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Corona-Pandemie – Anordnung einer Absonderung

Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 1 B 78/21 – Beschluss vom 21.05.2021

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Anordnung seiner Absonderung in dem Bescheid des Antragsgegners vom 17. Mai 2021 anzuordnen, ist zulässig.

Der Antrag ist insbesondere nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Der noch in rechtswirksamer Form einzulegende Widerspruch des Antragstellers würde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 28 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und § 16 Abs. 8 IfSG keine aufschiebende Wirkung entfalten.

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs hat zu erfolgen, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides überwiegt. Im Rahmen dieser Abwägung finden insbesondere die Erfolgsaussichten in der Hauptsache Berücksichtigung. Ist der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig, überwiegt in der Regel das Aussetzungsinteresse. Ist er hingegen offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges in der Regel das Vollziehungsinteresse.

Corona-Pandemie - Anordnung einer Absonderung
(Symbolfoto: Von Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Nach diesen Maßstäben überwiegt vorliegend das Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung vom 17. Mai 2021 das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Die angefochtene Anordnung, die die Allgemeinverfügung des Antragsgegners über die Anordnung zur Absonderung (Isolation oder Quarantäne) wegen einer Infektion durch das neuartige Coronavirus (SARS-COV-2) oder der Einstufung als enge Kontaktperson in einer geeigneten Häuslichkeit vom 17. Mai 2021 (veröffentlicht unter 2454_2911_1.PDF (kreis-oh.de) konkretisiert, ist offensichtlich rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Anordnung der Absonderung des Antragstellers ist § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige

oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.

Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG kann die zuständige Behörde bei sonstigen (nicht an Lungenpest oder von Mensch zu Mensch übertragbarem hämorrhagischem Fieber erkrankten) Kranken sowie Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern nach § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG anordnen, dass diese in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden.

Diese Personengruppen sind in § 2 Nr. 4 bis Nr. 7 IfSG legaldefiniert. Danach ist ein „Krankheitsverdächtiger“ eine Person, bei der Symptome bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten übertragbaren Krankheit vermuten lassen; ein „Ausscheider“ ist eine Person, die Krankheitserreger ausscheidet und dadurch eine Ansteckungsquelle für die Allgemeinheit sein kann, ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein. „Ansteckungsverdächtiger“ ist schließlich eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein.

Die Aufnahme von Krankheitserregern im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmen, wenn der Betroffene mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt zu einer infizierten Person oder einem infizierten Gegenstand hatte. Die Vermutung, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, muss naheliegen. Eine bloß entfernte Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Demzufolge ist die Annahme eines Ansteckungsverdachts nicht schon gerechtfertigt, wenn die Aufnahme von Krankheitserregern nicht auszuschließen ist. Andererseits ist auch nicht zu verlangen, dass sich die Annahme geradezu aufdrängt. Erforderlich und ausreichend ist, dass die Annahme, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil. Für die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckungsgefahr gilt dabei allerdings kein strikter, alle möglichen Fälle gleichermaßen erfassender Maßstab. Es ist der allgemeine polizeirechtliche Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, wobei insbesondere auch das Ansteckungsrisiko einer Krankheit und die Schwere des Krankheitsverlaufes in den Blick zu nehmen sind. Ob gemessen daran ein Ansteckungsverdacht im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG zu bejahen ist, beurteilt sich unter Berücksichtigung der Eigenheiten der jeweiligen Krankheit und der verfügbaren epidemiologischen Erkenntnisse und Wertungen sowie anhand der Erkenntnisse über Zeitpunkt, Art und Umfang der möglichen Exposition der betreffenden Person und über deren Empfänglichkeit für die Krankheit (BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 –, juris, Rn. 31 ff.).

Mit Blick auf die Infektionskrankheit COVID-19 gilt, dass Hauptübertragungsweg für den Erreger SARS-CoV-2 die respiratorische Aufnahme virushaltiger Flüssigkeitspartikel (Aerosole und Tröpfchen) ist. Während insbesondere größere respiratorische Tröpfchen schnell zu Boden sinken, können Aerosole, die unter anderem beim Atmen, Sprechen oder Singen ausgestoßen werden, auch über längere Zeit in der Luft schweben und sich in geschlossenen Räumen verteilen. Ob und wie schnell die Tröpfchen und Aerosole absinken oder in der Luft schweben bleiben, ist neben der Größe der Partikel von einer Vielzahl weiterer Faktoren, unter anderem der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit, abhängig. Eine Maske (Mund-Nasen-Schutz oder Mund-Nasen-Bedeckung) kann das Risiko einer Übertragung durch Partikel jeglicher Größe im unmittelbaren Umfeld um eine infizierte Person reduzieren. Bei längerem Aufenthalt in kleinen, schlecht oder nicht belüfteten Räumen kann sich die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole auch über eine größere Distanz als 1,5 m erhöhen, insbesondere dann, wenn eine infektiöse Person besonders viele kleine Partikel (Aerosole) ausstößt, sich längere Zeit in dem Raum aufhält und exponierte Personen besonders tief einatmen. Durch die Anreicherung und Verteilung der Aerosole im Raum ist das Einhalten des Mindestabstandes zur Infektionsprävention ggf. nicht mehr ausreichend. Ein relevanter Anteil von Personen steckt sich bei infektiösen Personen innerhalb von 1-2 Tagen vor deren Symptombeginn an (vgl. Robert Koch-Institut <RKI>, Coronavirus SARS-CoV-2 – Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Stand: 19. April 2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html).

Auf dieser Grundlage ist im Rahmen der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sachlage (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. April 2021 – 1 ME 58/20 –, juris, Rn. 13; VG Schleswig, Beschluss vom 10. November 2020 – 1 B 123/20 –, juris, Rn. 10) festzustellen, dass der Antragsteller Ansteckungsverdächtiger im Sinne des § 2 Nr. 7 IfSG ist. Er ist – wie dies auch der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 21. Mai 2021 darlegt – als „enge Kontaktperson“ anzusehen, die sich nach den Nummer 3.2.2 der Leitlinien des RKI zum Kontaktpersonen-Management in der hier noch maßgeblichen Fassung vom 11. Mai 2021 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html) unverzüglich für 14 Tage häuslich absondern muss. An diesen Leitlinien können sich Behörden und Gerichte orientieren, weil das RKI nach der Wertung des Gesetzgebers in § 4 IfSG bei der Vorbeugung übertragbarer Krankheiten und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen eine besondere Sachkunde aufweist.

Nach Ziffer 3.1 der Leitlinien werden Kontaktpersonen zu einem bestätigten COVID-19-Fall bei Vorliegen mindestens einer der folgenden Situationen als enge Kontaktpersonen (mit erhöhtem Infektionsrisiko) definiert:

1. Enger Kontakt (<1,5 m, Nahfeld) länger als 10 Minuten ohne adäquaten Schutz (adäquater Schutz = Fall und Kontaktperson tragen durchgehend und korrekt MNS [Mund-Nasen-Schutz] oder FFP2-Maske).

2. Gespräch mit dem Fall (Face-to-face-Kontakt, <1,5 m, unabhängig von der Gesprächsdauer) ohne adäquaten Schutz# (adäquater Schutz = Fall und Kontaktperson tragen durchgehend und korrekt MNS [Mund-Nasen-Schutz] oder FFP2-Maske) oder direkter Kontakt (mit respiratorischem Sekret).

3. Gleichzeitiger Aufenthalt von Kontaktperson und Fall im selben Raum mit wahrscheinlich hoher Konzentration infektiöser Aerosole unabhängig vom Abstand für > 10 Minuten, auch wenn durchgehend und korrekt MNS (Mund-Nasen-Schutz) oder FFP2-Maske getragen wurde.

Nach Anhang 1 („Risikobewertung enger Kontaktpersonen“) Buchstabe C (Kontakt unabhängig vom Abstand) der Leitlinie sind bei hoher Konzentration infektiöser Viruspartikel im Raum auch Personen gefährdet, die sich weit vom Fall entfernt aufhalten („Fernfeld“). Dabei steigt das Risiko unter anderem mit der Länge des Aufenthalts der infektiösen Person im Raum und dem Mangel an Frischluftzufuhr an. Genaue Feststellungen zum eingehaltenen Abstand sind nachträglich häufig schwierig zu treffen, insbesondere auch bei einem Aufenthalt in einem Raum mit normaler Zimmergröße mit mehreren Personen. Optional (nach Ermessen des Gesundheitsamtes, auch im Hinblick auf die Praktikabilität) können enge Kontaktperson in diesem Sinne auch sein: Personen mit Aufenthalt mit dem bestätigten COVID-19-Fall in einem Raum (auch für eine Dauer < 10 Minuten), oder schwer zu überblickende Kontaktsituation (z.B. Schulklassen, gemeinsames Schulessen, Gruppenveranstaltungen) und unabhängig von der individuellen Risikoermittlung (Ziffer 3.1.1).

Der Antragsteller hatte am 12. Mai 2021 und die Arbeitstage davor im Rahmen der Tätigkeit innerhalb seiner fachärztlichen Praxis räumlichen Kontakt zu der in der Praxis als medizinische Fachangestellte tätigen, mit SARS-CoV-2 infizierten Mitarbeiterin. In der Praxis sind neben dem Antragsteller noch eine weitere medizinische Fachangestellte sowie eine Gesundheits- und Krankenpflegerin in Vollzeit tätig. Das gesamte Praxispersonal und der Antragsteller tragen während der Praxistätigkeit einen Mund-Nasen-Schutz mit FFP2-Standard. Zweimal in der Woche führt die gesamte Belegschaft einen COVID-19 Schnelltest durch, so auch am 12. Mai 2021 in einem ca. 14 m² großen Praxisraum. Das Ergebnis war für alle negativ. Während der Auswertung des Schnelltests am 12. Mai 2021 (ca. 15 Minuten) wurde vom Antragsteller und dem Personal nicht ununterbrochen ein Mund-Nasen-Schutz getragen. Alle Anwesenden haben nach Angaben des Antragstellers den vorgeschriebenen Mindestabstand von 1,5 m zu der am Folgetag erkranken Person eingehalten. Es habe eine kurze Besprechung stattgefunden, das Fenster sei jedoch geöffnet gewesen, die erkrankte Person habe sich als jüngste Mitarbeiterin im Team praktisch nicht an der Besprechung beteiligt. Der Antragsgegner und das Gesundheitsamt der Hansestadt Lübeck halten die Einhaltung des Mindestabstandes in der konkreten Situation in dem Raum nicht für gewährleistet.

Auf Grundlage der Angaben lässt sich feststellen, dass der Antragsteller und seine Mitarbeiterinnen sich für mehr als 10 Minuten in einem ca. 14 m² großen Raum zeitweise ohne Mund-Nasen-Bedeckung aufgehalten und dabei auch eine Besprechung durchgeführt haben. Das infektiöse Zeitintervall für symptomatische Fälle mit bekannten Symptombeginn beginnt 2 Tage vor Auftreten der ersten Symptome. Die Zusammenkunft am 12. Mai 2021 wird also von diesem Zeitraum umfasst. Angesichts des Vorliegens der risikoerhöhenden Faktoren (Zusammenkunft von über 10 Minuten in einem Raum in gewöhnlicher Zimmergröße ohne Mund-Nasen-Schutz, Durchführung einer Besprechung) besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Personen im Raum Krankheitserreger aufgenommen haben. Dem steht angesichts der hohen Infektiosität von SARS-CoV-2 und insbesondere der in Deutschland gegenwärtig vorherrschenden Variante B. 1.1.7 sowie der möglichen schweren Folgen einer COVID-19-Erkrankung (vgl. RKI, Risikobewertung zu COVID-19, Stand 19. Mai 2021, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html/; OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. April 2021 – 13 MN 158/21 –, juris, Rn. 39) auch die Größe des Raumes, in dem sich alle aufhielten, nicht entgegen. Der ca. 14 m² große Raum hat nicht eine solche Größe, dass schon allein deshalb angenommen werden könnte, dass sich Aerosole schnell bis zu einer nicht mehr gefährlichen Konzentration verflüchtigen. Entsprechendes gilt für die Lüftung des Raumes. Der Antragsteller gibt dazu nicht an, dass der Raum während der Zusammenkunft etwa stoßgelüftet worden ist, was eine schnelle Verflüchtigung potentieller Aerosole begünstigt hätte. Eine Lüftung bei Kippstellung der Fenster führt in der Regel nicht zu einem schnellen Luftaustausch. Die Angaben zur Lüftung lassen nicht den Schluss zu, dass in der Raumluft potentiell vorhandene Aerosole durch hinreichende Luftbewegungen und einen dadurch bedingten Luftaustausch schnell abgereichert werden konnten (vgl. RKI, Infektionsschutzmaßnahmen, „Was ist beim Lüften zu beachten?“, RKI – Navigation – Infektionsschutzmaßnahmen (Stand: 27.4.2021) . Der genaue Abstand zwischen den Personen innerhalb des Raumes lässt sich nachträglich nicht genau klären, es ist möglich, dass der Abstand angesichts der Größe des Raumes weniger als 1,5 m betrug, aber auch, dass der Abstand etwas größer war. Die Leitlinien des RKI sehen gerade aus Gründen der Praktikabilität vor, dass sogar bei einem Aufenthalt mit dem bestätigten COVID-19-Fall in einem Raum auch für eine Dauer unter 10 Minuten und unabhängig von der individuellen Risikoermittlung eine enge Kontaktperson angenommen werden kann. Angesichts der dargestellten Risikofaktoren und darüber hinaus der nicht auszuschließenden Möglichkeit, dass der Kontaktabstand doch nicht genau eingehalten wurde, ist die Risikoabschätzung des Antragsgegners und die daraus folgende Anordnung einer Quarantäne rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Einstufung des Antragstellers als Ansteckungsverdächtiger steht auch nicht entgegen, dass er negativ getestet worden ist. Die Erkrankung weist eine Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen auf, während derer potentielle Infektiosität besteht, so dass ungeachtet früherer Negativtests auch noch am letzten Tag dieses Zeitraums ein Auftreten von Krankheitszeichen, ein (erstmaliger) positiver Nachweis des Corona-Virus und eine Ansteckung anderer Personen möglich sind (vgl. Kontaktpersonen-Nachverfolgung bei Infektionen durch SARS-CoV-2, a. a. O., Punkte 1.1, 2.1; Coronavirus SARS-CoV-2 – Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, a. a. O., Stand: 19. April 2021, Punkt 5. (95. Perzentil der Inkubationszeit liegt bei 10 bis 14 Tagen). Ein negatives Testergebnis jedweden Tests während der Quarantäne hebt die Notwendigkeit des Gesundheitsmonitorings nicht auf und ersetzt oder verkürzt die Quarantäne nicht (RKI, Kontaktpersonen-Nachverfolgung bei SARS-CoV-2-Infektionen, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html). Eine sog. „Freitestung“ gibt es in diesem Zusammenhang nicht. Denn ein negatives Testergebnis trägt nicht mit hinreichender Sicherheit die Annahme, die in Quarantäne genommene Person sei nicht mehr ansteckungsverdächtig (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Oktober 2020 – 13 ME 386/20 –, juris, Rn. 9; VG Saarlouis, Beschluss vom 23. September – 6 L 1001/20 –, juris, Rn. 20).

Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen von § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG vor, wird der zuständigen Behörde – hier dem Antragsgegner – als Rechtsfolge Ermessen hinsichtlich der Anordnung der Absonderung eingeräumt. Dabei ist auch die Absonderung von ansteckungsverdächtigen grundsätzlich gerechtfertigt (vgl. Kießling, IfSG, 1. Aufl. 2020, § 30 Rn. 19). Die Behörde muss die Infektiosität und Kontagiosität der jeweiligen Krankheit sowie den Wahrscheinlichkeitsgrad einer Verbreitung des Erregers berücksichtigen (vgl. Kießling, IfSG, 1. Aufl. 2020, § 30 Rn. 23).

Davon ausgehend hat der Antragsgegner das ihm eingeräumte Ermessen, soweit es gerichtlich überprüfbar ist (vgl. § 114 Satz 1 VwGO), ermessensfehlerfrei ausgeübt. Er hat die besondere Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus und die daraus resultierenden Gefahren für die Gesamtbevölkerung mit dem Eingriff in die Grundrechte des Antragstellers abgewogen und dabei die Grenzen seines Ermessens nicht überschritten. Insbesondere ist die Anordnung der Absonderung verhältnismäßig.

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Sie dient mit dem Infektionsschutz einem legitimen Zweck und ist zu dessen Erreichung auch geeignet. Weil die Nachverfolgung und Isolierung von Kontaktpersonen eine wesentliche Säule der Pandemiebekämpfung darstellt, ist ein milderes, aber ebenso wirksames Mittel wie die Absonderung in der derzeitigen Situation nicht ersichtlich (vgl. VG München, Beschluss vom 1. April 2021 – 26a S 21.1762 –, juris, Rn. 33). Das gilt angesichts der obigen Ausführungen insbesondere für die Möglichkeit einer „Freitestung“. Schließlich ist die Anordnung der Absonderung auch angemessen. Zwar stellt diese einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte des Antragstellers dar. Diesem steht jedoch der Schutz von Gesundheit und Leben der Allgemeinheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und der Schutz des öffentlichen Gesundheitssystems vor einer Überlastung bei ungehinderter Ausbreitung des Infektionsgeschehens gegenüber. Angesichts der aus dem Unterlassen erforderlicher Schutzmaßnahmen möglicherweise resultierenden gravierenden und irreversiblen Folgen steht der Eingriff nicht außer Verhältnis zu dem damit verfolgten Zweck. Das Robert-Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung trotz sinkender Inzidenzwerte nach wie vor als sehr hoch ein (RKI, Risikobewertung zu COVID-19, Stand 19. Mai 2021, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html/)

Der Antragsgegner ist Rahmen der Ermessensausübung nicht gehalten, von der Anordnung einer Absonderung bei dem Antragsteller als Ansteckungsverdächtigen abzusehen, weil der Antragsteller für den angeordneten Zeitraum nicht seiner für das Gesundheitswesen wichtigen Tätigkeit, insbesondere bei der rechtzeitigen Diagnostik und Behandlung häufig risikobehafteter kardiologischer Erkrankungen, nachgehen kann. Die auf Grundlage des festgestellten Ansteckungsverdachts angeordnete Quarantäne soll alle in Frage kommenden Kontaktpersonen vor einer Ansteckung schützen, dazu gehören auch die Patienten des Antragstellers. Darüber hinaus soll durch die angeordnete Quarantäne allgemein die Weiterverbreitung des Virus über andere Personen verhindert werden. Durch Schutzmaßnahmen innerhalb der Praxis kann das Risiko zwar vermindert, jedoch nicht hinreichend ausgeschlossen werden. Hinzu tritt, dass der Eingriff nur von zeitlich begrenzter Dauer ist. Der Antragsgegner hat die Maßnahmen bis zum 26. Mai 2021 befristet, also bis 14 Tage nach dem Kontakt mit der infizierten Person, der längsten angenommenen Inkubationszeit.

Angesichts der offensichtlichen Rechtmäßigkeit der Anordnung der Absonderung sind das Tätigkeitsverbot, das auf § 28 Abs. 1 IfSG in Verbindung mit § 31 IfSG gestützt werden kann und die weniger grundrechtsbelastende Anordnung einer Beobachtung des Antragstellers nach § 29 IfSG ebenfalls offensichtlich rechtmäßig.

Die Streitwertentscheidung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG. Das Gericht hat dabei auf den gesetzlichen Auffangwert abgestellt, nicht auf den möglichen wirtschaftlichen Verlust des Antragstellers, der durch noch nicht konkret feststellbare Entschädigungsansprüche gegenwärtig nicht genau bezifferbar ist.

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