LANDGERICHT BERLIN
Az.: 20 C 511/97
Urteil vom 01.09.1998
Im Namen des Volkes hat die Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin in 10589 Berlin (Charlottenburg) Tegeler Weg 17-21, auf die mündliche Verhandlung vom 11. August 1998 für R e c h t erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 19. Januar 1998 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof Kreuzberg – 20 C 511/97 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen, § 543 Abs. 1 ZPO.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das amtsgerichtliche Urteil ist zurecht ergangen; das Vorbringen in zweiter Instanz führt nicht zu einem anderen Ergebnis.
1. Der Vorwurf, das Amtsgericht habe das Recht auf Gehör verletzt, ist unberechtigt. Mit Beschluß vom 8. Dezember 1997 hat es der Klägerin die beantragte Schriftsatzfrist bis zum 8. Januar 1998 eingeräumt. Der Beschluß ist nach § 329 Abs. 1 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung am 8. Dezember 1997 wirksam. Eine Protokollabschrift ist zudem an die Prozeßbevollmächtigten beider Seiten abgesandt worden, wie sich aus dem Abvermerk auf dem in der Akte vorhandenen Protokoll ergibt. Damit ist das Amtsgericht seinen Pflichten nachgekommen. Auf den Zugang kommt es schon wegen der genannten Vorschrift nicht ans im übrigen hätte die Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, deren Verhalten diese sich zurechnen zu lassen hat (§ 85 Abs. 2 ZPO), bei Gericht nachfragen müssen, nachdem das Protokoll nicht, wie in Berlin üblich, ihr nach der mündlichen Verhandlung alsbald zugegangen war.
2. In der Sache steht der Klägerin ein Anspruch nicht zu, denn der Beklagte ist wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls nach 5 61 WG von der Verpflichtung zur Leistung frei.
Der – darlegungsbelastete – Beklagte behauptet unter Berufung auf das Schreiben der Klägerin vom 7. Januar 1997 schlüssig ein grob fahrlässiges Verhalten der Klägerin, weil diese danach eine brennende Kerze in ihrem Wohnzimmer bei geschlossener Türe 30 bis 40 Minuten allein gelassen hat (vgl. auch den Fall OLG Hamburg VersR 1994, 89).
Die Klägerin hat die Behauptung des Beklagten nicht substantiiert bestritten.
Der Versicherer ist zwar darlegungsbelastet. Er hat jedoch oft nur die Möglichkeit, sich an die Schilderung des Versicherungsnehmers zu halten. Dabei kommt den ersten Angaben des Versicherungsnehmers häufig besondere Bedeutung zu, weil er unbehelligt von rechtlichen Erwägungen am ehesten den Vorfall so berichtet, wie es sich tatsächlich zugetragen hat. Gleichwohl kann der Versicherungsnehmer natürlich darlegen, daß es sich anders verhalten habe, als in der ersten Meldung berichtet. Doch sind hierbei hohe Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit und die Widerspruchsfreiheit seiner neuen Behauptungen zu stellen. Ob bzw. unter welchen Umständen das soweit geht, daß eine Umkehr der Beweislast eintritt (dazu LG Münster, VersR 1992; 695), braucht nicht entschieden zu werden. Denn der Vortrag, der Klägerin ist nicht geeignet, den Aussagegehalt ihres Schreibens vom 7. Januar 1997 zu entkräften. Er ist teilweise nicht oder nur schwer nachzuvollziehen, zudem werden mehrere sich widersprechende Hergänge des Vorfalls geschildert, ohne dass die Widersprüche hinreichend erklärt wären.
Ihre Behauptung, sie habe am 7. Januar 1997 den Bericht noch unter Schockeinwirkung geschrieben, ist nicht nachvollziehbar, denn es war seit dem Vorfall am 30. Dezember 1996 mehr als eine Woche vergangen.
Nur schwer verständlich ist, daß sie nur das Wesentliche habe schildern wollen und deswegen weggelassen habe, daß sie während des Kochens ihr Kind habe beruhigen müssen, weswegen sie zweimal an der Kerze vorbeigegangen sei. Zwar soll ihre Versicherungsagentin angeregt haben, nur das Wesentliche aufzuschreiben; auf Einzelheiten komme es nicht an. Die Klägerin ist aber Kriminalbeamtin, so daß unterstellt werden kann, daß sie gewisse Erfahrungen hat, Geschehnisse auf Wesentliches hin zu beurteilen; das Schreiben vom 7. Januar 1997 ist einzeilig über eine Seite geschrieben, also nicht ganz kurz; Details wie der Umstand, daß der Kerzenständer im unteren Bereich ein Stoffblumendekor aufgewiesen habe, oder daß die Tür zwischen Küche und Wohnzimmer geschlossen gewesen sei, „damit keine Bratdünste in das Wohnzimmer ziehen“, sind aufgenommen; der Umstand hingegen, daß die Klägerin während der Kochzeit zweimal durch das Zimmer mit der Kerze gekommen sei, diese also kontrollieren konnte, soll als unwesentlich weggelassen worden sein.
Die Darstellung im Schreiben vom 17. Januar (richtig: Februar) 1997 dazu, daß die Klägerin nicht nur gekocht habe, sondern außerdem ihr Kind habe beruhigen müssen, mag zwar als nicht im Widerspruch zu der ersten Darstellung stehend gewürdigt werden können, sondern als Ergänzung. Bereits in diesem Schreiben hat sie
aber mitgeteilt, daß sie, nachdem sie das Kind beruhigt habe, in die Küche gegangen sei, „um mein Essen zu holen“. Ebenso hat die Klägerin erstinstanzlich vorgetragen. Diese Darstellung läßt sich aber, wie das Amtsgericht zutreffend erwogen hat, nicht damit vereinbaren, daß während eines so kurzen Aufenthalts der Brand an mehreren Stellen sich habe ausbreiten können.
Dem Rechnung tragend, hat die Klägerin auch nunmehr im Schriftsatz vom 4. August 1998 erklärt, sie habe das Essen nicht bloß herausgeholt, sondern es noch fertiggestellte das habe fünf bis zehn Minuten gedauert, jedenfalls aber nicht länger als 15 Minuten. Abgesehen von der Frage, ob dies prozessual nach Ablauf der
Berufungsbegründungsfrist noch zulässig ist, läßt diese Darstellung zwar den Brand wieder eher möglich erscheinen, steht aber klar im Widerspruch zu ihrer bisherigen Darstellung, ohne daß das zureichend aufgeklärt worden wäre. Die Klägerin persönlich hat zwar in der mündlichen Verhandlung versucht deutlich zu machen, daß hier Fehler im Vortrag ihrer Prozeßbevollmächtigten Rechtsanwältin liegen und daß sie künftig Schriftsätze eigener Rechtsanwälte genauer lesen werde. Doch berücksichtigt die Klägerin dabei wieder nicht, daß durchaus nur das mitgeteilt hat, was sich aus dem eigenen Schreiben der Klägerin vom 17. Januar/Februar 1999 ergibt, daß diese nämlich das Essen aus der Küche (nur) geholt habe: Für dieses Schreiben kann die Klägerin auch nicht anführen, daß sie die Umstände nur nachlässig geschildert habe, weil sie etwa noch unter Schock gestanden habe oder „Versicherungsfachleuten“ falsch beraten oder sonst ahnungslos gewesen sei. Aufgrund des Ablehnungsschreibens des Beklagten vom 4. Februar 1997 wußte sie, daß es um den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gehe und es auf genaue Darstellung ankomme.
Das Vorbringender Klägerin stellt demnach keinen Widerspruchsfreien substantiierten und zum Bestreiten der Behauptung des Beklagten geeigneten Prozeßvortrag dar und ist deswegen nach S 138 Abs. 2, 3 ZPO unbeachtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.