OLG Oldenburg
Az.: 5 W 99/02
Beschluss vom 11.07.2002
Vorinstanz: Landgericht Oldenburg – Az.: 4 O 1672/02
B e s c h l u s s
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren hat der 5. Zivilsenat am 11. Juli 2002 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 29. Mai 2002 wird auf Kosten der Antragsteller zurückgeweisen.
Der Beschwerdewert wird auf 10.000, € festgesetzt.
Gründe:
Die Antragsteller haben den Erlaß einer einstweiligen Verfügung beantragt, durch die der Antragsgegnerin untersagt werden soll, den Betrieb der Buslinie 303 am Grundstück der Antragsteller vorbei durch die Dr.HansKlüberStraße in Oldenburg zu führen. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 29. Mai 2002 den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Antragsgegnerin habe sich offensichtlich im Rahmen der gegebenen Befugnisse und behördlichen Genehmigungen gehalten. Nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigungen seien von den Antragsgegnern nicht hinreichend dargetan. Durchgreifende Zweifel an der Zulässigkeit des Eilverfahrens ergäben sich daraus, daß der geplante Busverkehr seit langem bekannt sei.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 12. Juni 2002, die nach § 567 Abs. 1 ZPO zulässig ist, in der Sache aber keinen Erfolg hat. Das Landgericht hat den Erlaß einer einstweiligen Verfügung zu Recht abgelehnt.
Zwar weist die Beschwerdebegründung zutreffend darauf hin, daß eine Duldungspflicht der Antragsteller durch die behördliche Erlaubnis der Antragsgegnerin nicht begründet wird. In der auf § 13 PersBefG gestützten verkehrswirtschaftlichen Genehmigung eines Linienverkehrs mit Omnibussen wird nicht auch darüber entschieden, ob die Lärm und Abgasimmissionen, die von den Bussen des genehmigten Linienverkehrs ausgehen, von den betroffenen Anwohnern zu dulden sind (BVerwG NJW 1990, 930). Die Erteilung der Genehmigung nach § 13 PersBefG hat vielmehr keinen Einfluß auf Inhalt und Umfang des von den Antragstellern geltend gemachten Abwehranspruchs aus § 1004 BGB (StaudingerGursky, BGB, 1999 § 1004 Rz. 177).
Gleichwohl besteht der geltend gemachte Anspruch auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung nicht. Dabei kann dahinstehen, ob angesichts der seit langem geplanten und bekanntgemachten neuen Streckenführung überhaupt noch eine Eilbedürftigkeit anzunehmen ist. Eine nach § 940 ZPO begehrte Eilregelung setzt die Notwendigkeit der Abwendung wesentlicher Nachteile der Antragsteller voraus. Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß derartige Nachteile von den Antragstellern weder ausreichend vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden sind. Die bloßen Behauptungen in den Versicherungen an Eides statt, die zu erwartenden Abgas und Lärmemmissionen würden das Maß des Zumutbaren weit überschreiten und es stehe zu befürchten, daß die Lärmemmissionen die noch zulässigen Grenzwerte in einem reinen Wohngebiet überschritten, sind unzureichend. Auch ein richterlicher Augenschein würde im vorliegenden Fall nicht ausreichen. Der von der Antragstellern angeregte Ortstermin würde die – im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht zulässige – Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung des Umfangs der Beeinträchtigungen nicht erübrigen (vgl. StaudingerRoth, BGB, 2002, § 906 Rz. 204). Insofern hat das Landgericht zu Recht Zweifel an der Eignung des Eilverfahrens geäußert. Zwar ist ein einstweiliger Rechtsschutz nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wenn es darum geht, Immissionen einer bestimmten Art und Intensität vom Grundstück eines Antragstellers fernzuhalten (StaudingerGursky a.a.O. Rz. 239). Allerdings hat mit Blick auf die unvermeidlich verbleibenden Erkenntnislücken des summarischen Erkenntnisverfahrens auch eine folgenorientierte Interessenabwägung stattzufinden, in der sich die Betroffenheit der Antragsgegnerin durch den Erlaß und der Antragsteller bei Versagung der Eilmaßnahme gegenüberstehen (OLG Hamm NJWRR 2001, 105, 106). Danach könnte die beantragte einstweilige Verfügung selbst dann nicht erlassen werden, wenn die Antragsteller die behaupteten Beeinträchtigungen ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht hätten. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Schriftsatz vom 8. Juli 2002 die ihr bei einem Erlaß der einstweiligen Verfügung drohenden erheblichen finanziellen und verkehrsorganisatorischen Nachteile aufgeführt. Angesichts dieser Nachteile wäre den Antragstellern jedenfalls die Versagung einer Eilmaßnahme zuzumuten.
Abschließend sei lediglich darauf hingewiesen, daß grundsätzlich zivilrechtliche Abwehransprüche gegenüber Immissionen aus dem Betrieb der Antragsgegnerin, der unmittelbar der Befriedigung des allgemeinen Verkehrsbedürfnisses und damit dem allgemeinen Wohl dient, nur eingeschränkt geltend gemacht werden können und nicht auf Maßnahmen zielen dürfen, die den Linienbetrieb lahmlegen oder erheblich beeinträchtigen (BGH NJW 1984, 1242, 1243; NJW 1960, 2335; SoergelBaur, BGB, 12. Aufl. § 903 Rz. 121; enger StaudingerRoth, BGB, 2002, § 906 Rz. 29; Münchener KommentarSäcker, BGB, 3. Aufl. § 906 Rz. 123). Ein beschränkter Abwehranspruch auf Unterlassung einer einzelnen Betriebsmaßnahme kann allenfalls dann bestehen, wenn dies ohne unzumutbare Aufwendungen sowie ohne wesentliche Änderung und funktionelle Beschränkung des Betriebs möglich ist (BGH NJW 2000, 2901; PalandtBassenge, BGB, 61. Aufl. § 906 Rz. 41). Es erscheint äußerst zweifelhaft, ob diese Voraussetzungen angesichts der Beeinträchtigungen der Antragsteller vorliegen. Im vorliegenden Verfahren mußte diese Frage aber nicht entschieden werden.
Die sofortige Beschwerde war demnach mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 20 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.