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Brandschaden – Anscheinsbeweis bei Rauchen einer industriell gefertigten Sicherheitszigarette

OLG Frankfurt – Az.: 14 U 401/20 – Urteil vom 25.10.2021

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. November 2020 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Marburg wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Streithilfe verursachten Kosten zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die klagende Versicherung nimmt den Beklagten nach Regulierung eines Brandschadens aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch mit dem Vorwurf, er habe den Brand fahrlässig verursacht.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen:

Die Klage sei unbegründet. Der Klägerin stehe kein Zahlungsanspruch in Höhe von 67.318,25 Euro gegen den Beklagten zu. Es sei nicht gemäß § 286 Abs. 1 ZPO erwiesen, dass der Beklagte den Brandschaden durch unsachgemäße Entsorgung einer glimmenden Zigarettenkippe in einem Polstersessel verursacht habe. Sein Vortrag, er habe seine Zigarette in einer metallenen Nierenschale vollständig ausgedrückt und sich hierüber anschließend vergewissert, sei durch die Beweisaufnahme nicht widerlegt worden. Die Zeugen A und B hätten das Vorhandensein einer solchen Nierenschale glaubhaft bestätigt. Da in dem Verbindungshaus zur fraglichen Zeit eine private Feier mit auswärtigen Gästen stattgefunden habe, der (Pauk-) Raum frei zugänglich gewesen und üblicherweise zum Zigarettenrauchen genutzt worden sei, könne der Brand auch von einer anderen Person verursacht worden sein. Die von dem Zigarettenrauchen des Beklagten bis zur Brandentdeckung verstrichene Zeitspanne habe hierfür nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen C genügt.

Insoweit komme der Klägerin auch kein Anscheinsbeweis zugute. Sie habe das Vorliegen eines typischen Geschehensablaufs, der nach der Lebenserfahrung auf eine Brandverursachung durch den Beklagten schließen lassen könnte, nicht bewiesen. Das Rauchen einer Zigarette in einem geschlossenen Raum neben einem Polstersessel genüge hierfür nicht, zumal, wenn sich dort – wie im vorliegenden Fall – Nierenschalen befänden, die üblicherweise zum Abaschen benutzt würden, und andere Brandursachen nicht ausgeschlossen seien. Daher komme es nicht darauf an, ob der Beklagte seine Zigarette – wie von ihm vorgetragen – in Sesselnähe stehend oder – wie die Klägerin behaupte – im Sessel sitzend geraucht habe.

Selbst wenn man einen Beweis des ersten Anscheins für eine Brandverursachung durch den Beklagten annehmen wollte, wäre dieser Anschein erschüttert, weil der Brand auch durch das unachtsame Verhalten eines anderen Zigarettenrauchers ausgelöst worden sein könne.

Jedenfalls sei ein Sorgfaltsverstoß des Beklagten im Sinne des § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB durch unsachgemäßen Umgang mit seiner Zigarette nicht erwiesen. Er habe diese seinem unwiderlegten Vortrag zufolge erlaubterweise in dem Paukraum geraucht und sie dann vollständig in einer metallenen Nierenschale ausgedrückt, aus der sie nicht habe herausfallen können.

Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil vom 11. November 2020 Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt. Sie rügt fehlerhafte Tatsachenfeststellungen sowie formelle und materielle Rechtsfehler des Landgerichts.

Das Urteil sei unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergangen. Der Rechtsstreit sei durch Beschluss vom 20. August 2020 gemäß § 348 a Abs. 1 ZPO dem zuständigen Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden, so dass hierfür – nach Dezernatswechsel – zuletzt Einzelrichterin D zuständig gewesen sei. Ausweislich der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils beruhe dieses aber nicht auf der rechtlichen Würdigung dieser Einzelrichterin, sondern auf der Rechtsauffassung der unzuständigen Kammer und insoweit auf sachfremden Erwägungen.

Außerdem beruhe das Urteil auf einer fehlerhaften Beweiswürdigung. Der Beklagte habe sich fünf bis fünfundzwanzig Minuten vor der Brandentwicklung mit einer brennenden Zigarette in unmittelbarer Nähe des in Brand geratenen Polstersessels aufgehalten, das Spurenbild des Brandes könne nach Aussage des Sachverständigen durch eine von dem Beklagen glimmend eingebrachte Zigarettenkippe verursacht sein, während eine fahrlässige Brandverursachung durch Dritte ausscheide; für eine vorsätzliche Brandstiftung oder auch nur für ein Betreten des Raums durch einen Dritten fehlten konkrete Anhaltspunkte. Diesen erdrückenden Indizien stehe nur der – von keinem der Zeugen bestätigte – Vortrag des Beklagten gegenüber, er habe seine Zigarette in einer Nierenschale ausgedrückt, und der Umstand, dass sich vom Beklagten nicht näher benannte Personen in dem Haus aufgehalten hätten. Bei zutreffender Beweiswürdigung sei eine Brandverursachung durch den Beklagten erwiesen.

Brandschaden – Anscheinsbeweis bei Rauchen einer industriell gefertigten Sicherheitszigarette
(Symbolfoto: Andrey_Popov /Shutterstock.com)

Jedenfalls greife insoweit ein Anscheinsbeweis. Die Verursachung eines Brandes durch fahrlässigen Umgang mit einer glimmenden Zigarette bilde einen typischen Geschehensablauf. Hier habe sich der Beklagte nur wenige Minuten vor der Brandentdeckung mit einer glimmenden Zigarette am späteren Brandort aufgehalten. Aufgrund dieses engen räumlich-zeitlichen Zusammenhangs spreche ein Anscheinsbeweis gegen ihn mit der Folge, dass er seinen Vortrag beweisen müsse, er habe seine Zigarette vollständig ausgedrückt und sich hierüber anschließend versichert; keiner der Zeugen habe dies bestätigt. Der Beklagte habe auch keine konkreten Anhaltspunkte für eine andere Brandursache dargelegt.

Hielte man mit dem Landgericht eine Brandstiftung durch eine dritte Person für möglich, müsse man § 830 BGB beachten, wonach bei einer gemeinschaftlich begangenen Tat jeder für den Schaden verantwortlich sei und gleiches gelte, wenn sich nicht ermitteln lasse, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht habe. Tatbeteiligter im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB sei derjenige, dessen Tatbeitrag zu einer rechtswidrigen Gefährdung der Schutzsphäre des Betroffenen geführt habe und zur Herbeiführung der eingetretenen Verletzung geeignet sei (BGH VI ZR 25/17). Da der Beklagte in dem Raum geraucht habe, was zur Brandstiftung geeignet gewesen sei, wäre er, da fahrlässige Brandstiftung rechtswidrig sei, bei fahrlässiger Brandstiftung durch eine weitere Person für den Brandschaden verantwortlich.

Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 8. Februar 2021 (Band IV Blatt 841 ff. der Akten) verwiesen.

Die Klägerin beantragt, das angegriffene Urteil abzuändern und

den Beklagten zu verurteilen, an sie 67.318,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Dezember 2017 zu zahlen und ihr vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.879,09 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

Die Beklagte und ihr Streithelfer beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Der Beklagte sieht keinen Verstoß des Landgerichts gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Sein Streithelfer verweist insoweit auf den Wortlaut von § 348 a Abs. 1 ZPO, wonach die Zivilkammer durch eines ihrer Mitglieder als Einzelrichter entscheidet, und folgert hieraus, dass zivilprozessual der Einzelrichter die Zivilkammer sei.

Nach Ansicht des Beklagten ist auch die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Die Klägerin schildere die ihrer Meinung nach zu würdigenden Indizien nicht vollständig und zutreffend. Die von ihr angeführte Einschätzung des Polizeibeamten B sei nur eine Vermutung nach Aktenlage gewesen. Die Zeugen E und A hätten den Klägervortrag, er (der Beklagte) habe einen Verursachungsbeitrag zu dem Brand geleistet, nicht bestätigt. Der Paukraum werde üblicherweise zum Rauchen benutzt und sei über die Treppe auch vom Obergeschoss her von den dort am Brandtag feiernden Hausgästen erreichbar gewesen, ohne dass man einen solchen Zutritt Dritter im Studierzimmer hätte bemerken müssen. Der Sachverständige C habe klargestellt, dass in der Zeitspanne vom Verlassen des Raums durch ihn (den Beklagten) und der Brandentstehung auch eine Brandverursachung durch Dritte möglich gewesen sei Eine Brandverursachung durch bloßes Abfallen von – möglicherweise verglimmende Tabakreste enthaltender – Asche oder durch eine in einer metallenen Nierenschale ausgedrückte Zigarette habe der Sachverständige als sehr unwahrscheinlich erachtet. Unter Berücksichtigung all dessen habe das Landgericht zu Recht Zweifel an einer Brandverursachung durch ihn (den Beklagten) behalten, was zum Nachteil der insoweit beweisbelasteten Klägerin gehe.

Diese könne sich auch nicht auf einen Anscheinsbeweis berufen. Sie habe keinen typischen Geschehensablauf bewiesen, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Brandursache schließen lasse. Das bloße Rauchen einer Zigarette genüge hierfür nicht. Der Streithelfer der Beklagten hält der Klägerin entgegen, sie unterstelle ein fahrlässiges Verhalten des Beklagten, um hierauf einen Anscheinsbeweis zu stützen.

Zu der von der Klägerin angeführten Vorschrift des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB verweisen der Beklagte und sein Streithelfer darauf, dass hierfür der Nachweis erforderlich sei, dass er (der Beklagte) deliktisch gehandelt habe, woran es fehle.

Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf die Schriftsätze vom 8. und 20. April 2021 (Band IV Blatt 873 ff. und 875 f. der Akten) verwiesen.

Die Akten des Ermittlungsverfahrens … der Staatsanwaltschaft Marburg sind beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das angegriffene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

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1. Die Klage ist unbegründet. Der klagenden Versicherung steht kein Anspruch auf Zahlung von 67.318,25 Euro aus übergegangenem Recht des Vereins1 gegen den Beklagten zu. Ein Schadensersatzanspruch dieses Vereins, der gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf die Klägerin hätte übergehen können, bestand nicht. Ein für die von der Klägerin regulierten Brandschäden ursächliches, eine Haftung gegenüber dem vorgenannten Verein begründendes Fehlverhalten des Beklagten ist nicht erwiesen. Insoweit kann auf die eingehenden und zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils verwiesen werden. Die mit der Berufung hiergegen erhobenen Einwände sind unbegründet.

a. Fehl geht zunächst die Rüge der Klägerin, das angegriffene Urteil sei unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergangen, weil es trotz Übertragung der Entscheidung des Rechtsstreits auf die (zuletzt zuständige) Berichterstatterin als Einzelrichterin nicht auf deren rechtlicher Würdigung beruhe, sondern ausweislich der Entscheidungsgründe auf derjenigen der „unzuständigen Kammer“. Der Streithelfer des Beklagten hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass bereits nach dem Wortlaut des § 348 a Abs. 1 ZPO die Zivilkammer durch eines ihrer Mitglieder als Einzelrichter entscheidet. Danach liegt in der rechtlichen Würdigung der Einzelrichterin diejenige der Kammer. Dem entspricht die von der Klägerin angeführte Formulierung in den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils, was im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingehend erörtert wurde.

Dabei hat der Klägervertreter mit umfänglichen Ausführungen seine Annahme erläutert, es könnten Verbindungen zwischen dem vorgenannten Verein oder dessen Mitgliedern und Richtern des Landgerichts Marburg bestehen, die ihrerseits der zuständigen Richterin die in dem angegriffenen Urteil vertretene Rechtsauffassung vorgegeben haben könnten, worauf seiner Ansicht nach die Verwendung der Begriffe „Gericht“ einerseits und „Kammer“ andererseits hindeute. Auf Nachfrage hat sich der Klägervertreter allerdings nicht in der Lage gesehen, konkrete Anhaltspunkte für solche persönlichen Verbindungen oder für eine durch solche Verbindungen motivierte Einflussnahme eines oder mehrerer Richter auf die entscheidungszuständige Einzelrichterin zu nennen. Eigene Verbindungen dieser Richterin zu dem vorgenannten Verein hielt der Klägervertreter selbst eher nicht für wahrscheinlich, andere Anhaltspunkte als die in dem angegriffenen Urteil verwendeten Worte „Gericht“ und „Kammer“ konnte er im Rahmen der wiederholten Erörterungen dieser Frage nicht nennen. Hiernach ist eine unzulässige Beeinflussung der zuständigen Richterin durch im Dunklen gebliebene Verbindungen oder Einwirkungen nicht feststellbar. Auch hat die Klägerin nicht dargelegt, inwieweit das angegriffene Urteil auf einer derartigen Beeinflussung der Richterin beruhen könnte.

b. Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden.

aa. Die Klägerin macht geltend, dem Verein1.habe ein – inzwischen nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf sie übergegangener – Schadensersatzanspruch in Höhe von 67.318,25 Euro gegen den Beklagten zugestanden, weil dieser am 14. Februar 2016 einen Brand im sogenannten Paukraum des Verbindungshauses des Vereins schuldhaft verursacht habe. Hierzu hat sie behauptet, der Beklagte – der unstreitig geraume Zeit vor Ausbruch des Brandes in dem Paukraum eine industriell gefertigte Zigarette geraucht hatte – habe seine Zigarette auf oder jedenfalls in unmittelbarer Nähe zu einem Polstersessel geraucht und die Zigarettenkippe dann in einer dort stehenden Nierenschale entsorgt. Dabei habe er es versäumt, sich davon zu überzeugen, dass keine Brandgefahr von der Zigarette oder herabgefallenen „Glühresten“ ausgehe, und hierdurch den im Bereich des Polstersessels zehn bis zwanzig Minuten später ausgebrochenen Brand verursacht.

bb. Der Beklagte ist dem mit dem Vortrag entgegengetreten, er habe nicht auf, sondern neben den Sesseln stehend geraucht, dabei in eine auf einem Tisch stehende metallene Nierenschale geascht, die Zigarettenkippe anschließend darin ausgedrückt und sich beim Verlassen des Raums vergewissert, dass die Zigarette auch tatsächlich ausgedrückt gewesen sei. Zur fraglichen Zeit sei im ersten Obergeschoss des Gebäudes mit auswärtigen Gästen gefeiert worden, die nach ihm den Paukraum zum Rauchen aufgesucht haben könnten, ohne dass er und seine Kommilitonen dies hätten bemerken müssen.

cc. Aufgrund dieses Bestreitens bedarf der unter aa. wiedergegebene Klagevortrag des Beweises, § 288 Abs. 1 ZPO. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sie die eingeklagte Forderung herleitet. Daher hat sie ein von ihr behauptetes Fehlverhalten des Beklagten sowie die Ursächlichkeit dieses Verhaltens für den streitgegenständlichen Brand – unter Widerlegung des abweichenden Beklagtenvortrags – zu beweisen (zum Erfordernis einer Widerlegung bestreitenden Sachvortrags vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. Dezember 2017, VersR 2018, S. 890 ff. Rn. 23; Urteil vom 30. November 1994, NJW 1995, S. 1148 ff., juris Rn. 19 mit weiteren Nachweisen).

dd. Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung als wahr oder nicht wahr zu erachten sei. Allein der Tatrichter hat ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er mögliche Zweifel überwinden und die persönliche Gewissheit von der Wahrheit einer bestimmten Behauptung erlangen kann. Dabei darf und muss er sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Februar 1970, NJW 1970, S. 946, 948; Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage, § 286 Rn. 17 ff. mit weiteren Nachweisen).

ee. Nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht aufgrund der persönlichen Angaben des Beklagten, der Bekundungen der Zeugen E, A und B sowie des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen C vom 2. Juni 2020 den bestreitenden Beklagtenvortrag als nicht widerlegt erachtet und deshalb Zweifel daran behalten, dass der Beklagte den Brand vom 14. Februar 2016 durch fehlerhaften Umgang mit einer Zigarette verursacht hat. Hieran ist der Senat gebunden. Anhaltspunkte, die im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom Landgericht insoweit vorgenommenen Beweiswürdigung begründen und eine andere Wertung als richtiger erscheinen lassen könnten (zu diesem Maßstab vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. März 2005, BGHZ 162, S. 313 ff. = NJW 2005, S. 1583, 1584; Urteil vom 24. Februar 2017, NJW-RR 2017, S. 725 ff. Rn. 20), sind weder dem Berufungsvorbringen der Klägerin zu entnehmen noch sonst ersichtlich.

(1) Dies gilt zunächst für den von der Klägerin behaupteten fehlerhaften Umgang des Beklagten mit der von ihm gerauchten Zigarette.

(a) Insoweit hat der Beklagte bei seiner persönlichen Anhörung durch das Landgericht seinen Sachvortrag bestätigt, wonach er nicht – wie von der Klägerin behauptet – in einem Sessel sitzend, sondern einen halben bis einen Meter von einem Sessel entfernt stehend geraucht habe, und zwar neben einem Tisch mit einer metallenen Nierenschale, in die er seine Zigarette beim Rauchen abgeascht und danach ausgedrückt habe; die von ihm gerauchte Zigarette habe sich nicht oberhalb eines Sesselpolsters befunden. Es könne zwanzig, dreißig oder auch vierzig Minuten später gewesen sein, als er einen lauten Knall und anschließend Rauchgeruch wahrgenommen habe (vgl. die Sitzungsniederschrift vom 29. August 2019, Band III Blatt 516 ff. der Akten).

(b) Die Zeugen E und A, die zugegen waren, als der Beklagte die Zigarette rauchte, haben nichts Gegenteiliges bekundet (vgl. die Sitzungsniederschrift vom 29. August 2019, Band III Blatt 518 f. und 521 ff. der Akten). Zu dem von dem Klägervertreter im Verhandlungstermin vor dem Senat angesprochenen Standort des Beklagten bei dem streitgegenständlichen Rauchen hat der Zeuge A Folgendes ausgesagt (vgl. ebenda, Band III Blatt 522 f. der Akten):

„Wenn man geradeaus rein durch die Tür geht, stand der Herr E im Bereich einer Tür, die ins Freie geht. Rechts davon sind zwei Sessel, die zu einem Sofa zusammengestellt sind. Daneben ist noch ein Tisch. In diesem Bereich hielt sich Herr F auf.“

Diese Aussage steht der Angabe des Beklagten, er habe einen halben bis einen Meter von einem Sessel entfernt neben einem Tisch stehend geraucht, nicht entgegen. Aus ihr ergibt sich – entgegen der von dem Klägervertreter im Verhandlungstermin vor dem Senat geäußerten Ansicht – nicht, dass sich die Zigarette des Beklagten oberhalb eines Sesselpolsters befand. Insoweit bedurfte es auch nicht nach § 398 Abs. 1 ZPO einer wiederholten Vernehmung des Zeugen A zu der Frage, wo sich der Beklagte beim Rauchen aufhielt. Der Senat möchte der Aussage des Zeugen weder eine andere Tragweite noch ein anderes Gewicht beimessen als das Landgericht (zu den Voraussetzungen, unter denen eine Zeugenvernehmung zu wiederholen ist, vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. Januar 2021, BeckRS 2021, 1194 Rn. 13). Das Landgericht hat der Aussage des Zeugen A nicht entnommen, dass die Zigarette des Beklagten oberhalb des Polstersessels gehalten wurde und deshalb dort ganz oder teilweise herabgefallen ist. Damit stimmt die vorstehende Einschätzung des Senats überein: Die Bekundung des Zeugen A, der Beklagte habe im Bereich der Sessel und des Tischs gestanden, entspricht der Angabe des Klägers, er habe zwischen Sessel und Tisch gestanden, aber nicht so, dass er die Zigarette über ein Sesselpolster gehalten habe.

(c) Der als Zeuge vernommene Polizeibeamte B war vor und bei der streitgegenständlichen Brandentstehung nicht zugegen. Er hat aus dem von ihm vorgefundenen Brandschadensbild geschlossen, Brandursache könne nur die Zigarette des Beklagten gewesen sein, weil er andere Brandursachen als eine Zigarette nicht habe feststellen können und der Beklagte – anders als der Zeuge E – in der Nähe des angebrannten Sessels geraucht habe; er (der Zeuge B) könne sich das nur so erklären, dass der Beklagte von seiner Zigarette unbemerkt Glut verloren habe (vgl. die Sitzungsniederschrift vom 29. August 2019, Band III Blatt 525 f. der Akten). Dahingehend hatte sich der Zeuge B bereits in einem Aktenvermerk vom 15. Februar 2016 geäußert und ergänzend erläutert, die vom Beklagten verlorene Glut sei dann auf dem Sessel zum Liegen gekommen und habe diesen entzündet (vgl. Blatt 20 der Beiakten … der Staatsanwaltschaft Marburg; zu ähnlichen Vermutungen der Zeugen E und A in dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vgl. Blatt 31 und 39 der Beiakten).

Dieser Einschätzung des Polizeibeamten B liegt die Annahme zugrunde, der Beklagte habe seine Zigarette so geraucht, dass diese sich oberhalb eines Sesselpolsters befunden habe und daher glimmender Tabak auf das Polster habe fallen und es entzünden können.

Diese Annahme ist – wie vorstehend ausgeführt – nicht bewiesen, da der Beklagte unwiderlegt angegeben hat, er habe einen halben bis einen Meter von einem Sessel entfernt stehend geraucht, wobei sich seine Zigarette nicht oberhalb eines Sesselpolsters befunden habe.

Auch die Schlussfolgerung des Zeugen B, vom Beklagten unbemerkt verlorene Zigarettenglut müsse auf dem Sessel zum Liegen gekommen sein und diesen entzündet haben, ist unzutreffend. Nach der überzeugenden und von der Klägerin mit der Berufung nicht angegriffenen Einschätzung des Sachverständigen C sind in der EU seit 2011 nur noch Sicherheitszigaretten zugelassen: Bei diesen Zigaretten bewirken zwei in dem mit Tabak gestopften Bereich eingebrachte verdickte Papierstreifen, dass die Glut dann, wenn sie eine dieser Verdickungen erreicht, kaum noch Sauerstoff erhält und deshalb in der Mehrzahl der Fälle verlischt (vgl. Seite 14 des Gutachtens vom 2. Juni 2020 in der Aktenlasche von Band III der Akten = Anlage Bk 1, Band IV Blatt 854 R. der Akten). Ein Herabfallen glimmender Tabakreste ist nach den Ausführungen des Sachverständigen bei industriell gefertigten Zigaretten wenig wahrscheinlich und eine Brandentstehung durch abgefallene Zigarettenasche äußerst unwahrscheinlich (vgl. Seite 17 des Gutachtens vom 2. Juni 2020 in der Aktenlasche von Band III der Akten = Anlage Bk 1, Band IV Blatt 856 der Akten). Die Zigarettenasche ist nämlich so weit verbrannt, dass sie kein aktives Brandgeschehen mehr aufrechterhalten kann, weshalb eine Zündung durch die Zigarettenasche auszuschließen ist. Auch ein mit der Asche abgefallenes Stück glimmenden, unverbrannten Tabaks kann wegen der äußerst geringen Tabakmenge einen Glimmbrand allenfalls für kurze Zeit aufrechterhalten und nur eine geringe Zündenergie zur Verfügung stellen (vgl. ebenda). Eine Aufbereitung eines brennbaren Fremdmaterials, auf welches ein solcher kleiner glimmender Tabakrest fällt, bis zur Entzündung dieses Materials ist daher nach Einschätzung des Sachverständigen äußerst unwahrscheinlich (ebenda).

(d) Auch bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände – einschließlich der von der Klägerin angeführten Indizien – ist nicht im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO erwiesen, dass der Beklagte den Brand vom 14. Februar 2016 durch den (fehlerhaften) Umgang mit einer Zigarette verursacht haben muss, weil andere Möglichkeiten einer Brandverursachung ausgeschlossen sind.

Insoweit hat das Landgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass der Beklagtenvortrag, wonach in dem Verbindungshaus zur fraglichen Zeit eine private Feier mit auswärtigen Gästen stattfand, die freien Zugang zu dem üblicherweise zum Zigarettenrauchen genutzten Paukraum hatten und den Brand verursacht haben könnten, nachdem er (der Beklagte) den Raum verlassen hatte, nicht widerlegt ist. Die vom Beklagten – ebenfalls unwiderlegt – angegebene Zeitspanne von dessen Rauchpause bis zur Brandentdeckung (bis zu vierzig Minuten) genügte nach der mit der Berufung nicht angegriffenen Einschätzung des Sachverständigen C für eine solche vorsätzliche oder fahrlässige Brandverursachung durch einen Dritten (vgl. Seite 17 des Gutachtens vom 2. Juni 2020 in der Aktenlasche von Band III der Akten = Anlage Bk 1, Band IV Blatt 856 der Akten, wonach die Verursachung eines Glimmbrandes durch eine Zigarettenkippe typischerweise Zeitspannen von fünfzehn Minuten oder länger erfordert).

(e) Der Senat schließt sich dieser fachlichen Einschätzung des Sachverständigen C unter Berücksichtigung aller Umstände an. Seine Ausführungen sind in sich schlüssig und widerspruchsfrei und bieten auch sonst keine Anhaltspunkte für Zweifel an ihrer Richtigkeit. Insoweit bestehen auch keine Unvollständigkeiten, Unklarheiten oder Zweifel, die eine weitere Ergänzung seines schriftlichen Gutachtens, seine mündliche Anhörung oder die Einholung eines zusätzlichen Gutachtens eines anderen Sachverständigen gemäß § 412 Abs. 1 ZPO gebieten könnten.

Insbesondere ergeben sich solche Zweifel nicht aus der vom Klägervertreter in dem Verhandlungstermin vor dem Senat angeführten Formulierung des Sachverständigen (auf Seite 19 des Gutachtens vom 2. Juni 2020 in der Aktenlasche von Band III der Akten = Anlage Bk 1, Band IV Blatt 857 der Akten), dass, wenn man davon ausgehe, dass es nicht zu einer willentlichen Inbrandsetzung des Sessels durch Dritte in der Zeit nach dem Verlassens des Paukraums durch die Zeugen A und E sowie den Beklagten gekommen sei, unter Auswertung der Aktenlage von einer Brandverursachung durch eine glimmende Zigarettenkippe des Beklagten als Brandursache auszugehen sei, die hierzu glimmend im Bereich des Sessels zum Liegen gekommen sein und nicht vollständig abgelöscht in der metallenen Nierenschale verblieben sein müsse. Denn dabei handelt es sich – wie aus dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des Sachverständigen ohne weiteres erhellt – um eine verkürzte und deshalb inhaltlich unvollständige Darstellung der in dem Gutachten davor (auf Seiten 16 ff., Anlage Bk 1, Band IV Blatt 855 R. f. der Akten) unter 8. vorgenommenen fachlichen Bewertung. Dort heißt es zusammenfassend, das Spurenbild und die zeitliche Einordnung stünden im Einklang mit einer möglichen Brandentwicklung durch eine glimmend eingebrachte Zigarettenkippe, und sodann wörtlich:

„Eine Zündung des Brandes durch Dritte zwischen dem Verlassen des Raums von Herrn F und Herrn E und der Brandentdeckung ist denkbar. Die angegebene Zeitspanne hätte auch in diesem Fall für die geschilderte Brandentwicklung ausgereicht.“ (Hervorhebungen nur hier)

Die hier von dem Sachverständigen in Bezug genommene, von ihm zuvor geschilderte Brandentwicklung ist nach den Ausführungen in dem Gutachten als Folge vorsätzlichen oder fahrlässigen Verhaltens möglich. Somit ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang dieser Ausführungen zweifelsfrei, dass die Zündung des Brandes durch Dritte zwischen dem Verlassen des Raums durch den Beklagten und der Brandentdeckung – sei es vorsätzlich oder fahrlässig – denkbar ist. Insoweit war eine weitere Befragung des Sachverständigen C auch nicht gemäß §§ 397, 402 ZPO zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) geboten (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Juli 2018, NJW 2018, S. 3097 f. Rn. 8), der hierauf gerichtete Antrag ersichtlich verspätet, § 296 Abs. 1 ZPO; seine Zulassung würde die Erledigung des Rechtsstreits im Sinne des § 296 Abs. 2 ZPO verzögern, wobei die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht. In der Sache ist die Frage, die die Klägerin dem Sachverständigen nochmals zur Beantwortung vorlegen will, ohnehin durch das schriftliche Gutachten vom 2. Juni 2020 geklärt.

(g) Soweit die Klägerin das Beweisergebnis und die von ihr angeführten Indizien einer eigenen, ihr günstigeren Gesamtwürdigung unterzieht, erscheint diese Würdigung dem Senat nicht richtiger als die des Landgerichts.

(2) Nach den vorstehenden Ausführungen hat das Landgericht eine haftungsbegründende Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten gemäß § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB zu Recht verneint.

Die Ansicht der Klägerin, der Beklagte habe auch nach seinem eigenen Vorbringen fahrlässig gehandelt, indem er in einem geschlossenen Raum in der Nähe von Polstersesseln eine Zigarette geraucht habe, jedenfalls aber, indem er es versäumt habe, nochmals in den Paukraum zurückzugehen und zu prüfen, ob die von ihm in einer metallenen Nierenschale ausgedrückte Zigarette tatsächlich nicht mehr glimme, teilt der Senat nicht.

(3) Das Landgericht hat auch zu Recht Zweifel daran behalten, dass der streitgegenständliche Brand durch ein (schuldhaftes Fehl-) Verhalten des Beklagten verursacht wurde.

(a) Die Zeugen E und A, die sich mit dem Beklagten in dem Paukraum aufhielten, als dieser eine Zigarette rauchte, haben solches nicht bestätigt.

(b) Der als Zeuge vernommene Polizeibeamte B hat zur Ursache des streitgegenständlichen Brandes keine eigenen Wahrnehmungen gemacht, sondern lediglich Erwägungen angestellt. Diese beruhen – wie unter (1) (c) ausgeführt – auf der unbewiesenen Annahme, der Beklagte habe in der Weise geraucht, dass sich seine Zigarette oberhalb eines Sesselpolsters befand, so dass glimmender Tabak auf dieses herabfallen und es entzünden konnte, sowie auf der unzutreffenden Schlussfolgerung, vom Beklagten unbemerkt verlorene Zigarettenglut müsse auf dem Sessel zum Liegen gekommen sein und diesen entzündet haben. Nach der überzeugenden, mit der Berufung nicht angegriffenen Einschätzung des Sachverständigen C ist eine Brandentstehung durch von einer industriell gefertigten Zigarette abgefallene Zigarettenasche äußerst unwahrscheinlich (vgl. Seite 17 des Gutachtens vom 2. Juni 2020 in der Aktenlasche von Band III der Akten = Anlage Bk 1, Band IV Blatt 856 der Akten).

ff. Die Klägerin kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg auf die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins berufen.

(1) Nach der vom Landgericht zugrunde gelegten und auch vom Senat geteilten Auffassung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 1. Oktober 2013, NJW-RR 2014, S. 270 ff.; Urteil vom 19. Januar 2010, NJW 2010, S. 1072 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen) greift der Beweis des ersten Anscheins bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist. Dies kommt grundsätzlich auch bei der Feststellung von Brandursachen in Betracht, wobei ein Ursachenzusammenhang dann typischerweise vorliegt, wenn der Kausalverlauf so häufig vorkommt, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Falls sehr groß ist. Der vom Anspruchsteller vorzutragende typische Lebenssachverhalt beschränkt sich danach bei der Feststellung von Brandursachen darauf, dass es nach dem Hantieren mit einem feuergefährlichen Gegenstand in einer extrem brandgefährdeten Umgebung zur Entwicklung offenen Feuers kam, in dessen unmittelbarer zeitlicher Folge ein Brand ausbrach, und dass konkrete Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer anderen Brandentstehungsursache fehlen (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Oktober 2013, NJW-RR 2014, S. 270 ff. Rn. 15 und 19).

Das – von dem Anspruchsteller zu beweisende – Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Bundesgerichtshof in einem Fall bejaht, in dem auf einem Dach mittels eines Brenners mit offener Flamme Bitumenbahnen auf einer mit papierkaschierter Dämmung unterlegten Holzkonstruktion verschweißt wurden: Solche Heißklebearbeiten seien nach der Lebenserfahrung typischerweise geeignet, brennbares Material in der Nähe – hier: eine besonders schnell brennende papierkaschierte Dämmung – zu entflammen, und tatsächlich sei nur fünf Minuten nach Aufnahme der Flämmarbeiten in deren räumlicher Nähe ein Brand bemerkt worden (vgl. Urteil vom 1. Oktober 2013, NJW-RR 2014, S. 270 ff.).

Auch in einem Fall, in dem zwei Elfjährige in einer mit Stroh und Heu gefüllten Scheune ein Feuerzeug gezündet hatten, wo kurz darauf ein Feuer ausbrach, hat der Bundesgerichtshof in dem „Hantieren mit einem feuergefährlichen Gegenstand in einer extrem brandgefährdeten Umgebung“ mit unmittelbar nachfolgendem Brandausbruch bei Fehlen von Anhaltspunkten für die Möglichkeit einer anderen Brandursache einen typischen Lebenssachverhalt gesehen (vgl. Urteil vom 19. Januar 2010, NJW 2010, S. 1072 ff. Rn. 9 ff., 12, 14).

(2) Das Rauchen einer industriell gefertigten Zigarette in einem (unter anderem) mit zwei Polstersesseln möblierten Raum ist kein den vorgenannten Fällen vergleichbarer typischer Lebenssachverhalt.

(a) Das Rauchen einer Zigarette führt – anders als Flämmarbeiten mit einem Brenner oder das Entzünden eines Feuerzeugs – nicht zur Entfachung einer offenen Flamme. Die Glutzone einer Zigarette ist nach den mit der Berufung nicht angegriffenen Ausführungen des Sachverständigen C sehr klein und von einem relativ großen Aschevolumen umgeben, das eine geringe Dichte und geringe Wärmeleitfähigkeit, d. h. eine geringe Zündenergie, aufweist (vgl. Seiten 13 f. des Gutachtens vom 2. Juni 2020 in der Aktenlasche von Band III der Akten = Anlage Bk 1, Band IV Blatt 854 der Akten), weshalb durch eine Zigarette nur glimmbrandfähige Stoffe und auch diese nur im Kontakt mit der Glutzone gezündet werden können (ebenda). Bei den meisten Materialien muss es wegen der geringen Zündenergie und der schlecht wärmeleitenden Ascheschicht zusätzlich zu einer Wärmestausituation – etwa durch Einbringen einer glimmenden Zigarettenkippe in die Polsterspalte eines Sessels – kommen, damit ein Brand ausgelöst werden kann (vgl. Seiten 17 des Gutachtens vom 2. Juni 2020 in der Aktenlasche von Band III der Akten = Anlage Bk 1, Band IV Blatt 856 der Akten). Sodann muss sich ein durch eine Zigarette ausgelöster Glimmbrand zunächst ausbreiten und über eine Vergrößerung und Wärmestausituation so weit beschleunigen, dass es zum offenen Flammenbrand kommt. Hiernach sind Zigaretten nicht ohne weiteres feuergefährlich.

(b) Bei der hier in Rede stehenden industriell gefertigten Zigarette handelte es sich zudem um eine Sicherheitszigarette, bei der – wie unter ee. (1) (c) ausgeführt – zwei in dem mit Tabak gestopften Bereich eingebrachte verdickte Papierstreifen bewirken, dass die Glut bei Erreichen einer dieser Verdickungen in der Mehrzahl der Fälle verlischt; bei solchen Sicherheitszigaretten ist ein Herabfallen glimmender Tabakreste wenig wahrscheinlich und eine Brandentstehung durch abgefallene Zigarettenasche äußerst unwahrscheinlich (vgl. Seiten 14 ff. des Gutachtens des Sachverständigen C vom 2. Juni 2020 in der Aktenlasche von Band III der Akten = Anlage Bk 1, Band IV Blatt 854 R. f. der Akten).

Danach ist jedenfalls eine industriell gefertigte Sicherheitszigarette nicht vergleichbar feuergefährlich wie ein vom Bundesgerichtshof als typischer Brandverursacher eingeordneter, mit offener Flamme arbeitender Brenner oder ein ebenfalls eine offene Flamme entfachendes Feuerzeug.

(c) Die Auslösung eines Brandes durch eine Sicherheitszigarette ist nach den oben wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen C nur bei besonderem Zusammenwirken mehrerer verschiedener Einzelumstände möglich. Insoweit lässt sich ein typischer Geschehensablauf nicht feststellen (dazu, dass dann, wenn viele Einzelursachen in unterschiedlicher Weise zusammenwirken, kein einen Anscheinsbeweis begründender typischer Ablauf feststellbar ist, vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Mai 1993, NJW-RR 1993, S. 1117, 1118).

(d) Der streitgegenständliche Brand ist nicht in einer extrem brandgefährdeten Umgebung ausgebrochen. Der unter anderem mit zwei Polstersesseln möblierte Paukraum im Verbindungshaus des Vereins1 war – anders als das Dach und die Scheune in den vorgenannten, vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen – nicht mit Papier, Heu oder Stroh angefüllt, d. h. nicht mit besonders leicht brennbaren Materialien.

(e) Anders als in den unter (1) genannten Fällen ist der streitgegenständliche Brand auch nicht in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Zigarettenrauchen des Beklagten aufgetreten, sondern – dessen unwiderlegtem Vortrag zufolge – erst bis zu vierzig Minuten später.

(f) Schließlich fehlt es auch nicht an konkreten Anhaltspunkten für die Möglichkeit einer anderen Brandursache. Insoweit wurde bereits unter ee. (1) (d) ausgeführt, dass nach dem unwiderlegten Beklagtenvortrag in dem Verbindungshaus zur fraglichen Zeit eine private Feier mit auswärtigen Gästen stattfand, die freien Zugang zu dem üblicherweise zum Zigarettenrauchen genutzten Paukraum hatten und den Brand verursacht haben könnten, nachdem der Beklagte diesen Raum verlassen hatte.

(3) Hiernach ist ein typischer Lebenssachverhalt, der bei wertender Gesamtbetrachtung nach der Lebenserfahrung auf eine Verursachung des streitgegenständlichen Brandes durch ein Hantieren des Beklagten mit einer Zigarette schließen lässt, nicht bewiesen.

(4) Dies geht zum Nachteil der Klägerin, da ihr die Beweislast für das Vorliegen eines typischen Geschehensablaufs obliegt (vgl. etwa Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage, Vor § 284 Rn. 29).

c. Der Beklagte haftet auch nicht nach § 830 Abs. 1 BGB.

aa. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist dann, wenn mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht haben, jeder von ihnen für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt nach § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat. Diese Vorschrift setzt voraus, dass mehrere Personen unabhängig voneinander unerlaubte gefährliche Handlungen begangen haben und mindestens eine davon den Schaden verursacht hat, sich aber nicht feststellen lässt, welche (alternative Kausalität, vgl. Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 15. Oktober 2015, 6 U 923/14, BeckRS 2015, 18391 Rn. 20; Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 24. Juli 2015, 24 U 108/14, BeckRS 2015, 12940 Rn. 26 ff., jeweils zum Entzünden sogenannter Himmelslaternen).

bb. Die Beweislast für das Vorliegen der seinen Anspruch begründenden Tatsachen trägt grundsätzlich der Anspruchsteller, hier: die Klägerin. Sie muss daher die Tatbestandsmerkmale einer zurechenbaren Handlung (bis auf die haftungsbegründende Kausalität) und – statt der Kausalität – die Tatbestandsvoraussetzungen des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB beweisen (vgl. etwa Teichmann, in: Jauernig, BGB, 18. Auflage, § 830 Rn. 15).

cc. (1) Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass mehrere Personen – darunter auch der Beklagte – unabhängig voneinander unerlaubte gefährliche Handlungen begangen haben. Das Rauchen einer Sicherheitszigarette in einem mit zwei Polstersesseln möblierten Raum stellt für sich genommen keine unerlaubte Handlung dar.

(2) Die Klägerin hat auch nicht bewiesen, dass mindestens eine bestimmte Person – etwa einer der oben genannten Zeugen oder der Beklagte – den streitgegenständlichen Schaden verursacht hat. Insoweit wird auf die Ausführungen unter b. Bezug genommen.

(3) Diese Beweislosigkeit geht zum Nachteil der beweisbelasteten Klägerin.

dd. Das von der Klägerin angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. April 2018 (VI ZR 25/17, NJW 2018, S. 3439 ff.) gebietet keine abweichende Beurteilung. Aus diesem Urteil ergibt sich, dass § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB auch auf Deliktstatbestände Anwendung findet, die in den Bereich der Gefährdungshaftung fallen wie etwa die Tierhalterhaftung nach § 833 Satz 1 BGB. Dies setzt nach den Ausführungen in dem genannten Urteil voraus, dass ein solcher Deliktstatbestand erfüllt ist (vgl. ebenda, Rn. 7 ff.). Dies ist hier – wie vorstehend im Einzelnen ausgeführt – nicht der Fall.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 Satz 1 und 2, 711 ZPO.

3. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 ZPO.

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