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Cannabiskonsum – längere Zeit vor Fahrtbeginn

Oberlandesgericht Zweibrücken

Az: 1 Ss 178/08

Beschluss vom 06.01.2009


In dem Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24a StVG hier: Rechtsbeschwerde hat der Senat für Bußgeldsachen des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken am 6. Januar 2009 beschlossen:

1. Dem Betroffenen, der die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 21. August 2008 versäumt hat, wird auf seinen Antrag und auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Damit ist der Beschluss vom 30. Oktober 2008, durch den das Amtsgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen hat, gegenstandslos.

2. Auf die Rechtsbeschwerde wird das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Neustadt an der Weinstraße zurückverwiesen.

Gründe:

Das nach Gewährung der Wiedereinsetzung (§ 46 Abs. 1 OWiG; §§ 44, 473 Abs. 7 StPO) zulässige Rechtsmittel des Betroffenen, das als Rechtsbeschwerde auszulegen ist (§ 46 Abs. 1 OWiG; § 300 StPO) führt in der Sache zu einem vorläufigen Erfolg.

Nicht zu beanstanden ist es allerdings, dass der Erstrichter den objektiven Tatbestand des § 24a Abs. 2 StVG angesichts des bei der dem Betroffenen entnommenen Blutprobe festgestellten THC-Gehalts von 1,4 ng/mL bejaht hat. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht dies im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG NJW 2005, 349) und mehrerer Obergerichte (OLG Saarbrücken NJW 2007, 309, 311; OLG Karlsruhe NStZ 2007, 488; OLG Frankfurt NStZ-RR 2007, 249; OLG Bamberg DAR 2006, 286; OLG Bremen NZV 2006, 276; OLG Köln NStZ-RR 2005, 385, 386; s.a. Jagow u.a., Straßenverkehrsrecht 20. Aufl. § 24a StVG Rn. 5a; Hentschel, Straßenverkehrsrecht 39. Aufl. § 24a StVG Rn. 21), wie sie auch vom Senat vertreten wird (OLG Zweibrücken NJW 2005, 2168).

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann aber hier aus der Feststellung eines THC-Wertes in der hier gegebenen Größenordnung nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass die Ordnungswidrigkeit wenigstens fahrlässig begangen sei. Nach der auch vom Erstgericht genannten Entscheidung des OLG Frankfurt (veröffentlicht in NStZ-RR 2007, 249) ist nicht nur eine vorsätzliche, sondern auch eine fahrlässige Begehungsweise in Frage gestellt, wenn zwischen der Fahrt und dem Genuss der Droge ein längerer Zwischenraum liegt. Fahrlässig in diesem Sinne handelt nämlich, wer in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt Cannabis konsumiert und sich dennoch ans Steuer setzt, ohne sich bewusst zu machen, dass der Abbau noch nicht vollständig erfolgt ist, obwohl ihm dies erkennbar ist. Bereits an der Erkennbarkeit der Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt kann es bei längeren Zwischenräumen aber ausnahmsweise fehlen. Aus diesen Erwägungen heraus könne nicht ohne weiteres von einer Vorhersehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung ausgegangen werden, wenn der Zwischenraum knapp einen Tag und die festgestellte THC-Konzentration nur etwas mehr als das zweifache des o.a. Grenzwertes von 1,0 ng/mL beträgt (OLG Frankfurt a.a.O.; s.a. OLG Saarbrücken NJW 2007, 309, 311; OLG Bremen NZV 2006, 276; OLG Hamm NStZ 2005, 709 f.; Jagow a.a.O., § 24a StVG Rn. 7a).

So liegt der Fall aber auch hier. Die THC-Konzentration im Blut lag mit 1,4 ng/mL nicht weit über dem Grenzwert. Die Einlassung des Betroffenen, wonach zum Zeitpunkt der Fahrt der letzte Cannabis-Konsum mindestens zwei Tage zurückgelegen hat, hat der Erstrichter offenbar als nicht widerlegt angesehen. Auf nähere Feststellungen zu den beim Betroffenen aufgetretenen Ausfallerscheinungen und ihrer Bewertung wurde ebenso verzichtet wie hinsichtlich der begleitenden Blutalkoholkonzentration von 0,27 %o (Urteil S. 6, Bl. 62 d.A.).

Das Urteil ist daher mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen unter Zurückverweisung der Sache aufzuheben (§ 46 Abs. 1, 79 Abs. 6 OWiG; § 353 f. StPO). Das Amtsgericht wird in einer neuen Hauptverhandlung, wohl mit Hilfe eines Sachverständigen, zu klären haben, ob sich hinreichende Indizien für die Erkennbarkeit der fortdauernden Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt feststellen lassen, oder ob eine zeitnähere als die sich bisher nach dem Zweifelssatz ergebende Rauschmitteleinnahme in Betracht kommt (vgl. auch insoweit OLG Frankfurt NStZ-RR 2007, 250; OLG Saarbrücken NJW 2007, 309, 311; OLG Hamm NStZ 2005, 709, 710). Das Amtsgericht wird auch, soweit noch nicht geschehen, über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu befinden haben.

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