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Brandschaden nach Abstellen eines Fahrzeugs über glühenden Holzkohlegrill

LG Saarbrücken – Az.: 13 S 177/19 – Urteil vom 23.12.2019

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 18.9.2019 – Az. 25 C 335/18 (12) – abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.639,49 € sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.4.2018 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

3. Das Berufungsurteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt Schadensersatz aus einem Schadensereignis, das sich am 22.6.2017 auf einer als Parkplatz genutzten Fläche im Bereich des Fußballplatzes … ereignet hat und bei dem das Klägerfahrzeug, ein Toyota Avensis (…), zerstört wurde. Zu dem Schaden kam es, als der Kläger sein Fahrzeug um ca. 18.45 Uhr neben dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug des Zeugen … geparkt hatte und sich dieses kurz darauf entzündete. Der Brand griff auf das Klägerfahrzeug über, das vollständig ausbrannte. Streitig ist, ob der Brand des Beklagtenfahrzeuges auf einem elektrotechnischen Defekt oder darauf beruhte, dass der Zeuge … sein Fahrzeug gegen 18.25 Uhr über einem noch nicht abgekühlten Holzkohlegrill geparkt hatte.

Der Kläger beziffert seinen Schaden auf insgesamt 3.639,49 Euro, den er zzgl. gesetzlicher Zinsen sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend gemacht hat. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und meint, der Schaden stehe nicht mit einem Betriebsvorgang des versicherten Fahrzeugs in Verbindung, weshalb sie nicht hafte.

Das Amtsgericht, auf dessen Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat nach Einholung eines brandtechnischen Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen, weil nicht nachgewiesen sei, dass der Brand auf eine defekte Betriebseinrichtung oder einen Betriebsvorgang zurückzuführen sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Brand ausschließlich durch den holzkohlebetriebenen Einweggrill verursacht worden sei, was dem Betrieb des Beklagtenfahrzeugs nicht zugerechnet werden könne.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Er meint, das Amtsgericht habe die Anforderungen an den Betriebsbegriff überspannt.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das Erstgericht hat die Voraussetzungen des § 7 StVG zu Unrecht verneint.

1. Mit Recht ist das Erstgericht allerdings davon ausgegangen, dass der geltend gemachte Direktanspruch des Klägers gegen die beklagte Haftpflichtversicherung nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG besteht, wenn § 7 Abs. 1 StVG eingreift. Voraussetzung hierfür ist, dass das Klägerfahrzeug „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ verletzt bzw. beschädigt worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist dieses Haftungsmerkmal entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist. Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (vgl. zuletzt etwa BGH, Urteil vom 26. März 2019 – VI ZR 236/18, NJW 2019, 2227, Rz. 8 mwN).

2. Ausgehend hiervon ist der Schaden am Kläger-Kfz der vom Beklagtenfahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr zuzurechnen. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass der Brand auf einer – durch einen technischen Defekt einer Betriebseinrichtung verursachten – Selbstentzündung beruht (vgl. BGHZ 199, 377 mwN). Auch wenn der Brand, wofür manches spricht, durch die noch glühende Holzkohle des Einweggrills entfacht wurde, ist dies dem Betrieb des Fahrzeugs zuzurechnen. Insofern läge die Schadensursache darin, dass der Zeuge … durch das Parken seines Fahrzeugs über dem heißen Einweggrill unmittelbar eine schadensursächliche Gefahrenlage geschaffen hat, die bis zur Entzündung des Fahrzeugs fortgewirkt hat. Dass zwischen dem Parken und der Entzündung eine zeitliche Verzögerung von rund 20 Minuten lag, steht dem nicht entgegen. Entscheidend ist, dass – wie hier – der Brandfolgeschaden auf der einmal geschaffenen Gefahrenlage beruht (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2019 aaO).

3. Sind damit die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG erfüllt, besteht auch ein Direktanspruch gegen die Beklagte aus § 115 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG gerichtet auf Ersatz für den eingetretenen Schaden. Denn soweit die Kfz-Haftpflichtversicherung Schäden abdeckt, die durch den „Gebrauch“ des versicherten Fahrzeugs verursacht worden sind (§ 1 PflVG), schließt dies den Betrieb des Kraftfahrzeuges im Sinne von § 7 StVG ein (BGHZ 208, 140 Rz. 23 f.).

4. Die Beklagte haftet für den eingetretenen Schaden auch in vollem Umfang. Für eine Mithaftung des Klägers aus §§ 7, 17 Abs. 1, 2 StVG ist hier schon deshalb kein Raum, weil sich die Entzündung des Nachbarfahrzeuges für den Kläger als ein unabwendbares Ereignis iSd. § 17 Abs. 3 StVG darstellt.

5. Die geltend gemachten Schadenspositionen sind bis auf die Nutzungsausfallentschädigung und Höhe der Abschleppkosten unstreitig. Soweit die Beklagte die Berechtigung der Nutzungsausfallentschädigung wegen der fehlenden Ersatzbeschaffung in Frage gestellt hatte, ist diese durch Vorlage des Kaufvertrages vom 31.7.2017 über die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs sowie die Zulassungsbescheinigung des Ersatzfahrzeuges nachgewiesen. Auch die geltend gemachten Abschleppkosten sind uneingeschränkt ersatzfähig. Soweit die Beklagte meint, der Zuschlag von 50 Euro (netto) für das Abschleppen sei nicht ersatzfähig, steht dem entgegen, dass ein solcher Zuschlag bei Abschleppleistungen nach 21.00 Uhr nach eigenen Angaben der Beklagten üblich ist. Da das Fahrzeug ausweislich der Ermittlungsakte nach 21.00 Uhr abgeschleppt wurde, ist auch der Zuschlag berechtigt. Auch die übrigen Kosten sind nicht erkennbar übersetzt. Soweit die Beklagte meint, einen Abzug von 19 Euro (von 233,50 Euro) vornehmen zu müssen, beruht dies auf Schätzungen der Beklagten zu Entfernung und Einsatzdauer, die nicht zwingend mit dem tatsächlichen Aufwand übereinstimmen müssen. Jedenfalls wäre eine solche Abweichung von üblichen Gebühren so gering, dass sie auch für einen aufmerksamen Geschädigten nicht als Überschreitung erkennbar gewesen wäre, so dass dieser die berechneten Beträge für erforderlich iSd. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB halten durfte.

6. Dem Kläger steht daher ein Ersatzanspruch wie folgt zu:

  • Wiederbeschaffungsaufwand (netto) 2.000,00
  • Sachverständigenkosten 498,73
  • An- und Abmeldekosten 63,70
  • Abschleppkosten 492,06
  • Nutzungsausfall (16 Tage x 35,- Euro)  560,00
  • Kostenpauschale 25,00
  • Insgesamt 3.639,49

7. Daneben kann der Kläger nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 3.639,49 € verlangen (BGH, Urteil vom 20.05.2014 – VI ZR 396/13, VersR 2014, 1100). Gemäß §§ 13, 14 RVG, Nrn. 2300, 7002, 7008 VV RVG stehen ihm eine 1,3 Geschäftsgebühr (vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2014 – VI ZR 279/13, NZV 2014, 507 mwN) in Höhe von 327,60 € zzgl. 20,- € Kostenpauschale und 66,04 € MwSt. = 413,64 € zu.

8. Die Zinsforderung ergibt sich aus Verzug (§ 284 ff. BGB).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und sie keine Veranlassung gibt, eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung herbeizuführen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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