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Anforderungen an die Aufklärung bei einer Brust-OP


Oberlandesgericht Hamm

Az.: 3 U 97/00

Urteil vom 04.12.2000


Tenor

In dem Rechtsstreit hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2000 für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24: Februar 2000 verkündete Urteil der 1l. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Klägerin, trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 DM abwenden, falls nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten, die sie auch durch die unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank oder eines öffentlich rechtlichen Kreditinstitutes erbringen können.


Tatbestand

Die am 3. März 1946 geborene Klägerin wurde am 3. Januar 1994 im Zentrum für Frauenheilkunde der Beklagten zu 1) aufgenommen: Am selben Tage führten der Beklagte zu 2), der dort als Oberarzt, tätig war, und die Zeugin Dr. X mit der Klägerin Aufklärungsgespräche. Am Folgetage nahm der Beklagte zu 2), wegen eines Karzinoms in der linken Brust eine Ablatio mit Lymphknotenentfernung vor. Er implantierte als Statthalterprothese eine Expander-Prothese mit Silikon, die mit einer Kochsalzlösung aufzufüllen war:

In der Folge entwickelte sich eine Kapselnekrose. Deshalb entfernte der Beklagte zu 4) im Krankenhaus der Beklagten zu 3), am 20. August 194 die Prothese und ersetzte sie durch ein endgültiges Silikonimplantat.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Sie hat beantragt,

1. die Beklagten zu 1)-4) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 2 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens jedoch 4 % Zinsen ab Klagezustellung zu zahlen,

2. festzustellen, daß die Beklagten zu 1)-4) verpflichtet sind, ihr allen zukünftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der auf die fehlerhafte ärztliche Beratung und Behandlung in der Zeit vom 3. Janur 1994 bis zum. 22. August 1994 zurückzuführen ist, soweit nicht Ansprüche auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils der Klage in vollem Umfang stattzugeben, mit der Maßgabe, dass Feststellung der Ersatzpflicht aller materiellen Schäden begehrt werde, die auf die rechtswidrige ärztliche Beratung und Behandlung zurückzuführen seien.

Die Beklagten beantragen,

1.die Berufung zurückzuweisen,

2. ihnen nachzulassen, Sicherheit gem. § 711 ZPO durch selbstschuldnerische Bankbürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank oder eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts zu erbringen.

Die Beklagten behaupten, die Klägerin sei vor beiden Eingriffen hinreichend aufgeklärt worden. Die Klägerin rügt eine unzureichende Aufklärung und meint, die Aufklärung habe wegen des in ihren Augen kosmetischen Charakters der Eingriffe besonders intensiv vorgenommen werden müssen und sich auch auf das – unstreitig nicht genanntes Risiko eines sog. Gel-bleeding erstrecken müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die in, der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen

Der Senat hat die Zeugin Dr. X schriftlich vernommen die Klägerin und die Beklagten zu 2) und 4) angehört und den Sachverständigen Prof. Dr. C zu einer mündlichen Erläuterung seines Gutachtens veranlasst. Insoweit wird auf die schriftliche Aussage (B1: 448, 448 R d.A.) sowie den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 4. Dezember 2000 verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg: Der Klägerin stehen gegen die Beklagten keine Schadensersatzansprüche aus den §§ 823, 847 BGB öder einer schuldhaften Verletzung von Sorgfaltspflichten aus. den Behandlungsverträgen zu. In beide Eingriffe hat die Klägerin auf der Grundlage einer hinreichenden Aufklärung wirksam eingewilligt.

Der Senat folgert aus der glaubhaften schriftlichen Aussage der Zeugin Dr.X und der Einlassung der Klägerin im Senatstermin, dass die Klägerin vor dem Eingriff am 4. Januar 1994 ausreichend aufgeklärt worden ist. Die Klägerin hat eingeräumt, dass der Beklagte zu 2) ihr den Eingriff genannt und seine Notwendigkeit erläutert habe und dass die Zeugin Dr. X in einem anschließenden Gespräch ihr die Operation anhand des Aufklärungsbogens und einer Zeichnung erklärt habe, sie zu einer teilweisen Wiederholung veranlasst habe und den Aufklärungsbogen mit ihr „praktisch abgearbeitet“ habe. Schon im Hinblick auf diese Einlassung ist der Senat davon überzeugt, dass der Klägerin auch die Risiken des Eingriffs beschrieben worden sind, mag sie sich daran auch nicht erinnern können. Der Zeugin Dr. X glaubt der Senat, dass auch die Alternativen des Aufbaus und das Vorgehen bei der Implantation einer Statthalterprothese erklärt worden sind.

Einer besonders intensiven Aufklärung, wie sie vielfach vor kosmetischen Operationen zu fordern sein wird, bedurfte es hier entgegen den Ausführungen in der Berufungsbegründung nicht. Es handelte sich nicht um eine kosmetische Operation, sondern um eine Maßnahme der Wiederherstellungschirurgie. Der Senat macht sich insoweit die Feststelllungen des Sachverständigen Prof. Dr. C , der dem Senat als besonders erfahren und sachkundig bekannt ist, zu eigen. Danach hätte man es, wenn man keinen Wiederaufbau vorgenommen hätte, gerade bei einem unnatürlicheren körperlichen Zustand, als er bei erfolgreichem Wiederaufbau zu erreichen war, belassen.

Dass über das Risiko eines Gel-bleeding nicht aufgeklärt worden ist, begründet ebenfalls keine Schadensersatzansprüche. Dieser Umstand ist nach Auffassung des Senats aus der hier maßgeblichen heutigen Sicht nicht, aufklärungspflichtig, weil es keine Anhaltspunkte für die körperliche Schädlichkeit eines solchen Vorgangs gibt. Wollte man aber anderer Auffassung sein und hier eine Aufklärung verlangen, so verhelfe auch das der Berufung und der Klage nicht zum Erfolge. Denn Bestandteil der Grundaufklärung wäre ein entsprechender Hinweis nicht,. und es lässt sich nicht feststellen, dass der Klägerin, durch ein Gelbleeding körperliche Schäden entstanden sind. Auch insoweit macht sich der Senat die Feststellungen des Sachverständigen zu eigen: Danach ist zwar zeitweilig vor der Implantation von Silikon-Präparaten .gewarnt worden, weil ein Zusammenhang mit bestimmten Erkrankungen, insbesondere auch Autoimmunerkrankungen, befürchtet wurde. Indessen ist diese Beweisführung widerlegt worden. Autoimmunerkrankungen sind bei Implantatträgerinnen nicht signifikant häufiger festzustellen als bei der übrigen weiblichen Bevölkerung. Medizinisch-wissenschaftliche Anhaltspunkte für körperliche Schädigung durch Silikon gibt es nicht. Dementsprechend ist das in den USA zeitweilig geltende Verbot der FDA hinsichtlich solcher Implantate inzwischen zurückgenommen worden, und, es gibt auch keinerlei gültige Empfehlungen mehr, sie nicht zu verwenden.

Dass der Sachverständige selbst über dieses Risiko aufgeklärt hat, führt nicht zu gegenteiligen Schlussfolgerungen. Das beruhte vielmehr nur darauf,. dass das Thema in der Öffentlichkeit seinerzeit besonders intensiv diskutiert worden ist. Wenn der Sachverständige in diesem -Zusammenhang angemerkt hat, nachteilige Auswirkungen seien letztlich auch nicht auszuschließen, so hat er das mit dem Hinweis relativiert: „es sei ja vieles zwischen Himmel und Erde möglich, was wir nicht wüssten“.

Die vom Sachverständigen erwähnte Möglichkeit von Makrophagenreaktionen führt zu keiner anderen Beurteilung; die Klage ist auf solche Reaktionen nicht gestützt.

Auch die Einwilligung in den zweiten Eingriff beruhte auf hinreichender Aufklärung. Auch insoweit hat die Klägerin eingeräumt, ein Gespräch mit dem Operateur – hier dem Beklagten zugeführt zu haben, ihn auf von ihr befürchtete Nachteile angesprochen und sich letztlich von ihm überzeugt zu lassen haben. Unter diesen Umständen glaubt der Senat der – durch die Krankenunterlagen gestützten -Einlassung des Beklagten zu 4), die Klägerin eingehend und umfassend aufgeklärt zu haben. Hinsichtlich der Intensität der Aufklärung und des Risikos des Gel-bleedings gilt hier nichts anderes als vor dem ersten Eingriff.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Das Urteil beschwert die Klägerin mit mehr als 60.000,00 DM.


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