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Bussgeldverfahren – Ladung des Verteidigers zum Hauptverhandlungstermin

OLG Bamberg

Az: 2 Ss OWi 1521/06

Beschluss vom 30.11.2006


Der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Bamberg erlässt durch den Richter am Oberlandesgericht in dem Bußgeldverfahren wegen Ordnungswidrigkeit nach der Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (Luft-BO) am 30. November 2006 folgenden

B e s c h l u s s :

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 18. Januar 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht München zurückverwiesen.

G r ü n d e :

I.
Mit Bußgeldbescheid vom 29.07.2005 setzte die Regierung von Oberbayern, Luftamt Südbayern, gegen den Betroffenen wegen mehrerer Verstöße gegen die Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (Luft-BO) eine Geldbuße von 2.000 Euro fest. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen verwarf das Amtsgericht gem. § 74 Abs. 2 OWiG mit Urteil vom 18.01.2006. Mit der Rechtsbeschwerde macht der Betroffene geltend, sein Verteidiger sei nicht zur Hauptverhandlung geladen worden, obwohl er bereits am 15.11.2005 seine Vertretung gegenüber der Verwaltungsbehörde angezeigt habe. Er selbst habe von der Ladung zum Hauptverhandlungstermin keine Kenntnis gehabt, da ihm diese Ladung durch Einlegung in den Briefkasten seines Büros in den Räumlichkeiten des Fliegervereins München, dessen Vorstand er sei, zugestellt worden sei. Da er in den Wintermonaten das Büro nur sporadisch aufsuche, habe er von der Ladung erst nach dem Termin Kenntnis erlangt.
Den mit dieser Begründung gestellten Wiedereinsetzungsantrag des Betroffenen hat das Amtsgericht 28.03.2006 zurückgewiesen.

II.
Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Auch wenn nicht ausdrücklich als solche bezeichnet, ist der Rechtsbeschwerdebegründung eine noch den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG genügenden Verfahrensrüge zu entnehmen.

Das angefochtene Urteil kann bereits deshalb keinen Bestand haben, weil der Verteidiger des Betroffenen nicht zum Hauptverhandlungstermin vom 18.01.2006 geladen worden ist. Der Verteidiger, der rechtzeitig vor dem Termin seine Wahl angezeigt und nicht auf Ladung verzichtet hat, muss nach § 218 Satz 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG zur Hauptverhandlung geladen werden. Dies gilt auch dann, wenn er – wie hier – eine Vollmacht nicht vorgelegt hat (BGHSt 36, 259). Eine bei den Akten befindliche Vollmacht des Wahlverteidigers ist nach § 145a Abs. 1 StPO lediglich Voraussetzung dafür, dass dieser als ermächtigt gilt, Zustellungen für den Betroffenen in Empfang zu nehmen. Dagegen setzt die Anzeige der Wahl des Verteidigers, die nach § 218 Satz 1 StPO das Erfordernis seiner Ladung begründet, keine Vollmachtsvorlage voraus (BayObLGSt 84, 133). Im Bußgeldverfahren steht dabei die Anzeige der Wahl eines Verteidigers gegenüber der Verwaltungsbehörde der Anzeige bei Gericht gleich. Der Verteidiger genügt jedenfalls dann seiner Verpflichtung, wenn die Verteidigerwahl der Stelle angezeigt wird, die das Verfahren in dem jeweiligen Stadium betreibt, bei der sich also die Akten befinden. Im Bußgeldverfahren besteht die Besonderheit, dass der Betroffene nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid im Regelfall zunächst nicht erfährt, ob und wann die Verwaltungsbehörde die Akten an die Staatsanwaltschaft weiterleitet und wann diese den Vorgang dem Gericht vorlegt. Entscheidend ist, dass das Gericht bei ordnungsgemäßer Handhabung und/oder rechtzeitiger Weiterleitung der Verteidigeranzeige diesen noch rechtzeitig zum Termin hätte laden können (vgl. KK-OWiG/Senge 2. Aufl. § 71 Rn. 39 m. zahlr. w.N.). Dies war hier der Fall.
Der Verteidiger des Betroffenen hatte nach Zustellung des Bußgeldbescheids an den Betroffenen und Einspruchseinlegung durch diesen persönlich mit Schreiben vom 15.11.2005 gegenüber der Regierung von Oberbayern, Luftamt Südbayern, als zuständiger Verwaltungsbehörde angezeigt, der Betroffene werde von ihm vertreten. Der Senat vermag sich insoweit nicht der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft anzuschließen, der Verteidiger habe nicht darauf vertrauen dürfen, die Verwaltungsbehörde werde seine Verteidigungsanzeige an die Staatsanwaltschaft – und somit an das Gericht – weiterleiten, nachdem sie ihn wegen der zugleich beantragten Akteneinsicht an die Staatsanwaltschaft verwiesen hatte. Einer Weiterleitung dieses Schriftsatzes hätte es ohnehin nicht bedurft, da sich die Akten noch bei der Verwaltungsbehörde befanden und der Schriftsatz lediglich zu den Akten hätte genommen werden müssen, um später dem Gericht zur Kenntnis zu gelangen. Hierauf durfte der Verteidiger in jedem Fall vertrauen. Dass dies aus nicht bekannten Gründen nicht geschehen ist, kann dem Betroffenen nicht zum Nachteil gereichen.

Der geltend gemachte Verstoß gegen § 218 Satz 1 StGB i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG begründet die Rechtsbeschwerde. Unterlässt ein Gericht die Ladung des Verteidigers zur Hauptverhandlung, obwohl dieser sich als Verteidiger bei der Verwaltungsbehörde angezeigt, diese aber eine entsprechende Mitteilung an das Gericht unterlassen hatte, liegt ein objektiver Verfahrensverstoß vor, der auf die Rechtsbeschwerde hin zur Aufhebung des Urteils führt (OLG Düsseldorf DAR 79, 340). Wegen der unterbliebenen Ladung des Verteidigers durfte ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG objektiv nicht ergehen. Auf ein – hier nicht gegebenes – Verschulden des Gerichts kommt es dabei nicht an.

Auf dem geltend gemachten Verstoß beruht das angefochtene Urteil, da jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Verteidiger bei rechtzeitiger Ladung das Erscheinen des Betroffenen zum Termin veranlasst, Entschuldigungsgründe vorgebracht, einen Verlegungsantrag gestellt oder die Entbindung des Betroffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen beantragt hätte und somit den Erlass des Verwerfungsurteils hätte verhindern können (BayObLG DAR 2001, 37). Dabei ist unerheblich, dass ein Verwerfungsurteil auch bei Ladung und Anwesenheit des Verteidigers und gleichzeitigem Nichterscheinen des – ordnungsgemäß geladenen – Betroffenen hätte ergehen müssen (BayObLG DAR 2001, 37; NJW 1980, 1969; KK-OWiG/Senge aaO § 74 Rn. 25). Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn der Verteidiger anderweitig als durch Ladung von dem Hauptverhandlungstermin Kenntnis erlangt hätte, kann dahinstehen, da dies ausweislich des Rechtsbeschwerdevorbringens tatsächlich nicht der Fall war, zumal auch der Betroffene erst nach dem Termin Kenntnis von dessen Anberaumung erlangt hat.

In gleicher Weise kann dahinstehen, ob der Betroffene als Vorstand des Fliegervereins München e.V. im Wege der Ersatzzustellung nach § 180 ZPO durch Einlegen der Ladung in den Briefkasten des Vereinsbüros wirksam geladen werden konnte, da es hierauf nicht mehr ankommt.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG); die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht München zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

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