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Brillenbeschädigung bei Dienstausübung – Erstattung des entstandenen Schadens

VG Koblenz – Az.: 5 K 284/14.KO – Entscheidungsdatum:   13.06.2014

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion vom 17. September 2013 und des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 18. Februar 2014 verpflichtet, über den Antrag der Klägerin, ihr Schadenersatz in Höhe eines Betrages von 1.100,00 € zu bewilligen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten jeweils die Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem jeweils kostenpflichtigen Beteiligten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der jeweils andere Beteiligte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Schadenersatz für eine bei einem Dienstunfall beschädigte Brille. Sie steht als Realschullehrerin im Dienst des beklagten Landes. Am 15. April 2013 erlitt sie auf dem Schulhof der A-Schule in B einen Dienstunfall. Sie wurde von dem Ball einer Schülerin am Kopf getroffen, fiel zu Boden und war kurz bewusstlos. Dabei wurde ihre Brille beschädigt.

Die Schule der Klägerin übermittelte die Unfallmeldung vom 17. April 2013, welche die Klägerin auf dem von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) vorgesehenen Formular erstattet hatte, am 16. August 2013 per Telefax an die Schadenregulierungsstelle. Dem war ein Begleitschreiben beigefügt, in dem sich die Schulleitung für die verspätete Übersendung entschuldigte. Auf dem Formular hatte die Schulleitung unter dem 22. April 2013 Stellung zu dem Dienstunfallgeschehen Stellung genommen und die Angaben der Klägerin bestätigt.

Während der Unfall als Dienstunfall anerkannt wurde, lehnte der Beklagte einen Sachschadenersatz mit Bescheid vom 17. September 2013 ab. Der Antrag sei nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Monaten bei der ADD eingegangen und somit verfristet.

Gegen die Ablehnung des Sachschadenersatzes erhob die Klägerin Widerspruch. Sie habe den Antrag rechtzeitig bei der Schulleitung abgegeben. Deren Versäumnis könne nicht zu ihren Lasten gehen.

Mit Bescheid vom 18. Februar 2014 (zugestellt am 21. Februar 2014) wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Antrag auf Ersatz der Kosten hinsichtlich der beschädigten Brille sei erst nach der Drei-Monats-Frist bei der ADD eingegangen. Die Frist sei eine Ausschlussfrist und führe bei deren Ablauf zum Erlöschen der Ansprüche. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin ihre Unfallmeldung am 17. April 2013 unterschrieben und in der Schule abgegeben habe. Es entziehe sich der Kenntnis des Beklagten, wann die Unfallmeldung in der Schule abgegeben und warum diese nicht weitergeleitet worden sei. Unstreitig sei, dass diese erst am 16. August 2013 per Fax von der Realschule Plus in B abgesandt worden sei. Die Klägerin sei im Antragsformular auf die dreimonatige Antragsfrist für Sachschäden hingewiesen worden. Es hätte nahe gelegen, dass sich die Klägerin bei der Schadenregulierungsstelle erkundige, aus welchem Grund über ihren Antrag noch nicht entschieden worden sei bzw. welche Gründe dem entgegenstünden.

Mit der am 21. März 2014 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Aus Gründen, die nicht mehr aufklärbar seien, habe es das Sekretariat bzw. die Schule versäumt, den Antrag an die ADD weiterzuleiten. Dieses Versäumnis könne ihr nicht zum Nachteil gereichen.

Die Klägerin beantragt sachdienlich, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2014 zu verpflichten, ihr Sachschadenersatz in Höhe von 1.100,00 € zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er nimmt auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug und vertieft diese.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsvorgänge (ein Heft) Bezug genommen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die das Gericht im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung  – VwGO –), ist als Verpflichtungsklage zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die weitergehende Klage war abzuweisen.

Der Ablehnungsbescheid des Beklagten ist rechtswidrig; er leidet an einem Ermessensfehler (§§ 113 Abs. 5, 114 VwGO). Der Beklagte hätte den Antrag der Klägerin auf Sachschadenersatz gemäß § 54 Landesbeamtenversorgungsgesetz (LBeamtVG) nicht unter Hinweis auf die Versäumung der Ausschlussfrist des § 54 Satz 2 LBeamtVG ablehnen dürfen (1.). Das führt zur Verpflichtung des Beklagten, über den Antrag neu zu entscheiden. Allerdings konnte das Gericht der Klägerin nicht unmittelbar den begehrten Schadenersatz zusprechen. Bei § 54 Satz 1 LBeamtVG handelt es sich nämlich um eine Ermessensvorschrift. Für den Beklagten bleibt damit ein Ermessensspielraum für seine Entscheidung über den Sachschadenersatz (2.).

1. Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Schadenersatz ist § 54 Satz 1 LBeamtVG: Sind bei einem Dienstunfall Kleidungsstücke oder sonstige Gegenstände, die die Beamtin oder der Beamte mit sich geführt hat, beschädigt oder zerstört worden oder abhanden gekommen, so kann dafür Ersatz geleistet werden. Über die Bewilligung von Schadenersatz wird durch Verwaltungsakt entschieden; sie ist nach dem Wortlaut der Vorschrift sowohl nach dem Grund als auch nach der Höhe in das Ermessen des Dienstherrn gestellt. Anträge auf Gewährung von Sachschadenersatz nach § 54 Satz 1 LBeamtVG sind innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten zu stellen (§ 54 Satz 2 LBeamtVG).

Zwar ist der Antrag der Klägerin nicht rechtzeitig bei der ADD eingegangen. Der Klägerin kann der Ablauf der dreimonatigen Frist des § 54 Satz 2 LBeamtVG jedoch rechtlich nicht entgegen gehalten werden. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verfahrensregelung des § 57 LBeamtVG, wonach der Antrag beim Dienstvorgesetzten (das wäre nicht die Schulleiterin, die lediglich fachliche Weisungen erteilen kann, sondern die Präsidentin der ADD; vgl. § 4 Abs. 2 und 3 Landesbeamtengesetz) zu stellen ist, auch im Fall des § 54 LBeamtVG zur Anwendung kommt. Selbst dies unterstellt, verbietet es hier jedenfalls der Grundsatz von Treu und Glauben dem Beklagten, sich gegenüber der Klägerin auf die Versäumung der Ausschlussfrist zu berufen. Nach dem allgemein geltenden Grundsatz von Treu und Glauben kann die Berufung auf die Versäumung einer gesetzlichen Ausschlussfrist nämlich unbeachtlich sein, wenn der Antragsteller aus Gründen, welche die Behörde zu berücksichtigen hat, gehindert war, die Frist einzuhalten (vgl. hierzu OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. Oktober 1988 – 2 B 26/88 –, NVwZ 1989, 381; Kammergericht, Beschluss vom 25. Februar 1997 – 1 W 7935/96 –, NJW-RR 1997, 643). Von einer solchen Sachlage ist im vorliegenden Fall auszugehen. So war die Leitung der Schule der Klägerin berechtigt, die Unfallmeldung mit der Erklärung über einen Sachschaden entgegenzunehmen. Ferner sieht das von der ADD – Schadenregulierungsstelle – herausgegebene Formular unter Nr. 10 ausdrücklich die Stellungnahme der Dienststellenleitung bei Dienstunfällen vor; diese Stellungnahme ist zudem Voraussetzung für die weitere Bearbeitung der Unfallmeldung. Die Klägerin musste deshalb ihre Meldung dem Beklagten über die Leitung ihrer Dienststelle zuleiten. Sie konnte sich danach auch ohne weiteres auf die rechtzeitige Weiterleitung ihrer Erklärung durch die Schulleitung an die ADD – Schadenregulierungsstelle – verlassen. Aufgrund des bis zum Fristablauf verbleibenden Zeitraums – die Unfallmeldung hat der Schulleitung der A-Schule spätestens am 22. April 2013 vorgelegen, was die Unterzeichnung unter Nr. 10 des Antragsformulars durch die Rektorin deutlich macht (vgl. Blatt 16 des Verwaltungsvorgangs) – musste die Klägerin auch nicht damit rechnen, dass ihre Unfallmeldung verspätet bei der ADD eingehen würde. Vor diesem Hintergrund bestand für die Klägerin weder Anlass noch Verpflichtung, sich bei der Schadenregulierungsstelle zu erkundigen, aus welchem Grund über ihren Antrag noch nicht entschieden worden war bzw. welche Gründe dem entgegenstanden. Sie durfte entsprechend dem Grundsatz der „Einheit der Verwaltung“ vielmehr davon ausgehen, mit der Einhaltung des Dienstweges alles für eine rechtzeitige Antragstellung im Sinne des § 54 Satz 2 LBeamtVG getan zu haben. Eine Erkundigungspflicht des Beamten, weshalb die zuständige Behörde nach einer gewissen Zeit über einen Antrag noch nicht entschieden hat, besteht demgegenüber nicht.

Die Ausschlussfrist des § 54 Satz 2 LBeamtVG ist deshalb hier als gewahrt anzusehen.

2. Der Beklagte hat nunmehr nach dem ihm in § 52 Satz 1 LBeamtVG eingeräumten Ermessen über den Antrag der Klägerin auf Sachschadenersatz neu entscheiden. Die Klägerin kann (lediglich) eine neue Entscheidung des Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verlangen, die frei von Ermessensfehlern ist.

Die Erstattung von Sachschäden bei Dienstunfällen nach Ermessen ist Ausdruck der unterschiedlichen Interessenlage und der darauf bezogenen Risikozuweisung bei Sach- bzw. Personenschäden. Da der Beamte seine Person notwendig in den durch die Dienstausübung bestimmten Risikobereich des Dienstherrn einbringt, ist für Personenschäden voller Ersatz zu leisten. Welche Gegenstände er bei seiner dienstlichen Tätigkeit jedoch mit sich führt, entscheidet er demgegenüber in der Regel nicht auf Veranlassung des Dienstherrn, sondern weitgehend selbst. Würde für Sachschäden uneingeschränkt Ersatz geleistet, hätte es der Bedienstete in der Hand, durch das Mitführen von zum Beispiel besonders kostspieligen Gegenständen den Dienstherrn ohne dessen Zutun mit unangemessenen Haftungsrisiken zu überziehen. Ein Haftungsrisiko des Dienstherrn ist jedoch vernünftigerweise nur in dem Maße gerechtfertigt, als das Mitführen der Sachen bei der Wahrnehmung des Dienstes objektiv notwendig oder allgemein üblich ist (vgl. Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz des Bundes und der Länder, Kommentar, Stand: Mai 2012, § 32 BeamtVG, Erl. 2 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Das ist bei einer Sehhilfe (Brille) regelmäßig der Fall.

An diesen Grundsätzen wird sich der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung über die Höhe des Schadenersatzes für die Brille der Klägerin auszurichten haben. Angesichts der früheren Praxis des Beklagten, sich auch bei Sachschadenersatzleistungen nach dem Dienstunfallrecht des Beamtenversorgungsgesetzes an der zu § 99 Landesbeamtengesetz (alter Fassung) bzw. § 70 Landesbeamtengesetz (neuer Fassung) erlassenen Verwaltungsvorschrift zu orientieren, weist die Kammer auf die (neue) Verwaltungsvorschrift des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur vom 5. November 2012 (MinBl. Seite 426) hin. Nach Nr. 6.1, letzter Satz dieser Verwaltungsvorschrift sind Brillengläser (jetzt) in vollem Umfang zu erstatten.

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Mit Blick auf das dem Beklagten in § 54 Satz 1 LBeamtVG vom Gesetzgeber eingeräumte Ermessen war ein Urteil, das der Klägerin unmittelbar Sachschadenersatz zuspricht, rechtlich nicht möglich. Insoweit war die Klage abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und berücksichtigt, dass die Klägerin nur hinsichtlich einer Neubescheidung ihres Begehrens Erfolg hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergeht gemäß § 167 Abs. 2 VwGO und § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung.

Gründe, die Berufung zuzulassen (§§ 124, 124a VwGO), liegen nicht vor.

Beschluss

Brillenbeschädigung bei Dienstausübung - Erstattung des entstandenen Schadens
Symbolfoto: Von Dima Sobko /Shutterstock.com

1. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.100,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 3, 63 Abs. 2 GKG).

2. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Klägerin wird für notwendig erklärt, da sie vorliegend gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei im Zeitpunkt der Bestellung für erforderlich gehalten werden durfte und aus Sicht der Klägerin zweckdienlich erschien.

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