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Bußgeldbescheid und unrichtige Angaben – Unwirksamkeit?

OLG Hamm

Az: 4 Ss OWi 56/03

Beschluss vom: 06.02.2003


Beschluss Bußgeldsache wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Soest vom 15. Oktober 2002 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 06. 02. 2003 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Gründe:

Das Amtsgericht Soest hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 68 km/h zu einer Geldbuße von 400,- € verurteilt, ihm verboten, für die Dauer von zwei Monaten im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug zu führen und angeordnet, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der Betroffene am 14. November 2001 um 16.24 Uhr mit dem PKW BMW, amtliches Kennzeichen XX, die B 1 in Bad Sassendorf-Lohne außerhalb geschlossener Ortschaft in Fahrtrichtung Erwitte. Ausweislich einer mit dem Geschwindigkeitsmessgerät vom Typ Multanova 6 F im Bereich des dort gelegenen Flughafens durchgeführten Geschwindigkeitsmessung betrug dabei die von ihm gefahrene Geschwindigkeit – abzüglich eines Toleranzwertes von 6 km/h – mindestens 168 km/h.

Im Verwaltungsverfahren war wegen dieses Vorfalles zunächst ein Bußgeldbescheid des Landrats des Kreises Soest vom 29. Januar 2002 ergangen, mit dem dem Betroffenen zur Last gelegt wurde, „am 14.11.2001 Uhrzeit: 16.24 in Bad Sassendorf-Lohne, mit dem PKW Fabrikat: Opel als Führer Kennzeichen: XX“ die Geschwindigkeitsüberschreitung begangen zu haben. Nachdem die Verwaltungsbehörde mit Schreiben vom 15. März 2002 den Bußgeldbescheid vom 29. Januar 2002 dahin „berichtigt“ hatte, dass das Kennzeichen XX und das Fahrzeugfabrikat Opel gestrichen und durch das Kennzeichen XX und das Fahrzeugfabrikat BMW ersetzt wurde, nahm der Landrat des Kreises Soest mit Schreiben vom 12. April 2002 den Bußgeldbescheid vom 29. Januar 2002 zurück und erließ unter dem 11. April 2002 einen neuen Bußgeldbescheid, in dem dem Betroffenen zur Last gelegt wurde, „am 14.11.2001 Uhrzeit: 16.24 in Bad Sassendorf-Lohne, A G. O. B 1 (Flugplatz) Fr. Erwitte mit dem PKW Fabrikat: BMW als Führer Kennzeichen: XX“ die Ordnungswidrigkeit begangen zu haben.

Der Betroffene meint, die Ordnungswidrigkeit sei im Hinblick auf diesen Verfahrensgang verjährt.

Das Amtsgericht ist dieser Auffassung nicht gefolgt und hat den Betroffenen, wie bereits ausgeführt, verurteilt.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

Das zulässige Rechtsmittel des Betroffenen hat keinen Erfolg.

I.
Entgegen der Auffassung des Betroffenen ist die ihm angelastete Verkehrsordnungswidrigkeit nicht verjährt. Durch ursprünglichen Bußgeldbescheid des Landrats des Kreises Soest vom 29. Januar 2002 ist die Verjährung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen worden. Dieser Bußgeldbescheid, der die dem Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit nach Tatzeit und Tatort hinreichend beschreibt, ist wirksam. Dass dieser Bußgeldbescheid unrichtige Angaben über das von dem Betroffenen zur Tatzeit am Tatort gefahrene Fahrzeug enthält, hat nicht dessen Unwirksamkeit zur Folge. In der Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass eine Unwirksamkeit des Bußgeldbescheides nur bei ganz schwerwiegenden Mängeln angenommen werden kann, wenn etwa der Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abgegrenzt werden kann (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 66 Rdnr. 39 ff. m.w.N.). Dieser Abgrenzungsfunktion wird der Bußgeldbescheid vom 29. Januar 2002 aber gerecht, weil nach seinem Inhalt kein Zweifel über die Identität der dem Betroffenen zur Last gelegten Tat bestehen kann. Es steht vielmehr zweifelsfrei fest, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll (vgl. im Übrigen BGHSt 23, 240). Die falsche Bezeichnung des Tatfahrzeugs ist deshalb unschädlich, weil aus dem Bußgeldbescheid klar erkennbar ist, dass es sich um eine Geschwindigkeitsüberschreitung handelt, die dem Betroffenen vorgeworfen wird und die sich am 14. November 2001 um 16.24 Uhr auf der B 1 in der Nähe des Flugplatzes in Fahrtrichtung Erwitte zugetragen hat. Zudem ist der Betroffene von den anzeigenden Polizeibeamten nach der Messung dort angehalten worden. Der Polizeibeamte hat sich von dem Betroffenen den Fahrzeugschein und Führerschein zeigen lassen und das Lichtbild mit dem Erscheinungsbild des Betroffenen abgeglichen. Der daraus zu entnehmende Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung war dem Betroffenen deshalb von Anfang an bekannt und hat sich auch in dem Bußgeldbescheid des Landrats des Kreises Soest vom 29. Januar 2002 wiedergefunden. Im Übrigen behauptet der Betroffene selbst nicht, dass es für ihn tatsächlich zweifelhaft war, welcher Vorfall im Bußgeldbescheid vom 29. Januar 2002 gemeint war oder dass ein anderes Geschehen in Betracht kommen kann.

Die Rücknahme des wirksamen Bußgeldbescheides vom 29. Januar 2002 lässt die verjährungsunterbrechende Wirkung unberührt (vgl. Göhler, a.a.O., § 33 Rdnr. 35 m.w.N.). Der „neue“ Bußgeldbescheid vom 11. April 2002 hat deshalb die Verjährung erneut unterbrochen (vgl. Göhler, a.a.O.).

II.
Die vom Amtsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffenen Feststellungen tragen in objektiver und subjektiver Hinsicht die Verurteilung des Betroffenen wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung. Insoweit hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere sind die Ausführungen des Amtsgerichts zur Ordnungsgemäßheit der Messung rechtsfehlerfrei. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde finden in dem angefochtenen Urteil keine Bestätigung.

Das Amtsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Betroffene im Hinblick auf die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens
68 km/h vorsätzlich gehandelt hat.

Im Ergebnis ist auch der Rechtsfolgenausspruch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Verhängung einer Geldbuße von 400,- € lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht erkennen. Das Amtsgericht hat nach umfassender Abwägung unter Berücksichtigung der vorsätzlichen Begehungsweise rechtsfehlerfrei eine Erhöhung der Regelbuße für erforderlich gehalten.

Auch die Anordnung des Fahrverbots für die Dauer von zwei Monaten begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Amtsgericht hat bedacht, dass von der Anordnung eines Fahrverbots nur ausnahmsweise gemäß § 2 Abs. 4 BKatV abgesehen werden kann, wenn der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen so erhebliche Abweichungen vom Normalfall aufweist, dass die Annahme eines Ausnahmefalles gerechtfertigt und die Verhängung des Fahrverbots trotz grober Pflichtverletzung i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG unangemessen wäre, wobei das Vorliegen erheblicher Härten oder einer Vielzahl von für sich genommen gewöhnlicher oder durchschnittlicher Umstände ausreicht. Die Entscheidung, ob der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und somit ein Absehen von dem Fahrverbot rechtfertigt, unterliegt zwar in erster Linie der Würdigung des Tatrichters, dem eine gewisse Entscheidungsfreiheit eingeräumt ist. Sie kann vom Rechtsbeschwerdegericht aber auf das Vorliegen von Ermessensfehlern überprüft werden. Hier hat sich aber das Tatgericht in den Grenzen seiner Ermessensfreiheit gehalten. Allein die Tatsache, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts erfolgte, lässt die Annahme eines Ausnahmefalles nicht gerechtfertigt erscheinen. Die fehlende Voreintragung des Betroffenen ist ebenso wenig geeignet, von einem Fahrverbot abzusehen, da der Bußgeldkatalog gemäß § 1 Abs. 2 BKatV von der Verhängung eines Regelfahrverbotes ausgeht und hier zudem noch eine vorsätzliche Begehungsweise angenommen worden ist.

Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Amtsgericht davon Abstand genommen, von der Verhängung eines Fahrverbots ggf. auch unter Erhöhung der Geldbuße ausnahmsweise abzusehen. Nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe war sich das Amtsgericht im Hinblick auf die erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung und die vorsätzliche Begehungsweise hinreichend bewusst, dass die durch das Fahrverbot angestrebte Besinnungsmaßnahme nicht durch eine erhöhte Geldbuße erreicht werden konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.

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