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Corona-Entschädigung wegen Verdienstausfalls – Auszubildender

VG Ansbach – Az.: AN 18 K 21.01648 – Urteil vom 16.12.2022

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.

3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Zusammenfassung

Der Fall betrifft den Antrag der Klägerin auf Entschädigung nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) wegen des Verdienstausfalls ihres Auszubildenden, der aufgrund einer behördlich angeordneten Quarantäne an der Ausübung seiner Tätigkeit gehindert war. Die Klägerin ist Inhaberin eines Friseursalons, der zwischen dem 16. Dezember 2020 und dem 28. Februar 2021 aufgrund der Covid-19-Verordnung geschlossen war. Der Auszubildende erhielt in dieser Zeit eine Ausbildungsvergütung. Vom 22. März bis zum 14. April 2021 war der Auszubildende aufgrund der Quarantäne an der Ausübung seiner Tätigkeit gehindert, und vom 6. bis zum 15. April 2021 war er krankgeschrieben. Die Klägerin beantragte bei der Regierung die Erstattung ihrer Aufwendungen nach dem IfSG, was jedoch mit der Begründung abgelehnt wurde, dass der Auszubildende Anspruch auf Ersatz des vollen sechswöchigen Verdienstausfalls nach § 19 des Berufsbildungsgesetzes habe. Die Klägerin bestritt dies und erhob Klage. Die Beklagte argumentierte jedoch, dass der Lehrling keinen Anspruch auf Entschädigung nach dem IfSG habe, da der Arbeitgeber verpflichtet sei, den Lehrling nach § 19 des Berufsausbildungsgesetzes weiter zu bezahlen.

Tatbestand

Corona-Entschädigung wegen Verdienstausfalls – Auszubildender
(Symbolfoto: KlingSup/Shutterstock.com)

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, ihr eine Entschädigung gemäß § 56 IfSG für den Verdienstausfall ihres Auszubildenden, Herrn …, in Folge behördlich angeordneter Quarantäne zu gewähren.

Die Klägerin ist Inhaberin eines Friseursalons in … und als solche Arbeitgeberin des o.g. Auszubildenden. Aufgrund der jeweils gültigen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen war der Betrieb der Klägerin in der Zeit vom 16. Dezember 2020 bis zum 28. Februar 2021 geschlossen. In dieser Zeit erhielt der Auszubildende der Klägerin die Ausbildungsvergütung gemäß § 19 BBiG für insgesamt sechs Wochen. Ab dem 22. März bis einschließlich 14. April 2021 war der Auszubildende aufgrund behördlich angeordneter Quarantäne bzw. Absonderung verhindert, seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen. Zwischen dem 6. April bis zum 15. April 2021 war der Auszubildende arbeitsunfähig krank.

Mit Antrag vom 22. April 2021, beim Beklagten am 3. Mai 2021 eingegangen, beantragte die Klägerin die Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen nach § 56 Abs. 1 und §§ 57, 58 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Höhe von insgesamt 582,67 EUR.

Mit Bescheid der Regierung von Mittelfranken vom 4. August 2021 wurde der Antrag auf Verdienstausfallentschädigung sowie auf Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge vom 3. Mai 2021 für den Auszubildenden der Klägerin abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei Herrn … um einen Auszubildenden im Anwendungsbereich des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) handle. Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BBiG sei einem Auszubildenden die Vergütung bis zur Dauer von sechs Wochen vom Ausbildungsbetrieb fortzuzahlen, wenn dieser aus einem sonstigen, in seiner Person liegenden Grund unverschuldet verhindert sei, seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen. Ein Verdienstausfall sei somit nicht gegeben.

Mit bei Gericht am 8. September 2021 eingegangenen Schriftsatz ließ die Klägerin gegen den Bescheid vom 4. August 2021 Klage erheben und zur Begründung ausführen, dass vorliegend kein Anspruch auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung bestanden habe, weil der 6-Wochen- Zeitraum des § 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG aufgrund der Betriebsschließung bis zum 28. Februar 2021 und der aufgrund dessen erfolgten Fortzahlung der Ausbildungsvergütung bereits ausgeschöpft gewesen sei. Ein Vergütungsanspruch gemäß § 19 BBiG bestehe unter anderem dann, wenn der Ausbildungsbetrieb durch behördliche Anordnung (hier durch allgemeine Anordnung aufgrund der jeweiligen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung) geschlossen werde. Dies sei unter anderem in der Zeit vom 16. Dezember 2020 bis zum 28. Februar 2021 der Fall gewesen. Die Klägerin habe während der ersten sechs Wochen der angeordneten Betriebsschließung die Ausbildungsvergütung an den Auszubildenden gezahlt. Damit sei aber auch der Anspruch aus § 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG erschöpft. Die neuerliche Unmöglichkeit, die Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen, führten nicht zu einem erneuten Entstehen des Anspruchs auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung gemäß § 19 BBiG. Anders als der Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 3 EFZG sei der Anspruch gemäß § 19 BBiG ein einmaliger Anspruch und ausgeschöpft, wenn ihm im Laufe der Ausbildung die Vergütung aus den in § 19 BBiG genannten „sonstigen“ Gründen für insgesamt sechs Wochen gezahlt worden sei. Sei der Anspruchszeitraum ausgeschöpft, sehe das Gesetz das erneute Entstehen des Anspruchs nicht vor. Für den Zeitraum vom 6. April bis zum 15. April 2021, in dem der Auszubildende arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, werde keine Entschädigung gemäß § 56 IfSG geltend gemacht. Hinsichtlich des Zeitraums vom 22. März bis zum 4. April 2021 übersehe der Beklagte jedoch, dass das Ausbildungsverhältnis befristet sei (§ 21 BBiG) und, dass es nach Ablauf der Probezeit nur außerordentlich gekündigt werden könne (§ 22 BBiG). Wenn bei jedem Ereignis im Sinne von § 19 BBiG ohne Begrenzung der 6-Wochen-Zeitraum neu zu laufen beginnen würde, würde der Ausbilder unzumutbar belastet. Der Gesetzgeber habe vorliegend dem sozialen Sicherungsgedanken Rechnung getragen, indem er neben den allgemeinen Regelungen zur Entgeltfortzahlung und dem besonderen Kündigungsschutz für Auszubildende für die befristete Dauer des Ausbildungsverhältnisses einen nicht abdingbaren Anspruch von insgesamt sechs Wochen Vergütungsfortzahlung zur Verfügung stelle, wenn die Ausbildung aus Gründen des § 19 BBiG ausfalle. In Anbetracht der regelmäßigen Dauer eines Ausbildungsverhältnisses von 36 Monaten sei ein Zeitraum von insgesamt sechs Wochen für die Fälle des § 19 BBiG durchaus großzügig bemessen. Der Gesetzgeber habe hier eine angemessene Abwägung zwischen dem besonderen Schutzinteresse des Auszubildenden und der zumutbaren Belastung des Ausbildenden vorgenommen. § 19 BBiG sei im Gegensatz zur entsprechenden Regelung des § 616 BGB gerade nicht abdingbar, was bereits dafür spreche, den Anspruchszeitraum im Gegenzug zur Vermeidung von ungerechtfertigten Ausuferungen zu begrenzen. Abgesehen davon sei der Anspruch aus § 616 BGB auf eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ begrenzt. Die Rechtsprechung habe hier, wenn der Anspruch nicht ohnehin durch Arbeits- oder Tarifvertrag abgedungen sei, eine Obergrenze von vier Tagen angenommen. Es möge sein, dass der Anspruch aus § 616 BGB für jeden neuen Hinderungsgrund im Sinne der Vorschrift wieder beansprucht werden könne. Allerdings sei eine Konstellation, in der ein Auszubildender aufgrund dieser Regelung schlechter gestellt sein könne, praktisch nicht denkbar. In der Praxis sähen die meisten Tarifverträge, welche nicht im Verdacht stünden, einseitig Arbeitgeberinteressen zu bevorzugen, in abschließend im Tarifvertrag aufgeführten Fallkonstellationen eine Freistellung von max. zwei Arbeitstagen unter Fortzahlung der Vergütung vor. Im Übrigen gehe § 616 BGB vom Regelfall eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses aus, während das Ausbildungsverhältnis zeitlich begrenzt sei, womit naheliege, für diesen begrenzten Zeitraum auch den Zeitraum der nicht abdingbaren Vergütungsfortzahlung nach § 19 BBiG zu begrenzen. Da vorliegend der Auszubildende unstreitig bereits die Ausbildungsvergütung für einen Zeitraum von sechs Wochen gemäß § 19 BBiG (unter anderem aufgrund der allgemeinen Schließung der Friseurbetriebe vom 16. Dezember 2020 bis 28. Februar 2021) erhalten habe, habe er keinen Anspruch auf Ausbildungsvergütung für den streitgegenständlichen Zeitraum. Deshalb sei ihm die Verdienstausfallentschädigung gemäß § 56 IfSG zu zahlen. Im Übrigen sei, selbst wenn man der unzutreffenden Ansicht des Beklagten folgen würde, darauf hinzuweisen, dass es sich im vorliegenden Fall um einen einheitlichen Hinderungsgrund aufgrund der coronabedingten Schließung der Friseurbetriebe vom 16. Dezember 2020 bis zum 28. Februar 2021 handle. Bereits aufgrund dieses Ausfalls der Ausbildung sei der 6-Wochen-Zeitraum des § 19 BBiG ausgeschöpft. Die vorübergehende Wiederaufnahme der Ausbildung bis zum erneuten Ausfall aufgrund der gleichen Ursache würde nicht zu einem erneuten Entstehen des Anspruchs führen.

Die Klägerin beantragte zuletzt:

1. Der Bescheid des Beklagten vom 4. August 2021 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, den Antrag der Klägerin auf Erstattung der Verdienstausfallentschädigung als Arbeitgeber nach § 56 Abs. 1 IfSG für Herrn … unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragte, Klageabweisung

unter führte zur Begründung aus, dass gemäß § 56 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG der Betroffene einen Verdienstausfall erleiden müsse. So fehle es am Verdienstausfall im Sinne von § 56 Abs. 1 IfSG, wenn der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sei. Der Gesetzgeber habe dies jüngst nochmals bestätigt (Bundestagsdrucksache 19/27291, 65). Der Vorrang der Entgeltfortzahlungspflichten gegenüber dem Entschädigungsanspruch folge aus dem subsidiären Charakter der Entschädigung. Als auf dem Billigkeitsgedanken beruhenden Institut solle § 56 IfSG vor materieller Not schützen, wo die allgemeinen Fortzahlungspflichten nicht greifen würden. Eine Entlastung des Arbeitgebers bezwecke die Norm hingegen nicht (unter Hinweis auf BeckOK Inf-SchR, Eckart/Kruse, 6. Ed. 1.5.2021, IfSG § 56 Rn. 36-37.3). Für den Zeitraum vom 22. März bis zum 4. April 2021 sei dem Auszubildenden der Klägerin kein Verdienstausfall nach § 56 Abs. 1 IfSG entstanden, da der Auszubildende der Klägerin gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BBiG einen Anspruch auf Fortzahlung seiner Vergütung habe, da er aus einem sonstigen, in seiner Person liegenden Grund unverschuldet verhindert gewesen sei, seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen. Als ein solcher sonstiger, in seiner Person liegenden Grund, welcher den Auszubildenden unverschuldet hindere, seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen, sei unter anderem die Zeit der Absonderung in häuslicher Quarantäne, angeordnet durch die Allgemeinverfügung „Quarantäne von Kontaktpersonen der Kategorie 1 und von Verdachtspersonen, Isolation von positiv auf das Corona Virus getesteten Personen“ zu sehen (unter Hinweis auf BeckOK a.a.O. Rn. 36-37.1 und VG Frankfurt a.M. U.v. 20.7.2021 – 5 K 578/21.F, BeckRS 2021, 21252). Der Auszubildende der Klägerin habe gegen die Klägerin einen nach § 25 BBiG unabdingbaren Fortzahlungsanspruch aus § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BBiG für die Dauer der angeordneten Absonderung in häuslicher Quarantäne als Ansteckungsverdächtiger. Die angeordnete Quarantäne habe die maßgebliche 6-Wochen-Grenze des § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BBiG unterschritten. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin handle es sich bei dem Anspruch auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung nicht um einen Anspruch, welcher sich in einer einmaligen Inanspruchnahme erschöpfe. Diese Schlussfolgerung ließen weder der Gesetzeswortlaut, die historische Entstehungsgeschichte des BBiG noch Sinn und Zweck der Vorschrift zu. Bereits der Wortlaut des § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b BBiG enthalte keine die klägerische Argumentation stützende Ausschlussfrist nach erstmaliger Inanspruchnahme des Fortzahlungsanspruchs. Auch die historische Entstehungsgeschichte des BBiG stütze die Argumentation der Klägerin nicht. In der Bundestagsdrucksache 5/4260 zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Berufsausbildung habe es zum damaligen § 12 BBiG geheißen, welcher die Fortzahlung der Vergütung geregelt habe, dass diese Vorschrift vornehmlich aus sozialen Erwägungen vorsehe, dass in bestimmten Fällen die Ausbildungsvergütung auch bei einem Ausfall der Ausbildung fortzuzahlen sei. Schon allein dieser soziale Sicherungsgedanke schließe es aus, dass der Anspruch auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung überhaupt erschöpft sein könne. Im Rahmen einer regelmäßig mehrjährigen Ausbildung könne es zu unterschiedlichsten und unverschuldeten Verhinderungsgründen des Auszubildenden kommen, sodass ein Erschöpfen des Anspruchs nach sechswöchiger Inanspruchnahme dem sozialen Sicherungszweck zuwiderlaufe. Ebenso stünden Sinn und Zweck der Regelung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BBiG gegen die Annahme der Klägerin. So entspreche die Regelung der des § 616 BGB, sei aber im Vergleich zu dieser nicht abdingbar (und der Hinweis auf Benecke/Hergenröder/Hergenröder, 2. Aufl. 2021, BBiG § 19 Rn. 25). Vielmehr sei § 19 BBiG sogar lex specialis im Berufsausbildungsverhältnis und verdränge § 616 BGB. Der Anspruch aus § 616 BGB erschöpfe sich jedoch nicht, sondern könne für jeden neuen Hinderungsgrund wieder beansprucht werden. Insoweit wären Auszubildende nach der Argumentation der Klägerin sogar schlechter gestellt als entsprechende Arbeitnehmer. Folglich gelte der sechswöchige Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung für den jeweiligen Verhinderungsfall. Unmittelbar im Anschluss an diesen könne eine neue Frist wegen einer anderen Ursache zu laufen beginnen (unter Hinweis auf Benecke/Hergenröder/Hergenröder, a.a.O., Rn. 13).

Durch Beschluss der Kammer vom 9. Dezember 2022 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen. Mit Schriftsätzen vom 16. September 2021 und vom 17. September 2021 verzichteten die Parteien auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, insbesondere fristgemäß erhobene Klage, über welche aufgrund des übereinstimmenden Verzichts auf mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), erweist sich als unbegründet, da der Bescheid der Regierung von Mittelfranken vom 4. August 2021 rechtmäßig ist, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Verdienstausfallentschädigung gemäß § 56 Abs. 1 IfSG hat, § 113 Abs. 5 VwGO.

1.

Streitgegenständlich ist nach ausdrücklicher Erklärung der Klägerin durch Schriftsatz vom 17. November 2021 allein der Zeitraum ab dem 22. März bis zum 4. April 2021, auch wenn für die Streitwertberechnung der 5. April 2021 miteinbezogen wurde.

2.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch ist § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 IfSG i.d.F. v. 18.11.2020 bzw. für den Zeitraum ab 30. März 2021 i.d.F. v. 29.3.2021 (i.F. § 56 IfSG a.F.). Danach erhält eine Entschädigung in Geld, wer sich aufgrund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern (und ab 30. März 2021 auch als Kranker) absondern muss und dadurch einen Verdienstausfall erleidet.

Anspruchsinhaber ist zunächst der Arbeitnehmer, wenn er unter die in § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. genannten Personengruppen fällt. Allerdings ist er gemäß § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG a.F. nicht berechtigt, den entsprechenden Entschädigungsantrag selbst zu stellen. Die gesetzliche Konzeption sieht vielmehr eine Auszahlung der Entschädigung durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer und einen anschließenden Erstattungsantrag des Arbeitgebers vor (vgl. dazu BeckOK Infektionsschutzrecht, Eckart/Winkelmüller, 13. Ed. 1.11.2022, IfSG § 56 Rn. 73 – beck-online).

Die Regierung von Mittelfranken ist für die Entscheidung über den gestellten Erstattungsantrag der Klägerin vom 3. Mai 2021 sachlich und örtlich zuständig (§ 54 Abs. 1 IfSG i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 1 Zuständigkeitsverordnung (ZustV)).

3.

Die Voraussetzungen für den hier geltend gemachten Erstattungsanspruch gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 IfSG a.F. liegen bereits insoweit nicht vor, als der anspruchsberechtigte Arbeitnehmer, hier ein Auszubildender, während des streitgegenständlichen Zeitraums keinen Verdienstausfall erlitten hat. Die Regierung von Mittelfranken hat sich nach Ansicht der hier erkennenden Einzelrichterin zu Recht auf § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Berufsbildungsgesetz (BBiG) berufen. Danach ist einem Auszubildenden die Vergütung – bis zu einer Dauer von sechs Wochen – auch zu zahlen, wenn er aus einem sonstigen, in seiner Person liegenden Grund unverschuldet verhindert ist, seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsgesetz zu erfüllen. Die amtlich angeordnete Absonderung wegen eines Ansteckungs- oder Krankheitsverdachts nach § 30 IfSG ist ein solcher in der Person des Auszubildenden liegender Grund im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BBiG (OVG Lüneburg, B. v. 23.9.2021, 13 LA 286/21 juris Leitsatz)

3.1

Entgegen der Auffassung der Klägerin überschreitet der hier allein streitgegenständliche Zeitraum vom 22. März bis zum 4. April 2021 nicht die maximale Dauer des Anspruchs ihres Auszubildenden auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung von sechs Wochen. Betrachtet man den streitgegenständlichen Zeitraum isoliert, dürfte diese Erkenntnis unstreitig sein. Problematisch ist aus Sicht der Klägerin jedoch, dass sie ihrem Auszubildenden aufgrund der pandemiebedingten Betriebsschließung vom 16. Dezember 2020 bis zum 28. Februar 2021 die Ausbildungsvergütung für eine Dauer von sechs Wochen bezahlt hat und damit nach ihrer Auffassung der Zeitraum von sechs Wochen bereits ausgeschöpft war. So ist die Klägerin nämlich der Meinung, dass der Zeitraum von sechs Wochen den Anspruch nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG auch insoweit limitiert, als sämtliche Zeiten, in denen die Ausbildungsvergütung nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BBiG oder § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BBiG zu zahlen ist, zusammenzurechnen und während des gesamten Ausbildungsverhältnisses zu betrachten sind und nicht für den jeweiligen Verhinderungsgrund zu unterscheiden sind.

3.2

Diese Auslegung findet bereits keine Stütze im Wortlaut des Gesetzes. Sollte der Gesetzgeber tatsächlich eine derart weitgehende zeitliche Begrenzung des Anspruchs zu Lasten des Auszubildenden bezweckt haben, hätte dies nach Auffassung des hier erkennenden Gerichts sprachlich einen anderen Niederschlag finden müssen.

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Zum einen lautet der Wortlaut gerade nicht: Auszubildenden ist die Vergütung auch zu zahlen (…) 2. bis zur Dauer von insgesamt sechs Wochen, wenn sie (…).Mit einer solchen Formulierung hätte der Gesetzgeber deutlich zu erkennen gegeben, dass der Zeitraum von sechs Wochen auch dahingehend anspruchsbegrenzend gelten soll, als sämtliche – auf § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Buchst. b BBiG beruhende – Verhinderungsfälle, welche im Laufe eines einzelnen Ausbildungsverhältnisses entstehen, zusammenzurechnen sind.

Zum anderen zeigt dies der Vergleich mit § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG), der den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ebenfalls „bis zur Dauer von sechs Wochen“ zeitlich begrenzt. Dabei ist nämlich die Ergänzung in § 3 Abs. 1 Satz 2 EntgFG zu berücksichtigen: Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Anspruch nach Satz 1 für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nicht, wenn 1. er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder 2. seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist. Ausgehend von dieser gesetzgeberischen ausdrücklichen Einschränkung für eine Arbeitsunfähigkeit „infolge derselben Krankheit“ hat sich eine differenzierte Kasuistik, was dieselbe bzw. die gleiche Krankheit, mehrere aufeinanderfolgende Krankheiten oder mehrere sich überschneidende Krankheiten angeht, entwickelt. Eine derartige Differenzierung ist in § 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG hingegen gerade nicht vorgesehen. Der Gesetzeswortlaut selbst bietet demnach keinen Anhaltspunkt für die Argumentation der Klage.

3.3

Die Auffassung der Klage, dass sämtliche – selbst auf unterschiedlichen Gründen beruhenden – Verhinderungen zusammen zu rechnen sind, entspricht auch nicht dem Sinn und Zweck von § 19 BBiG, den Auszubildenden, der sich im Rahmen seines Ausbildungsverhältnisses in einer gegenüber dem Ausbilder eher schwachen Position befindet, sozial hinreichend abzusichern. Dies kommt unter anderem in § 25 BBiG zum Ausdruck, wonach eine Vereinbarung, die zuungunsten Auszubildender von den Vorschriften dieses Teils des Gesetzes abweicht, nichtig ist. Die auf diese Weise angeordnete weitgehende soziale Absicherung des Auszubildenden würde jedoch verfehlt, wenn der Anspruch auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung auf insgesamt sechs Wochen begrenzt wäre. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BBiG auf die Fälle des eigentlich vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsrisikos ausgerichtet ist (vgl. Staudinger/Fischinger (2022) BGB, § 615 – juris Rn. 241). § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BBiG hingegen schützt den Auszubildenden, gleichwohl hier Gründe vorliegen, die – wie im Falle staatlich angeordneter Quarantäne – in seiner Person begründet sind. Es wäre aus Sicht des Gerichts unbillig, wenn wie vorliegend die 6-Wochen-Frist durch eine Betriebsschließung, welche ihren Grund gerade nicht in der Person des Auszubildenden hat, erschöpfen würde und für den Fall, in dem ein in seiner Person liegender Grund aufgetreten ist, dann nicht mehr eingreifen sollte. Eine derartige Auslegung – über den Wortlaut hinaus – würde dem Sicherungsgedanken, der § 19 BBiG zugrunde liegt, zuwiderlaufen.

3.4

Auch im Hinblick auf § 616 BGB, wonach der zur Dienstleistung Verpflichtete seines Anspruchs auf Vergütung nicht dadurch verlustig wird, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Grundsätzlich ist die Regelung in § 616 BGB abdingbar, wovon jedoch im vorliegenden Ausbildungsverhältnis kein Gebrauch gemacht wurde. Demgegenüber ist die Pflicht zur Fortzahlung der Ausbildungsvergütung gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BBiG gerade nicht abdingbar, § 25 BBiG (vgl. Staudinger/Oetker (2022) BGB § 616 – juris Rn. 158). Dies unterstreicht den sozialen Sicherungsgedanken gerade des

§ 19 BBiG (s.o.). Dem Beklagten ist insoweit Recht zu geben, als es Konstellationen geben kann, in denen unter der Prämisse, dass die Ausbildungsvergütung insgesamt nur sechs Wochen fortzuzahlen wäre, eine – vom Gesetzgeber ersichtlich nicht gewünschte – Schlechterstellung des Auszubildenden gegenüber den nicht unter § 19 BBiG fallenden Arbeitnehmern die Folge sein kann. Dies wäre dann der Fall, wenn durch mehrere Verhinderungsfälle, welche jeweils nur eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit dauern, insgesamt aber den 6-Wochen-Zeitraum im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG überschreiten, auf der Grundlage von § 616 BGB für jeden einzelnen Verhinderungsfall eine Vergütung zu zahlen wäre, wohingegen der Auszubildende auf die sechs Wochen beschränkt wäre. Dieses Ergebnis widerspräche ebenfalls dem umfassenden sozialen Sicherungsgedanken, der in § 19 BBiG seinen Niederschlag gefunden hat. Eine solche Konstellation dürfte jedoch die Ausnahme sein, zumal von einer verhältnismäßig nicht erheblichen Zeitdauer nicht mehr ausgegangen werden kann, wenn die Verhinderung (im Fall der Quarantäne) länger als fünf Tage dauert (streitig, vgl. Staudinger/Oetker (2022) BGB § 616 – juris Rn. 109 m.w.N.). Im Rahmen von § 616 BGB entfällt der Vergütungsanspruch insgesamt, wenn die Zeit der Verhinderung nicht mehr verhältnismäßig unerheblich ist. In diesem, jedenfalls bei der Quarantäne, regelmäßig anzunehmenden Fall ist der Auszubildende auf der Grundlage von § 19 BBiG bessergestellt. Auch dieses Ergebnis unterstreicht den Sinn und Zweck und die Reichweite des § 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG.

3.5

Demnach war die Klägerin auch in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum verpflichtet, ihrem Auszubildenden die Ausbildungsvergütung gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BBiG zu zahlen. Dies hat zur Folge, dass der Auszubildende der Klägerin keinen Verdienstausfall erlitten hat, sodass es auf das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 IfSG a.F. nicht mehr entscheidungserheblich ankommt.

4.

Nach alledem ist die erhobene Klage daher unbegründet und war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Streitwertentscheidung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 506,49 EUR festgesetzt.

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