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Corona-bedingte Isolation – Terminverlegungsgrund?

OLG Rostock – Az.: 3 W 125/21 – Beschluss vom 20.05.2022

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 13.10.2021 abgeändert.

Das Ablehnungsgesuch des Beklagten gegen die Richterin F. wird für begründet erklärt.

Gründe

I.

Nach einer Vielzahl von Terminsverlegungen – aus unterschiedlichen Gründen und sowohl auf Antrag der Klägerin als auch des Beklagten – bestimmte die abgelehnte Richterin mit Verfügung vom 27.04.2021 neuen Termin zur mündlichen Verhandlung auf Montag, den 30.08.2021, 11:15 Uhr. Sie ordnete das persönliche Erscheinen der Parteien zur Aufklärung des Sachverhaltes (§ 141 Abs. 1 ZPO) und für einen Güteversuch (§ 278 Abs. 3 ZPO) an.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 27.08.2021, eingegangen per beA auf dem Server am 27.08.2021, 15:21 Uhr, beantragte der Beklagte, den Termin vom 30.08.2021 zu verlegen, weil er sich ausweislich des beigefügten Attests coronabedingt in Quarantäne befinde. Beigefügt war eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 26.08.2021, nach der der Beklagte vom 26.08.2021 bis einschließlich 30.08.2021 arbeitsunfähig sei.

Nach einem Vermerk der Geschäftsstelle vom 30.08.2021 habe es am 27.08.2021 eine Störung der elektronischen Eingangsfachanwendung ELA (Eingangslistenapplikation) gegeben, sodass der Schriftsatz erst am 30.08.2021 in der Geschäftsstelle eingegangen sei. Kurz vor Beginn der mündlichen Verhandlung ist der Schriftsatz der abgelehnten Richterin zur Kenntnis gegeben worden. Diese hat daraufhin telefonisch die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Beklagten darüber informieren lassen, dass der Termin bestehen bleibe; der Prozessbevollmächtigte des Beklagten persönlich ist jedoch nicht erreichbar gewesen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung erschien für den Beklagten niemand und die abgelehnte Richterin verkündete sodann folgenden Beschluss: „Dem Terminsverlegungsantrag wird nicht stattgegeben“, sowie am Ende der Sitzung auf Antrag der Klägerin ein klagestattgebendes Versäumnisurteil.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 24.09.2021 legte der Beklagte gegen das Versäumnisurteil fristgerecht Einspruch ein und beantragte die Einstellung der Zwangsvollstreckung. Gleichzeitig hat er die Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Beklagte habe ärztlich attestiert coronabedingt nicht am Termin teilnehmen können. Die Richterin, die das rechtzeitig erfahren habe, habe kurz vor Terminsbeginn von ihrer Geschäftsstelle ausrichten lassen, dass es ja wohl reiche, wenn sein Prozessbevollmächtigter erscheine, denn dass der Beklagte nicht persönlich erscheinen könne, sei für sie kein Grund. Hierin liege nicht nur eine vorsätzliche Vernichtung rechtlichen Gehörs, eine derart verachtende Haltung gegenüber den Rechten einer Partei suche seines Gleichen.

In ihrer dienstlichen Stellungnahme hat die abgelehnte Richterin wie folgt ausgeführt:

Corona-bedingte Isolation – Terminverlegungsgrund?
(Symbolfoto: Renata Apanaviciene/Shutterstock.com)

„Das Terminsverlegungsgesuch vom 27.08.2021 ist erst am 30.08.2021 kurz vor der Beginn des Termins eingegangen, sodass eine vorherige Reaktion der unterzeichnenden Richterin, welche den Anfahrtsweg der Prozessbevollmächtigten berücksichtigt, nicht möglich war. Dennoch wurde vor Beginn des Termins telefonisch der später in der mündlichen Verhandlung gefasste Beschluss der Kanzlei des Beklagtenvertreters mitgeteilt ohne das der Prozessbevollmächtigte selbst zu erreichen war.

Substantiiert gewichtige Gründe, weshalb die Anwesenheit der anwaltlich vertretenen Partei erforderlich ist oder der Prozessbevollmächtigte über den Verfahrensgegenstand nicht hinreichend informiert werden konnte, wurden nicht dargelegt (vgl. Zöller, § 227 Rn. 6 mwN).“

In seiner Stellungnahme hierauf hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass es in der Natur der Sache liege, dass krankheitsbedingte Verlegungsanträge wie der vorliegende regelmäßig kurzfristig gestellt würden.

Die Darlegung der abgelehnten Richterin, der Verlegungsantrag vom 27.08.2021 sei erst am 30.08.2021 kurz vor dem Termin eingegangen, erscheine wahrheitswidrig. Vielmehr sei er nebst Attest bereits am 27.08.2021 um 15:21 Uhr gemäß beA-Zustellungsnachweis eingegangen. Soweit die Richterin ihre voreingenommene Entscheidung nun auch durch eine falsche Darstellung der Tatsachen zu rechtfertigen sucht, sei sie für den Beklagten nicht tragbar. Bis zur mündlichen Verhandlung am 30.08.2021 um 11:00 Uhr sei mehr als genug Zeit gewesen für eine rechtzeitige Reaktion.

Mit Beschluss vom 13.10.2021 hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch des Beklagten zurückgewiesen.

Die Voraussetzungen einer Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit lägen ersichtlich nicht vor.

Die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung begründe regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil diese nach § 227 ZPO nur beim Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht komme. Anders liege es nur dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung offensichtlich vorlägen, die Zurückweisung des Antrages für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletze oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdränge. Dafür sei nichts ersichtlich.

Die Verhinderung des Beklagten habe keinen erheblichen Grund zur Verlegung des anberaumten Termins dargestellt, zumal dieser bereits nicht glaubhaft gemacht worden sei und der Verweis auf eine ärztlich attestierte Quarantäne keine Glaubhaftmachung darstelle. Der im Anwaltsprozess gem. § 78 ZPO vertretene Beklagte hätte durch seinen Prozessbevollmächtigten hinreichend seinen Anspruch auf rechtliches Gehör ausüben können. Dass es auf persönliche Ausführungen oder allein in seiner Person liegende Umstände angekommen wäre, die nicht durch seinen Prozessbevollmächtigten hätten geltend gemacht werden können, trage er selbst nicht vor. Zwar sei das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet gewesen. Die Sachaufklärung hätte indes grundsätzlich auch durch den instruierten Prozessbevollmächtigten erfolgen können, wenn nicht gar müssen. Dies gelte auch, soweit eine konsensuale Verständigung die Anordnung tragen sollte. Zudem hätte sich der Beklagte eines instruierten Vertreters gem. § 141 Abs. 3 ZPO bedienen können. Eine Verletzung des pflichtgemäßen Interesses könne daher nicht festgestellt werden.

Auch im Übrigen begründe die Verfahrensbehandlung der Richterin keinen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, weil sie sich weder als willkürlich oder offensichtlich unhaltbar erweise noch die Bedeutung und Tragweite dieser Verfassungsgarantie in grundlegender Weise verkenne. Das Verlegungsgesuch sei an einem Freitag um 15:17 Uhr bei Gericht eingegangen. Eine sofortige Vorlage und Bearbeitung durch die Richterin habe nicht erwartet werden können. Nach Vorlage am folgenden Montag, dem Terminstag, habe die Richterin im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens versucht, den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu erreichen und ihn über die beabsichtigte Entscheidung zu informieren. Dieser habe sich jedoch nicht zum Gerichtsort begeben und sich auch nicht sonstwie erreichbar gezeigt, ohne sich zuvor über die Bescheidung seines Antrages informiert zu haben. Mangels abweichender Entscheidung habe er sich deshalb zum Terminsort begeben müssen und aus den oben genannten Gründen ohne Rückversicherung nicht davon ausgehen dürfen, dass eine Verlegung erfolge. Die inhaltliche Entscheidung als auch die Verfahrensbehandlung wiesen daher keine Gründe auf, die die Annahme rechtfertigen könnten, die Richterin stehe der Sache nicht mehr mit der erforderlichen Unvoreingenommenheit gegenüber.

Daraufhin hat die abgelehnte Richterin mit Beschluss vom 15.10.2021 den Antrag des Beklagten auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil zurückgewiesen.

Mit Verfügung vom gleichen Tag hat sie Termin zur Verhandlung über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil und die Hauptsache auf den 01.11.2021 bestimmt.

Auf den Hinweis des Beklagten, dass – mit Blick auf die Terminierung – gegen die Richterin ein Befangenheitsgesuch anhängig sei und die rechtswidrige Terminierung sich nahtlos an die Angriffe der Richterin auf das rechtliche Gehör des Beklagten anschließe, ist der Verhandlungstermin mit Verfügung vom 01.11.2021 aufgehoben worden.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts vom 13.10.2021 wendet sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde vom 27.10.2021. Er ist der Auffassung, der bisherige Verlauf sei unfassbar. Eine Richterin, die falsche Angaben zu den Posteingängen mache, Beschwerderichter, die Stellungnahmefristen setzten, die nicht abgewartet werden würden und dann eine Terminierung durch die bestenfalls befangene Richterin noch während des laufenden Befangenheitsverfahrens. Die Befangenheit ergäbe sich aus den bisherigen Schilderungen derart zweifelsfrei, dass Ergänzungen nicht erforderlich seien.

Mit Beschluss vom 03.11.2021 hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht vorgelegt.

Im Hinblick auf die Ausführungen des Beklagten, die abgelehnte Richterin habe wahrheitswidrig dargelegt, ihr sei das Verlegungsgesuch erst am Tag der mündlichen Verhandlung vorgelegt worden, werde auf die Darstellung im angefochtenen Beschluss Bezug genommen, woran festgehalten werde. Sein im Übrigen nicht glaubhaft gemachter Verlegungsantrag und die Verpflichtung, sich eines besonderen Vertreters gem. § 141 Abs. 3 ZPO zu bedienen, hätten für den anwaltlich vertretenen Beklagten die Erfolglosigkeit seines Verlegungsantrages zudem ohne weiteres ersichtlich werden lassen.

Die richterlichen Handlungen vom 15.10.2021 führten ebenfalls nicht zum Erfolg des Befangenheitsgesuchs. Zwar habe die Richterin erst nach Erledigung des Ablehnungsgesuchs tätig werden dürfen, also nicht, solange das Ablehnungsgesuch noch nicht rechtskräftig abgelehnt sei, was am 15.10.2021 noch nicht der Fall gewesen sei. Gem. § 47 Abs. 1 ZPO könne ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vornehmen, die keinen Aufschub gestatteten. Mit der Anberaumung des Termins habe die Richterin eine den Beklagten begünstigende Handlung vorgenommen, als die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil unmittelbar bevorgestanden habe und die Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils der zeitnah angesetzten Verhandlung vorbehalten worden sei, obwohl es entgegen § 340 Abs. 3 ZPO der notwendigen Einspruchsbegründung ermangelt habe. Wegen der beabsichtigten Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil habe es auch gem. § 47 Abs. 1 ZPO einer die Wartepflicht durchbrechenden Entscheidung über den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung bedurft.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässig und in der Sache auch begründet.

Gem. § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

Geeignet, Misstrauen gegen die unparteiliche Amtsausübung zu rechtfertigen, sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber; reine subjektive unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus. Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich befangen ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 42 Rn. 9 m.w.N.).

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Im Hinblick auf diese Grundsätze vermag der Senat eine berechtigte Besorgnis der Voreingenommenheit der abgelehnten Richterin aus Sicht des Beklagten jedenfalls in der Gesamtschau des Verfahrensablaufes nicht auszuschließen.

1. Es kann offen bleiben, ob hier allein die verweigerte beantragte Terminsverlegung bereits die Besorgnis der Befangenheit begründet.

Insofern ist zwar zutreffend, dass die Ablehnung eines Antrages auf Terminsverlegung regelmäßig nur bei offensichtlichem Vorliegen erheblicher Gründe im Sinne von § 227 ZPO geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen, insbesondere in Verbindung mit der Beeinträchtigung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs oder sachwidriger Benachteiligung einer Partei (vgl. etwa Zöller/Vollkommer, a.a.O. Rn. 23 m.w.N.).

Vorliegend lag zur Überzeugung des Senats ein erheblicher Grund im Sinne von § 227 ZPO vor, dessen Nichtbeachtung das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt hat. Insofern kann es nach Auffassung des Senats nicht ernsthaft zweifelhaft sein, dass eine Erkrankung oder eine coronabedingte Insolation der geladenen Partei einen erheblichen Grund im Sinne von § 227 ZPO darstellt (vgl. etwa Zöller/Feskorn, a.a.O. § 227 Rn. 5). Soweit das Landgericht meint, der Beklagte habe seine diesbezügliche Verhinderung nicht glaubhaft gemacht, so kann der Senat dies nicht recht nachvollziehen. Warum die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in diesem Fall kein Mittel der Glaubhaftmachung darstellen soll, ist vielmehr nicht ersichtlich. Im Übrigen hat eine Glaubhaftmachung gem. § 227 Abs. 2 ZPO grundsätzlich erst auf Verlangen des Gerichts zu erfolgen, das hier zumindest hätte versuchen können/müssen, eine weitergehende Glaubhaftmachung zu fordern, wenn es dies für notwendig erachtet hätte, zumal es den angegebenen Grund (coronabedingte Insolation) offensichtlich nicht in Zweifel gezogen hat.

Allerdings ist im Anwaltsprozess bei anwaltlicher Vertretung – wie hier – die Verhinderung der Partei selbst nicht generell, sondern nur dann erheblich, wenn substantiiert gewichtige Gründe vorgetragen werden, weshalb die persönliche Anwesenheit erforderlich ist oder der Rechtsanwalt über den Verfahrensgegenstand nicht hinreichend informiert werden konnte (vgl. Zöller/Feskorn, a.a.O. Rn. 6 m.w.N.). Dies gilt zur Überzeugung des Senats jedoch dann nicht, wenn das persönliche Erscheinen der Partei – wie hier des Beklagten – angeordnet war. Hält das Gericht nämlich die Anwesenheit einer Partei für erforderlich und ordnet ihr persönliches Erscheinen an, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass das Gericht sogar ohne ausdrücklichen Verlegungsantrag den Termin verlegt, wenn die Partei sich zu dem Termin begründet entschuldigt. Anderenfalls wird der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (vgl. BSG, Beschl. v. 27.06.2019, B 5 RE 10/18 B; Beschl. v. 07.12.2017, B 5 R 378/16 B,; BVerwG, Beschl. v. 20.06.2000, 5 B 27/00).

Der unter Anordnung des persönlichen Erscheinens zur mündlichen Verhandlung geladene Beklagte durfte darauf vertrauen, dass er in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit zur Äußerung enthält. Das persönliche Erscheinen wurde auch nicht aufgehoben. Dahingestellt kann bleiben, ob die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Beklagten vorliegend geboten war. Jedenfalls hat das Gericht mit dieser Anordnung dem Beklagten vermittelt, ihn persönlich hören zu wollen, so dass er davon ausgehen durfte, dass seine Anwesenheit von Bedeutung ist und auf seine Verhinderung Rücksicht genommen und der Termin verlegt wird (vgl. BSG, Beschl. v. 07.12.2017, a.a.O.). Nichts Anderes gilt für den Prozessbevollmächtigten des Beklagten.

Soweit das Landgericht insoweit auf § 141 Abs. 3 ZPO verweist, so geht dies schon deshalb fehl, als unbekannt ist, ob ein Dritter, insbesondere der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, die notwendige Sachkenntnis besitzt oder sich hätte kurzfristig aneignen können. Im Übrigen stellt die Vorschrift ein Recht der persönlich geladenen Partei dar und nicht die Verpflichtung, einen entsprechenden Vertreter zu entsenden.

2. Vorliegend kommt hinzu, dass die abgelehnte Richterin vor rechtskräftiger Erledigung des Ablehnungsgesuches gegen die Wartepflicht gem. § 47 Abs. 1 ZPO, wonach nur unaufschiebbare Handlungen vorzunehmen sind, verstoßen hat. Zwar begründen Verstöße gegen die Wartepflicht nicht automatisch die Besorgnis der Befangenheit. Eine solche wird vielmehr regelmäßig nur bei schwerwiegenden oder wiederholten Verstößen angenommen (vgl. BGH, Urt. v. 15.09.2016, III ZR 461/15, NJW-RR 2016, 1406 m.w.N.; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rn. 24 m.w.N.). Jedenfalls Letzteres ist hier jedoch der Fall.

a. Die abgelehnte Richterin hat zum einen mit Verfügung vom 15.10.2021 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 01.11.2021 bestimmt. Insoweit ist anerkannt, dass eine Terminsbestimmung keine unaufschiebbare Amtshandlung im Sinne von § 47 Abs. 1 ZPO darstellt (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 47 Rn. 5 m.w.N.; Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl., § 47 Rn. 9 „Terminierung“ m.w.N.; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, 17. Aufl., § 47 Rn. 4 m.w.N.).

Soweit das Landgericht meint, mit der Anberaumung des Termins gem. § 341a ZPO habe die Richterin eine den Beklagten begünstigende Handlung vorgenommen, als die Zwangsvollstreckung aus dem erlassenen Versäumnisurteil unmittelbar bevorgestanden habe und dessen Aufrechterhaltung der zeitnah anberaumten mündlichen Verhandlung vorbehalten worden sei, teilt der Senat dies nicht.

Zum einen hat der Senat durchgreifende Bedenken dagegen, den einen Verfahrensverstoß (Verstoß gegen die Wartepflicht) mit vorherigen Verfahrensfehlern (Versagung der Terminsverlegung und Erlass des Versäumnisurteils) zu rechtfertigen. Zum anderen war die Terminierung auf den 01.11.2021 von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil es ausgeschlossen erscheinen musste, dass bis zu diesem Zeitpunkt eine rechtskräftige Erledigung des Ablehnungsgesuches eingetreten wäre. Stattdessen drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass mit der zügigen Terminierung zu Lasten des Beklagten „kurzer Prozess“ gemacht werden sollte.

b. Desweiteren hat die abgelehnte Richterin mit Beschluss vom 15.10.2021 den Antrag des Beklagten auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil zurückgewiesen. Diese Entscheidung stellt – entgegen der Auffassung des Landgerichts – ebenfalls keine unaufschiebbare Amtshandlung im Sinne von § 47 Abs. 1 ZPO dar. Unaufschiebbar in diesem Sinne sind nur solche Handlungen, die einer Partei wesentliche Nachteile ersparen oder bei deren Unterlassen Gefahr im Verzuge ist (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 47 Rn. 5). Insoweit ist anerkannt, dass auch Eilentscheidungen, wie z.B. Einstellung der Zwangsvollstreckung, wegen ihrer Dringlichkeit keinen Aufschub dulden (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O.; Anders/Gehle, a.a.O. „Zwangsvollstreckung“; Musielak/Voit/Heinrich, a.a.O.). Hier hat die abgelehnte Richterin mit Beschluss vom 15.10.2021 die Zwangsvollstreckung aber gerade nicht eingestellt, sondern den Einstellungsantrag zurückgewiesen. Die Rechtslage stellt sich daher nicht anders dar als ohne diese Entscheidung, die somit auch nicht eilbedürftig und unaufschiebbar im Sinne von § 47 Abs. 1 ZPO gewesen sein kann.

3. Jedenfalls in der Gesamtschau der vorstehenden Erwägungen zum Verfahrensablauf können diese zur Überzeugung des Senats vom Standpunkt des Beklagten aus bei vernünftiger Betrachtung Zweifel daran rechtfertigen, ob die abgelehnte Richterin der Sache unvoreingenommen gegenübersteht.

Dem Ablehnungsgesuch war daher letztlich zu entsprechen.

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