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Anspruch auf Computersoftware für ein häusliches Hirnleistungstraining?

BUNDESSOZIALGERICHT

Az: B 3 KR 3/00 R

Verkündet am 28. Juni 2001


Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2001 für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird der Beschluß des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 23. März 1999 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zu rückverwiesen;

Gründe:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Ausstattung seines Computers mit spezieller Hard- und Software für ein häusliches Hirnleistungstraining.

Der im Jahre 1940 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse, bei der er bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand angestellt war, krankenversichert. Er leidet seit langer Zeit an einer krankheitsbedingten Minderung seiner geistigen Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit. Wegen dieser Erkrankung unterzog er sich mehrfach stationären Behandlungen in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen. Die behandelnden Ärzte und Psychologen empfahlen ein regelmäßiges häusliches computergestütztes Hirnfunktionstraining von täglich ein bis zwei Stunden Dauer und befürworteten deshalb eine Versorgung des Klägers mit entsprechender Hard- und Software (Bescheinigungen von Prof. Dr. D /Medizinische Hochschule H.

Am 9. März 1994 beantragte der Kläger die „Übernahme der Kosten“ einer Computeranlage für ein, häusliches Hirnfunktionstraining. Die Beklagte lehnte dies ab (Bescheid vom 19. Juli 1994, Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 1994). Zur Begründung führte sie aus, ein Personalcomputer (PC) könne schon deshalb nicht zur Verfügung gestellt werden, weil es sich um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handele. Das PC-Programm entspreche nicht der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit, weil der angestrebte Effekt schon durch regelmäßige Beschäftigung mit handelsüblichen einfachen Konzentrations- und Gedächtnisspielen erzielt werden könne.

Im Klageverfahren hat der Kläger seinen Antrag auf die für das Hirnfunktionstraining erforderliche Zusatzausrüstung eines Computers beschränkt. Normale Konzentrations- und .Denkspiele würden seinen krankheitsbedingten Beeinträchtigungen bei weitem nicht gerecht. Die Kostenübernahme für die Zusatzausrüstung sei auch wirtschaftlich, weil die Durchführung eines täglichen zweistündigen Hirnleistungstrainings bei niedergelassenen Ergotherapeuten auf Dauer gesehen teurer sei.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10. September 1997), das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Beschluß vom 23. März 1999). Es hat offengelassen, ob ein Heilmittel (so das SG) oder ein Hilfsmittel begehrt werde. Auf jeden Fall scheitere der Anspruch an der fehlenden vertragsärztlichen Verordnung. Alle vorgelegten „Bescheinigungen“ stammten von Personen, die nicht zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zugelassen seien.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Er weist darauf hin, daß die Beklagte eine für alle Versicherten geltende Ausnahmeregelung geschaffen habe, wonach sie die Kosten einer nachstationären Behandlung durch angestellte Krankenhausärzte aus zugelassenen Krankenhäusern trage, wenn diese Ärzte den Versicherten bereits während des stationären Aufenthalts betreut hätten. Dies sei bei Prof. Dr. D und Dr. S der Fall, deren „Verordnungen“ daher von

der Beklagten anzuerkennen seien. Sein Klagebegehren hat der Kläger dahingehend konkretisiert, daß er nunmehr die Ausstattung seines PC „mit einem Reaktionspult, der Software R und sonstigem evtl Zubehör“ beansprucht.

Der Kläger beantragt, den Beschluß des LSG Niedersachsen vom 23. März 1999 und das Urteil des SG Hannover vom 10. September 1997 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 1994 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen häuslichen PC zur Durchführung eines täglichen Hirnleistungstrainings mit einem Reaktionspult, der Software R und sonstigem evtl Zubehör auszustatten.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Eine vertragsärztliche Verordnung sei – entgegen ihrer in der Revisionserwiderung geäußerten Ansicht – im vorliegenden Fall nicht entbehrlich. Zudem hält sie die begehrte Zusatzausrüstung des PC für unwirtschaftlich. Ergotherapeutische Trainingsmaßnahmen bei niedergelassenen Leistungserbringern mit gleichartigem Behandlungseffekt kosteten pro Stunde nur 37,90 DM und seien daher kostengünstiger als die Anschaffung der PC-Zusatzausrüstung. Die ergotherapeutische Therapie sei der häuslichen „Selbstbehandlung“ auch deshalb vorzuziehen, weil nur so die ärztliche Überwachung der Behandlung und die Sicherung des Heilerfolgs gewährleistet seien.

II

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsbeschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Die bisher getroffenen Feststellungen reichen zur abschließenden Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch nicht aus.

1. Der Neufassung des Klageantrags steht nicht die Vorschrift des § 168 Satz 1 SGG entgegen, nach der im Revisionsverfahren Klageänderungen unzulässig sind. Die Neufassung des Antrags fällt unter die Regelung des § 99 Abs 3 Nr 1 SGG, nach der eine Klageänderung nicht vorliegt, wenn ohne Änderung des Klagegrundes die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden; darunter fallen auch alle Formen von Klarstellungen (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 99 RdNr2 mwN). Mit dem Antrag auf „Ausstattung mit einem Reaktionspult, der Software R und sonstigem evtl Zubehör“ hat der Kläger lediglich klargestellt und konkretisiert, welche Zusatzausrüstung eines PC er begehrt. Die bisherige Fassung des Klageantrags („Hirnleistungstrainingsanlage, soweit sie über eine gewöhnliche PC-Anlage hinausgeht“) war zu unbestimmt und hätte die Vollstreckung eines entsprechenden Leistungsurteils nicht ermöglicht. Außerdem hat der Kläger klargestellt, daß er von der Beklagten eine Sachleistung und nicht etwa Kostenerstattung begehrt. Der Ausdruck „Übernahme der Kosten“ wird in der Praxis nicht selten sowohl für den Anspruch auf Versorgung mit einer bestimmten medizinischen Leistung (Sachleistung) als auch für den Anspruch auf Erstattung aufgewandter Kosten für eine selbst beschaffte medizinische Leistung (Kostenerstattung) verwandt. Er ist insoweit mehrdeutig. Da der Kläger sich die beanspruchte PC-Zusatzausrüstung bisher nicht selbst angeschafft hat, ein Anspruch auf Kostenerstattung daher von vornherein ausscheidet, und er zumindest derzeit auch nicht zu dem Kreis von Personen gehört, der nach § 13 Abs 2 SGBV oder sonstigen Vorschriften nur Kostenerstattung, nicht aber Sachleistungen beanspruchen kann, war die Klarstellung geboten und sachgerecht. Die Wahl des Klägers auf Kostenerstattung für pflichtversicherte Mitglieder im Rahmen der Erprobungsregelung nach § 64 SGB V aF iVm § 24a der Satzung der Beklagten war nach dem Bestätigungsschreiben vom 1. März 1994 auf die Zeit bis zum 31. Dezember 1998 beschränkt und umfaßte zudem ausdrücklich keine Hilfsmittel.

2. Die Klage ist möglicherweise auch begründet. Die dazu notwendigen Feststellungen wird das LSG im erneuten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

Aus Rechtsgründen ist der Anspruch jedenfalls nicht ausgeschlossen. Dabei konnte der Senat – anders als das LSG – nicht die Frage offenlassen, ob sich der Leistungsanspruch nach § 32 SGB V (Heilmittel) oder § 33 SGB V (Hilfsmittel) beurteilt. Für den Bereich der Arznei- und Heilmittel hat der insoweit zuständige 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) entschieden, daß ein Leistungsanspruch nicht gegeben ist, wenn das Mittel nicht vertragsärztlich verordnet worden ist (Urteil vom 19. November 1996 -1 RK 15/96- BSGE 79, 257 = SozR 3-2500 § 13 Nr 13). Dies gilt aufgrund teilweise abweichender gesetzlicher Regelungen aber nicht für den Bereich der Hilfsmittel. Der insoweit zuständige erkennende (3.) Senat hat bereits entschieden, daß das Fehlen einer vertragsärztlichen Verordnung den Leistungsanspruch auf ein Hilfsmittel nicht ausschließt (Urteil vom 16. September 1999 – B 3 KR 1/99 R – BSGE 84, 266 = SozR 3-2500 § 33 Nr 33). So besteht zB ein Anspruch auf Versorgung mit einem im Hilfsmittelverzeiehnis (§ 128 SGB V) nicht aufgeführten Hilfsmittel unabhängig vom Vorliegen oder Fehlen einer vertragsärztlichen Verordnung, wenn es im Einzelfall geeignet, notwendig und wirtschaftlich ist (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 25, 27, 28, 31, 33). Da im vorliegenden Fall nur Bescheinigungen und Empfehlungen von nicht selbst zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Personen über die Notwendigkeit des PC-gestützten häuslichen Hirnleistungstrainings vorliegen, was einem Leistungsanspruch im Heilmittelbereich entgegenstünde, im Hilfsmittelbereich aber unschädlich wäre, durfte die Frage nach der rechtlichen Einordnung der begehrten Leistung nicht unentschieden bleiben.

3. Als Anspruchsgrundlage für die Versorgung des Klägers mit der Hard- und Software für ein PC-gestütztes häusliches Hirnleistungstraining kommt allein § 33 SGB V in Betracht. Die begehrte PC-Zusatzausrüstung stellt ein „Hilfsmittel“ im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung dar.

Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung erfaßt der Begriff des Heilmittels (§ 32 SGB V) alle persönlichen medizinischen Dienstleistungen, die grundsätzlich (Ausnahme: § 32 Abs 2 Satz 2 und 3 SGB V) von nichtärztlichen Leistungserbringern (§ 124 SGB V) erbracht werden, während der Begriff des Hilfsmittels (§ 33 SGB V) alle sächlichen medizinischen Mittel umfaßt.

Dieser Abgrenzung zwischen Heil- und Hilfsmitteln steht die Rechtsprechung des 1. Senats des BSG nicht entgegen, obgleich dieser Senat in seinen Urteilen vom 10. Mai 1995 -1 RK 18/94 – (SozR 3-2500 § 33 Nr 15) und 18. Januar 1996-1 RK 8/95 – die Ansicht vertreten hatte, antiallergene Matratzen- und Kissenbezüge – beides „sächliche Mittel“ -seien nicht den Hilfsmitteln zuzuordnen: Ein Gegenstand sei nur dann ein Hilfsmittel, wenn er den Ausgleich der körperlichen Behinderung selbst bezwecke, also unmittelbar gegen die Behinderung gerichtet sei. Auf die Anfrage des erkennenden Senats nach § 41 Abs 3 Satz 1 SGG vom 16. September 1999 (B 3 KR 2/99 B) hat der 1. Senat am 8. Februar 2000 (B 1 KR 3/99 8) mitgeteilt, er halte an der in den Urteilen vom 10. Mai 1995 und 18. Januar 1996 vertretenen Rechtsauffassung nicht fest, daß ein Gegenstand nur ein Hilfsmittel sein kann, wenn er den Ausgleich einer körperlichen Behinderung selbst bezweckt, also unmittelbar gegen die Behinderung gerichtet ist. Zu der darüber hinausgehenden Frage, ob der Begriff des Heilmittels (§ 32 SGB V) auf nichtärztliche medizinische Dienstleistungen beschränkt ist, hat sich der 1. Senat nicht geäußert. Der erkennende Senat bejaht diese Frage für die heutige Gesetzeslage unter Berücksichtigung der bisherigen Entwicklung in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum.

4. in der Vergangenheit war die Abgrenzung von Heil- und Hilfsmitteln nicht eindeutig. Die Reichsversicherungsordnung (RVO) enthielt keine Definition des Begriffs des Heilmittels (§182 RVO). Allgemein ging man jedoch von folgendem Begriffsinhalt aus: Heilmittel dienten der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit durch Beseitigung oder Milderung der Krankheitserscheinungen während der Heilbehandlungsdauer. Als Heilmittel galten vorwiegend sächliche Mittel einschließlich gewisser, außerhalb der gewöhnlichen ärztlichen Tätigkeit liegender äußerlicher Einwirkungen auf den Körper wie Massagen, heilgymnastische Übungen, Bäder usw, wenn sie vom Arzt lediglich verordnet, nicht aber überwacht werden, in unmittelbarem Zusammenhang mit der Krankenbehandlung stehen und einen Heilerfolg herbeiführen oder sichern sollen (BSGE 33, 263, 264 = SozR Nr 2 zu § 187 RVO; BSGE 37, 138, 139 = SozR 2200 § 187 Nr 1; BSGE 42, 16, 18 = SozR 2200 § 182 Nr 14; BSG SozR 2200 § 182 Nr 60; Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien vom 26. Februar 1982, Beilage Nr 32/82 zum BAnz Nr 125, Abschnitt A 1 = DOK 1982, 621 = BKK 1982, 269).

Wenn gleich sich dem Wortsinne nach auch Arzneimittel als Heilmittel (im weitesten Sinne) auffassen lassen, sind unter Heilmitteln im engeren Sinne Sachmittel verstanden worden, die im Unterschied zu Arzneimitteln angewendet werden (BSGE 28, 158, 159 = SozR Nr 30 zu § 182 RVO). Die Begriffsbestimmung in den Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien vom 26. Februar 1982 Abschnitt A Ziff 1.21 lautete insoweit: „Sächliche Mittel, die zur Behandlung einer Krankheit eingesetzt und überwiegend äußerlich angewendet werden, ohne Arzneimittel zu sein“. Dienstleistungen waren damit zwar nicht ausgeklammert; vgl bereits die Richtlinien des Reichsausschusses für Ärzte und Krankenkassen für die wirtschaftliche Verordnung von Heilmitteln vom 24. Februar 1933 (AN 1933, IV 100), § 10 Nr 3 des Rehabilitationsangleichungsgesetzes (RehaAngIG) vom 7. August 1974 (BGBI l S 1881) sowie den Ausschußbericht zum Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz (KVEG) vom 22. Dezember 1981 (BGBI l S 1578), BT-Drucks 9/977 S 22 zu Art 1 Nr 3. Die Rechtsprechung (BSGE 28, 158, 160 = SozR Nr 30 zu § 182 RVO; BSGE 33, 30, 31 = SozR Nr 46 zu § 182 RVO) führte insbesondere Bäder und Massagen als Heilmittel an, setzte jedoch bei der Zuordnung zu den Heilmitteln sowohl iS von § 182 Abs 1 Nf 1 RVOaF, § 193 RVO aF als auch von § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO idF des RehaAngIG voraus, daß bei einer Dienstleistungen umfassenden Heilmaßnahme jedenfalls sächliche Mittel angewendet wurden (BSGE 42, 16, 17 = SozR 2200 § 182 Nr 14; BSGE 48, 258, 263 = SozR 2200 § 182 Nr 47; BSG SozR 2200 § 182 Nr 48).

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Hilfsmittel unterschieden sich nach ursprünglicher Vorstellung von den Heilmitteln dadurch, daß sie nicht der therapeutischen Einflußnahme dienen, sondern nach beendetem Heilverfahren zur Erhaltung oder Herstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind, um bestehende körperliche Defekte auszugleichen (vgl den durch das RehaAngIG aufgehobenen § 187 Nr 3 RVO), wobei es genügte, daß „die beeinträchtigte bzw erschwerte Funktion ermöglicht, ersetzt, erleichtert oder ergänzt wird“ (BSGE 51, 206, 207 = SozR 2200 § 182b Nr 19). Das Hilfsmittel sollte an die Stelle eines nicht oder nicht voll funktionsfähigen Körperorgans treten und soweit wie möglich dessen Funktion übernehmen, um auf diese Art die Arbeitsfähigkeit zu erhalten oder herzustellen, wobei es, wie von der Rechtsprechung zum früheren Recht mit Blick auf nicht im Erwerbsleben stehende Versicherte entwickelt worden ist, nicht nur auf die Arbeitsfähigkeit im Erwerbsleben ankam, sondern auch auf die Schulfähigkeit von Schülern, und bei Rentnern darauf, daß diejenigen Fähigkeiten erhalten oder hergestellt werden, die notwendig sind, um am allgemeinen gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (BSGE 33, 263, 265 ff = SozR Nr 2 zu § 187 RVO; BSG SozR 2200 § 182 Nr 60; Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien vom 26. Februar 1982 aaO). Diese schon zu § 187 Nr 3 RVO aF vertretene Auslegung mußte erst recht gelten, nachdem diese Vorschrift durch das RehaAngIG aufgehoben worden war; die Krankenkassen waren seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, dh seit dem 1. Oktober 1974, auch für die medizinische Rehabilitation zuständig geworden, indem in Ergänzung zu § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst c RVO durch § 182b RVO idF des RehaAngIG (nF) bestimmt worden war, daß der Versicherte einen Anspruch auf diejenigen Hilfsmittel hat, die erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen, den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder eine körperliche Behinderung auszugleichen.

Mit der Neufassung des § 182 Abs 1 Nr 1 RVO durch das RehaAngIG wurde auch die Unterscheidung des früheren Rechts nach kleineren und größeren Heilmitteln (§ 182 Abs 1 Nr 1 RVO aF, § 193 Abs 2 RVO aF) aufgehoben. Die kleineren Heilmitte! waren bis dahin nach § 182 Abs 1 Nr 1 RVO aF kostenfrei als Regelleistung zu gewähren, während die größeren Heilmittel gemäß § 193 Abs 1 und 2 RVO aF lediglich als freiwillige Mehrleistungen bewilligt oder bezuschußt werden konnten. Der Unterschied zwischen größeren und kleineren Heilmitteln bestand nicht in der Art oder Gattung der Mittel, sondern lag, soweit nicht Brillen und Bruchbänder zu gewähren waren, nur im Wert begründet (BSGE 28, 158, 159 = SozR Nr 30 zu § 182 RVO; BSGE 33, 30, 31 = SozR Nr 46 zu § 182 RVO). Nach der Neuregelung hatten die Krankenkassen alle erforderlichen Kosten für Heilmittel zu tragen, und zwar in voller Höhe. Die Absätze 1 bis 3 des § 182f RVO idF des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBI l S 1857) galten allerdings entsprechend für Bagatell-Heilmittel, wenn sie im Anwendungsgebiet der ausgeschlossenen Arzneimittel verwendet wurden (§ 182f Abs 4 RVO idF des Gesetzes vom 20. Dezember 1982). Brillen, die nach heutiger Rechtslage (vgl BT-Drucks 11/2237 S 174 zu § 33 E) zu den Hilfsmitteln zählen (vgl § 33 Abs 1 SGB V: Sehhilfen), gehörten nach früherem Recht zu den kleineren Heilmitteln (BSG Urteil vom 10. Dezember 1975 – 8 RU 66/75 -). Nach § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO nF stellten Brillen fortan eine besondere Leistungsart neben den Heilmitteln dar. Eine entsprechende Zuordnung gilt heute noch im Bereich der Kriegsopferversorgung (vgl § 11 Abs 1 Nr 3 Bundesversorgungsgesetz <BVG>). Die besondere Aufführung der Brillen im früheren und geltenden Recht ist historisch zu erklären (BSGE 33, 263, 265 = SozR Nr 2 zu § 187 RVO).

Bestimmend für den Begriff des Heilmittels war vor allem seine Abgrenzung zum Begriff des Hilfsmittels. Nach dem früheren Recht des § 187 Nr 3 RVO idF bis zum Inkrafttreten des RehaAngIG vom 7. August 1974 konnte die Satzung der Krankenkasse Hilfsmittel „gegen Verunstaltung und Verkrüppelung“ zubilligen, die nach beendetem Heilverfahren nötig sind, um die Arbeitsfähigkeit herzustellen oder zu erhalten. Es handelte sich um eine satzungsmäßige Mehrleistung. Die nach dem Wortlaut des § 187 Nr3 RVO bestehende Beschränkung der Gewährung von Hilfsmitteln auf die Herstellung oder Erhaltung der Arbeitsfähigkeit, die bei allen nicht im Erwerbsleben stehenden Versicherten zu Schwierigkeiten geführt hatte, ist von der Rechtsprechung in der oben erwähnten Weise überwunden worden.

An die Stelle dieser nicht mehr ausreichenden Vorschrift war seit dem 1. Oktober 1974 § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst c RVO nF getreten. Hiernach umfaßte die Krankenpflege Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel. Nach § 182b RVO idF des RehaAngIG und des KVEG vom 22. Dezember 1981 (BGBI l S 1578) hatte der Versicherte Anspruch auf Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen, den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern oder eine körperliche Behinderung auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Der Anspruch umfaßte auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel. Wählte der Versicherte ein aufwendigeres Hilfsmittel als notwendig, hatte er die Mehrkosten selbst zu tragen. Diese für die Krankenversicherung geltenden Vorschriften lehnten sich an die allgemeine Vorschrift des § 10 Nr 4 RehaAngIG sowie an die für die Unfallversicherung und Rentenversicherung geltenden Regelungen (§ 557 Abs 1 Nr 4 RVO, § 1237 Nr 4 RVO, beide Vorschriften idF des RehaAngIG) an. In der amtlichen Begründung zu dem Entwurf des RehaAngIG zu § 182b RVO (BT-Drucks 7/1237 S 64) ist folgendes ausgeführt: „Nach § 187 Nr 3 RVO kann die Kasse Hilfsmittel gegen Verunstaltung und Verkrüppelung zubilligen, die nach beendetem Heilverfahren nötig sind, um die Arbeitsfähigkeit herzustellen oder zu erhalten. Diese Umschreibung des Hilfsmittels reicht für die Leistungen zur Rehabilitation nicht aus, so daß der Begriff des Hilfsmittels gegenüber der Fassung des § 187 Nr 3 RVO erweitert und in die Neuregelung die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel einbezogen werden. Im übrigen erhält der Versicherte auf die in dieser Vorschrift bezeichneten Leistungen einen Rechtsanspruch.“

5. In Übereinstimmung mit den zum 31. Dezember 1988 außer Kraft getretenen Vorschriften der RVO gibt auch das SGB V (§ 32) keine Definition dessen, was unter einem Heilmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung zu verstehen ist. Der Begriffsinhalt wird ebenso vorausgesetzt wie derjenige der Arznei- und Verbandmitte! (§ 31 SGB V). Näher umrissen hat das Gesetz lediglich den Hilfsmittelbegriff'(§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V). Danach haben Versicherte „Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen“, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V (Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis) ausgeschlossen sind. Die in § 182b RVO noch enthaltene Möglichkeit der Gewährung eines „Hilfsmittels, das erforderlich ist, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen“, ist nach dem Wortlaut des § 33 Abs 1 SGB V zwar weggefallen. Damit sollte aber keine Einschränkung des Leistungsanspruchs der Versicherten verbunden sein, weil nach § 11 Abs 2 Satz 1 SGB V zu den „Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V)“ iS des § 11 Abs 1 Nr 4 SGB V auch medizinische und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation gehören, „die notwendig sind, um einer drohenden Behinderung oder Pflegebedürftigkeit vorzubeugen, sie nach Eintritt zu beseitigen, zu bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten“ (vgl BT-Drucks 11/2237 S 174 zu § 33 E). Diese Auslegung des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V wird bestätigt durch die zum 1. Juli 2001 in Kraft getretene Neuregelung dieser Vorschrift durch das Gesetz vom 19. Juni 2001 (BGBII S 1046) über die Einführung des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB IX).-Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Nach Art 5 Nr 9 dieses Gesetzes wurde § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V klarsteilend dahingehend erweitert, daß Versicherte auch dann Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel haben, wenn es im Einzelfall erforderlich ist, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen. Die Neuregelung des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V korrespondiert mit der Definition des Begriffs des Hilfsmittels in § 31 Abs 1 SGB IX, wonach Hilfsmittel diejenigen Hilfen umfassen, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können (Übernahme der Begriffsbestimmung des erkennenden Senats aus dem Urteil vom 6. August 1998 – B 3 KR 14/97 R – SozR 3-2500 § 33 Nr 30 – zurn Treppenlift) und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen (Nr 1), den Erfolg einer Heilbehandlung zusichern (Nr 2) oder eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind (Nr 3).

Im Bereich der Heilmittel werden hingegen nur einzelne Arten von Heilmitteln und Heilmittelgruppen aufgeführt. § 32 Abs 2 Satz 2 SGB V beschränkt den Anwendungsbereich der dortigen zuzahlungsrechtlichen Gleichstellungsregelung auf Massagen, Bäder und Krankengymnastik. § 124 Abs 1 SGB V betrifft diejenigen „Heilmittel, die als Dienstleistungen abgegeben werden“ und nennt beispielhaft Leistungen der physikalischen Therapie, der Sprach- und der Beschäftigungstherapie. Schließlich ist § 107 Abs 2 Nr 2 SGB V zu nennen, der Heilmittel einschließlich Krankengymnastik sowie Bewegungs-, Sprach-, Arbeitsund Beschäftigungstherapie anspricht.

Daraus geht hervor, daß die nichtärztlichen medizinischen Dienstleistungen, die nach altem Recht zum Teil nur „wie Heilmittel“ behandelt worden sind, nunmehr als Heilmittel dominieren. Allerdings sollten anscheinend auch die sächlichen Mittel, die in der Vergangenheit für die Begriffsbildung von entscheidender Bedeutung waren, weiterhin zu den Heilmitteln gerechnet werden, soweit sie den sonstigen Anforderungsmerkmalen genügten. Das ergibt sich insbesondere aus § 124 Abs 1 SGB V, der eine Regelung für „Heilmittel, die als Dienstleistungen abgegeben werden“, enthält. Träfe diese Kennzeichnung auf alle Heilmittel zu, wäre der einschränkende Nebensatz entbehrlich. Auch die Formulierung des § 107 Abs 2 Nr 2 SGB V spricht für die Einbeziehung sächlicher Mittel in den Heilmittelbegriff. Bestätigt wird das durch die Entstehungsgeschichte des § 32 SGB V. In der Begründung zürn Entwurf des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) werden die sächlichen Heilmittel ausdrücklich aufgeführt. So heißt es zu § 32 Abs 1 E SGB V: „Die Vorschrift entspricht dem bisher geltenden Recht (§ 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO). Zu den Heilmitteln gehören neben den sog sächlichen Heilmitteln vor allem Dienstleistungen wie zB Krankengymnastik, Bewegungs- und Beschäftigungstherapie sowie Sprach-, Sprech- und Stimmtherapie“ (BR-Drucks 200/88 S 173). Und zur Zulassungsregelung des § 124 SGB V (vgl § 133 Abs 1 E SGB V) heißt es ua: „Neben sächlichen Gegenständen ordnet die Rechtsprechung den Heilmitteln auch Dienstleistungen zu, und zwar solche Behandlungsmaßnahmen, die wie Heilmittel angewendet werden und deren Zweck erfüllen (vgl BSGE 42, 16 ff). Diese rechtliche Zuordnung wird aufrechterhalten“ (BR-Drucks 200/88 S 204).

Die herkömmliche Vorstellung von der Aufteilung der sächlichen Mittel in Heil- und Hilfsmittel hat nach dem Wortlaut der §§ 32 und 33 SGB V also zunächst auch im neuen Krankenversicherungsrecht fortbestanden. Der unmittelbare Zusammenhang mit der Krankenbehandlung sollte das Kriterium sein, durch das sich Heil- und Hilfsmittel voneinander unterscheiden (BSGE 33, 263, 264 f = SozR Nr 2 zu § 107 RVO; BSGE 37, 138,139 = SozR 2200 § 187 Nr 1). Während Hilfsmittel dazu bestimmt sein sollten, fortbestehende gesundheitliche Defizite körperlicher, aber auch geistig-seelischer Art (vgl § 27 SGB V und § 1 Abs 1 RehaAngIG) im Rahmen des Möglichen auszugleichen oder erträglicher zu gestalten, sollten Heilmittel zur therapeutischen Einflußnahme auf den Krankheitszustand bestimmt sein, also zu Heilzwecken oder zur Sicherung eines Heilerfolgs eingesetzt werden (BSG SozR 2.200 § 182 NrGO; BSG SozR 2200 § 182b Nr 18). Es genügte dabei, wenn das Mitte! in bezug auf eine bestimmte Gesundheitsstörung schädigende Einflüsse vom Körper abhält und somit die konkrete Erkrankung zwar nur mittelbar, aber doch gezielt bekämpft. Ein Zusammenhang zur Krankenbehandlung war aber in zeitlicher Hinsicht erforderlich (BSG SozR Nr 3 zu § 193 RVO).

6. Diese Abgrenzungskriterien bestimmten bisher die Rechtsprechung zum Heil- und Hilfsmittelbegriff in der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie haben sich aus der Sicht des Senats aber weitgehend als unbrauchbar erwiesen. Die Zweckbezogenheit des Heilmittelbegriffs erschwert die Zuordnung und macht sie nahezu unmöglich, wo es darum geht, ob ein sächliches Mittel der Verhütung oder Linderung von Krankheitsbeschwerden dient (§ 27 Abs 1 Satz 1 SGB V) oder zur Sicherung eines Heilerfolgs eingesetzt wird (dann Heilmittel) oder ob es „den Erfolg der Krankenbehandlung sichert“ (dann Hilfsmittel, vgl § 33 Abs 1 Satz 1 1. Alternative SGB V). Die Merkmale stimmen nicht nur teilweise überein, sondern lassen sich insbesondere auch dann nicht klar voneinander unterscheiden, wenn es um die Frage geht, ob eine Krankenbehandlung – zB bei chronischen Erkrankungen oder Zuständen, die immer wieder einmal der Behandlung bedürfen – noch andauert oder schon abgeschlossen ist. Ob ein bestimmtes sächliches Mittel Heil- oder Hilfsmittel war, hing danach nicht selten vom jeweiligen Blickwinkel ab. Nach BSGE 30, 151, 153 f = SozR Nr 37 zu § 182 RVO war eine Armprothese für ein Kind eher als Heilmittel zu werten, wenn sich durch deren Anpassung mit anschließender Übungsbehandlung eine nicht unwesentliche Besserung der Körperfunktionen erreichen ließ. In der Entscheidung BSG SozR Nr 3 zu § 193 RVO ist ein wegen Wirbelsäulen-Tbc verordnetes Stützkorsett als Heilmittel angesehen worden, weil es nicht nach Abschluß der Behandlung Funktionsbeeinträchtigungen ausgleichen, sondern den Erfolg der noch andauernden Behandlungsmaßnahmen sichern sollte. Gegen die Entscheidung BSG SozR 2200 § 182b Nr 24, die ebenso wie BSGE 66, 245 = SozR 3-2500 § 33 Nr 1 Einmalwindeln den Hilfsmitteln zugeordnet hat, ist der Einwand erhoben worden, daß diese Einlagen die Feuchtigkeitseinwirkungen auf die Haut herabsetzen und daher auch Heilmittel sein könnten (Tons, DOK 1984, 432, 436). Ein Rollstuhl, der nach herkömmlichem Verständnis als Hilfsmittel angesehen wird, ist als Heilmittel eingestuft worden, wenn er während der stationären Behandlung zur Entlastung der Beine benötigt wird (Bayerisches LSG, Urteil vom 21. November 1974, KVRS 2230/10). Auch die Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung (HMVO) vom 13. Dezember 1989 (EGBI l S 2237) zahlt Gegenstände auf, die nach altem Recht als Heilmittel gewertet worden sind; vgl § 1 Nr 2 (Leibbinden; ErsK 1988, 257, 272), §2 Nr2 (Armtragetücher; ErsK 1988, 257, 259) und §2 Nr4 (Augenklappen; ErsK aaO).

Die Spitzenverbände der Krankenkassen hatten schon vor Inkrafttreten des SGB V mit Blick auf diese wechselhaften Einstufungen aufgrund einer Besprechung vom 9. Dezember 1988 die Auffassung vertreten, daß für die Abgrenzung zwischen Heil- und Hilfsmitteln eine „objektive Entscheidungsgrundlage“ geschaffen werden müsse, die eine Gleichbehandlung der Versicherten unabhängig von der medizinischen Zweckbestimmung im Einzelfall gewährleiste. Sie sind zu dem Ergebnis gelangt, daß Heilmittel iS von § 32 SGB V nur Dienstleistungen der nach § 124 SGB V zugelassenen Personen seien, während alle sächlichen Mittel oder technischen Produkte, die serienmäßig oder nach handwerklicher Zurichtung abgegeben würden, als Hilfsmittel betrachtet werden müßten.

Die Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 17. Juni 1992 (BAnz Nr 183b S 13), die am 1. Oktober 1992 in Kraft getreten sind und in dieser Form bis zum 30. Juni 2001 galten, haben in Übereinstimmung mit dieser Stellungnahme der Spitzenverbände in Abschnitt A Ziff l folgende Begriffsbestimmungen vorgenommen:

„1 Heilmittel sind persönliche medizinische Leistungen. Zu ihnen gehören:

1.1 Maßnahmen der physikalischen Therapie (siehe Abschnitt B)

1.2 Sprachtherapie (siehe Abschnitt G)

1.3 Beschäftigungstherapie (siehe Abschnitt D)

2 Hilfsmittel sind sächliche medizinische Leistungen. Zu ihnen gehören:

2.1 Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel

2.2 Sehhilfen (siehe Abschnitt E)

2.3 Hörhilfen (siehe Abschnitt F)

2.4 Sächliche Mittel oder technische Produkte, die dazu dienen, Arzneimittel oder andere Therapeutika, die zur inneren Anwendung bestimmt sind, in den Körper zu bringen (zB Spritzen, Inhalationsgeräte und ähnliche Applikationshilfen)

2.5 Änderungen, Instandsetzungen und Ersatzbeschaffungen von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch.“

Entsprechende Definitionen finden sich auch in den zum 1. Juli 2001 in Kraft getretenen neuen Hilfsmittel-Richtlinien vom 6. Februar 2001 (BAnz 2001 S 11037), die aus den bisherigen Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien vom 17. Juni 1992 hervorgegangen sind, sowie in den ebenfalls zum 1. Juli 2001 in Kraft getretenen neuen ‚Heilmittel-Richtlinien vom 16. Oktober 2000/6. Februar 2001 (BAnz 2001 Nr 118a). Heilmittel sind danach „persönlich zu erbringende medizinische Leistungen“ (Heilmittel-Richtlinien Teil II Nr6, BAnz 2001 Nr18aS5).

Damit hat der Bundesausschuß zwar keine rechtlich verbindliche Regelung zur Neubestimmung der Begriffe Heilmittel und Hilfsmittel getroffen. Den Richtlinien kommt insoweit keine normative Kraft zu. Zur Ausklammerung aller Heilzwecken dienenden sächlichen Mittel, die nach § 182 RVO bzw § 32 SGB V und der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher als Heilmittel eingestuft werden, und für ihre Zuordnung zu den Hilfsmitteln iS des § 33 SGB V fehlt es an einer Ermächtigung des Bundesausschusses. Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen hat die Aufgabe, Richtlinien über die Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung und häusliche Krankenpflege zu beschließen (§ 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V), in diesem Rahmen einen Katalog verordnungsfähiger Heilmittel aufzustellen sowie die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen zu regeln (§ 92 Abs 6 Nr 1 und 2 SGB V). Eine Ermächtigung des Bundesausschusses zur Neubestimmung dieser Begriffe in Richtlinien ist aber weder in § 92 SGB V noch in einer anderen Vorschrift dieses Gesetzes enthalten, so daß die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Ermächtigung nicht weiter zu erörtern ist.

7. In der Sache ist aber dieser neuen Abgrenzung der Begriffe Heil- und Hilfsmittel zu folgen.

In einem neueren Gesetz hat sich auch der Gesetzgeber die in den Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien vom 17. Juni 1992 enthaltenen Begriffe der Heu- und Hilfsmittel zu eigen gemacht. Im Zuge der Reform des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung durch das Gesetz vom 7. August 1996 (BGBI l S 1254), das am 1. Januar 1997 in Kraft getreten ist, hat er im Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) die neuen Begriffe für diesen Bereich ausdrücklich übernommen. In der amtlichen Begründung zu § 30 SGB VI! (BR-Drucks 13/2204, S 83) heißt es dazu: „Die Vorschrift definiert den Begriff der Heilmitte! entsprechend der Praxis, die sich in der gesetzlichen Krankenversicherung herausgebildet hat.“ Demgemäß sind nach § 30 SGB VII Heilmittel nunmehr (nur noch) „alle ärztlich verordneten Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur. von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden dürfen. Hierzu gehören insbesondere Maßnahmen der physikalischen Therapie sowie der Sprach- und Beschäftigungstherapie“. Nach § 31 Abs 1 SGB VII sind demgegenüber Hilfsmittel „alle ärztlich verordneten Sachen, die den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder die Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen. Dazu gehören insbesondere Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel einschließlich der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel“. Diese Entwicklung zeigt, daß der Gesetzgeber die neue Begriffsbestimmung für sachdienlich und zweckmäßig hält. Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken, sie auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung anzuwenden. Daß der Wortlaut der §§ 32, 124 und 107 SGB V bislang noch nicht im gleichen Sinne geändert worden ist, steht nicht entgegen; daraus kann nicht geschlossen werden, daß der Gesetzgeber die Bereiche Unfallversicherung und Krankenversicherung weiterhin unterschiedlich behandelt wissen will.

8. Die PC-Zusatzausrüstung mit Hard- und Software für ein häusliches Hirnleistungstraining ist danach ein Hilfsmittel (§ 33 SGB V), auch wenn es dazu dient, ein Training durchzuführen, das ebenso von niedergelassenen Ergotherapeuten (§ 124 SGB V) angeboten wird und dann als Heilmittel (§ 32 SGB V) gilt.

Das Hilfsmittel ist – im Gegensatz zum PC selbst – kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, weil es in der Regel nur von Personen mit einer krankheitsbedingten Hirnleistungsschwäche benutzt wird. Der Anspruch ist auch nicht nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen, weil die PC-Zusatzausrüstung für ein Hirnleistungstraining nicht in der Rechtsverordnung über den Ausschluß von „Hilfsmitteln von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis“ aufgeführt ist (vgl Verordnung vom 13. Dezember 1989, BGBII S 2237, idF vom 17. Januar 1995, BGBI l S 44). Ein Ausschluß der PC-Zusatzausrüstung aus der Leistungspflicht der Krankenkassen ergibt sich auch nicht aus dem Hilfsmittelverzeichnis (Hilfsmittelverzeichnis vom 29. Januar 1993, BAnz 1993, Nr 50a, 1 bis 140 mit Ergänzungen). Es ist unschädlich, daß eine PC-Zusatzausrüstung für ein Hirnleistungstraining dort nicht erwähnt ist. Die Vorschriften zum Hilfsmittelverzeichnis ermächtigen nicht dazu, den Anspruch des Versicherten einzuschränken, sondern nur dazu, eine für die Gerichte unverbindliche Auslegungs- und Orientierungshilfe zu schaffen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16, 20 und 25).

Fraglich sind allerdings die Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit (§§ 2 Abs 4 und 12 Abs 1 SGB V) der PC-Zusatzausrüstung. Das LSG wird zu ermitteln haben,

a) ob handelsübliche einfache Konzentrations- und Gedächtnisspiele, die nicht speziell auf die Bedürfnisse von Personen mit krankheitsbedingter Hirnleistungsschwäche zugeschnitten sind, oder Computerspiele in der Art, mit denen sich der Kläger gegenwärtig behilft, ausreichen (allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V),

b) bei Verneinung von a):

ob gleichartige regelmäßige Trainingsmaßnahmen durch niedergelassene Ergotherapeuten (Heilmittel) möglicherweise effektiver sind,

c) bei Verneinung von b): .

ob das Heilmittel bei wenigstens gleicher Effektivität auf Dauer gesehen teurer oder billiger ist, wobei zu berücksichtigen ist, daß zumindest die PC-Software auch leihweise überlassen werden könnte.

Falls gleiche Eignung und Wirtschaftlichkeit festzustellen ist, wäre der Anspruch begründet, weil dem Kläger dann das Wahlrecht nach § 33 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB l) zustünde (BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1).

Über die Kosten des Revisionsverfahrens wird das Berufungsgericht ebenfalls zu entscheiden haben.

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