerechtfertigt sein soll, Bezieher höherer Vergütungen vom ICP-Bonus auszunehmen, zumal dieser auch denjenigen Werkstattmitarbeitern gewährt wird, deren Grundgehalt sich von dem des Klägers kaum unterscheidet, und auch die Anwendungsingenieure den Bonus erhalten.

Dagegen, dass der ICP-Bonus lediglich den fehlenden Feldbonus kompensieren soll, spricht der Umstand, dass eine Gruppe von Arbeitnehmern einerseits den ICP-Bonus, andererseits aber auch den Feldbonus erhält. Dass diese Arbeitnehmer nach der Behauptung der Beklagten nur in Notfällen im Ölfeld eingesetzt werden und diese Tätigkeit über die geschuldete Arbeitsleistung hinausgehen soll, erklärt nicht hinreichend, weshalb sie in exakt der gleichen Höhe wie der Kläger den Feldbonus erhalten. Diese Frage drängt sich umso mehr auf, als der Feldbonus nach dem Vorbringen der Beklagten um 6,00 Euro täglich erhöht wurde, um zu kompensieren, dass weitere Boni nicht mehr gewährt werden. Im Übrigen beanstandet die Berufung zu Recht, dass die Beklagte nicht dargelegt hat, in welchem zeitlichen Umfang solche Notfalleinsätze anfallen, sondern nur die Wertung in den Raum gestellt hat, sie hätten keinen großen zeitlichen Umfang.

Der Umstand, dass der Kläger nicht in gleicher Weise wie die Anwendungsingenieure und die Werkstattmitarbeiter im Betrieb anwesend sein muss, ändert gleichfalls nichts am gefundenen Ergebnis. Der ICP-Bonus ist keine Anwesenheitsprämie oder Erschwerniszulage, sondern knüpft an Erfolge des Einzelnen oder bestimmter Organisationseinheiten an. Daher ist nicht ersichtlich, welche Rolle die Anwesenheitspflicht für Anspruchsgrund und -höhe spielen könnte.

Soweit die Beklagte geltend macht, der ICP-Bonus werde freiwillig gezahlt, ist dies unbehelflich. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz auch dann anzuwenden ist, wenn andere Anspruchsgrundlagen nicht eingreifen.

3.

Hinsichtlich des Zahlungsantrages war das arbeitsgerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen. Die Vorschrift des § 68 ArbGG verbietet die Zurückverweisung nicht, wenn – wie vorliegend – das Arbeitsgericht die Klage hinsichtlich aller Stufen abweist und das Berufungsgericht den Auskunftsanspruch zuspricht (BAG 21.11.2000 – 9 AZR 665/99 – BAGE 96, 274 = AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 35 = EzA BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 6; LAG Köln 11.8.1992 – 4 Sa 470/91 – NZA 1993, 864; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 7. Aufl., § 68 Rz. 21; Schwab in Schwab/Weth, ArbGG, 2. Aufl., § 68 Rz. 19).

III.

Weil die Kostenentscheidung nur einheitlich erfolgen kann, die zweite Stufe des Rechtsstreits jedoch noch nicht erledigt ist, ist sie durch das Arbeitsgericht zu treffen.

IV.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen zuzulassen, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Klärungsbedürftig sind insbesondere die Fragen nach dem Umfang des Auskunftsanspruchs und nach den Anforderungen, die an den sachlichen Differenzierungsgrund zu stellen sind.

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